Der Beschwerdeführer X wurde wegen Verletzung von Verkehrsregeln angeklagt, nachdem es am 14. Juni 2009 zu einem Verkehrsunfall kam, an dem er beteiligt war. Er erhob Einspruch gegen das Strafmandat und argumentierte, dass die Strafuntersuchung nicht vom Bezirksgerichtspräsidenten Maloja durchgeführt werden sollte. Das Kantonsgericht von Graubünden entschied jedoch, dass das Verfahren nach dem alten Verfahrensrecht fortgeführt werden sollte. Letztendlich wurde das Strafverfahren gegen X aufgrund der Verjährung eingestellt, und die Kosten gingen zu Lasten des Kantons Graubünden.
Urteilsdetails des Kantongerichts SK2-12-7
Kanton: | GR |
Fallnummer: | SK2-12-7 |
Instanz: | Kantonsgericht Graubünden |
Abteilung: | - |
Datum: | 18.12.2012 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Verletzung von Verkehrsregeln |
Schlagwörter : | Verfahren; Kanton; Graubünden; Anklage; Recht; Einsprache; Untersuchung; Maloja; Mandat; Kantons; Entscheid; Anklageverfügung; StPO-GR; Verfahrens; Bezirksgerichtspräsident; Verfahren; Befehl; Prozess; Untersuchungs; Prozessordnung; Einsprachen; Staat; Staatsanwaltschaft; Rechtsmittel; Regel; Übertretung |
Rechtsnorm: | Art. 109 StGB ;Art. 139 StPO ;Art. 160 StPO ;Art. 161 StPO ;Art. 175 StPO ;Art. 176a StPO ;Art. 34 SVG ;Art. 355 StPO ;Art. 39 SVG ;Art. 448 StPO ;Art. 453 StPO ;Art. 454 StPO ;Art. 455 StPO ;Art. 70 StGB ;Art. 97 StGB ; |
Referenz BGE: | - |
Kommentar: | Donatsch, Hans, Schmid, Schweizer, Hansjakob, Lieber, Praxis Schweizerische Strafprozessordnung, Zürich, Art. 455 StPO, 2009 Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017 |
Entscheid des Kantongerichts SK2-12-7
Kantonsgericht von Graubünden
Dretgira chantunala dal Grischun
Tribunale cantonale dei Grigioni
____
Ref.:
Chur, 18. Dezember 2012
Schriftlich mitgeteilt am:
SK2 12 7
27. Dezember 2012
Entscheid
II. Strafkammer
Vorsitz
Pritzi
Aktuar ad hoc
Ludwig
In der strafrechtlichen Beschwerde
des X., Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. iur. HSG Andrea
Cantieni, Bahnhofstrasse 8, 7000 Chur,
gegen
die Anklageverfügung des Bezirksgerichtspräsidenten Maloja vom 13. Februar
2012, mitgeteilt am 15. Februar 2012, in Sachen gegen den Beschwerdeführer,
betreffend Verletzung von Verkehrsregeln,
hat sich ergeben:
I. Sachverhalt
A.
Am 14. Juni 2009 kam es auf der Hauptstrasse von A. in Richtung B. zu
einem Verkehrsunfall, in welchen unter anderem auch Motorradlenker X. verwic-
kelt war. Mit Strafmandat vom 1./3. Juni 2010 sprach der Kreispräsident Bergell X.
in der Folge der Verletzung von Verkehrsregeln im Sinne von Art. 34 Abs. 3 SVG
und Art. 39 Abs. 1 und 2 SVG in Verbindung mit Art. 90 Ziffer 1 SVG für schuldig.
B.
Gegen dieses Strafmandat liess X. am 17. Juni 2010 fristgerecht Einspra-
che erheben. Gestützt auf Art. 175 Abs. 1 der Strafprozessordnung des Kantons
Graubünden (im Folgenden: StPO-GR) überwies der Kreispräsident Bergell da-
raufhin die Strafsache an den Bezirksgerichtspräsidenten Maloja zur Durchführung
der Untersuchung nach den Vorschriften über das ordentliche Verfahren.
C. Am 31. Januar 2011 erliess der Bezirksgerichtspräsident Maloja die Schluss-
verfügung und räumte den Parteien die Gelegenheit ein, Akteneinsicht zu nehmen
und Anträge auf Ergänzung der Untersuchung zu stellen. Mit Verfügung vom 28.
Februar 2011 entsprach der Bezirksgerichtspräsident Maloja dem Antrag von X.
um Einholung eines verkehrstechnischen Gutachtens.
D.
