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Urteil Kantonsgericht Graubünden (GR)

Zusammenfassung des Urteils SK2-15-30: Kantonsgericht Graubünden

Der Beschwerdeführer X. wurde vom Jugendgericht des Bezirks Hinterrhein wegen verschiedener Straftaten schuldig gesprochen und zu einer Unterbringung und ambulanten Behandlung verurteilt. Nach einer positiven Entwicklung wurde die Unterbringung aufgehoben, jedoch die ambulante Behandlung weitergeführt. X. trat eine Arbeitsstelle an, war jedoch vorübergehend arbeitsunfähig aufgrund eines Unfalls. Trotz seiner Beschwerde gegen die Weiterführung der ambulanten Behandlung wurde entschieden, dass diese weitergeführt werden soll, da X. nach wie vor therapiebedürftig ist und Probleme mit Betäubungsmitteln hat. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens in Höhe von CHF 500 trägt X.

Urteilsdetails des Kantongerichts SK2-15-30

Kanton:GR
Fallnummer:SK2-15-30
Instanz:Kantonsgericht Graubünden
Abteilung:-
Kantonsgericht Graubünden Entscheid SK2-15-30 vom 17.11.2015 (GR)
Datum:17.11.2015
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Weiterführung der ambulanten Behandlung
Schlagwörter : Behandlung; Unterbringung; Therapie; Betreuung; Jugendheim; Weiterführung; Störung; Verfahren; Graubünden; Sinne; Schutzmassnahme; Betäubungsmittel; Verfügung; Entwicklung; Marihuana; Woche; Kantonsgericht; Voraussetzung; Konsum; Cannabis
Rechtsnorm:Art. 390 StPO ;Art. 393 StPO ;Art. 396 StPO ;Art. 397 StPO ;Art. 427 StPO ;
Referenz BGE:-
Kommentar:
Schweizer, Jositsch, Kommentar Schweizerische Jugendstrafpro- zessordnung, Zürich, Art. 39 OR, 2010
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017

Entscheid des Kantongerichts SK2-15-30

Kantonsgericht von Graubünden
Dretgira chantunala dal Grischun
Tribunale cantonale dei Grigioni

Ref.:
Chur, 17. November 2015
Schriftlich mitgeteilt am:
SK2 15 30
18. November 2015
Beschluss

II. Strafkammer
Vorsitz
Hubert
RichterInnen
Pritzi und Schnyder
Aktuarin
Thöny

In der strafrechtlichen Beschwerde
des X.___, Beschwerdeführer,

gegen

die Verfügung der Staatsanwaltschaft Graubünden vom 23. September 2015, mit-
geteilt am 23. September 2015, in Sachen gegen den Beschwerdeführer,
betreffend Weiterführung der ambulanten Behandlung
gemäss Art. 14 JStG,
hat sich ergeben:

I. Sachverhalt
A.
Mit Urteil des Jugendgerichts des Bezirks Hinterrhein vom 1. Juni 2011
wurde X.___ des Diebstahls, der mehrfachen Sachbeschädigung, des Haus-
friedensbruchs, der Störung des öffentlichen Verkehrs, der Störung des Eisen-
bahnverkehrs, der mehrfachen Verletzung von Verkehrsregeln sowie der mehrfa-
chen Übertretung gegen das Betäubungsmittelgesetz schuldig gesprochen. Es
wurde eine Unterbringung im Sinne von Art. 15 Abs. 1 JStG sowie eine ambulante
psychotherapeutische Behandlung im Sinne von Art. 14 Abs. 1 JStG angeordnet.
B.
Der Vollzug der angeordneten Unterbringung erfolgte anfänglich bei einer
Pflegefamilie und ab dem 23. Mai 2011 im Jugendheim O.1___. X.___ wurde
im gleichen Zeitraum im Sinne einer ambulanten psychotherapeutischen Behand-
lung vom heiminternen psychologischen Dienst des Jugendheims O.1___ be-
treut. Anlässlich der Abschluss-Standortbestimmung vom 24. Juni 2015 wurde
festgestellt, dass X.___ die Lehrabschlussprüfung als Maler bestanden hatte
und Aussicht auf einen temporären Arbeitseinsatz habe, welcher sodann bewilligt
wurde. Weiter wurde entschieden, dass eine Aufhebung der Unterbringung erst in
Frage komme, wenn X.___ über ein geregeltes Arbeitsverhältnis mit entspre-
chenden Tagesstrukturen verfüge.
C.
Am 6. Juli 2015 konnte X.___ eine Arbeitsstelle im Malergeschäft
A.___ in O.2___ antreten. Seit einem Verkehrsunfall am 9. August 2015 ist er
vorübergehend arbeitsunfähig. Er ist seit Antritt der Arbeitsstelle bei seiner Mutter
in O.3___ wohnhaft.
D.
Nach Durchführung einer weiteren Standortbestimmung verfügte die Ju-
gendstaatsanwaltschaft Graubünden mit Verfügung vom 23. September 2015 wie
folgt:
"1. Die gegenüber X.___ angeordnete Unterbringung gemäss Art. 15
Abs. 1 JStG wird per 31. August 2015 aufgehoben.
2.
Gestützt auf Art. 13 JStG wird eine persönliche Betreuung angeordnet.
Mit der persönlichen Betreuung wird B.___, Amt für Justizvollzug
Graubünden, beauftragt.

