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Urteil Kantonsgericht Graubünden (GR)

Zusammenfassung des Urteils SK2-11-36: Kantonsgericht Graubünden

Das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, II. Strafkammer, vom 19. Januar 2018 betrifft einen Beschuldigten, der des Vergehens gegen das Betäubungsmittelgesetz schuldig gesprochen wurde. Er wurde zu einer Geldstrafe von 140 Tagessätzen zu je Fr. 90.- verurteilt, deren Vollzug aufgeschoben und die Probezeit auf zwei Jahre festgesetzt wurde. Die Kosten des Verfahrens wurden dem Beschuldigten auferlegt. Das Urteil ist rechtskräftig.

Urteilsdetails des Kantongerichts SK2-11-36

Kanton:GR
Fallnummer:SK2-11-36
Instanz:Kantonsgericht Graubünden
Abteilung:-
Kantonsgericht Graubünden Entscheid SK2-11-36 vom 23.11.2011 (GR)
Datum:23.11.2011
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Ausschluss von der Befragung
Schlagwörter : Recht; Staat; Einvernahme; Staatsanwalt; Verfügung; Staatsanwaltschaft; Privatkläger; Beschuldigten; Interesse; Beschwerde; Rechtsvertreter; Privatklägerschaft; Verfahren; Entscheid; Parteien; Teilnahme; Antrag; Graubünden; Rechtsanwältin; Verfahren; Person; Teilnahmerecht; Rechtsvertreterin; StPO; Entschädigung
Rechtsnorm:Art. 146 StPO ;Art. 147 StPO ;Art. 201 StPO ;Art. 322 StPO ;Art. 382 StPO ;Art. 393 StPO ;Art. 396 StPO ;Art. 421 StPO ;Art. 428 StPO ;Art. 432 StPO ;Art. 436 StPO ;Art. 80 StPO ;
Referenz BGE:136 IV 29;
Kommentar:
Hans, Schmid, Schweizer, Hansjakob, Lieber, Wohlers, Praxis, 5 Art. 147 StPO; , Art. 147 StPO; Art. 322 StPO, 2010
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017

Entscheid des Kantongerichts SK2-11-36

Kantonsgericht von Graubünden

Dretgira chantunala dal Grischun

Tribunale cantonale dei Grigioni
_____

Ref.:
Chur, 23. November 2011
Schriftlich mitgeteilt am:
SK2 11 36




7. Dezember 2011
Entscheid
II. Strafkammer
Vorsitz
Bochsler
Richter
Hubert und Schlenker
Aktuar ad hoc
Luzi

In der strafrechtlichen Beschwerde
der A.X. und B.X., Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwältin Dr. iur. Kris-
tina Tenchio-Kuzmic, Obere Plessurstrasse 36, 7000 Chur,
gegen
die Verfügung der Staatsanwaltschaft Graubünden vom 23. September 2011, mit-
geteilt am 26. September 2011, in Sachen des Z., vertreten durch Rechtsanwalt
lic. iur. Remo Cavegn, Bahnhofstrasse 7, 7001 Chur, und des Y., vertreten durch
Rechtsanwältin lic. iur. Yvona Griesser, Dufourstrasse 101, 8008 Zürich,
betreffend Ausschluss von der Befragung,
hat sich ergeben:

I. Sachverhalt
A.
Am 18. März 2011 eröffnete die Staatsanwaltschaft Graubünden auf Straf-
anzeige von A.X. und B.X. hin eine Strafuntersuchung gegen Y. und Z. unter an-
derem wegen Betrugs gemäss Art. 146 Abs. 1 des Strafgesetzbuches (StGB; SR
311.0). Nachdem die zunächst am 3. Mai 2011 vorgesehenen Einvernahmen der
beiden Beschuldigten nicht durchgeführt werden konnten, setzte die Staatsanwalt-
schaft - nach einer Terminrücksprache mit den Rechtsvertretern der Parteien -
die Einvernahme von Y. am 22. September 2011 um 9 Uhr, diejenige von Z. am
selben Tag um 14 Uhr an. Mit Schreiben datiert auf den 28. Juli 2011 lud die
Staatsanwaltschaft die beiden Beschuldigten formell zur Einvernahme vor, gleich-
zeitig wurden sie fakultativ auch für die Einvernahme des jeweils anderen vorgela-
den. Fakultative Vorladungen für beide Einvernahmen erhielten sodann die
Rechtsvertretungen der Beschuldigten, Rechtsanwalt Remo Cavegn (Verteidiger
von Z.) sowie Rechtsanwältin Yvona Griesser (Verteidigerin von Y.), die Privatklä-
gerschaft, A.X. und B.X., sowie deren gemeinsame Rechtsvertreterin, Rechtsan-
wältin Kristina Tenchio.
B.
Zur Einvernahme von Y. am 22. September 2011 erschienen neben dem
Einzuvernehmenden und dessen Rechtsanwältin Griesser auch die Privatkläger
und Rechtsanwältin Tenchio sowie Rechtsanwalt Cavegn. Gleich zu Beginn der
Sitzung stellte Rechtsanwältin Tenchio den Antrag, Rechtsanwalt Cavegn als Ver-
teidiger des Mitbeschuldigten sei von der Befragung auszuschliessen. Sie begrün-
dete ihren Antrag unter Hinweis auf Art. 146 der schweizerischen Strafprozess-
ordnung (StPO; SR 312.0) damit, dass Kollusionsgefahr zwischen den Beschul-
digten bestehe und verwies auf Lehre und Rechtsprechung, wonach unter diesen
Umständen die Beschuldigten getrennt einzuvernehmen seien. Der die Einver-
nahme leitende Staatsanwalt lehnte den Antrag ab, worauf Rechtsanwältin Ten-
chio eine anfechtbare Verfügung und den Unterbruch der Einvernahme verlangte.
Diesem Antrag wurde in der Folge stattgegeben.
C.
Am 23. September 2011, mitgeteilt am 26. September 2011, erliess der zu-
ständige Staatsanwalt die verlangte Verfügung in dieser Sache und lehnte darin
den Antrag, Z. und sein Rechtsvertreter seien von der Befragung von Y. auszu-
schliessen, ab.
D.
Gegen diese Verfügung erhob Rechtsanwältin Tenchio als Rechtsvertrete-
rin der Privatklägerschaft am 7. Oktober 2011 Beschwerde beim Kantonsgericht
von Graubünden, mit folgenden Rechtsbegehren:
Seite 2 — 12

„ 1. Die angefochtene Verfügung vom 23. September 2011 der Staatsan-
waltschaft im Strafverfahren Nr. VV.2011.1064/SP sei aufzuheben.
2. Die Staatsanwaltschaft Graubünden sei anzuweisen, die erste Einver-
nahme des Angeschuldigten 1 in Abwesenheit des Angeschuldigten 2
und dessen Rechtsvertretung durchzuführen sowie die Einvernahme
des Angeschuldigten 2 ohne Anwesenheit des Angeschuldigten 1 und
dessen Rechtsvertretung durchzuführen und die Einvernahme des
Angeschuldigten 2 direkt im Anschluss an die Einvernahme des Ange-
schuldigten 1 anzusetzen, ohne Unterbrechung.


Eventualiter: In jedem Fal sei durch entsprechende Massnahme si-
cherzustellen, dass der ersteinzuvernehmende Angeschuldigte 1
dessen Rechtsvertretung den zweiteinzuvernehmenden Angeschuldig-
ten 2 und seine Rechtsvertretung nicht während der ersten Einver-
nahme einer allfälligen Pause während der ersten Einvernahme
oder zwischen beiden Einvernahmen kontaktieren kann.

3. Unter Kostenund Entschädigungsfolge (letztere zuzüglich Mwst) ge-
mäss Gesetz."
E.
Der Rechtsvertreter des Beschuldigten Z. beantragt in der Stellungnahme
vom 26. Oktober 2011, die Beschwerde sei abzuweisen, soweit darauf einzutreten
sei. Zur Begründung wird im Wesentlichen vorgebracht, dass es der Privatkläger-
schaft an einem rechtlich geschützten Interesse fehle und sie folglich nicht be-
schwerdelegitimiert sei. Ebenfalls mit Eingabe vom 26. Oktober 2011 nahm die
Rechtsvertreterin von Y. namens ihres Mandanten Stellung zur Beschwerde, wo-
bei sie auf die Stellung von Anträgen verzichtet, indessen geltend macht, dass die
Beschwerde verspätet eingereicht worden sei. Die Staatsanwaltschaft Graubün-
den beantragt in ihrer Vernehmlassung vom 28. Oktober 2011 die kostenfällige
Abweisung der Beschwerde und bringt ebenfalls vor, die Beschwerde erscheine
als verspätet. Ferner stellt sie ebenso die Beschwerdelegitimation der Privatklä-
gerschaft in Frage.
F.
Auf die weiteren Ausführungen in der angefochtenen Verfügung sowie den
Rechtsschriften wird, soweit erforderlich, in den nachfolgenden Erwägungen ein-
gegangen.
II. Erwägungen
1.
Gegen Verfügungen und Verfahrenshandlungen der Staatsanwaltschaft
kann gemäss Art. 393 Abs. 1 lit. a StPO Beschwerde erhoben werden. Beschwer-
deinstanz ist das Kantonsgericht von Graubünden (Art. 22 des Einführungsgeset-
zes zur schweizerischen Strafprozessordnung [EGzStPO; BR 350.100]. Gemäss
Art. 396 Abs. 1 StPO beträgt die Beschwerdefrist zehn Tage und die Beschwerde
Seite 3 — 12

