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Urteil Kantonsgericht Graubünden (GR)

Zusammenfassung des Urteils SK2-10-54: Kantonsgericht Graubünden

Das Statthalteramt des Bezirks Zürich hat A. mit Fr. 150.-- gebüsst, weil er während der Fahrt auf sein Mobiltelefon geschaut hat. A. erhob Einspruch gegen den Strafbefehl, woraufhin das Statthalteramt das Verfahren einstellte, da nicht klar war, ob die Verrichtung die Fahrzeugbedienung beeinträchtigte. A. forderte daraufhin eine angemessene Entschädigung für sein Verfahren und zog vor das Obergericht des Kantons Zürich. Das Obergericht gab seiner Beschwerde statt und wies die Sache zur Festsetzung einer angemessenen Entschädigung zurück an das Statthalteramt.

Urteilsdetails des Kantongerichts SK2-10-54

Kanton:GR
Fallnummer:SK2-10-54
Instanz:Kantonsgericht Graubünden
Abteilung:-
Kantonsgericht Graubünden Entscheid SK2-10-54 vom 10.11.2010 (GR)
Datum:10.11.2010
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Tätlichke
Schlagwörter : Tätlichkeit; Vorinstanz; Recht; Einstellung; Kreis; Einstellungsverfügung; Bundesgericht; Kanton; Beschwerdegegner; Verfahren; Graubünden; Entscheid; Stoss; Kantons; Züchtigung; Kreispräsidenten; Handarbeitslehrerin; Türrahmen; Aussage; Händen; Schmerz; Tatbestand; Bundesgerichts; Schüler; Kantonsgericht; Sachverhalt; Klasse
Rechtsnorm:Art. 138 StPO ;Art. 139 StPO ;
Referenz BGE:117 IV 14; 119 IV 25; 129 IV 216; 89 IV 71;
Kommentar:
-

Entscheid des Kantongerichts SK2-10-54

Kantonsgericht von Graubünden

Dretgira chantunala dal Grischun

Tribunale cantonale dei Grigioni
_____

Ref.:
Chur, 10. November 2010
Schriftlich mitgeteilt am:
SK2 10 54
Entscheid
II. Strafkammer
Vorsitz
Bochsler
Richter
Hubert und Schlenker
Aktuar ad hoc
Wolf

In der strafrechtlichen Beschwerde
der X., Beschwerdeführerin, vertreten durch U. und W.,
gegen
die Verfügung des Kreispräsidenten F. vom 26. August 2010, mitgeteilt am 27.
August 2010, in Sachen des Y., Beschwerdegegner,
betreffend Tätlichkeit,
hat sich ergeben:

I. Sachverhalt
A.
Y. wurde am 18. Juli 1954 in A. geboren und ist von Beruf Pädagoge. Ab
dem 12. April 2010 übernahm er während zweier Wochen die Stellvertretung für
die 5. und 6. Klasse in B., wobei es wiederholt zu disziplinarischen Problemen mit
Schülern aus der 6. Klasse gekommen sein soll. Am Freitag, 23. April 2010,
ereignete sich zwischen 14.00 und 14.30 Uhr ein Zwischenfall mit der
Sechstklässlerin X.. Der Tathergang wird von Letzterer, den polizeilich befragten
Mitschülern und Y. (Vorinstanz act. 3, 7, 8, 9, 11) insoweit übereinstimmend
geschildert, als Y. X. aus dem Schulzimmer gewiesen und sie zur
Handarbeitslehrerin geschickt haben soll. Kurze Zeit später sei X.
zurückgekommen und habe unter dem Türrahmen stehend zu einer Mitschülerin
gesagt, auch sie müsse zur Handarbeitslehrerin kommen. Übereinstimmung
besteht in den verschiedenen Aussagen sodann, dass Y. sich hierauf zu X. begab
und diese von der Türe weg „schubste“ beziehungsweise stiess, worauf sie zu
Boden fiel. Die Aussage von C. an der polizeilichen Einvernahme (Vorinstanz act.
7), wonach Y. X. vor dem Stoss an den Schultern gepackt und um die eigene
Achse gedreht habe, findet in den Aussagen der übrigen Befragten keine Stütze.
Auseinander gehen die verschiedenen Aussagen sodann insbesondere
hinsichtlich der Heftigkeit des Stosses und ob dieser mit einer beiden Händen
erfolgte. Laut X. wurde sie mit beiden Händen von Hinten gestossen, worauf sie
„durch die Luft“ geflogen und auf die Knie gefallen sei (Vorinstanz act. 3). D. sagte
aus, Y. habe „wirklich mit aller Kraft gestossen“ (Vorinstanz act. 9). Gemäss Y.
selbst hat er dagegen X. mit einer Hand „ganz harmlos gestossen“, wobei diese
gestolpert und „aufs Füdli“ gefallen sei (Vorinstanz act. 11).
B.
Am Montag, 26. April 2010, begab sich X. zu Dr. med. E.. Gemäss dem
Arztzeugnis vom gleichen Tag diagnostizierte Dr. med. E. im Wesentlichen eine
Knieprellung (Kontusion) mit lokaler Druckdolenz und subjektivem Schmerz am
Knie beidseits sowie eine minimale Hautschürfung am rechten Vorderarm
(Vorinstanz act. 6). Am 30. April 2010 stellte X. Strafantrag bei der Kantonspolizei
Graubünden gegen Y. wegen Tätlichkeit. Mit Kompetenzentscheid vom 20. Juli
2010 erklärte die Staatsanwaltschaft Graubünden das Kreispräsidium F. als
zuständig zur Verfolgung des in Betracht kommenden Tätlichkeitsdelikts.
C.
In seiner Vernehmlassung vom 2. August 2010 führte Y. aus, er habe die im
Türrahmen stehende X., nachdem er sie gebeten habe, die Klasse in Ruhe zu
lassen und aus dem Zimmer zu gehen, aus der Türe geschubst, wobei sie
gestolpert und auf den Hintern gefallen sei und dann wieder aufgestanden sei. Er
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habe darauf die Türe geschlossen und endlich die Prüfung fertig schreiben lassen
können. Es sei absolut unwahr, dass er durch das Klassenzimmer gestürmt sei
und X. unaufgefordert und mit aller Kraft aus dem Türrahmen gestossen habe. Er
schliesse ein absichtliches Theaterspiel nicht aus. Dass sich X. dabei verletzt
haben solle, sei lächerlich.
D.
Mit Einstellungsverfügung vom 26. August 2010, mitgeteilt am 27. August
2010, erkannte der Kreispräsident-Stellvertreter des Kreises F. wie folgt:
„1. Das Verfahren gegen Y. betreffend Tätlichkeit im Sinne von Art. 126
StGB wird eingestellt;
2. Die Verfahrenskosten von CHF 220.00 (zuzüglich Porti CHF 17.10)
gehen zu Lasten des Kreisamtes F.;
3. [Rechtsmittelbelehrung]
4. [Mitteilung]“
Der Kreispräsident-Stellvertreter führte gestützt auf BGE 89 IV 71 aus, es liege ein
Unterschied vor, ob ein Angriff auf die körperliche Integrität von einem „Erzieher“
wie einer Lehrperson von sonstigen Personen erfolge. Gemäss
Bundesgericht sei der Tatbestand der Tätlichkeit nicht erfüllt, wenn ein Hauswart
im Rahmen des Züchtigungsrechts einem 3½-jährigen Knaben wegen
ordnungswidrigen Verhaltens eine Ohrfeige verpasse. Somit könne es nicht sein,
dass ein Lehrer, der von seinen Schülern aufs Massivste provoziert werde, den
Tatbestand der Tätlichkeit erfülle, wenn er nicht vorsätzlich, sondern aus Reflex
heraus die Schülerin aus dem Türrahmen stosse. Im Weiteren sei seine Handlung