3.
Die gegenüber X.___ angeordnete ambulante Behandlung gemäss
Art. 14 JStG wird weitergeführt.

4.
Das mit Verfügung vom 28. November 2012 angeordnete und mit
Schreiben vom 16. Juli 2013 reduzierte Rayonverbot wird aufgehoben.

5.
Es werden keine Verfahrenskosten erhoben.
6.
(Rechtsmittelbelehrung).
Seite 2 — 12

7.
(Mitteilung)."
Zur Begründung wurde ausgeführt, dass X.___ die Auflage eines geregelten
Arbeitsverhältnisses mit einer geregelten Wohnstruktur erfülle. Zwar sei er zurzeit
nach einem Unfall nicht arbeitsfähig, werde aber die Arbeitstätigkeit nach seiner
Genesung im Malerbetrieb A.___ weiterführen können. Auch werde er weiterhin
bei seiner Mutter wohnhaft sein. Er habe eine derart positive Entwicklung gezeigt,
dass die Schutzmassnahme der Unterbringung ihren Zweck erreicht habe und
aufgehoben werden könne. Es scheine jedoch angezeigt, ihn weiterhin in seinen
Bemühungen um ein geregeltes und strukturiertes Arbeitsund Privatleben zu un-
terstützen, weshalb anstelle der Unterbringung eine persönliche Betreuung ge-
mäss Art. 13 JStG angeordnet werde. Da die Therapiebedürftigkeit von X.___
weiterhin hoch sei, werde die mit Urteil des Jugendgerichts des Bezirksgerichts
Hinterrhein vom 1. Juni 2011 angeordnete ambulante Massnahme weitergeführt.
E.
Gegen diese Verfügung erhob X.___ mit Eingabe vom 30. September
2015 (Poststempel) beim Kantonsgericht von Graubünden Beschwerde, wobei
sich diese ausdrücklich nur gegen die Weiterführung der ambulanten Behandlung
richtet. Er habe aus seinen Fehlern gelernt und sei daran, sich eine Existenz auf-
zubauen. Er sei dankbar für seine Arbeitsstelle und arbeite mit Spass und Gewis-
senhaftigkeit. Nach 4 ½ Jahren mit wöchentlich einer Therapie sei er therapiemü-
de. Die Gespräche gäben ihm das Gefühl, nicht normal und nicht frei zu sein. Er
werde ja schon von B.___ persönlich betreut, weshalb er vorschlage, die ambu-
lante Behandlung vorerst auszusetzen. Dies würde ihm das Gefühlt geben, frei
und gesund zu sein, was eine wichtige Triebfeder für den Aufbau eines recht-
schaffenen Lebens sei. Er sei gerne bereit, einmal pro Semester ein Standortge-
spräch mit seiner bisherigen Therapeutin zu führen. Auch sei er damit einverstan-
den, dass B.___ die Möglichkeit habe, bei Bedarf einzugreifen und ihn trotzdem
zur Therapie zu schicken, falls er nicht reüssiere.
F.
Mit Stellungnahme vom 9. Oktober 2015 verwies das Jugendheim
O.1___ auf die Einschätzung der Leiterin des internen therapeutischen Diens-
tes, Monica Imhof. Danach sei X.___ therapiebedürftig und benötige eine enge
Begleitung mit regelmässigen (wöchentlichen) Gesprächen. Diese Gespräche sei-
en als Strukturierungsmöglichkeit zu nutzen, um so ein Überborden zu vermeiden.
Jedoch zeige sich X.___ inhaltlich bis anhin fast durchgehend beratungsresis-
tent. Eine Weiterführung der ambulanten Massnahme im Sinn der Therapie mache
wenig Sinn, wenn genau dieser Bereich im Verlaufe der stationären Massnahme
kaum in einen kontinuierlichen Prozess habe geführt werden können. Die Idee mit
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der Betreuung durch B.___ in den alltagspraktischen Bereichen scheine unter-
stützungswürdig, wobei diese Gespräche möglicherweise noch intensiviert werden
sollten. Die halbjährige Standortbestimmung bei der bisherigen Therapeutin werde
demgegenüber als wenig zielführend erachtet.
G.
In ihrer Vernehmlassung vom 14. Oktober 2015 beantragte die Staatsan-
waltschaft Graubünden die Abweisung der Beschwerde. Die vergangenen Wo-
chen hätten aufgezeigt, dass die Anordnung sowohl der persönlichen Betreuung
wie auch die Weiterführung der ambulanten Behandlung angezeigt und dringend
notwendig seien. Der positive negative Verlauf der Unterbringung von
X.___ sei in den vergangenen Jahren unter anderem erheblich von der Intensi-
tät seines Marihuanakonsums abhängig gewesen. Den Akten sei zu entnehmen,
dass er wieder vermehrt Marihuana konsumiere, wobei die Auswirkungen bereits
in seiner derzeitigen Lebensgestaltung beobachtet werden könnten. Er sei in ein
weiteres Strafverfahren verwickelt, seine Zuverlässigkeit in der Wahrnehmung von
Terminen mit dem Amt für Justizvollzug nehme ab, er nehme die mit ihm verein-