Am 13. Februar 2012, mitgeteilt am 15. Februar 2012, erliess der Bezirks-
gerichtspräsident Maloja eine Anklageverfügung, worin er X. wegen Verletzung
von Verkehrsregeln gemäss Art. 34 Abs. 3 SVG und Art. 39 Abs. 1 und 2 SVG in
Verbindung mit Art. 90 Ziff. 1 SVG in Anklagezustand versetzte und die Sache
dem Bezirksgerichtsausschuss Maloja zur Beurteilung überwies.
E.
Gegen diese Anklageverfügung erhob X. am 6. März 2012 Beschwerde an
das Kantonsgericht von Graubünden, worin er beantragte, die Anklageverfügung
vom 13. Februar 2012 sei aufzuheben und die Sache sei zur Durchführung der
Untersuchung und Einstellung, eventualiter zur Anklageerhebung, zuständigkeits-
halber an die Staatsanwaltschaft Graubünden zu überweisen. Die Beschwerde
wurde damit begründet, das Bezirksgerichtspräsidium Maloja sei nicht zuständig,
die Strafuntersuchung zu führen. Es sei nämlich mit dem 1. Januar 2011 die neue
Schweizerische Strafprozessordnung in Kraft getreten, deren Art. 448 vorsehe,
dass zum Zeitpunkt des 1. Januar 2011 hängige Verfahren nach dem neuen Ver-
fahrensrecht fortgeführt werden sollten. Zwar sehe Art. 455 StPO im Falle von
Einsprachen gegen Strafbefehle vor, diese noch nach bisherigem Recht durchzu-
führen. Art. 455 StPO komme jedoch nur zum Tragen, falls das Einspracheverfah-
ren, wie beispielsweise im Kanton Zürich, einem Rechtsmittelverfahren entspre-
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che. Im Kanton Graubünden entspreche die Einsprache gegen einen Strafbefehl
jedoch nicht einem Rechtsmittel, sondern sei ein Rechtsbehelf sui generis, der
dazu führe, dass an die Stelle des durchgeführten summarischen Verfahrens ein
ordentliches Verfahren trete. Es sei vom Gesetzgeber aber nicht beabsichtigt ge-
wesen, dass Art. 455 StPO auch in solchen Fällen zur Anwendung käme, weshalb
dieser Artikel im Falle des Kantons Graubünden unbeachtlich bleiben müsse und
die Übergangsregelung vielmehr nach der allgemeinen Regel des Art. 448 StPO
zum Tragen käme, welcher eine möglichst rasche Anpassung an das neue Ver-
fahrensrecht und damit eine Fortführung hängiger altrechtlicher Verfahren nach
neuem Recht vorsehe. Damit sei ab dem 1. Januar 2011 die Staatsanwaltschaft
Graubünden für die Untersuchung zuständig gewesen, und das Verfahren sei die-
ser Behörde zur Durchführung der Untersuchung zu überweisen.
F.
Auf die weiteren Ausführungen in den Rechtsschriften und in der angefoch-
tenen Anklageverfügung wird, soweit erforderlich, in den nachfolgenden Erwägun-
gen eingegangen.
II. Erwägungen
1.
Angefochten ist eine Anklageverfügung des Bezirksgerichtspräsidenten,
welche in Anwendung von Art. 175 Abs. 1 StPO-GR, also nach dem alten Straf-
verfahrensrecht, erging. Es stellt sich daher die Frage, ob die vorliegende Be-
schwerde ebenfalls nach der alten bündnerischen StPO-GR nach der neuen,
am 1. Januar 2011 in Kraft getretenen schweizerischen StPO entgegenzunehmen
ist. Nach Art. 454 Abs. 1 StPO gilt für Rechtsmittel gegen erstinstanzliche Ent-
scheide, welche nach Inkrafttreten der StPO gefällt wurden, das neue Verfahrens-
recht. Demgegenüber werden nach Art. 453 Abs. 1 StPO die Rechtsmittel gegen
Entscheide, welche vor Inkrafttreten der StPO gefällt wurden, nach dem bisheri-
gen Recht und von den bisher zuständigen Behörden beurteilt. Die angefochtene
Anklageverfügung wurde am 13. Februar 2012, und damit nach Inkrafttreten der
neuen StPO, erlassen. Es fragt sich somit, ob das vorliegende Anfechtungsobjekt
einen „erstinstanzlichen Entscheid“ im Sinne des Art. 454 Abs. 1 StPO darstellt.
