Der Fall handelt von einem Vorfall in der Wohnung der Privatkläger, bei dem die Beschuldigte des Hausfriedensbruchs beschuldigt wird. Das Bezirksgericht Meilen sprach die Beschuldigte frei und legte die Kosten den Privatklägern auf. Es wurde entschieden, dass die Privatkläger der Beschuldigten eine Entschädigung zahlen müssen. Es gab Berufungen von beiden Seiten, wobei die Beschuldigte die Berufungserklärung nicht fristgerecht einreichte. In der Berufungsverhandlung wurden die Aussagen der Beteiligten analysiert, wobei es zu Widersprüchen kam. Letztendlich konnte nicht eindeutig festgestellt werden, ob die Beschuldigte des Hausfriedensbruchs schuldig war.
Urteilsdetails des Kantongerichts SK2-12-36
Kanton: | GR |
Fallnummer: | SK2-12-36 |
Instanz: | Kantonsgericht Graubünden |
Abteilung: | - |
Datum: | 19.11.2012 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Expertenauftrag |
Schlagwörter : | Entscheid; Fragen; Experte; Experten; Recht; Entscheide; Gericht; Schweizerische; Bezirksgericht; Maloja; Verfahren; Gutachter; Prozessordnung; Rechtsfrage; Stellung; Gutachten; Verfahrens; Rechtsfragen; Gerichte; BSK-StPO; Schmid; Bundesgericht; Graubünden; Richter |
Rechtsnorm: | Art. 184 StPO ;Art. 222 StGB ;Art. 29 BV ;Art. 382 StPO ;Art. 65 StPO ;Art. 93 BGG ; |
Referenz BGE: | - |
Kommentar: | Donatsch, Hans, Schweizer, Hansjakob, Lieber, Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, Zürich, Art. 182 OR, 2010 Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017 |
Entscheid des Kantongerichts SK2-12-36
Kantonsgericht von Graubünden
Dretgira chantunala dal Grischun
Tribunale cantonale dei Grigioni
____
Ref.:
Chur, 19. November 2012
Schriftlich mitgeteilt am:
SK2 12 36
19. Dezember 2012
Beschluss
II. Strafkammer
Vorsitz
Hubert
RichterInnen
Pritzi und Schlenker
Aktuar ad hoc
Ludwig
In der strafrechtlichen Beschwerde
des X., Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Stefan Metzger,
Via dal Bagn 3, 7500 St. Moritz,
gegen
den Entscheid des Einzelrichters am Bezirksgericht Maloja vom 25. September
2012, mitgeteilt am 25. September 2012, in Sachen des Beschwerdeführers,
betreffend Expertenauftrag,
hat sich ergeben:
I. Sachverhalt
A.
Gegen X. ist, nach Anklageerhebung der Staatsanwaltschaft Graubünden
vom 13. April 2012, am Bezirksgericht Maloja ein Strafverfahren wegen fahrlässi-
ger Verursachung einer Feuersbrunst gemäss Art. 222 Abs. 1 StGB hängig. Dem
Verfahren zugrunde liegt der Ausbruch eines Dachbrandes in einer in der Ge-
meinde A. gelegenen Schaukäserei, deren Betriebsleiter der Angeschuldigte ist.
Rund einen Monat vor dem Brandausbruch wurden an den Kaminen der Käserei
Reparaturarbeiten durch einen Dachdecker ausgeführt, wobei unter anderem auch
einer der Kamine durch den Dachdecker entfernt beziehungsweise verschlossen
worden war.
B.
Am 11. Juni 2012 stellte X. im Verfahren vor dem Bezirksgericht Maloja den
Beweisantrag, es sei über die fachgerechte Konstruktion der Feuerstelle in der
Schaukäserei samt den zugehörigen Kaminen eine gerichtliche Expertise einzuho-
len. Diesen Antrag bewilligte der Vizepräsident des Bezirksgerichts Maloja mit
Verfügung vom 6. August 2011 (recte wohl: 2012) und gab den Parteien Gelegen-
heit, innert Frist bis zum 28. August 2012 einen Experten zur Erstellung des Gut-
achtens vorzuschlagen sowie dem Gericht an diesen zu stellende Fragen einzu-
reichen. Mit Eingabe vom 28. August 2012 schlug X. zur Gutachtenerstellung die
Expertenkommission der M. vor und reichte gleichzeitig einen Fragenkatalog ein,
welcher vom Gutachter zu beantworten sei. In diesem Fragenkatalog enthalten
waren unter anderem die folgenden Fragen:
„2.5. Welche Massnahmen sind beim verschliessen [sic] eines Kamins zu
beachten
2.6. Wurden diese Massnahmen vorliegend beachtet“
C.