barten Aufgaben nicht in Angriff und auferlege sich keinen strukturierten Tagesab-
lauf. Gestützt darauf sowie aufgrund der festgestellten Persönlichkeitsstörung so-
wie des gemäss Therapeutin beschriebenen Persönlichkeitsprofils seien Gesprä-
che mit einer psychologisch geschulten Fachperson weiterhin unabdingbar.
Auf die weitergehenden Ausführungen in der angefochtenen Verfügung sowie in
der Rechtschrift und den Stellungnahmen wird, soweit erforderlich, in den nachfol-
genden Erwägungen eingegangen.
II. Erwägungen
1.
Änderungen und Beendigungen von Schutzmassnahmen im Sinne der Art.
12 ff. des Jugendstrafgesetzes (JStG; SR 311.1) können gemäss Art. 43 der Ju-
gendstrafprozessordnung (JStPO; SR 312.1) mittels Beschwerde angefochten
werden. Beschwerdeinstanz ist das Kantonsgericht von Graubünden (Art. 22 des
Einführungsgesetzes zur Schweizerischen Strafprozessordnung [EGzStPO; BR
350.100]). Die Zuständigkeit der II. Strafkammer des Kantonsgerichts von Grau-
bünden als Beschwerdeinstanz ergibt sich aus Art. 10 Abs. 2 der Kantonsgerichts-
verordnung (KGV; BR 173.110). Die Zulässigkeit der Beschwerde und die Be-
schwerdegründe richten sich gestützt auf Art. 39 JStPO nach Art. 393 StPO. Die
Beschwerde ist innert 10 Tagen schriftlich und begründet bei der Beschwer-
deinstanz einzureichen (Art. 396 Abs. 1 StPO). Nachdem die angefochtene Verfü-
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gung der Jugendstaatsanwaltschaft am 23. September 2015 mitgeteilt wurde und
die dagegen erhobene Beschwerde am 30. September 2015 (Poststempel) schrift-
lich und begründet zuhanden der Beschwerdeinstanz eingereicht wurde, erfolgte
diese formund fristgerecht, weshalb darauf einzutreten ist.
2.
Das Beschwerdeverfahren ist unter Vorbehalt von Art. 390 Abs. 5 StPO ein
schriftliches und nicht öffentliches Verfahren (Art. 397 Abs. 1 StPO). Mit der Be-
schwerde können alle Mängel der angefochtenen Verfügung Verfahrens-
handlung geltend gemacht werden (Art. 393 Abs. 2 StPO). Insbesondere lässt die
Beschwerde die Rüge der Sachverhaltsermittlung, der Rechtsanwendung wie
auch der Ermessensausübung zu. Demnach können Rechtsverletzungen, ein-
schliesslich Ermessensmissbrauch -überschreitung, Rechtsverweigerung und
-verzögerung wie auch die unvollständige unrichtige Feststellung des Sach-
verhalts gerügt werden. Damit sind auch neue Tatsachenbehauptungen und Be-
weise zulässig (vgl. Jositsch et al., Kommentar Schweizerische Jugendstrafpro-
zessordnung, Zürich/St. Gallen 2010, N. 3 zu Art. 39). Die Rechtsmittelinstanz ver-
fügt über eine volle Kognition und ist befugt und verpflichtet, die ihr unterbreitete
Sache frei und umfassend zu prüfen.
3.
Die vorliegende Beschwerde richtet sich einzig gegen die Anordnung der
ambulanten Behandlung gemäss Art. 14 JStG (Ziff. 3 des Dispositivs). Nicht ange-
fochten wurden demgegenüber die Aufhebung der Unterbringung (Ziff. 1) und des
Rayonsverbots (Ziff. 4) sowie die Anordnung der persönlichen Betreuung gestützt
auf Art. 13 JStG (Ziff. 2). Diese letztgenannten Punkte sind damit in Rechtskraft
erwachsen.
4.a)
Art. 10 Abs. 1 JStG regelt, dass die urteilende Behörde die nach den Um-
ständen erforderlichen Schutzmassnahmen anordnet, wenn der Jugendliche eine
mit Strafe bedrohte Tat begangen hat und die Abklärung ergibt, dass er einer be-
sonderen erzieherischen Betreuung therapeutischen Behandlung bedarf, un-
abhängig davon, ob er schuldhaft gehandelt hat. Im Einzelfall gilt die allgemeine
Voraussetzung jeder Schutzmassnahme, dass sie geeignet sein muss, die not-
wendige erzieherische Betreuung therapeutische Behandlung sicherzustel-
len. Ferner muss sie erforderlich sein und auch ausreichend, um der Gefährdung
begegnen zu können (vgl. Gürber/Hug/Schläfli in: Niggli/Wiprächtiger [Hrsg.], Bas-
ler Kommentar Strafrecht I, 3. Auflage, Basel 2013, N. 3 ff. zu Art. 10 JStG). Im
Unterschied zu den anderen Schutzmassnahmen, bei denen in erster Linie der
Erziehungsgedanke im Vordergrund steht, verlangt das Gesetz als Voraussetzung
für die Anordnung einer ambulanten Behandlung nach Art. 14 JStG, dass der Ju-
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gendliche unter bestimmten (pathologischen) Störungen Defiziten leidet. Es
