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Urteil Kantonsgericht Graubünden (GR)

Zusammenfassung des Urteils SK2-11-31: Kantonsgericht Graubünden

Die Beschwerdegegnerin fuhr beim Skifahren in ein Absperrband, das zu spät sichtbar war, und verursachte dadurch einen Unfall, bei dem der Beschwerdeführer verletzt wurde. Die Staatsanwaltschaft stellte das Strafverfahren ein, da sie die Verletzungen des Beschwerdeführers nicht als vorhersehbar ansah. Die Entscheidung wurde jedoch aufgehoben, da die Vorhersehbarkeit des Unfalls nicht ausgeschlossen werden konnte. Es wurde angeordnet, weitere Untersuchungen durchzuführen und den Zeugen D. zu befragen. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Kanton Graubünden.

Urteilsdetails des Kantongerichts SK2-11-31

Kanton:GR
Fallnummer:SK2-11-31
Instanz:Kantonsgericht Graubünden
Abteilung:-
Kantonsgericht Graubünden Entscheid SK2-11-31 vom 23.11.2011 (GR)
Datum:23.11.2011
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:fahrlässige Körperverletzung
Schlagwörter : Absperrband; Staatsanwaltschaft; Erfolg; Geschwindigkeit; Verhalten; Unfall; Transparent; Sorgfalt; Sturz; Umstände; Piste; Zeuge; Pfosten; Verletzung; Täter; Graubünden; Förderband; Erfolgs
Rechtsnorm:Art. 118 StPO ;Art. 12 StGB ;Art. 29 BV ;Art. 428 StPO ;Art. 433 StPO ;
Referenz BGE:133 I 98; 135 IV 56;
Kommentar:
Schmid, Praxis, Zürich , Art. 433 OR, 2009
Schweizer, Trechsel, Praxis- , Zürich , Art. 12 StGB, 2008
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017

Entscheid des Kantongerichts SK2-11-31

Kantonsgericht von Graubünden

Dretgira chantunala dal Grischun

Tribunale cantonale dei Grigioni
_____

Ref.:
Chur, 23. November 2011
Schriftlich mitgeteilt am:
SK2 11 31
Entscheid
II. Strafkammer
Vorsitz
Bochsler
Richter
Hubert und Schlenker
Aktuar
Wolf

In der strafrechtlichen Beschwerde
des X., Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Gerhard Fuchs, Wein-
bergstrasse 9, DE-88214 Ravensburg,
gegen
die Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft Graubünden vom 29. August
2011, mitgeteilt am 31. August 2011, in Sachen der Y., Beschwerdegegnerin,
betreffend fahrlässige Körperverletzung,
hat sich ergeben:

I. Sachverhalt
A.
Am Sonntag, den 16. Januar 2011, fuhr Y. gegen 15.15 Uhr in A. mit den
Skiern auf der Piste von B. in Richtung Sammelplatz der Skischule. Dazu wollte
sie links an einem Transparent mit der Aufschrift „Ende der Piste“ und zwei aufge-
zeichneten Fahrverbotszeichen vorbeifahren und dann auf dem Sammelplatz an-
halten. Dabei bemerkte sie ein Absperrband zu spät, welches zwischen dem er-
wähnten Transparent und dem Förderband positioniert war. Als sie das Band
wahrnahm, setzte sie sofort zum Bremsen an, fuhr jedoch trotzdem hinein und
stürzte. Während des Sturzes löste sich der untere Pfosten des Absperrbandes
aus dem Schnee, wurde in die Richtung des sich auf dem Sammelplatz befinden-
den X. geschleudert und traf diesen an der linken Hand sowie - nach dessen Aus-
sagen am Kopf. Dadurch zog sich X. einen Bruch des Mittelhandknochens und
des Grundglieds des Ringfingers zu.
B.
Am 17. Januar 2011 stellte X. Strafantrag wegen Körperverletzung und
konstituierte sich als Strafund Zivilkläger (Privatklägerschaft). Im Anschluss an
die polizeilichen Ermittlungen eröffnete die Staatsanwaltschaft Graubünden mit
Verfügung vom 15. März 2011 eine Strafuntersuchung gegen Y. wegen fahrlässi-
ger Körperverletzung.
C.
Mit Verfügung vom 29. August 2011, mitgeteilt am 31. August 2011, stellte
die Staatsanwaltschaft Graubünden das gegen Y. geführte Strafverfahren ein, wo-
bei die Verfahrenskosten dem Kanton Graubünden überbunden wurden und keine
Entschädigung zugesprochen wurde. Der Begründung lässt sich entnehmen, Y.
sei erwiesenermassen auch in dem unterhalb des Transparents „Ende der Piste“