ist schriftlich und begründet einzureichen. Die Beschwerde vom 7. Oktober 2011
wurde formgerecht bei der zuständigen Instanz eingereicht. Näher einzugehen ist
jedoch auf die Frage, ob die Eingabe fristgerecht erfolgt ist.
1.1. Die Staatsanwaltschaft weist in ihrer Vernehmlassung unter Hinweis auf
den E-Mail-Verkehr im Zusammenhang mit der Terminumfrage am 28. Juli 2011
(act. 1.5.7.a-c und act. 1.5.9 der Staatsanwaltschaft) zunächst zu Recht darauf
hin, dass die Rechtsvertreterin der Beschwerdeführer entgegen ihrer Behauptun-
gen bereits im Vorfeld von der Zulassung von Z. zur Befragung von Y. wusste und
sich dies des Weiteren auch aus der Tatsache erhellt, dass Rechtsanwältin Ten-
chio an die Einvernahme vom 22. September 2011 Literaturund Judikaturauszü-
ge (act. 4.2.2. und 4.2.3.) mitbrachte, welche das diesbezüglich interessierende
Thema behandeln. Wusste sie jedoch von der Zulassung von Z. zur Einvernahme,
so musste sie auch davon ausgehen, dass dessen Rechtsvertreter ebenfalls fakul-
tativ vorgeladen bzw. zugelassen wird. Die Staatsanwaltschaft folgert nun daraus,
dass die Beschwerde verspätet sei, macht somit sinngemäss geltend, dass die mit
der Beschwerde vorgebrachte Rüge bereits im Vorfeld der Einvernahme hätte gel-
tend gemacht werden können. Diesbezüglich ist festzuhalten, dass neben Verfü-
gungen der Staatsanwaltschaft auch deren andere Verfahrenshandlungen Anfech-
tungsobjekte der strafrechtlichen Beschwerde bilden (Art. 393 Abs. 1 lit. a StPO).
Der Kreis der beschwerdefähigen Verfahrenshandlungen ist dabei weit und erfasst
im Grundsatz jedes Vorgehen der Strafbehörden, welches das Strafverfahren vo-
rantreibt, sofern die Strafbehörde damit gegen aussen in Erscheinung tritt und die
Parteien bzw. allenfalls weitere Verfahrensbeteiligte tangiert (vgl. Schmid, Schwei-
zerische Strafprozessordnung [StPO], Praxiskommentar, Zürich 2009, N 2 zu Art.
393 StPO; Keller, in: Donatsch/Hansjakob/Lieber [Hrsg.], Kommentar zur Schwei-
zerischen Strafprozessordnung [StPO], Zürich 2010, N 11 zu Art. 393 StPO). Die
Ansetzung der Einvernahme mit Darlegung des vorgesehenen Ablaufs sowie die
zugestellten fakultativen Vorladungen (welche anders als die Vorladungen an die
Einvernehmenden nicht den Formvorschriften von Art. 201 StPO unterliegen) stel-
len solche Verfahrenshandlungen dar. Somit hätte bereits die entsprechende An-
setzung der Einvernahme mit der fakultativen Vorladung auch des Mitbeschuldig-
ten und dessen Rechtsvertreter mit Beschwerde angefochten werden können, in-
nert zehn Tagen ab dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme. Diese Frist war am 7. Ok-
tober 2011 fraglos bereits abgelaufen.
1.3. Des Weiteren kann auch der Rechtsvertreterin von Z. gefolgt werden, so-
weit sie sinngemäss geltend macht, die Ablehnung des Antrags auf Ausschluss
anlässlich der Verhandlung am 22. September 2011 hätte eine beschwerdefähige
Seite 4 — 12