muss sich um eine psychische Störung handeln, um eine Beeinträchtigung seiner
Persönlichkeitsentwicklung eine Abhängigkeit von Suchtstoffen Medi-
kamenten. Nicht erforderlich ist, dass die begangene Straftat im Zusammenhang
mit diesen Störungen steht. Aus dem Gesetzestext von Art. 9 Abs. 3 JStG ergibt
sich, dass eine medizinische psychologische Begutachtung für die Anord-
nung einer ambulanten Behandlung nicht zwingend ist (vgl. zum Ganzen
Gürber/Hug/Schläfli, a.a.O., N. 3 ff. zu Art. 14 JStG; Marcel Riesen-Kupper in: Do-
natsch et al. [Hrsg.], Kommentar StGB, 19. Auflage, Zürich 2013, N. 3 zu Art. 9
und N. 2 ff. zu Art. 14).
b)
X.___ wurde mit Urteil des Jugendgerichts des Bezirks Hinterrhein vom
1. Juni 2011 wegen Diebstahls, mehrfacher Sachbeschädigung, Hausfriedens-
bruchs, Störung des öffentlichen Verkehrs und Störung des Eisenbahnverkehrs,
mehrfacher Übertretung gegen das Betäubungsmittelgesetz etc. rechtskräftig ver-
urteilt (Strafakten act. 1.62). Bereits im damaligen Strafverfahren wurde anlässlich
einer psychiatrischen Begutachtung festgestellt, dass beim Beschwerdeführer eine
beeinträchtigte Persönlichkeitsentwicklung und eine erzieherische Fehlentwicklung
sowie eine Störung des Sozialverhaltens und eine Tabakabhängigkeit bestanden.
Aus diesem Grund wurde eine Unterbringung im Sinne von Art. 15 Abs. 1 JStG
angeordnet. Um die dissozialen Einstellungen von X.___ zu hinterfragen und zu
verändern, wurde mit der Unterbringung auch eine ambulante Behandlung im Sin-
ne von Art. 14 Abs. 1 JStG verbunden. Die Voraussetzungen hierfür waren nach
der vorstehend beschriebenen Diagnose zweifellos erfüllt. Die ambulante psycho-
therapeutische Behandlung wurde in der Folge durch das Jugendheim O.1___
intern durchgeführt. Im vorliegenden Beschwerdeverfahren stellt sich nun die Fra-
ge, ob die Voraussetzungen für die Weiterführung dieser Schutzmassnahme auch
im jetzigen Zeitpunkt, nach Aufhebung der Unterbringung, nach wie vor gegeben
sind, insbesondere ob diese aktuell noch immer geeignet, erforderlich und verhält-
nismässig ist.
5.
Die Notwendigkeit der Weiterführung der ambulanten Massnahme wurde in
der angefochtenen Verfügung zum einen mit dem heiklen Umgang mit Betäu-
bungsmitteln von X.___ begründet. Dieses Problem besteht seit Anbeginn der
Unterbringung und hat sich, wie die nachfolgenden Ausführungen zeigen, in den
letzten Monaten weiter verstärkt.
a)
Am 7. August 2014 konnte X.___ von der Bewährungsgruppe C.___
(BWG) im Jugendheim O.1___ in die Aussenwohngruppe (AWG) des Jugend-
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heims übertreten (vgl. act. 32). Die Heimleitung erhoffte sich, dass ein Wechsel
des pädagogischen Rahmens im Sinne einer paradoxen Intervention die Motivati-
on von X.___ steigern würde. Dies insbesondere auch hinsichtlich des immer
wiederkehrenden Betäubungsmittelkonsums, welcher X.___ damit begründete,
dass er sich im Jugendlichenmilieu der Wohngruppe diesbezüglich nicht abgren-
zen könne (vgl. act. 33). Dennoch wurde er bereits eine Woche nach Übertritt mit
ca. 8 Gramm Marihuana erwischt. In der Folge gab er mehrfach positive Urinpro-
ben auf THC ab, welche zunächst zu einem schriftlichen Verweis (vgl. act. 34), zu
einer Einschliessung und schliesslich sogar zu einer vorübergehenden Rückver-
setzung in die BWG C.___ führten (vgl. act. 35). Anlässlich der Standortbe-
stimmung vom 16. Dezember 2014 gab er an, bestenfalls noch am Wochenende
THC zu konsumieren respektive ganz mit dem Konsum aufgehört zu haben (vgl.
act. 35). Trotz dieser Beteuerung kam es bereits am 1. Februar 2015 zu einer er-
neuten Einschliessung aufgrund einer unerlaubten Übernachtung auf der Wohn-
gruppe mit anschliessendem Cannabiskonsum (vgl. act. 36). Aufgrund diverser
Verwarnungen wurde er schliesslich wiederum in die BGW C.___ zurückver-
setzt, woraufhin sämtliche nachfolgenden Drogentests positiv auf THC ausfielen.
Aufgrund der daraus resultierenden Konsequenzen begab sich X.___ am 20.
Februar 2015 auf die Flucht und kehrte erst am 2. März 2015 wieder ins Jugend-
heim O.1___ zurück (vgl. act. 43). Bis zur Standortbestimmung vom 24. Juni
2015 waren in jedem Monat des zurückliegenden Quartals ein bis zwei Ergebnisse