liegenden Bereich noch Ski fahrend unterwegs gewesen, ansonsten sie nicht mit
dem Absperrband kollidiert wäre. Die von der E. zu den Akten gegebenen Fotos
zeigten deutlich, dass dieses Absperrband unterhalb des Transparents gesetzt
gewesen sei. Der Umstand, dass auf dem Transparent neben dem erwähnten
Schriftzug auch noch zwei „Fahrverbots“-Signale deutlich abgebildet seien, spre-
che für die Annahme einer Sorgfaltspflichtverletzung. Dies müsse aber nicht ab-
schliessend beurteilt werden, da es für Y. nicht vorhersehbar gewesen sei, dass
ihr vermeintliches Fehlverhalten zu einem Erfolg in der Art des Eingetretenen füh-
ren würde. Sie habe glaubhaft erklärt, dass sie „unmittelbar im Bereich des dorti-
gen Transparents“ habe anhalten wollen und sie die Kollision mit dem Absperr-
band „beim Ansetzen zum letzten Bogen bzw. Schwung“ verursacht habe; eben-
so, dass sie vor der Kollision mit dem Absperrband höchstens mit etwa 10 Stun-
denkilometern gefahren sei. Y. sei damit zum Kollisionszeitpunkt weniger am Fah-
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ren als vielmehr am Abbremsen im letzten Stadium gewesen. Angesichts dieser
für Skifahrer geringen Geschwindigkeit und in Anbetracht des Abstandes, den sie
zum Kollisionszeitpunkt zu X. eingehalten habe, habe sie nicht voraussehen kön-
nen, dass sie durch ihr vermeintliches Fehlverhalten Letzteren verletzen würde.
Dieses Fehlverhalten sei vielmehr nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und
den allgemeinen Erfahrungen des Lebens nicht geeignet gewesen, einen Holz-
pfosten aus dem Schnee zu reissen, so dass dieser gegen eine in der Nähe ste-
hende Person geschleudert worden und diese auch noch verletzt worden sei. Da
auch keine Beweismittel ersichtlich seien, die das Untersuchungsergebnis mass-
geblich beeinflussen könnten, sei die Strafuntersuchung einzustellen.
D.
Dagegen liess X. am 9. September 2011 Beschwerde an das Kantonsge-
richt von Graubünden erheben und beantragte die Aufhebung der angefochtenen
Einstellungsverfügung. Es sei richtig, dass das Absperrband unterhalb des Trans-
parentes mit der Aufschrift „Ende der Piste“ angebracht gewesen sei. Y. sei abso-
lut unkontrolliert und viel zu schnell die Piste und die anschliessende Verbotsstre-
cke hinuntergefahren. Schon auf der Höhe des Förderbandes habe sie mit einem
Sturz gekämpft, wozu D. als Zeuge einzuvernehmen sei. Auch die Verletzungsfol-
gen seien - unter anderem aufgrund von eingetretenen Komplikationen ausge-
sprochen gravierend. Die Geschwindigkeitsangabe der Beschwerdegegnerin
(max. 10 km/h) sei offensichtlich unzutreffend. Wenn sie nur mit einer derart ge-
ringen Geschwindigkeit in das Plastikband gefahren wäre, wäre eine ca. 2.5-3 Me-
ter lange Aluminiumstange sicherlich nicht aus dem Schnee gerissen worden, ca.
15 Meter weit geflogen und hätte den Beschwerdeführer nicht in Kopfhöhe so hef-
tig getroffen, dass Mittelhandknochen und Ringfinger komplett gebrochen worden
seien. Der Beschwerdeführer habe einen absolut stabilen Knochenbau und sei in
zahlreichen Sportarten versiert. Die Wucht des Aufpralls zeige, dass eine Ge-
schwindigkeit von 10 km/h nicht richtig sein könne. Es bestehe kein Zweifel, dass
eine Sorgfaltspflichtverletzung vorläge, wenn die Beschwerdegegnerin mit einer
derart hohen Geschwindigkeit auf den Sammelplatz „zurase“, sodass ein 2.5-3
Meter langer Aluminiumpfosten aus dem Schnee gerissen werde und den Be-
schwerdeführer mit einer derartigen Wucht am Kopf und an der Hand treffe, dass
der Mittelhandknochen und der kleine Finger vollständig gebrochen würden. Diese
Folge sei auch vorhersehbar gewesen, denn die Beschwerdegegnerin habe ge-
wusst, dass sich dort der Sammelplatz befinde und die Skifahrer zum Förderband
gingen, sodass erst recht grosse Sorgfalt und vor allem eine absolut geringe Ge-
schwindigkeit geboten gewesen sei.
Seite 3 — 15