Verfügung dargestellt. Gemäss Art. 80 Abs. 3 StPO brauchen verfahrensleitende
Verfügungen weder besonders ausgefertigt noch begründet zu werden; sie sind
lediglich im Protokoll zu vermerken und den Parteien in geeigneter Weise zu er-
öffnen. Der Erlass der schriftlichen Verfügung durch die Staatsanwaltschaft wäre
somit mit Blick auf diese Anforderungen und auch mit Blick auf die Umschreibung
der beschwerdefähigen Anfechtungsobjekte in Art. 393 Abs. 1 lit. a StPO nicht
zwingend erforderlich gewesen. Nimmt man die Ablehnung des Antrages anläss-
lich der Einvernahme vom 22. September 2011 als massgebender Zeitpunkt für
den Beginn der Beschwerdefrist, so ist die am 7. Oktober 2011 eingereichte Be-
schwerde wiederum verspätet.
1.4. Vorliegend kann jedoch nicht unbesehen bleiben, dass der Staatsanwalt die
Einvernahme am 22. September 2011 auf Antrag der Rechtsvertreterin der Be-
schwerdeführer hin unterbrach und ihr eine „anfechtbare Verfügung in Aussicht
stellte (vgl. Einvernahmeprotokoll vom 22. September 2011, act. 4.2.1. der Staats-
anwaltschaft). Diese Verfügung hat er ihr sodann am 26. September 2011 mitge-
teilt, versehen mit einer Rechtsmittelbelehrung, welche die Anfechtbarkeit der Ver-
fügung innert 10 Tagen erwähnt. Die Verfügung ist der Rechtsvertreterin der Be-
schwerdeführer am 27. September 2011 zugegangen, womit die Eingabe der Be-
schwerde am 7. Oktober 2011 unter diesem Blickwinkel rechtzeitig erfolgte. Es
mutet seltsam an, wenn der Staatsanwalt in seiner Vernehmlassung sich auf den
Standpunkt stellt, die Beschwerde sei aufgrund der früheren Kenntnisnahme der
vorgesehenen Vorladungen verspätet, obwohl die in seiner Verfügung genannte
Beschwerdefrist eingehalten worden ist. Ebenso kann die Verfügung vom 23. Sep-
tember 2011 auch nicht wie dies die Rechtsvertreterin von Y. geltend macht -
als blosse Wiederholung der Ablehnung des Antrags auf Ausschluss anlässlich
der Einvernahme unbeachtet bleiben, ist sie der Rechtsvertreterin der Beschwer-
deführerin doch begründet und mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen formell
zugestellt worden. Der Umstand, dass die mit der Beschwerde vorgebrachten Rü-
gen bereits früher hätten geltend gemacht werden können, hat vorliegend unbe-
achtet zu bleiben, da von der Staatsanwaltschaft eine formelle Verfügung erlassen
und zugestellt worden ist, welche innert der angegebenen Rechtsmittelfrist von
zehn Tagen angefochten wurde. Ein Nichteintreten mit der Begründung, die Be-
schwerde sei verspätet, würde unter diesen Umständen wohl gegen Treu und
Glauben verstossen. Letztlich braucht diese Frage jedoch vorliegend nicht ab-
schliessend geklärt zu werden, da wie nachfolgend aufzuzeigen ist auf die Be-
schwerde aus anderen Gründen nicht eingetreten werden kann.
Seite 5 — 12