Am 25. September 2012 gab der Einzelrichter am Bezirksgericht Maloja die
Erstellung eines Gutachtens durch Z., N. AG für Abgassysteme, in Auftrag. Der
von X. eingereichte Fragenkatalog wurde vom Bezirksgericht Maloja übernom-
men, dieses fügte jedoch noch zwei weitere Fragen zur Beantwortung hinzu, wel-
che lauteten:
„2.9. Hätte der langjährige Betriebsleiter nach dem verschliessen [sic] des
Kamins weitere Fachleute zur Überprüfung der Arbeit beiziehen müs-
sen
2.10.Hätte der Betriebsleiter die Eigentümerin der Alpschaukäserei über
das Verschliessen des Kamins informieren müssen, damit die Feuer-
polizei die Arbeiten hätte abnehmen können“
Seite 2 — 12
D.
Gegen diese Beauftragung des Experten durch das Bezirksgericht Maloja
erhob X. am 3. Oktober 2012 Beschwerde an das Kantonsgericht von Graubün-
den. Er beantragte:
„1. Die Fragen Ziff. 2.9. und 2.10. im Expertenauftrag des Bezirksgerichts
Maloja vom 25. September 2012 seien aufzuheben, also nicht zu stel-
len.
2.
Der Beschwerde sei die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Der
beauftragte Experte sei in diesem Sinne (insbesondere superproviso-
risch) anzuweisen, seine Expertentätigkeit vorerst nicht aufzunehmen,
bis über Ziff. 1 vorstehend entschieden worden ist.
3.
Unter Kostenund Entschädigungsfolge zuzüglich MwSt. zulasten der
Beschwerdegegnerin und Anklägerin und/oder zulasten der Vorin-
stanz.“
Als Beschwerdegründe machte er geltend, das Bezirksgericht Maloja habe dem
Beschwerdeführer im Entscheid über die Beauftragung des Gutachters vom 25.
September 2012 keine Frist zur Wahrung des rechtlichen Gehörs nach Art. 184
Abs. 3 StPO gesetzt, um zu den Anträgen der Anklägerin betreffend die Experten-
nomination und/oder die Einreichung von Expertenfragen Stellung zu nehmen.
Dies sei verfassungswidrig, weshalb die angefochtenen Fragen nicht zuzulassen
seien. Darüber hinaus sei das rechtliche Gehör von X. ebenfalls durch die Auf-
nahme von zusätzlichen Fragen in den Fragenkatalog für das Gutachten verletzt
worden, dies jedenfalls dann, wenn diese Fragen von der Anklägerin gestellt und
vom Gericht übernommen worden seien, ohne X. dabei das rechtliche Gehör zu
gewähren. Des Weiteren sei bezüglich dieser neu aufgenommenen Fragen zu
beachten, dass über Rechtsfragen kein Gutachten in Auftrag gegeben werden
dürfe, sondern nur über Sachverhaltsfragen. Da die neu aufgenommenen Fragen
Nr. 2.9. und 2.10. aber Rechtsfragen darstellten, wäre, falls das Gericht sich bei
der Urteilsfindung auf die Antworten des Sachverständigen auf diese Fragen ab-
stützte, der verfassungsmässige Anspruch des Beschwerdeführers auf einen un-
abhängigen, unparteiischen und staatlichen Strafrichter verletzt. Im Weiteren seien
die angefochtenen Fragen Suggestivfragen und als solche würden sie den Be-
weiswert der darauf gegebenen Antworten in Frage stellen.
E.
Das Bezirksgericht Maloja und die Staatsanwaltschaft Graubünden verzich-
teten auf eine Stellungnahme zur Beschwerde. Die Staatsanwaltschaft Graubün-
den liess jedoch der guten Ordnung halber mitteilen, dass sie vor dem Bezirksge-
richt weder zur Expertenernennung Stellung bezogen noch von der Möglichkeit,
Expertenfragen einzureichen, Gebrauch gemacht habe.
Seite 3 — 12
F.
Auf die weiteren Ausführungen in den Rechtsschriften und im angefochte-
nen Entscheid wird, soweit erforderlich, in den nachfolgenden Erwägungen einge-
gangen.