E.
In ihrer Stellungnahme vom 20. November 2011 brachte die Beschwerde-
gegnerin vor, aus dem Foto des Beschwerdeführers in Beilage 2 sei ersichtlich,
dass zwar oberhalb des Bandes in der Hangneigung ein Transparent angebracht
sei. Was auf diesem Transparent stehe, sei aber nicht auszumachen. Es treffe
entgegen dem Beschwerdeführer nicht zu, dass es sich bei dem in seiner Beilage
3 ersichtlichen Transparent um dasselbe handle wie bei dem in Beilage 2 abge-
lichteten. Das Transparent in Beilage 3 („Ende der Piste“) stehe eindeutig in fla-
chem Gelände auf gleichem Niveau wie die Kleinkinderanlage der Skischule. Da-
mit befinde sich das Signal „Ende der Piste“ deutlich unterhalb des Bandes und
der Befestigungsstange, die wie aus Beilage 2 ersichtlich in Hanglage platziert
seien. Da es nur ein Ende der Piste geben könne, sei davon auszugehen, dass
das in Beilage 2 ersichtliche Transparent in Hanglage eine andere Aufschrift trage.
D. sei zum Zeitpunkt des Endes ihrer Fahrt mit dem Rücken zum Geschehen auf
dem Förderband etwa in der Hälfte der Förderbandstrecke gestanden. Das För-
derband liege nicht parallel zur Piste, sondern führe leicht von ihr weg. Herr D. sei
in einem intensiven Gespräch mit einer Dame gewesen, die später mit ihm auf der
Unfallstelle erschienen sei. Er und seine Begleiterin seien mit wüsten Beschimp-
fungen wie „ihr huara Scheiss-Turischta“ zum Unfallort gestürmt. Herr D. habe die
Beschwerdegegnerin heftig am Arm gepackt und ihr ins Gesicht geschrien, wie ihr
Name sei. Dabei handle es sich unmissverständlich um den Mann, den sie anläss-
lich ihrer ersten polizeilichen Befragung beschrieben habe. Die Position des Zeu-
gen während des Endes ihrer Fahrt, der tätliche Angriff, die verbalen Entgleisun-
gen und das offensichtlich unkontrollierte Temperament disqualifizierten ihn als
Zeugen. Sie weise den Vorwurf, sie sei zu schnell gefahren und hätte bereits weit
oben mit einem Sturz gekämpft, entschieden zurück. Sie sei eine sehr gute, erfah-
rene, vorsichtige und geübte Skiläuferin und könne ihre Fahrweise und Geschwin-
digkeit sehr wohl kontrollieren, was sie zum fraglichen Zeitpunkt auch getan habe.
Die Verletzung des Beschwerdeführers bedaure sie zutiefst. Ihr Plan sei gewesen,
an der Grenze zwischen Hangneigung und Fläche ihre Fahrt zu beenden. Da das
Band noch in der Hangneigung angelegt und kaum sichtbar gewesen sei es sei
durchgehangen und nicht sachgemäss gespannt gewesen -, sei sie in der Anhal-
tebewegung gestürzt. Die fragliche Stange sei keinesfalls 2.5-3 Meter lang gewe-
sen, sondern mannshoch. Die Pistenmarkierung sei nicht in direkter Flugbahn auf
den Beschwerdeführer zugeflogen, sondern auf den harten, gepressten Schnee
gefallen und erst danach habe die Stange den Beschwerdeführer an der Hand
berührt. Die Aussage, dass ihn die Stange in Kopfhöhe getroffen habe, sei nicht
korrekt. Der Beschwerdeführer habe die in einer Gefahrenzone gebotene erhöhte
Sorgfalt und Aufmerksamkeit vermissen lassen. Sie sei nicht schneller als 10 km/h
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gefahren. Wäre sie „gerast“, so hätte sie das Band frontal durchfahren müssen.
Da sie jedoch bereits in der Anhaltebewegung gewesen sei, habe sie das Band
seitlich zu Fall gebracht. Eine höchst unglückliche Verkettung von Umständen und
Ereignissen und die offenbar unberechenbaren physikalischen Eigenschaften ei-
ner etwa mannshohen Stange, deren Eignung zum damals verfolgten Zweck oh-
nehin zu bezweifeln sei, hätten zur Verletzung des Beschwerdeführers geführt.
F.
Die Staatsanwaltschaft Graubünden liess sich am 20. September 2011 ver-
nehmen. Dass die Aluminiumstange aus dem Schnee gerissen worden sei und
das Plastikband mehrere Meter weit geflogen sei, lasse entgegen der Ansicht des
Beschwerdeführers keinen Rückschluss auf die Geschwindigkeit der Beschwer-
degegnerin zu. Je nach Aufprallwinkel und Dynamik erzeuge selbst eine geringe
Kollisionsgeschwindigkeit gar ein blosses Hineinrutschen eine ebenso grosse
Spannung und Kraft auf das Band. Selbst wenn es sodann zutreffen sollte, dass
die Beschwerdeführerin schon auf der Höhe des Förderbandes mit einem Sturz
gekämpft haben sollte, wäre damit nichts über ihr Tempo gesagt. Gleich-
wichtsprobleme träten gerade auch bei langsamer Fahrt auf. Zumal der Be-
schwerdeführer an seiner polizeilichen Einvernahme vom 19. Januar (recte: 17.
Januar) 2011 selbst angegeben habe, dass niemand das Unfallgeschehen beo-
bachtet habe, seien auch von der beantragten Befragung von D. keine neuen Er-
kenntnisse zu erwarten. Tatsächlich sei das Absperrband nicht speziell markiert
gewesen. Selbst wenn der Beschwerdegegnerin dennoch vorzuwerfen wäre, dass
sie am 16. Januar 2011 das Absperrband früher hätte sehen müssen, seien für sie
angesichts ihrer geringen Geschwindigkeit und ihres Abstandes zum Beschwerde-
führer die von ihm erlittenen Verletzungen nicht voraussehbar gewesen.
G.
Am 21. Oktober 2011 (Datum des Poststempels) nahm der Beschwerdefüh-
rer unaufgefordert Stellung. Die vorgelegten Fotos bezeugten eindeutig, dass das
Transparent „Ende der Piste“ oberhalb des Bandes und der Befestigungsstange
platziert gewesen sei. Ausserdem sei bereits weiter oben am Hang ein Transpa-
rent mit der Aufschrift „Langsam-Fahrzone“ als Vorwarnung angebracht. Die Be-
schwerdegegnerin habe bei ihrer unkontrollierten und viel zu schnellen Abfahrt gar
nicht sehen können, wie der Zeuge D. auf dem Förderband gestanden sei. Die
Stange habe mit einer solchen Wucht auf die Hand des Beschwerdeführers getrof-