2.
Gemäss Art. 382 Abs. 1 StPO kann jede Partei, die ein rechtlich geschütz-
tes Interesse an der Aufhebung Änderung eines Entscheides hat, ein
Rechtsmittel ergreifen. Als Partei gilt gemäss Art. 104 Abs. 1 lit. a StPO auch die
Privatklägerschaft. Die Voraussetzungen bei A.X. und B.X. bezüglich der Konstitu-
ierung als Privatkläger sind vorliegend unstreitig und ihre Parteieigenschaft damit
zu bejahen. Zu prüfen ist jedoch im Folgenden, ob ihnen für die Anfechtung der
Verfügung des Staatsanwaltes ein rechtlich geschütztes Interesse zukommt. Es
stellt sich insbesondere die Frage, ob die Beschwerdeführer in ihrer Stellung als
Privatkläger ein rechtlich geschütztes Interesse daran haben, dass die Einver-
nahmen der Beschuldigten getrennt und unter Ausschluss des jeweils anderen
Mitbeschuldigten bzw. dessen Rechtsvertretung durchgeführt werden.
2.1. Die Beschwerdeführer begründen ihrer Legitimation damit, dass bei einer
Zulassung der Mitbeschuldigten eine absolute Anpassung des Aussageverhaltens
beider Angeschuldigten und dadurch eine Kollusion all derjenigen Tatbestands-
elemente ermöglich würden, die nicht anderweitig, namentlich nicht durch Sach-
beweise bewiesen werden könnten. Dadurch werde die Strafuntersuchung emp-
findlich gefährdet gar vereitelt und die Wahrheitsfindung verunmöglicht.
Rechtsanwalt Cavegn, Verteidiger des Mitbeschuldigten Z., stellt sich dagegen auf
den Standpunkt, die Privatklägerschaft habe nach der geltenden StPO überhaupt
keinen Anspruch darauf, dass eine Einvernahme von Personen unter Ausschluss
anderer im Sinne von Art. 146 StPO einer Einvernahme unter Teilnahme der Be-
schuldigten nach Art. 147 StPO vorgezogen werde. Es würde dem Sinn und
Zweck der StPO denn auch zuwiderlaufen, wenn die Privatklägerschaft der verfah-
rensleitenden Behörde Vorschriften über die Art der Einvernahme bzw. deren Er-
mittlungen machen könnte. Damit fehle den Beschwerdeführern als Privatstrafklä-
ger das Recht auf eine entsprechende Intervention, weshalb auf ihre Beschwerde
mangels rechtlich geschützten Interesses nicht einzutreten sei.
2.2
Gemäss der Rechtsprechung des Bundesgerichts hat die geschädigte Per-
son an der strafrechtlichen Verfolgung und Verurteilung des Beschuldigten grund-
sätzlich nur ein tatsächliches bzw. mittelbares, nicht aber ein rechtlich geschütztes
Interesse, da der Strafanspruch allein dem Staat zusteht (BGE 136 IV 29 E. 1.7.2.
S. 39). Die Wahrung dieses staatlichen Anspruchs ist demnach primär Sache der
Strafverfolgungsbehörde. Allerdings kann sich der Entscheid im Schuldpunkt auf
die Beurteilung der Zivilforderung auswirken, auf deren Durchsetzung die geschä-
digte Person ein rechtlich geschütztes Interesse hat. Die StPO gewährt der ge-
schädigten Person sofern sie sich als Privatklägerschaft konstituiert - daher das
Seite 6 — 12

Recht, den Entscheid im Schuldund im Zivilpunkt anzufechten (Urteil des Bun-
desgerichts 6B_557/2010 vom 9. März 2011, E. 5.2).
Mit der vorliegenden Beschwerde wird nicht ein Entscheid im Schuldoder
im Zivilpunkt angefochten, sondern Anordnungen bzw. eine Verfügung im Zu-
sammenhang mit der Einvernahme von beschuldigten Personen, welche die
Staatsanwaltschaft in ihrer Funktion als verfahrensleitende Behörde getroffen bzw.
erlassen hat. Diese dienen zu nichts anderem als dem Fortgang der Strafunterun-
tersuchung und somit der strafrechtlichen Verfolgung. An der strafrechtlichen Ver-
folgung an sich hat jedoch der Geschädigte bzw. die Privatklägerschaft dem Ge-
sagten nach bloss ein tatsächliches bzw. mittelbares Interesse, nicht aber ein
rechtlich geschütztes Interesse, welches für die Beschwerdelegitimation gemäss
Art. 382 Abs. 2 StPO verlangt wird.
2.3. Sind die Beschwerdeführer in der Sache selbst somit nicht zur Beschwerde
legitimiert, so können sie lediglich die Verletzung von Rechten rügen, die ihnen als
am Verfahren beteiligte Partei nach dem massgebenden Prozessrecht - das
heisst vorliegend der StPO unmittelbar aufgrund der Bundesverfassung
(BV; SR 101) der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grund-
freiheiten (EMRK; SR 0.101) zukommen. Das erforderliche rechtlich geschützte
Interesse besteht diesfalls nicht aus einer Berechtigung in der Sache, sondern aus
der Berechtigung, am Verfahren teilzunehmen. Zulässig sind dementsprechend
Rügen formeller Natur, die von der Prüfung der Sache selber getrennt werden
können. Nicht zu hören sind dagegen Rügen, die im Ergebnis auf eine materielle
Überprüfung des angefochtenen Entscheids abzielen (Urteil des Bundesgerichts
1B_246/2011 vom 26. August 2011, E. 1.3).
Die Beschwerdeführer rügen vorliegend eine Verletzung von Art. 146 Abs. 1
StPO. Sie machen insbesondere eine Ermessensunterschreitung des Staatsan-
waltes geltend, da dieser offenbar davon ausgehe, dass Art. 147 StPO, welcher
die Teilnahmerechte der Parteien an der Beweiserhebung regelt, stets den Vor-
rang habe gegenüber Art. 146 StPO.
2.3.1. Art. 146 Abs. 1 StPO statuiert für alle Verfahrensabschnitte den Grundsatz
der getrennten Einvernahme mehrerer Personen. In der Lehre wird überwiegend
die Auffassung vertreten, bei Art. 146 Abs. 1 StPO handle es sich um eine Ord-
nungsvorschrift (Schmid, Praxiskommentar, N 1 zu Art. 146 StPO; Häring, in:
Niggli/Heer/Wiprächtiger [Hrsg.], Basler Kommentar, Schweizerische Strafpro-
zessordnung, 2010, N 1 zu Art. 146 StPO mit Hinweis auf Jositsch, Grundriss des
Seite 7 — 12

