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Urteil Kantonsgericht Graubünden (GR)

Zusammenfassung des Urteils SK1-17-48: Kantonsgericht Graubünden

Das Kantonsgericht von Graubünden hat über das Gesuch eines Gesuchstellers entschieden, der eine bedingte Entlassung aus dem vorzeitigen Strafvollzug beantragt hat. Der Gesuchsteller war zu einer Freiheitsstrafe von 40 Monaten verurteilt worden und beantragte eine teilweise Freisprechung. Das Gericht entschied, dass aufgrund der Fluchtgefahr und fehlender Integration des Gesuchstellers in der Schweiz die bedingte Entlassung nicht gewährt werden kann. Das Gesuch um Entlassung aus dem vorzeitigen Strafvollzug wurde abgewiesen, ebenso wie das Gesuch um Gewährung von Vollzugslockerungen. Die Kosten für den Entscheid werden bei der Hauptsache belassen.

Urteilsdetails des Kantongerichts SK1-17-48

Kanton:GR
Fallnummer:SK1-17-48
Instanz:Kantonsgericht Graubünden
Abteilung:-
Kantonsgericht Graubünden Entscheid SK1-17-48 vom 23.11.2017 (GR)
Datum:23.11.2017
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Entlassung aus dem vorzeitigen Strafvollzug
Schlagwörter : Gesuch; Gesuchs; Vollzug; Gesuchsteller; Entlassung; Berufung; Freiheit; Urteil; Schweiz; Vollzug; Person; Graubünden; Freiheitsstrafe; Bundesgericht; Verfahren; Entscheid; Flucht; Umstände; Gesuchstellers; Bundesgerichts; Forster; Umständen; Kanton; Staatsanwaltschaft; Rechtskraft; Schuld
Rechtsnorm:Art. 212 StPO ;Art. 221 StPO ;Art. 232 StPO ;Art. 233 StPO ;Art. 236 StPO ;Art. 31 BV ;Art. 391 StPO ;Art. 399 StPO ;Art. 86 StGB ;
Referenz BGE:137 IV 186;
Kommentar:
-

Entscheid des Kantongerichts SK1-17-48

Kantonsgericht von Graubünden
Dretgira chantunala dal Grischun
Tribunale cantonale dei Grigioni

Ref.:
Chur, 23. November 2017
Schriftlich mitgeteilt am:
SK1 17 48
24. November 2017
Verfügung

I. Strafkammer
Vorsitz
Pedrotti
Aktuar
Nydegger



In der Haftsache

des X.___, Gesuchsteller, vertreten durch Rechtsanwältin lic. iur. Dina Raewel,
Gotthardstrasse 52, 8002 Zürich,

betreffend Entlassung aus dem vorzeitigen Strafvollzug
sowie Vollzugserleichterungen,