fen, dass es zu den schweren Verletzungen gekommen sei. Ein Sachverständiger
könne aber sicherlich feststellen, mit welcher Geschwindigkeit die Beschwerde-
gegnerin gefahren sein müsse, um eine derartige Wucht hervorzurufen. Die An-
nahme der Staatsanwaltschaft entbehre jeglicher physikalischer Grundlage. Das
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Absperrband sei nicht etwa ein hoch flexibles Gummiband, sondern praktisch un-
dehnbar gewesen.
Auf die weiteren Ausführungen in der angefochtenen Einstellungsverfügung und
die weiteren Parteivorbringen wird, soweit erforderlich, in den nachstehenden Er-
wägungen eingegangen.
II. Erwägungen
1.
Gemäss Art. 393 Abs. 1 lit. a in Verbindung mit Art. 322 Abs. 2 der Schwei-
zerischen Strafprozessordnung (StPO; SR 312.0) und Art. 22 des Einführungsge-
setzes zur Schweizerischen Strafprozessordnung (EGzStPO; BR 350.100) kann
gegen Einstellungsverfügungen der Staatsanwaltschaft innert 10 Tagen Be-
schwerde beim Kantonsgericht von Graubünden erhoben werden. Die Beschwer-
de gegen die am 31. August 2011 mitgeteilte und am 5. September 2011 zuge-
stellte Einstellungsverfügung wurde am 9. September 2011 und somit fristgerecht
eingereicht. Da auch alle übrigen Sachurteilsvoraussetzungen gegeben sind, ist
auf die Beschwerde einzutreten.
2.a) Der Anspruch einer Partei, im Rahmen eines Gerichtsverfahrens zu repli-
zieren, bildet einen Teilgehalt des verfassungsmässigen Anspruchs auf rechtliches
Gehör (Art. 29 Abs. 2 der Bundesverfassung [BV; SR 101]). Im Anwendungsbe-
reich von Art. 6 Ziff. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und
Grundfreiheiten (EMRK; SR 0.101) ist es den Gerichten nicht gestattet, einer Par-
tei das Äusserungsrecht zu eingegangen Stellungnahmen bzw. Vernehmlassun-
gen der übrigen Verfahrensparteien, unterer Instanzen und weiteren Stellen abzu-
schneiden. Die Partei ist vom Gericht nicht nur über den Eingang dieser Eingaben
zu orientieren; sie muss ausserdem die Möglichkeit zu Replik haben (BGE 132 I
42 E. 3.3.3). Art. 29 Abs. 2 BV gebietet, dass die Gerichte diesen Grundsatz auch
ausserhalb von Art. 6 Ziff. 1 EMRK beachten (BGE 133 I 98 E. 2.1). Wird eine neu
eingegangene Eingabe den Parteien ohne ausdrücklichen Hinweis auf weitere
Äusserungsmöglichkeiten und ohne Fristansetzung zur (blossen) Kenntnisnahme
übermittelt, haben Verfahrensbeteiligte, die sich nochmals äussern möchten, ihre
Stellungnahme nach Treu und Glauben umgehend einzureichen (BGE 133 I 98 E.
2.2).
b)
Mit Schreiben vom 6. Oktober 2011 wurden dem Beschwerdeführer die
Vernehmlassung der Staatsanwaltschaft vom 20. September 2011 sowie die Stel-
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lungnahme der Beschwerdegegnerin vom 20. September 2011 zur Kenntnisnah-
me zugestellt. Gleichzeitig wurde darauf hingewiesen, dass ein weiterer Schrif-
tenwechsel nicht vorgesehen sei. Die Stellungnahme des Beschwerdeführers vom
21. Oktober 2011 (Datum des Poststempels) erfolgte daher unaufgefordert. Wie
im Folgenden noch darzulegen sein wird, ist die Beschwerde aber ohnehin gutzu-
heissen, weshalb offen bleiben kann, ob diese unaufgeforderte Stellungnahme im
Sinne der dargelegten Rechtsprechung umgehend erfolgte und somit zu beachten
ist.
3.a) Zu prüfen ist, ob wie der Beschwerdeführer einwendet - die Vorinstanz
den Fahrlässigkeitsbegriff verkannt hat. Fahrlässig begeht ein Verbrechen
ein Vergehen, wer die Folge seines Verhaltens aus pflichtwidriger Unvorsichtigkeit
nicht bedenkt darauf nicht Rücksicht nimmt. Pflichtwidrig ist die Unvorsichtig-
keit, wenn der Täter die Vorsicht nicht beachtet, zu der er nach den Umständen
und nach seinen persönlichen Verhältnissen verpflichtet ist (Art. 12 Abs. 3 StGB).
Ein Schuldspruch wegen fahrlässiger Tötung Körperverletzung setzt somit
voraus, dass der Täter den Erfolg durch Verletzung einer Sorgfaltspflicht verur-
sacht hat. Sorgfaltswidrig ist ein Verhalten, wenn der Täter zum Zeitpunkt der Tat
aufgrund der Umstände sowie seiner Kenntnisse und Fähigkeiten die damit be-
wirkte Gefährdung der Rechtsgüter des Opfers hätte erkennen können und müs-
sen und wenn er zugleich die Grenzen des erlaubten Risikos überschritten hat.
Wo besondere Normen ein bestimmtes Verhalten gebieten, bestimmt sich das
Mass der zu beachtenden Sorgfalt in erster Linie nach diesen Vorschriften. Dies
schliesst nicht aus, dass der Vorwurf der Fahrlässigkeit auch auf allgemeine
Rechtsgrundsätze wie etwa den allgemeinen Gefahrensatz gestützt werden kann.
Denn einerseits begründet nicht jeder Verstoss gegen eine gesetzliche für
bestimmte Tätigkeiten allgemein anerkannte Verhaltensnorm den Vorwurf der
Fahrlässigkeit, und andererseits kann ein Verhalten sorgfaltswidrig sein, auch
wenn nicht gegen eine bestimmte Verhaltensnorm verstossen wurde. Die Vorsicht,
zu der ein Täter verpflichtet ist, wird letztlich durch die konkreten Umstände und
seine persönlichen Verhältnisse bestimmt, weil naturgemäss nicht alle tatsächli-
chen Gegebenheiten in Vorschriften gefasst werden können (BGE 135 IV 56 E.
2.1; 133 IV 158 E. 5.1; 130 IV 7 E. 3.2; 127 IV 62 E. 2d).
Grundvoraussetzung für das Bestehen einer Sorgfaltspflichtverletzung und mithin
für die Fahrlässigkeitshaftung bildet die Vorhersehbarkeit des Erfolgs. Die zum
Erfolg führenden Geschehensabläufe müssen für den konkreten Täter mindestens
in ihren wesentlichen Zügen voraussehbar sein. Zunächst ist daher zu fragen, ob
der Täter eine Gefährdung der Rechtsgüter des Opfers hätte voraussehen bezie-
Seite 7 — 15