II. Erwägungen
1.a)
Angefochten ist die Auftragserteilung eines erstinstanzlichen Gerichts an
eine sachverständige Person zur Erstellung eines Gutachtens. Diese Auftragser-
teilung schloss das Verfahren nicht ab, sondern stellte vielmehr bloss einen Schritt
auf dem Weg zum Endentscheid des Verfahrens dar beziehungsweise förderte
den weiteren Gang desselben, und oblag dem bezirksgerichtlichen Einzelrichter
nach Art. 61 lit. c StPO in Verbindung mit Art. 184 StPO in seiner Funktion als Ver-
fahrensleiter. Es ist deshalb der vorliegende Entscheid zur Auftragserteilung an
den Sachverständigen als sogenannter verfahrensleitender Entscheid zu qualifi-
zieren. Es stellt sich damit vorerst die Frage der Beschwerdefähigkeit eines sol-
chen verfahrensleitenden Entscheids. Ausgangspunkt bildet der Gesetzeswortlaut
der Art. 393 Abs. 1 lit. b StPO und Art. 65 Abs. 1 StPO. Nach Art. 393 Abs. 1 lit. b
StPO ist die Beschwerde zulässig gegen Verfügungen und Beschlüsse sowie Ver-
fahrenshandlungen der erstinstanzlichen Gerichte; ausdrücklich davon ausge-
nommen sind jedoch die verfahrensleitenden Entscheide. Nach Art. 65 Abs. 1
StPO können verfahrensleitende Anordnungen der Gerichte nur mit dem Endent-
scheid, also nicht selbständig, angefochten werden. Trotz des vermeintlich klaren
Gesetzeswortlauts, der eine Beschwerde gegen verfahrensleitende Entscheide im
Allgemeinen auszuschliessen scheint, herrscht in der Lehre Uneinigkeit über die
Beschwerdefähigkeit solcher verfahrensleitender Entscheide.
b)
Ein Teil der Lehre erachtet, gestützt auf die erwähnten Bestimmungen, eine
selbständige Beschwerde gegen verfahrensleitende Entscheide erstinstanzlicher
Gerichte generell für nicht zulässig (so Heer, in: Niggli / Heer / Wiprächtiger
[Hrsg.], Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, Basel 2011 [im
Folgenden: BSK-StPO], Art. 184, N 38 [mit nicht zutreffendem Hinweis auf
Schmid, Handbuch, N 941, Fn. 356, der eine differenziertere Ansicht vertritt, wie
nachfolgend dargelegt wird]; Jent, BSK-StPO, Art. 65, N 4 in fine; Stephenson /
Thiriet, BSK-StPO, Art. 393, N 13).
c)
Der Inhalt und die Tragweite der gesetzlichen Bestimmungen werden je-
doch vom überwiegenden Teil der Lehre als unklar und widersprüchlich kritisiert.
Dies vor allem unter Berufung auf die Entstehungsgeschichte des Gesetzes: So
Seite 4 — 12
schloss noch der Vorentwurf zu einer Schweizerischen Strafprozessordnung in
Art. 463 Abs. 1 lit. b VE-StPO die Beschwerde bezüglich der verfahrensleitenden
Entscheide der erstinstanzlichen Gerichte nur für solche verfahrensleitenden Ent-
scheide aus, die während der Hauptverhandlung ergehen. Die bundesrätliche Bot-
schaft zur Vereinheitlichung des Strafprozessrechts führt dann in Erläuterung von
Art. 401 Abs. 1 lit. b E-StPO, welcher im Wortlaut dem heute gültigen Art. 393 Abs.
1 lit. b StPO entspricht, zur Unzulässigkeit der Beschwerde gegen verfahrenslei-
tende Entscheide der erstinstanzlichen Gerichte aus, es solle mit dieser Vorschrift
verhindert werden, dass die Verhandlung durch die separate Anfechtung verfah-
rensleitender Entscheide unterbrochen werden müsste. Deshalb werde durch die-
se Bestimmung die sofortige Beschwerde gegen solche Entscheide ausgeschlos-
sen (BBl 2006, S. 1312).