Dies ist auf folgendem Grund zu verneinen: Würden auch Amtshandlungen der
Untersuchungsorgane - und als eine solche ist die angefochtene Anklageverfü-
gung zu betrachten von Art. 454 Abs. 1 StPO erfasst, so würde deren Anfech-
tung allenfalls mitten im Untersuchungsverfahren zu einem Wechsel vom bisheri-
gen zum neuen Recht, und damit zu anderen Verfahrensrechten und Zuständig-
keiten, führen. Zur Vermeidung dieses Resultats rechtfertigt es sich daher, unter
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„erstinstanzlichen Entscheiden“ gemäss Art. 454 Abs. 1 StPO nur erstinstanzliche
(Gerichts-)urteile zu verstehen. Ein solches ist die angefochtene Anklageverfü-
gung nicht, weshalb die vorliegende Beschwerde nach Art. 453 Abs. 1 als altrecht-
liche Beschwerde im Sinne des Art. 176a StPO-GR in Verbindung mit Art. 138 und
Art. 139 StPO-GR entgegenzunehmen ist.
2.
Nach Art. 139 Abs. 1 StPO-GR ist zur Beschwerdeführung berechtigt, wer
durch den angefochtenen Entscheid berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse
an seiner Aufhebung Änderung geltend macht. Als Beschuldigter ist X. durch
die gegen ihn erlassene Anklageverfügung zweifellos berührt. Es ist im Weiteren
zu prüfen, ob er auch über ein schutzwürdiges Interesse an der Aufhebung
Änderung der Anklageverfügung verfügt. Ein schutzwürdiges Interesse kann dabei
nicht bestehen, falls es der Entscheidung der Beschwerdeinstanz von vornherein
an der Möglichkeit ermangelt, überhaupt einen Einfluss auf die Rechtsposition der
Rechtsmittel einlegenden Partei ausüben zu können. Das schutzwürdige Interesse
muss sowohl im Anhebungszeitpunkt des gerichtlichen Verfahrens wie auch im
Zeitpunkt der Urteilsfällung vorhanden sein. Vorliegend ist Gegenstand des Ver-
fahrens und der angefochtenen Verfügung ein Sachverhalt, welcher sich am 14.
Juni 2009 ereignet hat. Aufgrund dieses Sachverhalts wurde X. am 13. Februar
2012 wegen Verletzung eines Übertretungstatbestands in Anklagezustand ver-
setzt. Nach Art. 109 StGB verjähren die Strafverfolgung und die Strafe im Fall von
Übertretungen mit Ablauf einer Frist von drei Jahren. Nach Art. 98 lit. a StGB be-
ginnt die Verjährungsfrist mit dem Tag, an welchem der Beschuldigte die ihm zur
Last gelegte Handlung ausgeführt hat, zu laufen. Nach Art. 97 Abs. 3 StGB ver-
hindert ein erstinstanzliches Urteil, welches innert der Verjährungsfrist ergeht,
dass die Verjährung in der Folge überhaupt noch eintritt. Vorliegend ist es aber bis
zum heutigen Tag nicht zu einem erstinstanzlichen Urteil gekommen. Das Straf-
mandat des Kreispräsidenten Bergell vom 1./3. Juni 2010 hätte nur als erstin-
stanzliches Urteil gelten können, falls dagegen keine Einsprache erhoben worden
wäre. Mit Einspracheerhebung des Beschuldigten vom 17. Juni 2010 fiel das
Strafmandat dahin und die Verjährung lief weiter (Hug, in: Donatsch [Hrsg.],
Schweizerisches Strafgesetzbuch, Zürich 2010, Art. 97, N 9; Jaggi, Ist der Strafbe-
fehl ein erstinstanzliches Urteil im Sinne von Art. 70 Abs. 3 StGB, ZStrR 124
(2006), S. 437 ff.). Es ergibt sich daher, dass die Strafverfolgung gegen X. wegen
der ihm zur Last gelegten Übertretung vom 14. Juni 2009 mit Eintritt des 14. Juni
2012 verjährt ist. Es konnte damit ab dem 14. Juni 2012 keine gerichtliche Beurtei-
lung über die X. zur Last gelegte Übertretung mehr stattfinden, womit auch die
Anklageverfügung des Bezirksgerichtspräsidenten Maloja vom 13. Februar 2012
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dahingefallen ist. Damit verfügt der Beschwerdeführer aber auch nicht mehr über
ein schutzwürdiges Interesse an der Aufhebung der besagten Verfügung, womit
die Beschwerde abgeschrieben werden kann. Das vor dem Bezirksgerichtsaus-
schuss Maloja hängige Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer kann damit
eingestellt werden.
3.