des Drogentests positiv auf THC (vgl. act. 45). Dabei wurde vermutet, dass die
Konsumhäufigkeit noch höher sei, zumal aufgrund von Verweigerung, Fluchten
und anderen Abwesenheiten nicht wöchentlich Kontrollen durchgeführt werden
konnten. Zwischenzeitlich wurde er sogar von der Berufsschule suspendiert, weil
er beim letzten Berufsschulbesuch unter Cannabiseinfluss stand (vgl. act. 53). Im
Zusammenhang mit einem Verkehrsunfall wurde X.___ sodann am 28. Sep-
tember 2015 von der Kantonspolizei Graubünden einvernommen (act. E.4). Dabei
wurde ihm vorgehalten, in seinem Helm, welcher an der Unfallstelle aufgefunden
worden war, einen Minigrip mit Marihuana versteckt zu haben. X.___ gab zu
Protokoll, dass dieser nicht ihm gehöre. Ausserdem wurde ihm mitgeteilt, dass
aufgrund des quantitativen und qualitativen THC-Nachweises die Voraussetzun-
gen für die Fahrunfähigkeit im Sinne des Gesetzes gegeben seien. Daraufhin gab
er zu, zwar die Vortage gekifft zu haben, nicht aber am Unfalltag. Der THC-
Nachweis sei wahrscheinlich darauf zurückzuführen, dass er am Vortrag zu viel
Marihuana konsumiert habe. Auf die Frage hin, ob er Betäubungsmittel konsumie-
re, führte X.___ lediglich aus, dass er Marihuana und Kokain ein bis zwei Mal
probiert habe. Er konsumiere seit mehr als fünf Jahren Cannabis. Kokain habe er
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das erste Mal mit 18 Jahren konsumiert und ein weiteres Mal am Freitag, den 7.
August 2015 auf der Toilette eines Restaurants in O.3___. Cannabis habe er
letztmals am 25. September 2015 konsumiert. Er habe den Umgang mit Cannabis
ziemlich unter Kontrolle. Er könne am Wochenende kiffen, dann aber auch für ein
paar Wochen nicht mehr. Er konsumiere weder regelmässig noch unregelmässig.
Durchschnittlich rauche er zwei bis drei Joints pro Woche. Aber wenn er konsu-
miere, dann richtig. Das Marihuana rauche er, auf eine andere Art konsumiere er
es nicht.
b)
Im Schlussbericht des Jugendheims O.1___ (vgl. act. 53) wurde darauf
hingewiesen, dass X.___ trotz zeitweiliger Kontrolle seines Konsums starke An-
zeichen von Abhängigkeit zeige. Zum Ende des Aufenthalts im Jugendheim habe
er seinen Konsum kaum noch kontrollieren können. Bis zu seinem Austritt am 31.
August 2015 sei eine negative Entwicklung zu beobachten gewesen, da sein Kon-
sum insbesondere im letzten Aufenthaltsjahr deutlich zugenommen habe. Sein
Cannabiskonsum sei ein Risikofaktor, der nicht ausser Acht gelassen werden soll-
te. Übermässiger Konsum schränke ihn stark in seiner Leistungsfähigkeit und in
seiner Verantwortlichkeit ein. Regelmässige Drogentests wären geeignet, um dem
entgegenzuwirken. Diese Einschätzung hat sich, wie sich anhand der Akten nach-
vollziehen lässt, bestätigt. Der vermehrte Betäubungsmittelkonsum hat dazu ge-
führt, dass X.___ erneut in ein Strafverfahren verwickelt ist. Auch nahm seine
Zuverlässigkeit in der Wahrnehmung von Terminen mit dem Amt für Justizvollzug
gemäss Stellungnahme der Staatsanwaltschaft (act. A.3) ab. Er nehme die mit ihm
vereinbarten Aufgaben nicht in Angriff und auferlege sich keine strukturierten Ta-
gesabläufe. Seine Beteuerungen, den Konsum im Griff zu haben gar damit
aufzuhören, erwiesen sich als leere Versprechen. Bereits aus diesen Gründen
erscheint eine persönliche Betreuung für sich allein, wie X.___ vorschlägt, nicht
ausreichend. Vielmehr zeigen gerade die Nachlässigkeiten der letzten Wochen,
dass eine regelmässige Behandlung durch eine Fachperson unumgänglich ist. In
Bezug auf den Betäubungsmittelkonsum hat sich X.___ seit dem Austritt aus
dem Jugendheim O.1___ offenkundig noch nicht bewährt, weshalb die Aufhe-
bung der Schutzmassnahme als verfrüht erscheint.
6.
Ein weiterer Grund für die Anordnung und Weiterführung der ambulanten
Behandlung war die gutachterlich festgestellte Beeinträchtigung der Persönlich-
keitsentwicklung sowie die Störung des Sozialverhaltens, welche regelmässige
therapeutische Betreuung erforderlich machten. Auch hinsichtlich dieses Punktes
haben sich die Verhältnisse in den letzten Wochen nicht derart stabilisiert, als
dass eine Aufhebung der Schutzmassnahme in Betracht gezogen werden könnte.
Seite 8 — 12