Unter Berufung auf diese Materialien wird von einem überwiegenden Teil der Leh-
re die Folge abgeleitet, die Bestimmungen des Art. 393 Abs. 1 lit. b StPO müssten
differenziert angewendet werden. Es soll danach eine Beschwerde lediglich gegen
verfahrensleitende Entscheide während der Hauptverhandlung ausgeschlossen
sein. Bei verfahrensleitenden Entscheiden vor der Hauptverhandlung kann, mit
Schmid,
zwischen
sogenannten
formell-prozessleitenden
und
materiell-
prozessleitenden Entscheiden unterschieden werden (Schmid, Schweizerische
Strafprozessordnung, Praxiskommentar, Zürich 2009, Art. 393, N 13; beziehungs-
weise, nach Guidon, im Hinblick auf die Formulierung des Art. 65 Abs. 1 StPO,
zwischen Anordnungen und Entscheiden: Guidon, Die Beschwerde gemäss
Schweizerischer Strafprozessordnung, Zürich 2011, N 173 ff.). Erstere, die sich
mit dem äusseren Gang des Verfahrensablaufs befassen (so z.B. das Ansetzen
von Verhandlungen und Beweisabnahmen, Vorladungen sowie Verschiebungsge-
suche) sollen nicht beschwerdefähig sein. Dagegen soll jedoch gegen materiell-
verfahrensleitende Entscheide - dies sind solche, die direkt die Interessen und
Rechte der Verfahrensbeteiligten tangieren (z.B. die Anordnung von Zwangs-
massnahmen, die Verweigerung der amtlichen Verteidigung) contra legem eine
eigenständige Beschwerde möglich sein (Guidon, Die Beschwerde gemäss
Schweizerischer Strafprozessordnung, Zürich 2011, N 184 ff.; ders., Zur Anfecht-
barkeit verfahrensleitender Entscheide erstinstanzlicher Gerichte, forumpoenale
1/2012, S. 26 ff.; Keller, in: Donatsch / Hansjakob / Lieber [Hrsg.], Kommentar zur
Schweizerischen Strafprozessordnung, Zürich 2010, Art. 393, N 28; Pieth,
Schweizerisches Strafprozessrecht, Basel 2009, S. 230; Ruckstuhl / Dittmann /
Arnold, Strafprozessrecht, Zürich 2011, N 1148; Schmid, Handbuch des schweize-
rischen Strafprozessrechts, Zürich 2009, N 1509 f.; ders., Schweizerische Straf-
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prozessordnung, Praxiskommentar, Zürich 2009, Art. 393, N 11 ff.). Ein Teil der
Lehre verlangt für eine Anfechtbarkeit daneben noch das Vorhandensein eines,
durch den angefochtenen Entscheid herrührenden, nicht leicht wiedergutzuma-
chenden Nachteils (Guidon, Die Beschwerde gemäss Schweizerischer Strafpro-
zessordnung, Zürich 2011, N 185; ders., Zur Anfechtbarkeit verfahrensleitender
Entscheide erstinstanzlicher Gerichte, forumpoenale 1/2012, S. 29; Pieth, a.a.O.,
S. 230; Ruckstuhl / Dittmann / Arnold, a.a.O., N 1148) eines bedeutenden
Aufwands an Zeit und Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren, welcher durch
eine sofortige Beschwerde vermieden werden könnte (Schmid, Handbuch des
Schweizerischen Strafprozessrechts, Zürich 2009, N 1509).
d)
Dieser Ansicht, das heisst der grundsätzlichen Beschwerdefähigkeit mate-
riell-prozessleitender Entscheide, welche im Vorfeld der Hauptverhandlung erge-
hen, sind auch die Beschwerdekammer in Strafsachen des Obergerichts des Kan-
tons Bern in ihrem Beschluss BK 11 164 vom 9. September 2011, E. 2, sowie die
I. Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts in ihrem Beschluss BB.2011.56
vom 4. Juli 2011, E. 1.3.1 ff., jeweils bezugnehmend auf die Gesetzesmaterialien
und die auch hier zitierten Lehrmeinungen, gefolgt.