Der Klarstellung halber sei im Folgenden dennoch kurz aufgeführt, weshalb
es mit der Vorgehensweise des Bezirksgerichtspräsidenten Maloja im vorliegen-
den Fall, bezüglich der Behandlung der Einsprache gegen das kreispräsidentliche
Strafmandat, entgegen den Ausführungen in der Beschwerdeschrift, seine Rich-
tigkeit hatte. Das Kantonsgericht von Graubünden hat sich nämlich im Vorfeld des
Inkrafttretens des neuen Strafverfahrensrechts mit der Behandlung von Einspra-
chen gegen altrechtliche Strafmandate auseinandergesetzt und eine Weisung an
die rechtsanwendenden Behörden des Kantons Graubünden erlassen, worin es
festgelegt hat, dass im Falle von Einsprachen gegen altrechtliche Strafmandate in
Übertretungsstrafsachen das Verfahren nach der StPO-GR, also nach dem alten
Verfahrensrecht, weiterzuführen ist. Dies aus den folgenden Gründen: Nach Art.
453 Abs. 1 StPO gilt für Rechtsmittel, welche gegen Entscheide, die vor Inkrafttre-
ten der StPO gefällt wurden, das bisherige Recht, und es bleiben die bisher zu-
ständigen Behörden im weiteren Verfahren zuständig. Art. 455 StPO statuiert ex-
plizit, dass dieses Vorgehen nach Art. 453 StPO auch bei Strafbefehlen gilt. Nach
Art. 175 Abs. 1 StPO-GR führt der Bezirksgerichtspräsident als Untersuchungsbe-
hörde im Falle einer Einsprache gegen ein Strafmandat die Untersuchung weiter
und erhebt nach deren Abschluss entweder Anklage stellt das Verfahren ein.
Nach neuem Verfahrensrecht hingegen ist die Sache gemäss Art. 355 StPO nach
einer Einsprache gegen einen Strafbefehl an die Staatsanwaltschaft zurückzuwei-
sen, welche die Untersuchung ergänzt (Abs. 1), und anschliessend entweder am
Strafbefehl festhält (Abs. 3 lit. a), das Verfahren einstellt (Abs. 3 lit. b), einen neu-
en Strafbefehl erlässt (Abs. 3 lit. c) aber Anklage beim erstinstanzlichen Ge-
richt erhebt (Abs. 3 lit. d). Würde daher bei Einsprachen gegen nach altem Recht
ergangene Strafmandate das neue Verfahrensrecht angewendet, so hätte dies
einen Wechsel des nach altem Recht zuständigen Untersuchungsorgans und zu-
dem auch eine Änderung der Kompetenzen sowie eine Verschiebung der richterli-
chen Spruchkompetenz bezüglich der Strafmandate zur Folge. Ein solches Er-
gebnis wäre aber mit Sinn und Zweck von Art. 455 in Verbindung mit Art. 453 Abs.
1 StPO unvereinbar. Es bleibt damit für Einsprachen gegen altrechtliche Straf-
mandate bei der Regelung, die dem Wortlaut von Art. 455 in Verbindung mit 453
Abs. 1 StPO zu entnehmen ist, wonach solche Einsprachen nach dem alten Ver-
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fahrensrecht zu behandeln sind (Entscheid des Kantonsgerichts von Graubünden
SK2 11 17 vom 20. Mai 2011; s. für den Kanton Bern: Bänziger / Burkhard / Ha-
enni, Der Strafprozess im Kanton Bern, Bern 2010, N 1088).
Zwar ist es zutreffend, dass in der Lehre als Ausnahme zu einem solchen Vorge-
hen zum Teil propagiert wird, eine Einsprache gegen einen Strafbefehl sei nach
dem neuen Verfahrensrecht also nach Art. 355 StPO zu behandeln, falls der
jeweilige Kanton bereits in seinem alten Verfahrensrecht die Regelung gekannt
habe, dass nach erhobener Einsprache die Sache nicht automatisch dem Gericht
überwiesen, sondern zunächst erneut der Staatsanwaltschaft übergeben werde
(so Schmid, Praxiskommentar Schweizerische Strafprozessordnung, Zürich 2009,
Art. 455, N 4; Lieber, in: Donatsch / Hansjakob / Lieber [Hrsg.], Kommentar zur
Schweizerischen Strafprozessordnung, Zürich 2010, Art. 455, N 4). Es geschieht
dies aber mit dem Argument, dass in diesen Kantonen eine dem neuen Art. 355
StPO analoge Regelung bereits früher gegolten habe. Im Kanton Graubünden ist
gerade das aber nicht der Fall. Im neuen Art. 355 StPO hat die Staatsanwaltschaft
im Falle einer Einsprache gegen einen Strafbefehl nämlich, wie oben dargelegt,
vier Reaktionsmöglichkeiten zur Auswahl. Dies war auch schon der Fall zum Bei-
spiel in der Strafprozessordnung des Kantons Zürich (§ 322 StPO-ZH), welcher
Kanton also eine dem Art. 355 StPO analoge Regelung bereits in seinem alten
Strafverfahrensrecht gekannt hat, weshalb es sich rechtfertigen würde, in einem
solchen Fall direkt die neue StPO anzuwenden. Im Kanton Graubünden hat der
Bezirksgerichtspräsident bei Einsprachen gegen Strafmandate jedoch gemäss Art.