a)
Aus dem Schlussbericht des Jugendheims O.1___ (vgl. act. 53) geht
hervor, dass im Verlaufe des 4. Quartals 2014 mangelnde Transparenz und Ver-
bindlichkeit seitens von X.___ immer mehr in den Vordergrund rückten, weshalb
die Termine aufgrund ungenügender Therapiemotivation ausgesetzt wurden. Er
neige zu Bagatellisierungen und auch dazu, Geschichten zu seinen Gunsten zu
drehen. Seine eigenen Anteile sehe er nur am Rande und auch nur eher kognitiv
und nicht emotional verwurzelt. Er externalisiere gerne und finde Ausflüchte für
sein Verhalten. Die Therapiebedürftigkeit sei hoch. Die mögliche Delinquenz wer-
de aufgrund seines Persönlichkeitsprofils im Bereich von Betrügereien gesehen,
vor allem was "ausgeprägtes Instrumentalisieren, Manipulieren anderer Men-
schen, mangelnde Transparenz und Offenheit sowie die Neigung, Grenzen nicht
zu respektieren, Skrupellosigkeit, sensation seeking, mangelnde Empathiefähig-
keit, ausgeprägte Intelligenz" anbelange. Auch sehe er wenig Sinn, sich von Leu-
ten zu distanzieren, die eine delinquenzfördernde Ansicht und den demenspre-
chenden Lebensstil pflegten. Dementsprechend werde empfohlen, eine Form von
enger Begleitung mit regelmässigen Gesprächen fortzusetzen. Auch in der Stel-
lungnahme des Jugendheims O.1___ vom 9. Oktober 2015 (act. A.2) wurde die
Therapiebedürftigkeit von X.___ grundsätzlich bejaht, wobei darauf hingewiesen
wurde, dass sich dieser oft nur widerstrebend auf die Therapie eingelassen und
weniger als die Hälfte der angebotenen Termine schlussendlich auch wahrge-
nommen habe. Er sei entgegen seiner eigenen Ausführungen vielmehr therapie-
unwillig denn therapiemüde. Aus diesem Grund wurde die Weiterführung der am-
bulanten Therapie als wenig sinnvoll erachtet. Diesbezüglich ist jedoch anzumer-
ken, dass diese Einschätzung gestützt auf die Erfahrungen aus der Zeit der Un-
terbringung und nicht aus der Beurteilung der aktuellen Situation erfolgte.
b)
Aufgrund der Entwicklungen in jüngster Zeit muss davon ausgegangen
werden, dass sich X.___ noch nicht soweit stabilisiert hat, als dass auf eine the-
rapeutische Betreuung verzichtet werden könnte. Gerade nach dem unfallbeding-
ten Unterbruch der Erwerbstätigkeit, welche ihn dazu verleitete, in alte Muster zu
verfallen und vermehrt Betäubungsmittel zu konsumieren, ist es wichtig, unter
fachlicher Mithilfe wieder einen geordneten Tagesablauf anzustreben und weitere
Fortschritte im Hinblick auf ein geregeltes und deliktfreies Leben zu erzielen. Dies
fällt ihm, wie die Vergangenheit gezeigt hat, aufgrund der diagnostizierten Störun-
gen schwer. Es bestehen gewichtige Anzeichen dafür, dass er zum aktuellen Zeit-
punkt noch nicht in der Lage ist, dieses Ziel alleine und ohne engmaschige Be-
treuung durch eine Fachperson zu erreichen. Die wertvolle Betreuung durch
B.___, welcher insbesondere in alltagspraktischen Belangen behilflich ist, ver-
Seite 9 — 12