wohl als Züchtigung zu betrachten, was aufgrund der provozierenden Aktion von
X. auch nicht verwundere. Diese Züchtigung sei sicher nicht gewohnheitsmässig,
sondern nur reflexartig erfolgt. Bei den an beiden Knien festgestellten
Druckdolenzen handle es sich um Geringfügigkeiten, was ebenfalls darauf
hinweise, dass keine Tätlichkeit vorliege. Das Verfahren sei somit einzustellen.
E.
Gegen diese Einstellungsverfügung erhob X. am 16. September 2010
Beschwerde beim Kantonsgericht von Graubünden. Es wurde ausgeführt, der vom
Kreispräsident-Stellvertreter festgehaltene Sachverhalt entspreche nicht der
Wahrheit. Die Beschwerdeführerin habe sich nicht geweigert, den Anweisungen
des Beschwerdegegners Folge zu leisten und sei zur Handarbeitslehrerin
gegangen. Der Beschwerdegegner habe den der Beschwerdeführerin von der
Handarbeitslehrerin erteilten Auftrag, eine andere Schülerin zu holen, nicht ernst
genommen und sei ausgerastet, worauf er ihr das Bein gestellt und dann mit
beiden Händen einen kräftigen Stoss auf den Rücken gegeben habe, sodass sie
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vornüber auf beide Knie gestürzt sei und sich dabei verletzt habe. Auch habe es
einen lauten Knall gegeben.
F.
Mit Vernehmlassung vom 22. September 2010 (Datum des
Poststempels) beantragte das Kreisamt F. die kostenpflichtige Abweisung der
Beschwerde. Die angefochtene Verfügung sei nicht aufgrund des darin nicht ganz
optimal dargelegten Sachverhaltes, sondern aufgrund der gesamten Akten erfolgt.
Richtigerweise müsse ausgeführt werden, dass die Beschwerdeführerin sich
anfänglich geweigert habe, dann aber aus dem Schulzimmer und zur
Handarbeitslehrerin gegangen sei, worauf sie kurze Zeit später wieder im
Türrahmen erschienen sei, um noch ein weiteres Mädchen zu holen.
G.
In seiner Vernehmlassung vom 7. Oktober 2010 (Datum des
Poststempels) führte der Beschwerdegegner aus, er verwahre sich gegen den
Vorwurf, ausgerastet zu sein. Dies sei eine böswillige Unterstellung und
entspreche nicht der Wahrheit. Es handle sich um eine neue Variante, dass er der
Beschwerdegegnerin bewusst das Bein gestellt und diese dann gestossen haben
solle. Bei der ersten Befragung habe die Beschwerdeführerin auch ausgesagt, sie
sei in hohem Bogen durch die Luft geflogen und auf dem Boden gelandet. Das
passe alles sehr schlecht zusammen. Der einzige Knall, der an jenem Nachmittag
zu hören gewesen sei, habe vom Zuknallen der Türe durch die
Beschwerdegegnerin gestammt.
Auf die weiteren Vorbringen in den Rechtsschriften wird, soweit erforderlich, in den
nachfolgenden Erwägungen eingegangen.
II. Erwägungen
1.
Gemäss Art. 176a der Strafprozessordnung des Kantons Graubünden
(StPO; BR 350.000) in Verbindung mit Art. 138 StPO kann gegen Ablehnungs-
und Einstellungsverfügungen des Kreispräsidenten beim Kantonsgericht
Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit Unangemessenheit geführt werden. Zur
Beschwerdeführung ist nach Art. 139 Abs. 1 StPO legitimiert, wer durch den
angefochtenen Entscheid berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an seiner
Aufhebung geltend macht. Insbesondere kann sich der Geschädigte gegen
Ablehnungsund Einstellungsverfügungen beschweren. X. ist mutmassliches
Opfer der verdächtigten, seitens Y. begangenen Straftat gegen Leib und Leben,
weshalb sie auf Grund der erwähnten Bestimmung der Strafprozessordnung zur
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Beschwerdeführung legitimiert ist. Auf die im Übrigen fristund formgerecht
eingereichte Beschwerde ist einzutreten.
2.
Eine Einstellungsverfügung hält der Kontrolle auf Rechtmässigkeit und
Angemessenheit stand, wenn aufgrund des Untersuchungsergebnisses nicht
genügend Anhaltspunkte für das Vorliegen einer strafund verfolgbaren Handlung
vorliegen und damit bei gerichtlicher Beurteilung eine Verurteilung
unwahrscheinlich ist, somit ein Freispruch erwartet werden müsste, und wenn
keine neuen Beweismittel ersichtlich sind, die das Beweisergebnis beeinflussen
könnten. Aufzuheben ist demgegenüber eine Einstellungsverfügung, wenn in
objektiver und subjektiver Hinsicht Anhaltspunkte vorliegen, die einen
Schuldspruch als wahrscheinlich erscheinen lassen wenn die Möglichkeit