schweizerischen Strafprozessrechts, Zürich 2009, N 292; a.M. Godenzi, in: Do-
natsch/Hansjakob/Lieber [Hrsg.], Kommentar zur Schweizerischen Strafprozess-
ordnung [StPO], Zürich 2010, N 4 zu Art. 146 StPO, die diese Vorschrift als Gül-
tigkeitsvorschrift einstuft). Die Verletzung von Ordnungsvorschriften wird sodann
nicht als Verletzung von Vorschriften, welche eigentlich schützenswerte Interessen
der Verfahrensbeteiligten sichern, gesehen, sondern lediglich als Missachtung von
bloss untergeordneten, im Prinzip allein die Abwicklung des Strafverfahrens si-
cherstellenden Regeln (Schmid, Handbuch des schweizerischen Strafprozess-
rechts, Zürich 2009, N 796). Unter diesem Blickwinkel wäre für den vorliegenden
Fall zu folgern, dass auch bei einer Verletzung von Art. 146 StPO durch die
Staatsanwaltschaft keine rechtlich geschützten Interessen der Parteien betroffen
sind und somit auch für die Privatklägerschaft keine Beschwerdelegitimation her-
geleitet werden kann.
2.3.2. Die Ablehnung der Beschwerdelegitimation allein gestützt auf die Qualifizie-
rung von Art. 146 StPO als Ordnungsvorschrift greift vorliegend jedoch zu kurz.
Vielmehr ist Art. 146 Abs. 1 StPO im Kontext mit Art. 147 StPO, welcher die Teil-
nahmerechte der Parteien an Beweiserhebungen regelt, zu beurteilen. Nach
Art. 147 Abs. 1 StPO haben die Parteien das Recht, bei Beweiserhebungen durch
die Staatsanwaltschaft und die Gerichte anwesend zu sein und einvernommenen
Personen Fragen zu stellen (Art. 147 Abs. 1 StPO). Der Einvernahme kommt
zweifelsfrei Beweisfunktion zu (Häring, a.a.O., N 6 vor Art. 142-146 StPO), wes-
halb die Teilnahmerechte zu beachten sind. Das Recht des Beschuldigten auf eine
Konfrontation mit den Belastungszeugen einschliesslich der Möglichkeit zur Stel-
lung von Zusatzfragen ergibt sich überdies bereits aus Art. 6 Ziff. 3 lit. d EMRK.
Entsprechend ist auch dann, wenn Aussagen von Beschuldigten gegen Mitbe-
schuldigte verwendet werden sollen, Letzteren die Teilnahme zumindest
nachträglich das Konfrontationsrecht zu gewähren (Schmid, Handbuch, N 823
S. 346; ders., Praxiskommentar, N 5 zu Art. 147 StPO; Wohlers, in: Do-
natsch/Hansjakob/Lieber [Hrsg.], Kommentar zur Schweizerischen Strafprozess-
ordnung [StPO], Zürich 2010, N 2 zu Art. 322 StPO; Häring, a.a.O., N 5 zu
Art. 146 StPO). Wenn Art. 146 Abs. 1 StPO den Strafbehörden ermöglicht, die
Beschuldigten andere Personen getrennt und nacheinander einzuverneh-
men, so bedeutet dies nicht, dass die Teilnahmerechte der (Mit-) Beschuldigten
oder der anderen Parteien unbeachtlich wären (Godenzi, a.a.O., N 2 zu Art. 146
StPO). Zwischen Art. 146 Abs. 1 StPO und Art. 147 Abs. 1 StPO besteht somit
dahingehend ein Spannungsfeld.
Seite 8 — 12