175 Abs. 1 StPO-GR nur die beiden Möglichkeiten, Anklage zu erheben das
Verfahren einzustellen. Zudem geht im Kanton Graubünden nach dem alten Straf-
verfahrensrecht die Sache nach Einsprache gegen ein Strafmandat eben nicht an
die Staatsanwaltschaft, sondern an einen Bezirksrichter, welcher die Funktion ei-
ner Untersuchungsbehörde wahrnimmt. Der Kanton Graubünden kannte also in
seiner Strafprozessordnung keine analoge Regelung zu Art. 355 StPO, weshalb
es sich auch nicht rechtfertigt, eine Ausnahme der oben dargelegten Art in der
Behandlung von Einsprachen gegen Strafmandate vorzunehmen.
4.
In Anwendung von Art. 12 Abs. 3 des Gerichtsorganisationsgesetzes
(GOG; BR 173.000) ergeht eine einzelrichterliche Entscheidung.
5.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens gehen bei diesem Verfahrensaus-
gang nach Art. 160 Abs. 2 StPO-GR zu Lasten des Kantons Graubünden. Das
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gegen X. eröffnete Strafverfahren wird eingestellt und die Untersuchungskosten
des Kreisamts Bergell und des Bezirksgerichtspräsidiums Maloja gehen ebenfalls
zu Lasten des Kantons Graubünden. Nach Art. 161 Abs. 1 StPO-GR ist dem An-
geschuldigten auf sein Begehren eine durch den Staat auszurichtende Entschädi-
gung zuzusprechen, wenn das gegen ihn geführte Verfahren eingestellt wird.
Nach Art. 161 Abs. 2 StPO GR entscheidet jene Instanz über das Entschädi-
gungsbegehren, bei der das Verfahren zuletzt anhängig war. Im Falle von Vertei-
digerkosten ist Voraussetzung für einen Entschädigungsanspruch, dass der Bei-
zug eines Rechtsanwalts nach der Sachlage gerechtfertigt und dessen Bemühun-
gen angemessen waren. In unkomplizierten Fällen, vor allem bei einfachen Ver-
kehrsstrafsachen, ist hinsichtlich der Umtriebsentschädigung Zurückhaltung gebo-
ten (Padrutt, Kommentar zur Strafprozessordnung des Kantons Graubünden, Chur
1996, S. 414 f. m.w.H.). Angesichts der Tatsache, dass das vorliegende Verfahren
nur eine Übertretung zum Gegenstand hatte, erscheint eine Entschädigung für das
gesamte Verfahren von CHF 1‘400.als angemessen.
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III. Demnach wird erkannt
1.
Die angefochtene Anklageverfügung wird aufgehoben und das Strafverfah-
ren gegen X. wird infolge Verjährung eingestellt.
2.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und der Untersuchungsverfahren
des Kreisamts Bergell und des Bezirksgerichtspräsidiums Maloja gehen zu
Lasten des Kantons Graubünden.
3.
Der Kanton Graubünden hat X. für das Untersuchungsund das Beschwer-
deverfahren mit CHF 1‘400.ausseramtlich zu entschädigen.
4.
Gegen diese Entscheidung kann gemäss Art. 78 ff. des Bundesgesetzes
vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG;
SR 173.110) Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht geführt
werden. Die Beschwerde ist dem Schweizerischen Bundesgericht, 1000
Lausanne 14, schriftlich innert 30 Tagen seit Eröffnung der vollständigen
Ausfertigung der Entscheidung in der gemäss Art. 42 f. BGG vorgeschrie-
benen Weise einzureichen. Für die Zulässigkeit, die Beschwerdelegitimati-
on, die weiteren Voraussetzungen und das Verfahren der Beschwerde gel-
ten die Art. 29 ff., 78 ff. und 90 ff. BGG.
5.
Mitteilung an:
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