mag alleine nicht zu genügen. Wie die Staatsanwaltschaft in ihrer Stellungnahme
vom 14. Oktober 2015 nachvollziehbar darlegt, soll X.___ in der jetzigen Phase
mit allen fachlichen Mitteln im weiteren Erlernen der laut Gutachter angestrebten
Veränderung der Persönlichkeitsstrukturen sowie gesellschaftlichen Integration
unterstützt werden. Seine Entwicklungen und seine entsprechenden Fähigkeiten
sind noch nicht derart fortgeschritten, dass der Zweck der angeordneten ambulan-
ten Behandlung gemäss Art. 14 JStG erreicht wäre.
7.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass sowohl aufgrund der Beeinträchti-
gung der Persönlichkeitsentwicklung, insbesondere aber auch wegen des ange-
stiegenen Betäubungsmittelkonsums im jetzigen Zeitpunkt die angeordnete ambu-
lante Behandlung im Sinne von Art. 14 JStG noch nicht aufgehoben werden kann.
Die Voraussetzungen hierfür sind nach wie vor gegeben und die Weiterführung
erscheint unter Berücksichtigung der aktuellen Umstände als geeignet, erforderlich
und verhältnismässig. Die Beschwerde ist demzufolge abzuweisen. Zwar ist der
Wunsch von X.___, frei zu sein, durchaus nachvollziehbar. Mit der Aufhebung
der Unterbringung wurde der erste Schritt hierfür gemacht. Jetzt liegt es an
X.___ zu beweisen, dass er mit der dadurch gewonnenen Freiheit umgehen
und die Vergangenheit hinter sich lassen kann. Seinen Bedenken, er habe auf-
grund seiner Arbeitsstelle keine Zeit für Therapiesitzungen, kann dadurch Rech-
nung getragen werden, dass die Termine für die Therapiegespräche jeweils unter
Berücksichtigung seiner Arbeitsverpflichtungen vereinbart werden. In diesem Zu-
sammenhang erscheint auch der Hinweis der Staatsanwaltschaft (act. A.3) als
wichtig, wonach regelmässig Standortbestimmungen durchgeführt und die
Zweckmässigkeit und der Erfolg einer Massnahme überprüft würden. Die Häufig-
keit von Therapiegesprächen werde von der Entwicklung von X.___ sowie der
Dringlichkeit und der Aktualität von zu behandelnden Themen angepasst. Er steu-
re somit die Häufigkeit und Dauer der Therapiegespräche mit dem Verlauf seiner
weiteren Entwicklung zu einem grossen Teil selber. X.___ kann nur nochmals
eindringlich nahegelegt werden, sich inskünftig an Abmachungen mit den ihn be-
treuenden Personen zu halten und aktiv an einer positiven Entwicklung mitzuwir-
ken, damit in absehbarer Zukunft auch die ambulante Behandlung nicht mehr er-
forderlich sein wird.
8.
Gemäss Art. 427 StPO tragen die Parteien die Kosten des Rechtsmittelver-
fahrens nach Massgabe ihres Obsiegens Unterliegens. Der Gebührenrah-
men für gerichtliche Verfahren wird durch das Kantonsgericht geregelt (Art. 37
Abs. 4 lit. b EGzStPO). Die Gebühren im konkreten Einzelfall bemessen sich nach
dem Aufwand und den wirtschaftlichen Verhältnissen der kostenpflichtigen Person
Seite 10 — 12