e)
Dem Kantonsgericht von Graubünden erscheint es unter Berücksichtigung
der Gesetzesmaterialien und nach Konsultation der Lehrmeinungen und der oben
erwähnten Rechtsprechung angebracht, der herrschenden Lehre zu folgen. Insbe-
sondere aus der Entstehungsgeschichte der Gesetzesnormen lässt sich schlies-
sen, dass der Gesetzeswortlaut unter teleologischen Gesichtspunkten zu weit ge-
fasst ist, das heisst, dass der Gesetzgeber bei der Redaktion des Gesetzestextes
offenbar einen engeren Sachverhalt regeln wollte, als es bei isolierter Betrachtung
der genannten Normen erscheint. Der Wortlaut des Art. 393 Abs. 1 lit. b StPO ist
daher, soweit er die Beschwerde gegen verfahrensleitende Entscheide allgemein
ausschliesst, teleologisch auf formell-prozessleitende Entscheide sowie auf mate-
riell-prozessleitende Entscheide, die während der Hauptverhandlung ergehen, zu
reduzieren. Zur Vermeidung einer Verschleppung des erstinstanzlichen Hauptver-
fahrens erscheint es dabei angezeigt, in Übereinstimmung mit einem Teil der Leh-
re als zusätzliches Erfordernis zur Beschwerdeerhebung die Zufügung eines nicht
leicht wiedergutzumachenden Nachteils durch das Anfechtungsobjekt zu verlan-
gen. Diese Lösung ist auch im Hinblick auf eine gemäss einzelnen Autoren anzu-
strebende Kongruenz mit den in Art. 93 Abs. 1 BGG zu findenden Grundsätzen für
die Zulässigkeit der Strafrechtsbeschwerde an das Bundesgericht zu befürworten
(Guidon, Die Beschwerde gemäss Schweizerischer Strafprozessordnung, Zürich
2011, N 185; ders., Zur Anfechtbarkeit verfahrensleitender Entscheide erstinstanz-
Seite 6 — 12
licher Gerichte, forumpoenale 1/2012, S. 29). Im Hinblick darauf erscheint jedoch
zweifelhaft, ob die ebenfalls propagierte Vermeidung eines unverhältnismässigen
Aufwands zur Beschwerdeerhebung genügt, was im vorliegenden Fall allerdings
offen gelassen werden kann, da kein unverhältnismässiger Aufwand in Frage
steht.
f)
Irrelevant ist dabei, ob der verfahrensleitende Entscheid von einem Kollegi-
algericht einer von diesem mit der Verfahrensleitung betrauten Einzelperson
ausgeht. Auch hier ist gemäss dem Wortlaut von Art. 393 Abs. 1 lit. b StPO zwar
die Beschwerde lediglich gegen Entscheide und Verfahrenshandlungen des Ge-
richts zulässig, wonach eine Beschwerde gegen einzelrichterliche Entscheide
ausgeschlossen wäre. Ein Anknüpfen an die den verfahrensleitenden Entscheid
fällende Instanz wäre allerdings im Lichte der obenstehenden Ausführungen nicht
zielführend. Anzusetzen ist vielmehr bei der Art des Entscheids und damit beim
eigentlichen Beschwerdeobjekt selbst (so ausführlich Guidon, Die Beschwerde
gemäss Schweizerischer Strafprozessordnung, Zürich 2011, N 168 ff. und N 173;
ders., Zur Anfechtbarkeit verfahrensleitender Entscheide erstinstanzlicher Gerich-
te, forumpoenale 1/2012, S. 27, unter Verweis auf den Beschluss BB.2011.56 der
I. Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts vom 4. Juli 2011, E. 1.3.3; Keller,
a.a.O., Art. 393, N 28).
g)
Beim vorliegend angefochtenen Entscheid handelt es sich um eine mate-
riell-prozessleitende Verfügung, da durch sie direkt die Interessen und Rechte der
Verfahrensbeteiligten tangiert werden und sie nicht ausschliesslich den Verfah-
rensablauf zum Gegenstand hat. Grundsätzlich wäre damit im Sinne der obigen
Erwägungen eine Beschwerdefähigkeit gegeben. Es fehlt dem Entscheid jedoch
an der Folge eines nicht leicht wiedergutzumachenden Nachteils (Heer, BSK-
StPO, Art. 184, N 38; Schmid, Schweizerische Strafprozessordnung, Praxiskom-
mentar, Zürich 2009, Art. 184, N 3; ders., Handbuch des schweizerischen Straf-
prozessrechts, Zürich 2009, N 941, Fn. 356). Bei der Einholung von Gutachten hat
der Betroffene das Recht, nachträglich zur Person und zum Gutachten eines
Sachverständigen Stellung zu nehmen und gegebenenfalls Ergänzungsfragen zu
stellen (Art. 188 f. StPO). Ausserdem können solche Fragen dem erkennenden
Gericht vorgelegt werden (Urteil des Bundesgerichts 1B_61/2012 vom 9. Februar
2012, E. 2). Namentlich auch Mängel in der Fragestellung können in der Regel
ohne Weiteres nachträglich geheilt werden (Hansjakob, Geheime Erhebung von
Beweisen nach StPO, forumpoenale 5/2011, S. 307). Dem Beschwerdeführer
kann auch nicht gefolgt werden, soweit er einen nicht wiedergutzumachenden
Nachteil in einer allfälligen Beeinflussung der Richter sieht. Es kommt immer wie-
Seite 7 — 12
der vor, dass Gutachter zu Rechtsfragen Stellung nehmen, dass sich Sach-
und Rechtsfragen nicht klar trennen lassen. Dies ist wenigstens solange zu tolerie-
ren, als das zuständige Gericht in solchen Fällen die Rechtsfragen unabhängig
von der entsprechenden Subsumtion des Sachverständigen selbst entscheidet
und begründet (Donatsch, in: Donatsch / Hansjakob / Lieber [Hrsg.], Kommentar
zur Schweizerischen Strafprozessordnung, Zürich 2010, Art. 182, N 25 und Art.