hungsweise erkennen können und müssen. Für die Beantwortung dieser Frage gilt
der Massstab der Adäquanz. Danach muss das Verhalten geeignet sein, nach
dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und den Erfahrungen des Lebens einen Erfolg
wie den eingetretenen herbeizuführen mindestens zu begünstigen. Die Adä-
quanz ist nur zu verneinen, wenn ganz aussergewöhnliche Umstände, wie das
Mitverschulden des Opfers beziehungsweise eines Dritten Materialoder
Konstruktionsfehler, als Mitursache hinzutreten, mit denen schlechthin nicht ge-
rechnet werden musste und die derart schwer wiegen, dass sie als wahrschein-
lichste und unmittelbarste Ursache des Erfolgs erscheinen und so alle anderen
mitverursachenden Faktoren - namentlich das Verhalten des Angeschuldigten in
den Hintergrund drängen (BGE 135 IV 56 E. 2.1; 131 IV 145 E. 5.1 und E. 5.2;
130 IV 7 E. 3.2; 128 IV 49 E. 2b; 127 IV 62 E. 2d).
Damit der Eintritt des Erfolgs auf das pflichtwidrige Verhalten des Täters zurückzu-
führen ist, genügt allerdings seine Voraussehbarkeit nicht. Weitere Voraussetzung
ist vielmehr, dass der Erfolg auch vermeidbar war. Dabei wird ein hypothetischer
Kausalverlauf untersucht und geprüft, ob der Erfolg bei pflichtgemässem Verhalten
des Täters ausgeblieben wäre. Für die Zurechnung des Erfolgs genügt, wenn das
Verhalten des Täters mindestens mit einem hohen Grad an Wahrscheinlichkeit die
Ursache des Erfolgs bildete (BGE 135 IV 56 E. 2.1; 130 IV 7 E. 3.2; 127 IV 34 E.
2a).
b)
Ausgehend vom vorinstanzlich festgestellten und eingangs dieser Ent-
scheidung wiedergegebenen Sachverhalt kann der Staatsanwaltschaft nicht ge-
folgt werden, wenn sie argumentiert, für die Beschwerdegegnerin sei der in den
einfachen Verletzungen des Beschwerdeführers bestehende Erfolg nicht vorher-
sehbar gewesen. Das zu einer Kollision mit dem an zwei Pfosten befestigten Ab-
sperrband und zu einem Sturz über dieses führende Bremsmanöver der Be-
schwerdegegnerin war klarerweise nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und
den Lebenserfahrungen geeignet, den im Schnee verankerten (unteren) Pfosten
auszureissen, in die Richtung des in der Nähe sich aufhaltenden Beschwerdefüh-
rers zu schleudern und diesen an der Hand zu verletzen. Zweifelsohne waren das
Bremsmanöver und die Kollision mit dem beziehungsweise der Sturz über das
Absperrband nicht die einzigen Ursachen der Verletzungen des Beschwerdefüh-
rers, hätten diese doch ohne das befestigte Absperrband gar nicht erst in dieser
Form eintreten können. Zu beachten ist indes, dass die Adäquanz keine Einzelur-
sache voraussetzt, denn es genügt, wenn das sorgfaltswidrige Verhalten den Er-
folg bloss begünstigt hat. Für den Erfolg haftet auch, wer ihn bloss mitverursacht,
sei es im Wege der eine andere Bedingung auslösenden Kausalität, sei es, dass
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er sein Ausmass vergrössert den Zeitpunkt seines Eintritts vorverlegt (Jenny,
in: Niggli/Wiprächtiger [Hrsg.], Basler Kommentar Strafrecht I, Basel 2007, Art. 12
N 72). Die von der Beschwerdegegnerin zumindest gesetzte Mitursache entfällt
nicht im vornherein deswegen, weil sie angeblich zum letzten Schwung ansetzen
wollte und mit geringer Geschwindigkeit fuhr. Entscheidend ist vielmehr, dass die
Beschwerdegegnerin bei ihrem Bremsmanöver gestürzt ist, mit dem Absperrband
kollidierte und dadurch ein Pfosten gegen den Beschwerdeführer flog und diesen
verletzte. Dass der Sturz der Beschwerdegegnerin über das Absperrband eine
adäquate Ursache für die Verletzungen des Beschwerdeführers darstellt, hat um-
so mehr zu gelten, als die konstante Rechtsprechung die Adäquanz nur verneint,
wenn ganz aussergewöhnliche Umstände als Mitursache hinzutreten, mit denen
schlechthin nicht gerechnet werden musste und die derart schwer wiegen, dass
sie als die wahrscheinlichste und unmittelbarste Ursache des Erfolgs erscheinen
und so alle anderen mitverursachenden Faktoren in den Hintergrund drängen.
Worin im vorliegenden Fall solche aussergewöhnlichen Umstände liegen sollten,
wird von der Staatsanwaltschaft nicht dargelegt und solche sind auch nicht aus
dem vorinstanzlich festgestellten Sachverhalt ersichtlich.
c)
Das Weiterfahren trotz des Transparents „Ende der Piste“ mit den zwei
„Fahrverbots“-Signalen durch die Beschwerdegegnerin stellte eine Sorgfalts-