(Art. 37 Abs. 2 EGzStPO). Im vorliegenden Fall ist X.___ mit seiner Beschwerde
vollumfänglich unterlegen, weshalb er kostenpflichtig wird. Der Gebührenrahmen
für Entscheide im Beschwerdeverfahren beträgt gemäss Art. 8 der Verordnung
über die Gerichtsgebühren im Strafverfahren (VGS; BR 350.210) Fr. 1'000.-bis
Fr. 5'000.--, wobei in Strafverfahren gemäss JStPO der für den Erwachsenenstraf-
prozess geltende Gebührenrahmen um die Hälfte zu reduzieren ist (Art. 11 VGS).
In Anbetracht des Aufwands und den wirtschaftlichen Verhältnissen von X.___
wird eine Gerichtsgebühr am untersten Ende des Gebührenrahmens, damit in Hö-
he von Fr. 500.--, erhoben und diese dem unterliegenden Beschwerdeführer auf-
erlegt.
Seite 11 — 12

III. Demnach wird erkannt:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens von Fr. 500.-gehen zu Lasten des
Beschwerdeführers.
3.
Gegen diese Entscheidung kann gemäss Art. 78 ff. BGG Beschwerde in
Strafsachen an das Bundesgericht geführt werden. Die Beschwerde ist dem
Schweizerischen Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, schriftlich innert 30
Tagen seit Eröffnung der vollständigen Ausfertigung der Entscheidung in
der gemäss Art. 42 f. BGG vorgeschriebenen Weise einzureichen. Für die
Zulässigkeit, die Beschwerdelegitimation, die weiteren Voraussetzungen
und das Verfahren der Beschwerde gelten die Art. 29 ff., 78 ff. und 90 ff.
BGG.
4.
Mitteilung an:


Seite 12 — 12

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

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