184, N 20). Hierzu ist das Gericht auch ohne Weiteres in der Lage, ansonsten ent-
sprechende Rechtsmittel in der Hauptsache zur Verfügung stehen. Die Beschwer-
defähigkeit des angefochtenen Gutachterauftrags ist somit mangels eines nicht
wiedergutzumachenden Nachteils zu verneinen, so dass auf die Beschwerde nicht
eingetreten werden kann.
h)
Im Übrigen könnte auf die Beschwerde auch wegen fehlender Legitimation
des Beschwerdeführers nicht eingetreten werden: Nach Art. 382 Abs. 1 StPO ist
zur Einlegung eines Rechtsmittels ein rechtlich geschütztes Interesse der anfech-
tenden Partei an der Aufhebung Änderung eines Entscheids vonnöten. Ein
solches ist aber zu verneinen, solange vorliegend im Zusammenhang mit einem
Gutachten Stellungnahmen eingereicht und Ergänzungsfragen beantragt werden
können, was aufgrund von Art. 188 f. StPO der Fall ist (so auch Entscheid der Be-
schwerdekammer des Obergerichts Aargau, SBK.2011.255 vom 10. Januar 2012,
E. 2.3.3.2).
2.a)
Der Vollständigkeit halber wird im Folgenden dennoch kurz dargelegt, wa-
rum die vorliegende Beschwerde auch einer materiellen Prüfung nicht standzuhal-
ten vermocht hätte:
b)
Der Beschwerdeführer rügt zunächst eine Verletzung seiner Mitwirkungs-
rechte nach Art. 184 Abs. 3 StPO. Diese Bestimmung dient der Gewährung des
rechtlichen Gehörs (Schmid, Schweizerische Strafprozessordnung, Praxiskom-
mentar, Zürich 2009, Art. 184, N 13). Sinn und Zweck der Bestimmung ist, allfälli-
ge Ausstandsgründe rechtzeitig zu erkennen und nach Möglichkeit eine Einigung
bezüglich der Gutachterfragen zu erzielen. Sie dient somit vor allem prozessöko-
nomischen Gründen (Heer, BSK-StPO, Art. 184, N 21). Letztlich werden Gutachter
und Gutachterfragen jedoch von der Verfahrensleitung bestimmt und sind nicht
von der Zustimmung der Parteien abhängig. Namentlich besteht kein Recht auf
Bestellung eines bestimmten Sachverständigen auf bestimmte Fragen (Do-
natsch, a.a.O., Art. 184, N 36; Heer, BSK-StPO, Art. 184, N 22; Schmid, Schwei-
zerische Strafprozessordnung, Praxiskommentar, Zürich 2009, Art. 184, N 13).
Seite 8 — 12
Vorliegend hat der Beschwerdeführer selbst, auf dahingehende Aufforderung des
Einzelrichters am Bezirksgericht Maloja mit Verfügung vom 6. August 2012, einen
umfassenden Fragenkatalog eingereicht, der vom verfahrensleitenden Richter
auch übernommen wurde. Der Fragenkatalog wurde zwar mit zwei Fragen er-
gänzt, doch wurde dadurch das Fragethema nicht erweitert, sondern lediglich die
vom Beschwerdeführer gestellten Fragen Nr. 2.5. und 2.6. präzisiert (vgl. Schrei-
ben von Rechtsanwalt Metzger vom 28. August 2012). Das Fragethema war dem
Beschwerdeführer somit nicht nur bekannt, sondern wurde von ihm sogar selbst
festgelegt. Damit wurde den Anforderungen von Art. 184 Abs. 3 StPO entsprochen
(Heer, BSK-StPO, Art. 184, N 24). Dies anerkennt der Beschwerdeführer zumin-
dest indirekt selbst, wenn er anführt, das Vorgehen sei jedenfalls dann unzulässig
gewesen, falls die angefochtenen Fragen von der Anklägerin [d.h. wohl der
Staatsanwaltschaft Graubünden] gestellt worden seien und das Gericht diese oh-
ne vorangehende Anzeige an den Beschwerdeführer übernommen habe. Wie
oben dargelegt, hat jedoch die Staatsanwaltschaft Graubünden dem Kantonsge-
richt von Graubünden zu Protokoll gegeben, sie habe vorliegend gerade darauf
verzichtet, dem Bezirksgericht Maloja eigene Expertenfragen einzureichen respek-
tive selbst einen Experten vorzuschlagen. Dies wird durch die Akten bestätigt.