pflichtverletzung dar. Davon ist auch wenngleich nicht abschliessend - die
Staatsanwaltschaft in der angefochtenen Einstellungsverfügung ausgegangen.
Dass das Transparent wie es die Beschwerdegegnerin in ihrer Stellungnahme
(S. 1) behauptet erst unterhalb der Absperrung aufgestellt gewesen wäre, ist be-
reits aufgrund der vorliegenden Akten widerlegt (vgl. Fotos der E., act. 21). Indes-
sen war dieses Fehlverhalten für sich allein betrachtet für den eingetretenen Erfolg
(noch) nicht adäquat kausal. Wie gesehen, waren jedoch die nachfolgende Kollisi-
on mit dem und der Sturz über das Absperrband für das Herausreissen des Pfos-
tens und den eingetretenen Erfolg adäquat kausal. Damit ist zu fragen, ob die Kol-
lision beziehungsweise der Sturz auf ein sorgfaltswidriges Verhalten der Be-
schwerdegegnerin zurückzuführen ist. Waren die beiden Pfosten mit dem Ab-
sperrband bei pflichtgemässer Aufmerksamkeit auf eine solche Distanz erkennbar,
dass bei einer den konkreten Umständen und den persönlichen Fähigkeiten der
Beschwerdegegnerin angepassten Geschwindigkeit ein rechtzeitiges Anhalten
ohne jedwelche Schwierigkeiten möglich war, und kollidierte die Beschwerdegeg-
nerin trotzdem mit dem Absperrband, so lag darin fraglos eine Sorgfaltspflichtver-
letzung - und diese hat den eingetretenen Erfolg zumindest mitverursacht bezie-
hungsweise begünstigt. Diesfalls wäre auch die Vermeidbarkeit des Erfolgs zu
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bejahen, denn dieser wäre bei pflichtgemässem Verhalten der Beschwerdegegne-
rin ausgeblieben. Waren die beiden Holzpfosten mit dem Absperrband jedoch -
wie das von der Beschwerdegegnerin behauptet wird erst „im letzten Moment“
sichtbar, so beruht die Ursache des Sturzes insofern nicht auf einer Sorgfalts-
pflichtverletzung der Beschwerdegegnerin, sondern auf einer mangelhaften, weil
zu spät sichtbaren, Signalisierung der Absperrung. In dieser mangelhaften Ab-
sperrung läge diesfalls unter Umständen eine ganz aussergewöhnliche Situation,
mit der schlichtweg nicht gerechnet werden musste und die derart schwer wiegt,
dass sie als wahrscheinlichste Ursache des Erfolgs erscheint und die Kollision
beziehungsweise den Sturz der Beschwerdegegnerin über das Absperrband in
den Hintergrund drängt.
d)
Als Zwischenergebnis kann festgehalten werden, dass der angefochtenen
Einstellungsverfügung eine unzutreffende Rechtsauffassung zu Grunde liegt. So
kann im vorliegenden Fall nicht auf Grund des vorinstanzlich festgestellten Sach-
verhalts die Vorhersehbarkeit der vom Beschwerdeführer erlittenen Verletzungen
verneint werden, denn nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung werden auch
aussergewöhnliche Kausalverläufe - um es mit den Worten der Beschwerde-
gegnerin zu sagen - „höchst unglückliche Verkettung[en] von Umständen und Er-
eignissen“ von der Adäquanz erfasst, solange kein sogenannter Unterbrechungs-
grund (vgl. Trechsel/Jean-Richard, Schweizerisches Strafgesetzbuch, Praxis-
kommentar, Zürich 2008, Art. 12 N 27) gegeben ist. Ein solcher die Vorhersehbar-
keit des eingetretenen Erfolgs ausschliessender Umstand liegt aber nach den der-
zeitigen in der Untersuchung gewonnenen Erkenntnissen nicht vor. Nach dem
Ausgeführten ist von (mit-)entscheidender Bedeutung, ob die Beschwerdegegne-
rin das Absperrband bei angemessener Geschwindigkeit rechtzeitig erkennen
konnte und musste. Da jedoch der Sachverhalt wie nachfolgend noch aufzuzei-
gen sein wird insbesondere hinsichtlich dieser Tatfrage von der untersuchenden
Staatsanwaltschaft nicht hinreichend abgeklärt wurde, ist die angefochtene Ein-
stellungsverfügung in Gutheissung der Beschwerde aufzuheben und die Sache an
die Vorinstanz zurückzuweisen.
4.a) Die Staatsanwaltschaft stützte sich in der angefochtenen Einstellungsverfü-
gung auf die Aussagen der Beschwerdegegnerin anlässlich deren polizeilichen
Einvernahme vom 22. Januar 2011, wonach sie sich „beim Ansetzen zum letzten
Bogen bzw. Schwung zum endgültigen Stopp/Halteort“ befunden habe und höchs-
tens mit einer Geschwindigkeit von etwa 10 Stundenkilometer gefahren sei (act. 6
zu Frage 1 und Frage 4), ohne diese Aussagen zu verifizieren. Sodann lehnte sie
die Befragung von Zeugen insbesondere von D. in antizipierter Beweiswürdi-
Seite 10 — 15