einer sinnvollen Untersuchungsergänzung nicht ausgeschöpft wurde und damit
kein entscheidungsreifes Beweisergebnis vorliegt (PKG 1997 Nr. 36 E. 5; 1975 Nr.
58 E. 1.; Padrutt, Kommentar zur Strafprozessordnung des Kantons Graubünden,
2. Aufl., Chur 1996, S. 164 und 347).
3.
Im vorliegenden Fall ist zu prüfen, ob die Vorinstanz zu Recht das
Verfahren wegen Tätlichkeit eingestellt hat.
a)
Wegen Tätlichkeit nach Art. 126 Abs. 1 des Strafgesetzbuches (StGB; SR
311.0) macht sich strafbar, wer mindestens eventualvorsätzlich in einer das
allgemein übliche und gesellschaftlich geduldete Mass überschreitenden Weise
auf den Körper eines Menschen einwirkt, ohne dadurch eine Schädigung des
Körpers der Gesundheit herbeizuführen (vgl. BGE 119 IV 25 E. 2.a; 117 IV
14 E. 2.a/bb). Die Vorinstanz stützte die angefochtene Einstellungsverfügung im
Wesentlichen auf einen Entscheid des Bundesgerichts vom 29. April 1963, in
welchem erkannt wurde, dass die von einem Hausverwalter in Ausübung seiner
Tätigkeit einem Kind zugefügte und sich in vernünftigen Grenzen haltende leichte
Züchtigung (Ohrfeige) den Tatbestand der Tätlichkeit nicht erfülle (BGE 89 IV 71
E. 2). Die Vorinstanz verkannte dabei, dass dieser rund 47 Jahre alte Entscheid in
der Lehre auf Kritik gestossen ist (Schubarth, Kommentar zum schweizerischen
Strafrecht, 1. Band: Delikte gegen Leib und Leben, Art. 111 - 136 StGB, Bern
1982, N 20 zu Art. 126; Trechsel, Schweizerisches Strafgesetzbuch,
Praxiskommentar, Zürich 2008, N 7 zu Art. 126 mit Hinweisen) und auch vom
Bundesgericht nicht daran festgehalten wurde (so ausdrücklich BGE 117 IV 14 E.
4.a; vgl. auch BGE 129 IV 216 E. 2; Urteil des Bundesgerichts 6S.273/2004 vom
24. September 2004 E. 2). Nach der aktuellen Rechtsprechung ist eine Tätlichkeit
im Allgemeinen anzunehmen bei Ohrfeigen, Faustschlägen, Fusstritten und
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heftigen, insbesondere mit den Händen und Ellbogen geführten Stössen, sofern
dadurch nicht bereits eine Schädigung des Körpers der Gesundheit bewirkt
wird. Wenn eine körperliche Einwirkung derart ist, dass sie dem Betroffenen
physische Schmerzen bereitet, ist (mindestens) eine Tätlichkeit stets zu bejahen
(BGE 117 IV 14 E. 2.a/bb, E. 2.a/cc). Im Übrigen liess das Bundesgericht offen, ob
die Kantone überhaupt befugt sind, Lehrern ein jedenfalls als was im Kanton
Graubünden ohnehin nicht der Fall ist formelle gesetzliche Grundlage zu
erlassendes Züchtigungsrecht im Sinne eines Rechtfertigungsgrundes
einzuräumen (BGE 117 IV 14 E. 4.c/cc und E. 4.d; ablehnend Schubarth, a.a.O.,
N 15 zu Art. 126).
b)
Vorliegend ist unbestritten, dass die Beschwerdeführerin vom
Beschwerdegegner „geschubst“ beziehungsweise gestossen wurde, worauf sie zu
Boden gefallen ist. Nicht gefolgt werden kann der Sachverhaltsdarstellung des
Beschwerdegegners, wonach die Beschwerdeführerin „aufs Füdli“ gefallen sei.
Vielmehr sagten die Beschwerdeführerin (Vorinstanz act. 3) und G. (Vorinstanz
act. 8) an ihren polizeilichen Einvernahmen übereinstimmend aus, Erstere sei
infolge des Stosses auf die Knie gefallen und auch das Arztzeugnis vom 26. April
2010 geht von einem Sturz der Beschwerdeführerin auf die Knie aus (Vorinstanz
act. 6). Aus diesem Arztzeugnis geht schliesslich deutlich hervor, dass die
Beschwerdeführerin physische Schmerzen an den Knien erlitt, weshalb nach der
zitierten Rechtsprechung der objektive Tatbestand einer Tätlichkeit durchaus
erfüllt sein könnte. Diese Rechtslage, wonach bei wenn auch nur geringfügigen -
physischen Schmerzen mindestens eine Tätlichkeit stets zu bejahen ist, verkennt
die Vorinstanz, wenn sie ausführt, eine Tätlichkeit liege nicht vor, da es sich bei
den Druckdolenzen an beiden Knien um Geringfügigkeiten handle. Für die
Beantwortung der Frage nach dem Vorliegen einer Tätlichkeit nicht relevant ist
hingegen, ob der Stoss mit beiden Händen lediglich mit einer Hand
ausgeführt wurde. Ebenso ist unwichtig, welche Intensität der Stoss aufwies,
zumal er jedenfalls dazu führte, dass die Beschwerdeführerin nach vorne auf die
Knie fiel und sie dadurch physische Schmerzen erlitt.
c)