Die Auffassung der Staatsanwaltschaft, dass der Entscheid darüber, ob und
inwieweit die Teilnahmerechte von Art. 147 StPO im Zusammenhang mit Art. 146
StPO eingeschränkt werden können, in ihrem freien und durch die Rechtsmit-
telinstanz nicht überprüfbaren Ermessen liege (Vernehmlassung der Staatsan-
waltschaft, Ziff. 4, S. 2), greift zu kurz. Die Anwendung von Art. 146 Abs. 1 StPO
durch die Strafbehörden ist durchaus einer richterlichen Überprüfung zugänglich,
wenn sich eine Partei ihrerseits auf eine Verletzung ihrer Teilnahmerechte berufen
kann. Dies stand beispielsweise im Raum bei den Sachverhalten, die den beiden
von der Beschwerdeführerin eingelegten Entscheidungen des Obergerichts Zürich
(vom 11. Mai 2011, ZR 2011 Nr. 39 S. 102 ff.) bzw. des Obergerichts Aargau (vom
19. Mai 2011, forumpenale 4/2011 S. 208 ff.) zu Grunde lagen. So war es dort je-
weils der Mitbeschuldigte, welcher beantragt hatte, bei der Einvernahme des an-
deren Mitbeschuldigten teilnehmen zu können, was von der Staatsanwaltschaft
abgelehnt worden war und wogegen jeweils Beschwerde erhoben wurde. Die Be-
schwerdeführer konnten sich dabei auf das in Art. 147 Abs. 1 StPO stipulierte
Teilnahmerecht berufen und geltend machen, durch ihren Ausschluss sei diese
ihre rechtlich geschützten Interessen betreffende Norm verletzt worden.
Der vorliegende Sachverhalt stellt sich in diesem Punkt gerade anders dar.
Sowohl den Beschuldigten als auch der Privatklägerschaft wurde durch die fakul-
tativen Vorladungen zu beiden Einvernahmen das Teilnahmerecht der Parteien
gemäss Art. 147 StPO gewährt. Die Staatsanwaltschaft hat von der Möglichkeit
der getrennten Einvernahme unter Ausschluss des jeweiligen anderen Mitbe-
schuldigten, wie sie ihr Art. 146 Abs 1 StPO erlaubt hätte, keinen Gebrauch ge-
macht. Inwieweit dieses Vorgehen aus prozessökonomischen Gründen, wie dies
die Staatsanwaltschaft geltend macht, und im Hinblick auf die Wahrheitsfindung
sinnvoll ist, braucht an dieser Stelle nicht beurteilt zu werden. Massgebend ist,
dass die Teilnahmerechte der Beschwerdeführerin nicht tangiert sind, sie aus
Art. 146 Abs. 1 StPO jedoch keinen Anspruch ihrerseits darauf ableiten kann, dass
die beiden Beschuldigten getrennt einvernommen werden müssten. Die Abwä-
gung, ob eine getrennte Einvernahme nach Art. 146 Abs. 1 StPO vorgenommen
werden soll, ist soweit die Teilnahmerechte der Parteien nicht tangiert sind -
Sache der verfahrensleitenden Strafbehörde. Gleiches gilt auch hinsichtlich der
Frage, inwieweit Massnahmen (beispielsweise im Sinne von Art. 146 Abs. 3 StPO)
zur Reduktion der Kollusionsgefahr zu ergreifen sind. Der Privatklägerschaft
kommt auch insoweit kein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung
Änderung der angefochtenen Verfügung zu.
Seite 9 — 12