gung ab. Eine derartige Beweiswürdigung, wie sie die Staatsanwaltschaft in ihrer
Vernehmlassung vorträgt und auch der angefochtenen Einstellungsverfügung zu
Grunde liegt, ist jedoch nicht haltbar beziehungsweise willkürlich. Dass bei einer
angeblich sehr guten, erfahrenen, vorsichtigen und geübten Skiläuferin, wie sich
die Beschwerdegegnerin in ihrer Vernehmlassung (S. 2) selbst bezeichnet, beim
letzten Schwung zum Anhalten - und gemäss der Beschwerdeschrift (S. 2) bereits
auf der Höhe des Förderbandes bei einer Geschwindigkeit von angeblich bloss
10 Stundenkilometern Gleichgewichtsprobleme entstehen sollen, dürfte wohl aus-
sergewöhnlich sein und ist erklärungsbedürftig. Weit näher liegt die Annahme,
dass die Beschwerdegegnerin erheblich schneller fuhr und durch ein abruptes
Bremsmanöver zu Fall kam, dass sie das Absperrband selbst bei geringer
Geschwindigkeit zu spät sah. Im einen wie im anderen Fall stellt sich die Frage
einer Sorgfaltspflichtverletzung. Was Abklärungen zu ihrer Geschwindigkeit be-
trifft, kann die Befragung des angerufenen Zeugen D. selbstredend nicht mit der
Begründung abgelehnt werden, der Beschwerdeführer habe an der polizeilichen
Einvernahme vom 17. Januar 2011 selber angegeben, es habe niemand das Un-
fallgeschehen beobachtet, weshalb von einer Zeugenbefragung keine neuen Er-
kenntnisse zu erwarten seien. Ob der angerufene Zeuge D. den Unfallhergang
tatsächlich gesehen hat, ist durch seine eigene - Befragung zu ermitteln. Aus
demselben Grund gehen auch die Einwände der Beschwerdegegnerin gegen die
anbegehrte Zeugeneinvernahme, D. sei zum Zeitpunkt des Endes ihrer Fahrt mit
dem Rücken zum Geschehen auf dem Förderband etwa in dessen Hälfte gestan-
den und habe sich in einem intensiven Gespräch mit einer Dame befunden, die
später auf der Unfallstelle erschienen sei, fehl. Ohnehin ist erklärungsbedürftig,
wie die Beschwerdegegnerin all diese Wahrnehmungen soll gemacht haben kön-
nen, wenn sie jedenfalls kurz vor ihrem Sturz unterhalb des Förderbandes fuhr
(vgl. Fotos 2 und 4 der E., act. 21). Dabei stellt sich unweigerlich die Frage, ob sie
ihren Blick nicht in Fahrtrichtung gerichtet hatte und deshalb das Absperrband zu
spät wahrnahm, was wiederum eine Sorgfaltspflichtverletzung ihrerseits darstellen
würde. Entgegen der Beschwerdegegnerin, die in ihrer Stellungnahme (S. 2) vor-
gebracht hat, D. habe sie am Ort des Geschehens wüst beschimpft und heftig am
Arm gepackt (vgl. bereits ihren bei den Akten liegenden Unfallbericht vom 17. Ja-
nuar 2011, act. 5 S. 2), lässt sich der Verzicht auf die Befragung des angerufenen
Zeugen D. schliesslich auch nicht mit dessen angeblich völlig ungebührlichen Ver-
halten auf der Unfallstelle begründen. Vielmehr wird D. auch dazu zu befragen
sein und falls er den Vorwurf anerkennt, ist weiter zu erforschen, weshalb er sich
zu solchem Verhalten hinreissen liess. Es wird alsdann Sache der Untersu-
chungsbehörde allenfalls des erkennenden Gerichts sein, zu prüfen, ob des-
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sen Aussagen zum Unfallhergang glaubhaft erscheinen nicht. Daneben wird
die Zeugenbefragung insbesondere den Unfall als solchen, das vom Zeugen an-
geblich beobachtete Fahrverhalten der Beschwerdegegnerin kurz vor dem Unfall
sowie die Sichtund Witterungsverhältnisse zum Unfallzeitpunkt zum Gegenstand
haben. Zudem wird zu prüfen sein, ob allenfalls weitere damals im Unfallbereich
anwesende Personen zum Unfallvorgang sachdienliche Angaben machen können.
b)
Die Beschwerdegegnerin sagte an ihrer polizeilichen Einvernahme vom 22.
Januar 2011 aus, sie habe erst beim Ansetzen des Bogens zum endgültigen
Stopp/Halteort das Absperrband gesehen. Das Band sei zu diesem Zeitpunkt nicht
sichtbar gewesen, da es quasi parallel zum Boden gespannt gewesen und durch-
gehangen sei. Zudem sei es windstill gewesen, so dass die Bandfläche auch nicht
signalisiert habe (act. 6 S. 1 f.). In ihrem Unfallbericht führte sie ebenfalls aus, das
Absperrband sei nicht gespannt gewesen. Es sei durchgehangen, so dass es im
mittleren Bereich habe abkippen können und horizontal geschwebt sei. In der Ho-
rizontalen messe das Band vielleicht 1 Millimeter. Es habe eine wenig auffällige,
blasse pfirsichähnliche Färbung. Es sei windstill gewesen und nichts habe sich
bewegt (act. 5 S. 2).
Die Staatsanwaltschaft hat an die E. verschiedene Fragen gerichtet, die ihr auch
beantwortet wurden (act. 19-23). Darüber hinaus hat die Staatsanwaltschaft je-
doch überhaupt keine Untersuchungshandlungen vorgenommen, obwohl sie im
Nachgang zu den polizeilichen Ermittlungen ein Strafverfahren gegen die Be-
schwerdegegnerin eröffnete. Hinsichtlich des Absperrbandes stellt sich die Frage,
ob dieses tatsächlich so durchhing, wie es von der Beschuldigten behauptet wird.
Hierzu sind auch und insbesondere der Beschwerdeführer und D. zu befragen, die
unter Umständen sachdienliche Angaben machen können. Aber selbst wenn das
Absperrband durchhing, heisst das nicht zwangsläufig, dass die Absperrung nicht
sichtbar war. Dies deshalb, weil das Absperrband einerseits mit seinen Enden an
zwei gut sichtbaren, hohen Pfosten befestigt war (vgl. etwa die Fotos der E., act.
21), und andererseits, weil diese Befestigungen etwa auf mittlerer Höhe der Pfos-
ten vorgenommen wurden und daher das Band sofern es tatsächlich durchhing -
nur im mittleren Bereich am Boden in Bodennähe sein konnte, während der
überwiegende Teil davon abgehoben und gegen die mittlere Pfostenhöhe verlau-
fen sein musste. Demzufolge musste wohl auch zu erkennen gewesen sein, dass
sich zwischen den beiden Pfosten ein Absperrband befand. Dies umso mehr, als
die damaligen Sichtverhältnisse ja gut waren (vgl. act. 6 zu Frage 2). Zu berück-
sichtigen ist auch, dass sich die Beschwerdegegnerin auf das angeblich durch-
hängende und horizonal schwebende Absperrband ja nicht auf derselben Ebene,
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sondern mit einem mit verkleinernder Distanz zwischen ihr und dem Absperr-
band zunehmenden - Sichtwinkel zubewegte. Letztlich wird die Staatsanwaltschaft
zu prüfen haben, ob ein bei möglichst ähnlichen Lichtverhältnissen durchzufüh-