Soweit in der angefochtenen Einstellungsverfügung auf die massive
Provokation der Schüler verwiesen wird, übersieht die Vorinstanz, dass dies
weder die Tatbestandsmässigkeit noch die Rechtswidrigkeit der Tätlichkeit
auszuschliessen vermöchte. Solche Provokationen wären allenfalls bei der
Strafzumessung als Strafminderungsgrund gar als Strafmilderungsgrund (vgl.
Art. 48 lit. b und c StGB) zu berücksichtigen. Die Würdigung der
Strafzumessungsgründe fällt jedoch nicht in die Zuständigkeit des
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Kreispräsidenten als Untersuchungsorgan, sondern in diejenige des Sachrichters
(Entscheid der II. Strafkammer des Kantonsgerichts SK2 09 21 vom 15. Juni 2009
E. 6). Ebenso wenig kann im vorliegenden Beschwerdeverfahren über die
Strafzumessung entschieden werden, ist hier doch einzig Streitgegenstand, ob
das Verfahren zu Recht eingestellt worden ist nicht. Soweit in der
Einstellungsverfügung
ausgeführt
wird,
die
Züchtigung
sei
beim
Beschwerdegegner sicher nicht gewohnheitsmässig, sondern nur reflexartig
erfolgt, so mag ersteres durchaus zutreffen. Hingegen hat weder der
Beschwerdegegner selbst behauptet noch legen seine Aussagen und diejenigen
der Mitschüler über den Tathergang den Schluss nahe, dass der an der
Beschwerdeführerin verübte „Schubs“ beziehungsweise Stoss reflexartig, also
unbewusst erfolgte.
d)
Nach dem Ausgeführten liegen aufgrund der gegebenen Sachund
Rechtslage in objektiver und subjektiver Hinsicht genügend Anhaltspunkte für das
Vorliegen einer strafund verfolgbaren Handlung vor. Jedenfalls führt eine
Gesamtwürdigung der Beweise nicht zum Schluss, dass eine Verurteilung wegen
Tätlichkeit im vornherein als unwahrscheinlich erscheint und daher ein Freispruch
erwartet werden müsste. Selbst wenn diesbezüglich Zweifel vorhanden sein
sollten, so führte dies nicht zu einer Einstellung des Verfahrens, da die
Beweisregel „in dubio pro reo“ auf Einstellungen nicht anwendbar ist (Padrutt,
a.a.O., S. 164). Die Beschwerde ist daher gutzuheissen, die angefochtene
Einstellungsverfügung aufzuheben und die Sache an den Kreispräsidenten zur
Fortsetzung des Strafverfahrens zurückzuweisen.
4.
Wird eine Rechtsmitteleingabe gutgeheissen, so entscheidet gemäss Art.
160 Abs. 3 StPO das Gericht über die Kostenverteilung zwischen dem
Obsiegenden, dem Staat, der unteren Instanz und dem Unterliegenden.
Vorliegend rechtfertigt es sich, die Kosten des Beschwerdeverfahrens der
Vorinstanz
beziehungsweise
dem
Kreis
F.
aufzuerlegen,
da
das
Beschwerdeverfahren vor allem deshalb notwendig wurde, weil sich die
Vorinstanz auf ein rund 47-jähriges Urteil des Bundesgerichts abgestützt hat, ohne
die seither ergangene Lehre und Rechtsprechung zu konsultieren. Andernfalls
hätte ihr rasch klar sein müssen, dass der von ihr angeführte
Bundesgerichtsentscheid längs überholt ist und auch die weitere Begründung in
der angefochtenen Einstellungsverfügung nicht haltbar ist. Eine ausseramtliche
Entschädigung an die nicht anwaltlich vertretene Beschwerdeführerin entfällt
praxisgemäss, zumal die Beschwerdeschrift nicht mit einem erheblichen Aufwand
verbunden war.
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III. Demnach wird erkannt
1.
Die
Beschwerde
wird
gutgeheissen,
die
angefochtene
Einstellungsverfügung aufgehoben und die Sache zur Fortführung des
Verfahrens an den Kreispräsidenten F. zurückgewiesen.
2.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens von Fr. 800.-gehen zu Lasten des
Kreises F..
3.
Gegen
diese
Entscheidung
kann
gemäss
Art.
78
des
Bundesgerichtsgesetzes (BGG) Beschwerde in Strafsachen an das
Schweizerische Bundesgericht geführt werden. Diese ist dem
Bundesgericht schriftlich innert 30 Tagen seit Eröffnung der vollständigen
Ausfertigung der Entscheidung in der gemäss Art. 42 f. BGG
vorgeschriebenen Weise einzureichen. Für die Zulässigkeit, die
Beschwerdelegitimation, die weiteren Voraussetzungen und das Verfahren
der Beschwerde gelten die Art. 29 ff., 78 ff. und 90 ff. BGG.
4.
Mitteilung an:
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Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

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