Aus den Akten ist nicht ersichtlich, ob dem Beschwerdeführer vor Erteilung des
Gutachterauftrags auch bekanntgegeben wurde, wer als Gutachter eingesetzt
werde. Der Beschwerdeführer hat jedoch mit Eingabe vom 28. August 2012 dem
Bezirksgericht Maloja die Expertenkommission der Schweizerischen Kaminund
Abgasvereinigung M. als Experten vorgeschlagen. Im angefochtenen Expertenauf-
trag des Bezirksgerichts Maloja hat der Einzelrichter sodann mit der N. AG ein
Mitglied der M. als Experten bestimmt. Gegen die Person des Gutachters erhebt
der Beschwerdeführer denn auch keine Einwände, namentlich werden keine Aus-
standsgründe vorgebracht. Das Rechtsbegehren bezieht sich ausschliesslich auf
einzelne Gutachterfragen. Somit ist diesbezüglich nicht weiter auf die Beschwerde
einzugehen.
c)
Der verfassungsmässige Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 29 Abs.
2 BV räumt dem Betroffenen im Falle einer Gutachterbeauftragung nach der bun-
desgerichtlichen Rechtsprechung das Recht ein, zumindest nachträglich zur Per-
son und zum Gutachten eines Sachverständigen Stellung zu nehmen und gege-
benenfalls Ergänzungsfragen zu stellen (Urteil des Bundesgerichts 6B_298/2012
vom 16. Juli 2012, E. 3.3). Art. 184 Abs. 3 StPO geht demnach über den von Art.
29 Abs. 2 BV gewährleisteten Anspruch auf rechtliches Gehör hinaus und sieht
bereits eine vorgängige Stellungnahme und Antragstellung vor (Heer, BSK-StPO,
Seite 9 — 12
Art. 184, N 21 mit weiteren Hinweisen). Nachdem, wie oben ausgeführt, bereits
eine Verletzung von Art. 184 Abs. 3 StPO durch das Bezirksgericht Maloja vorlie-
gend verneint werden kann, ist erst recht keine Verletzung von Art. 29 Abs. 2 BV
auszumachen. Eine solche ist auch deshalb zu verneinen, weil das Recht zur
nachträglichen Stellungnahme und Ergänzungsfragen zu stellen gestützt auf Art.
188 f. StPO gewährleistet ist (vgl. Urteil des Bundesgerichtes 6B_298/2012 vom
16. Juli 2012, E. 3.3).
d)
Der Beschwerdeführer bemängelt weiter, mit der Beantwortung der von ihm
beanstandeten Fragen müsste der Experte eine Antwort darauf liefern, ob der An-
geklagte seiner Meinung nach den Tatbestand des Art. 222 Abs. 1 StGB erfüllt
habe. Dies sei indessen eine Rechtsfrage, welche das Gericht und weder mittelbar
noch unmittelbar der Experte zu beantworten befugt sei. Dazu muss angemerkt
werden, dass es zuweilen schwierig kaum möglich ist, eine klare Grenze zwi-
schen der Vermittlung von Erfahrungssätzen und der Rechtsanwendung zu ziehen
(vgl. Donatsch, a.a.O., Art. 182, N 25 und Art. 184, N 20; Heer, BSK-StPO, Art.
182, N 4 und Art. 184, N 12). Gerade in Fällen, in welchen die Beurteilung der
Frage nach dem sachgerechten Vorgehen besondere Fachkenntnisse erfordert,
kann die Trennung von Tatund Rechtsfragen im Einzelfall nicht immer strikt ein-
gehalten werden. Es kann der Richter aber auch in solchen Fällen darauf ange-
wiesen sein, vom Experten zu erfahren, welche Vorgehensweise aus fachspezifi-
scher Sicht erforderlich war. Solche Fragen müssen daher in gewissem Rahmen
zulässig sein, solange der Experte mit deren Beantwortung nicht selbst eine recht-
liche Subsumtion vornimmt und der Richter die Rechtsfragen in der Folge unab-
hängig von allfälligen Würdigungen des Experten selbst entscheidet und begrün-
det (Donatsch, a.a.O., Art. 184, N 20). Die vorliegend beanstandeten Fragen zie-
len darauf ab, das fachmännisch korrekte Vorgehen beim Verschliessen des Ka-
mins in Erfahrung zu bringen. Es handelt sich somit um Fragen aus einem Spezi-
algebiet, zu deren Beantwortung dem Richter die notwendige Fachkenntnis fehlt.
Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers sind derartige Fragen Tatund nicht
Rechtsfragen. Rechtsfrage ist erst die rechtliche Subsumtion der vom Experten
gelieferten Antworten, was allein Sache des Richters ist und unabhängig von all-
fälligen Würdigungen des Experten zu erfolgen hat. Insoweit sind die angefochte-
nen Fragen ohne Weiteres als zulässig zu betrachten. Bei den bemängelten Fra-
gen Nr. 2.9. und 2.10. handelt es sich im Übrigen um blosse Konkretisierungen
der vom Beschwerdeführer selbst gestellten Fragen Nr. 2.5. und 2.6. Die vom Be-
schwerdeführer angezweifelte Verwertbarkeit der Antworten ist daneben eine Fra-
ge der Beweiswürdigung, die dem erkennenden Gericht vorbehalten bleibt.
Seite 10 — 12
e)
Der Beschwerdeführer bemängelt sodann die Art und Weise der Formulie-
rung der hinzugefügten Expertenfragen. Es handle sich um Suggestivfragen, wel-
che den Beweiswert der darauf gegebenen Antworten in Frage stellen könnten
und es dem Experten ermöglichten, mit einem blossen Ja Nein zu antworten.
Es ist hingegen nicht ersichtlich, inwieweit die bemängelte Formulierung rechts-
widrig sein soll. Dies wird denn auch nicht näher substantiiert. Ein Expertenauftrag
ist diesbezüglich nicht gleichzusetzen mit einer Zeugeneinvernahme: Der Zeuge
hat Aussagen über seine subjektiven Wahrnehmungen zu machen, die in der Re-
gel nicht objektiv überprüfbar sind. Oftmals bestehen persönliche Beziehungen zu
den Parteien. Eine Beeinflussungsgefahr durch das Stellen von Suggestivfragen
ist daher durchaus möglich. Der Experte dagegen ist Gehilfe der Strafbehörde. Er
hat die ihm unterbreiteten Fragen aufgrund seines Fachwissens und nach objekti-
ven Kriterien zu beantworten, welches Vorgehen somit auch nach objektiven Krite-
rien überprüfbar ist. Eine Gefahr der Beeinflussung scheint daher weitgehend
ausgeschlossen. Eine Überprüfung, inwieweit das Unterbreiten von sogenannt
geschlossenen Fragen an einen Experten sinnvoll ist, ist zudem nicht Sache der
Beschwerdeinstanz. Es ist in diesem Zusammenhang nochmals darauf hinzuwei-
sen, dass es letztlich allein im Kompetenzbereich der Verfahrensleitung liegt, die
Expertenfragen zu formulieren beziehungsweise zu bestimmen. Inwieweit die dar-
auf gegebenen Antworten verwertbar sind, ist schliesslich eine Frage der Beweis-
würdigung, welche dem erkennenden Gericht vorbehalten bleibt. Unter diesem
Gesichtspunkt würde eine Beantwortung einer Frage mit einem blossen Ja
Nein wohl kaum einen begründeten und nachvollziehbaren Entscheid zulassen. In
einem solchen Fall bestünde jedoch immerhin noch die Möglichkeit, Ergänzungs-
fragen an den Experten zu stellen. Jedenfalls erweist sich die Beschwerde auch in
diesem Punkt als unbegründet.
3.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens gehen die Kosten desselben zu Las-
ten des Beschwerdeführers. Sie werden in Anwendung von Art. 8 der Verordnung
über die Gerichtsgebühren in Strafverfahren (VGS; BR 350.210) auf CHF 2‘000.-
festgesetzt.
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III. Demnach wird erkannt:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens von CHF 2‘000.gehen zu Lasten
des Beschwerdeführers.
3.
Gegen diese Entscheidung kann gemäss Art. 78 ff. des Bundesgesetzes
vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG;
SR 173.110) Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht geführt
werden. Die Beschwerde ist dem Schweizerischen Bundesgericht, 1000
Lausanne 14, schriftlich innert 30 Tagen seit Eröffnung der vollständigen
Ausfertigung der Entscheidung in der gemäss Art. 42 f. BGG vorgeschrie-
benen Weise einzureichen. Für die Zulässigkeit, die Beschwerdelegitimati-
on, die weiteren Voraussetzungen und das Verfahren der Beschwerde gel-
ten die Art. 29 ff., 78 ff. und 90 ff. BGG.
4.
Mitteilung an:
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Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
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