render - Augenschein erforderlich und zweckdienlich erscheint ob darauf ver-
zichtet werden soll. Bejahendenfalls wäre an der bereits festgestellten Örtlichkeit
eine Absperrung mit zwei Pfosten und einem Absperrband vorzunehmen, und
zwar einmal mit gespanntem und einmal mit durchhängendem Band, um gestützt
darauf festzustellen, aus welcher Distanz in Abfahrtrichtung gesehen das Ab-
sperrband bei pflichtgemässer Aufmerksamkeit erkennbar war.
c)
Erst wenn die Untersuchung im Sinne der vorstehenden Erwägungen 4.a
und 4.b ergänzt worden ist, liegt ein entscheidungsreifes Beweisergebnis vor.
Hierbei ist auch der von der Staatsanwaltschaft in ihrer Vernehmlassung (S. 2)
geäusserten Auffassung entgegenzutreten, wonach, selbst wenn die Beschwer-
degegnerin das Absperrband früher hätte sehen müssen, für sie angesichts ihrer
geringen Geschwindigkeit und ihres Abstandes zum Beschwerdeführer die von
diesem erlittenen Verletzungen nicht voraussehbar gewesen seien. Zunächst er-
läutert die Staatsanwaltschaft nirgends, wie gross der besagte Abstand war; ge-
mäss der Aussage der Beschwerdegegnerin sollen es 10-15 Meter gewesen sein
(act. 6 zu Frage 1). Sodann verkennt die Staatsanwaltschaft, dass die für die
Sorgfaltspflichtverletzung vorausgesetzte Vorhersehbarkeit nicht erst dann zu be-
jahen ist, wenn der Täter die vom Opfer durch sein Verhalten erlittenen Verletzun-
gen voraussieht beziehungsweise hätte voraussehen müssen. Nach der vorste-
hend (E. 3.a) zitierten bundesgerichtlichen Rechtsprechung genügt vielmehr, dass
der konkrete Täter die Gefährdung der Rechtsgüter des Opfers hätte erkennen
können und müssen. Hätte die Beschwerdegegnerin das Absperrband schon der-
art rechtzeitig sehen können, dass es ihr eine den konkreten Umständen und
ihren persönlichen Fähigkeiten angepasste Geschwindigkeit vorausgesetzt ohne
Schwierigkeiten möglich gewesen wäre, vor diesem Band anzuhalten, und fuhr sie
stattdessen in das an zwei Pfosten befestigte Band, so hätte sie eine Gefährdung
des in der Nähe sich aufhaltenden Beschwerdegegners voraussehen können und
müssen. Dasselbe gilt, wenn die Kollision mit dem Absperrband einzig auf ihre
allenfalls übersetzte Geschwindigkeit zurückzuführen war. In diesen Fällen war
das Hineinfahren in das Band beziehungsweise der darauffolgende Sturz nach
dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und nach den Erfahrungen des Lebens durch-
aus geeignet, das Band derart zu spannen, dass der untere Pfosten aus dem
Schnee gerissen wird und eine in der Nähe sich aufhaltende Person treffen kann.
Ganz aussergewöhnliche Umstände im Sinne der bundesgerichtlichen Rechtspre-
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chung, gestützt worauf die Vorhersehbarkeit des Erfolgs zu verneinen wäre, liegen
nach den zurzeit in der Untersuchung gewonnenen Erkenntnissen nicht vor. Auch
diesbezüglich kann jedoch eine abschliessende Beurteilung erst nach Vorliegen
sämtlicher durch die Untersuchungsbehörde vorzunehmenden Abklärungen vor-
genommen werden.
5.a) Zusammenfassend ergibt sich somit, dass die angefochtene Einstellungs-
verfügung auf einer unzutreffenden Rechtsauffassung sowie auf einem nicht ent-
scheidungsreifen Beweisergebnis beruht. Die Beschwerde ist daher gutzuheissen,
die angefochtene Verfügung aufzuheben und die Sache zur Beweisergänzung und
neuen Entscheidung an die Staatsanwaltschaft zurückzuweisen. Diese ist anzu-
weisen (vgl. Art. 397 Abs. 3), D. als Zeugen einzuvernehmen und im Sinne der
vorstehenden Erwägungen zu prüfen, ob und inwieweit auch noch weitere Perso-
nen einzuvernehmen sind und ein Augenschein an der festgestellten Unfallstelle
durchzuführen ist. Nach Abschluss der Untersuchung wird sie das Verfahren -
wiederum einzustellen (vgl. Art. 319 ff. StPO) hinreichende Verdachts-
gründe vorausgesetzt beim zuständigen Gericht Anklage zu erheben haben, so-
fern sie keinen Strafbefehl erlassen kann (vgl. Art. 324 ff. StPO).
b)
Hebt die Rechtsmittelinstanz einen Entscheid auf und weist sie die Sache
zur Entscheidung an die Vorinstanz zurück, so trägt der Bund der Kanton die
Kosten des Rechtsmittelverfahrens (Art. 428 Abs. 4 StPO). Gestützt auf den gel-
tenden Gebührenrahmen von Fr. 1'000.-bis Fr. 5'000.-- (Art. 8 der Verordnung
über die Gerichtsgebühren im Strafverfahren [VGS; BR 350.210]) erscheint vorlie-
gend eine Gebühr von Fr. 1'500.-als angemessen. Als Privatklägerschaft (vgl.
Art. 118 StPO) hatte der obsiegende Beschwerdeführer seine Entschädigungsfor-
derung gemäss Art. 436 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 433 Abs. 2 StPO bei der
erkennenden II. Strafkammer zu beantragen, zu beziffern und zu belegen. Da der
Beschwerdeführer all dies unterlassen hat, sind allfällige Ansprüche verwirkt und
eine ausseramtliche Entschädigung ist nicht zuzusprechen (vgl. Schmid, Schwei-
zerische Strafprozessordnung, Praxiskommentar, Zürich 2009, Art. 433 N 10).
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III. Demnach wird erkannt
1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen, die angefochtene Einstellungsverfü-
gung aufgehoben und die Sache zur Beweisergänzung und neuen Ent-
scheidung an die Staatsanwaltschaft Graubünden zurückgewiesen.
2.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens von Fr. 1'500.-gehen zu Lasten
des Kantons Graubünden.
3.
Gegen diese Entscheidung kann gemäss Art. 78 ff. des Bundesgesetzes
vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG;
SR 173.110) Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht geführt
werden. Die Beschwerde ist dem Schweizerischen Bundesgericht, 1000
Lausanne 14, schriftlich innert 30 Tagen seit Eröffnung der vollständigen
Ausfertigung der Entscheidung in der gemäss Art. 42 f. BGG vorgeschrie-
benen Weise einzureichen. Für die Zulässigkeit, die Beschwerdelegitimati-
on, die weiteren Voraussetzungen und das Verfahren der Beschwerde gel-
tend die Art. 29 ff., 78 ff. und 90 ff. BGG.
4.
Mitteilung an:
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Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

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