2.4. Zusammenfassend ist somit festzuhalten, dass die Privatklägerschaft vor-
liegend mangels eines rechtlich geschützten Interesses nicht beschwerdelegiti-
miert im Sinne von Art. 382 StPO ist. Auf die Beschwerde ist folglich nicht einzu-
treten.
3.
Gemäss Art. 421 Abs. 1 StPO hat die Strafbehörde im Endentscheid von
Amtes wegen über die Kostenfolgen zu befinden, der Kostenentscheid ergeht so-
mit grundsätzlich mit der Hauptsache; dieser Grundsatz betrifft nach herrschender
Auffassung über den Wortlaut hinaus auch die Entschädigungen (Domeisen, in:
Niggli/Heer/Wiprächtiger [Hrsg.], Basler Kommentar, Schweizerische Strafpro-
zessordnung, 2010, N 3 zu Art. 421 StPO; Riklin, StPO Kommentar, Zürich 2010,
N 1 zu Art. 421 StPO). Der vorliegende Beschwerdeentscheid ist kein verfahrens-
erledigender Entscheid, sondern stellt einen Rechtsmittelentscheid gegen eine
Verfahrenshandlung bzw. verfahrensleitende Verfügung der Staatsanwaltschaft
und damit gegen einen Zwischenentscheid im Sinne von Art. 421 Abs. 2 lit. c
StPO dar. Gemäss dieser Bestimmung kann die Kostenfestlegung im Rechtsmit-
telentscheid vorweggenommen werden. Gründe, welche vorliegend gegen eine
solche Vorwegnahme sprechen, sind nicht ersichtlich. Somit ist nachfolgend auch
über die Kostenund Entschädigungsfolgen zu befinden.
3.1. Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens tragen die Parteien nach Massgabe
ihres Obsiegens und Unterliegens (Art. 428 Abs. 1 StPO). Dem Verfahrensaus-
gang nach gehen die Kosten des Beschwerdeverfahrens vorliegend zu Lasten der
Beschwerdeführer (Art. 428 Abs. 1 StPO). Gestützt auf den geltenden Gebühren-
rahmen von Fr. 1'000.bis Fr. 5'000.- (Art. 8 der Verordnung über die Gerichts-
gebühren im Strafverfahren [VGS; BR 350.210]) erscheint vorliegend eine Gebühr
von Fr. 2'000.als angemessen.
3.2. Auf Aufforderung hin seitens des Vorsitzenden der zuständigen II. Straf-
kammer des Kantonsgerichts von Graubünden (Verfügung vom 17. Oktober 2011)
reichten die beiden Beschuldigten bzw. ihre Rechtsvertretungen am 26. Oktober
2011 ihre Stellungnahmen ein und führten darin im Wesentlichen aus, auf die Be-
schwerde sei nicht einzutreten. Die beiden Beschuldigten sind folglich für ihre
Aufwendungen für das Beschwerdeverfahren zu entschädigen. Aus den Stellung-
nahmen wird dabei ersichtlich, dass unterschiedlich grosser Aufwand entstanden
ist, weshalb es vorliegend als angemessen erscheint, Z. mit Fr. 1'500.- und Y. mit
Fr. 700.zu entschädigen.
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Für die ausseramtliche Entschädigung im Rechtsmittelverfahren verweist
Art. 436 Abs. 1 StPO auf die Art. 429-432 StPO. Das Gesetz sieht in Art. 432
StPO keine allgemeine Entschädigungspflicht der Privatklägerschaft gegenüber
der obsiegenden beschuldigten Person vor; die Privatklägerschaft wird nur ent-
schädigungspflichtig für Aufwendungen, die durch Anträge zum Zivilpunkt verur-
sacht wurden (Abs. 1), unter bestimmten Voraussetzungen bei Antragsdelik-
ten (Abs. 2). Diese Regelung beruht auf der Überlegung, dass der Staat, dem die
Strafverfolgung obliegt, grundsätzlich für die dadurch entstandenen finanziellen
Einbussen aufzukommen hat (vgl. Botschaft zur Vereinheitlichung des Strafpro-
zessrechts vom 21. Dezember 2005, BBl 2006, 1085 ff., 1331). Sind die Voraus-
setzungen für eine Entschädigungspflicht der Privatklägerschaft nicht gegeben,
wie dies vorliegend der Fall ist, so verbleibt es damit Sache des Staates, der ob-
siegenden beschuldigten Person Entschädigung zu gewähren (vgl. Schmid, Pra-
xiskommentar, N 3 zu Art. 432 StPO; ebenso Griesser, in: Do-
natsch/Hansjakob/Lieber [Hrsg.], Kommentar zur Schweizerischen Strafprozess-
ordnung [StPO], Zürich 2010, N 1 zu Art. 432 StPO). Die Entschädigungen an die
Beschwerdegegner gehen somit vorliegend zu Lasten des Kantons Graubünden.
Seite 11 — 12

III. Demnach wird erkannt
1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.
2.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens von Fr. 2'000.gehen zu Lasten der
Beschwerdeführer.
3.
Der Kanton Graubünden hat Y. mit Fr. 700.inkl. MWSt und Z. mit Fr.
1'500.inkl. MWSt ausseramtlich zu entschädigen.
4.
Gegen diese Entscheidung kann gemäss Art. 78 ff. des Bundesgesetzes
vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG;
SR 173.110) Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht geführt
werden. Die Beschwerde ist dem Schweizerischen Bundesgericht, 1000
Lausanne 14, schriftlich innert 30 Tagen seit Eröffnung der vollständigen
Ausfertigung der Entscheidung in der gemäss Art. 42 f. BGG vorgeschrie-
benen Weise einzureichen. Für die Zulässigkeit, die Beschwerdelegitima-
tion, die weiteren Voraussetzungen und das Verfahren der Beschwerde gel-
tend die Art. 29 ff., 78 ff. und 90 ff. BGG.
5.
Mitteilung an:
Seite 12 — 12

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