hat der Vorsitzende der I. Strafkammer des Kantonsgerichts von Graubünden
nach Kenntnisnahme des Gesuchs um bedingte Entlassung von X.___ vom 6.
Oktober 2017, des Vollzugsberichts des Amts für Justizvollzug Graubünden vom
6. Oktober 2017, der Stellungnahme der Staatsanwaltschaft Graubünden vom 16.
Oktober 2017, der Replik von X.___ vom 26. Oktober 2017, der Duplik der
Staatsanwaltschaft Graubünden vom 2. November 2017, nach Einsicht in die Ver-
fahrensakten sowie aufgrund der Feststellungen und Erwägungen,
- dass X.___ (nachfolgend: Gesuchsteller) mit Urteil des Regionalgerichts
Landquart vom 25. Januar 2017 wegen diverser Delikte zu einer unbedingten
Freiheitsstrafe von 40 Monaten und einer Busse von CHF 300.00 verurteilt
wurde,
- dass der Gesuchsteller gegen dieses Urteil am 30. Januar 2017 Berufung an-
meldete,
- dass der Gesuchsteller in seiner (präzisierten) Berufungserklärung vom 1. Juni
2017 an das Kantonsgericht von Graubünden (SK1 17 21) beantragte, er sei
von den Anklagevorwürfen teilweise freizusprechen bzw. "mit einer zu vollzie-
henden Freiheitsstrafe von 20 Monaten" zu bestrafen,
- dass der Gesuchsteller am 6. Oktober 2017 ein "Gesuch um bedingte Entlas-
sung" auf den 2. Dezember 2017 hin stellte (vgl. KG act. A.1),
- dass mit Replik des Gesuchstellers vom 26. Oktober 2017 (KG act. A.4) des-
sen "bedingte Entlassung" per 12. Dezember 2017 bzw. dem Datum der
Rechtskraft des Berufungsurteils beantragt wurde,
- dass ein Gesuch um bedingte Entlassung indes einen rechtskräftigen Ent-
scheid voraussetzt (Urteil des Bundesgerichts 6B_73/2017 vom 16. Februar
2017, E. 4.1) und ein solcher (noch) nicht vorliegt, zumal mittels Berufung das
oberwähnte Urteil des Regionalgerichts Landquart auch im Schuldund Straf-
punkt angefochten wurde,
- dass die Rechtsvertreterin des Gesuchstellers den Vorsitzenden der I. Straf-
kammer des Kantonsgerichts von Graubünden telefonisch sowie per E-Mail
vom 21. November 2017 ersuchte, den Antrag von X.___ als Haftentlas-
sungsgesuch zu interpretieren,
- dass die gewünschte Umdeutung des Gesuchs vom 6. Oktober 2017 insofern
unproblematisch erscheint, als auch ohne Haftentlassungsgesuche der be-
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schuldigten Person sich die Verfahrensleitung laufend und von Amtes wegen
zu versichern hat, ob die Haftvoraussetzungen noch erfüllt sind (Marc Forster,
in: Niggli/Heer/Wiprächtiger [Hrsg.], Schweizerische Strafprozessordnung,
Basler Kommentar, 2. Aufl., Basel 2014, N 1 zu Art. 233 StPO; Markus
Hug/Alexandra Scheidegger, in: Donatsch/Hansjakob/Lieber [Hrsg.], Kommen-
tar zur Schweizerischen Strafprozessordnung [StPO], 2. Aufl., Zürich/Basel/
Genf 2014, N 3 zu Art. 233 StPO; Niklaus Schmid, Schweizerische Strafpro-
zessordnung, Praxiskommentar, 2. Aufl., Zürich/St. Gallen 2013, N 1 zu Art.
233 StPO),
- dass während Rechtshängigkeit des Berufungsverfahrens die Verfahrenslei-
tung des Berufungsgerichts über Haftentlassungsgesuche entscheidet (Art.
233 StPO),
- dass mit der Zustellung der Verfahrensakten an das Berufungsgericht im Sin-
ne von Art. 399 Abs. 2 StPO die haftrichterliche Zuständigkeit vom erstinstanz-
lichen Gericht zur (allein entscheidenden) Verfahrensleitung des Berufungsge-
richts übergeht (Forster, a.a.O., N 1 zu Art. 233 StPO [insb. Fn. 2];
Hug/Scheidegger, a.a.O., N 1 zu Art. 233 StPO),
- dass das Berufungsverfahren derzeitig rechtshängig und die Berufungsver-
handlung für den 12. Dezember 2017 vorgesehen ist,
- dass sich der Gesuchsteller vom 9. September 2015 bis 7. Juni 2016 in Poli-
zeiund Untersuchungshaft befand und anschliessend den vorzeitigen Straf-
vollzug antrat,
- dass Art. 233 StPO auch bei Gesuchen um Entlassung aus dem vorzeitigen
Sanktionenvollzug (Art. 236 StPO) Anwendung findet, zumal beim vorzeitigen
Sanktionenvollzug gegenüber der strafprozessualen Haft lediglich die Voll-
zugsmodalitäten geändert werden, es sich dabei aber letztlich nach wie vor
um eine strafprozessuale Zwangsmassnahme handelt (Urteil des Bundesge-
richts 6B_73/2017 vom 16. Februar 2017, E. 2.1 und 3.2 je m.w.H.),
- dass vorliegend somit der Vorsitzende der I. Strafkammer des Kantonsge-
richts von Graubünden über die Entlassung des Gesuchstellers aus dem vor-
zeitigen Strafvollzug entscheidet,
- dass Haftentlassungsgesuche bzw. Gesuche um Entlassung aus dem vorzei-
tigen Strafvollzug schriftlich mündlich zu Protokoll bei der Verfahrenslei-
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tung des Berufungsgerichts zu stellen sind und das entsprechende Gesuch
kurz zu begründen ist (Forster, a.a.O., N 2 zu Art. 233 StPO),
- dass das Gesuch diesen Formerfordernissen entspricht, sodass darauf einge-
treten werden kann,
- dass für die Fortdauer der strafprozessualen Haft in den Modalitäten des vor-
zeitigen Strafvollzuges weiterhin mindestens ein besonderer Haftgrund (ana-
log zu Art. 221 StPO) vorliegen und der vorzeitige Strafvollzug verhältnismäs-
sig sein muss (Urteil des Bundesgericht 6B_73/2017 vom 16. Februar 2017,
E. 2.1 m.w.H.),
- dass nach Art. 31 Abs. 1 BV die Freiheit einer Person nur in den vom Gesetz
selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise
entzogen darf,
- dass das Gesetz für die Anordnung der Untersuchungsoder Sicherheitshaft
(inklusive Ersatzmassnahmen) einerseits einen dringenden Tatverdacht und
andererseits das Vorliegen eines besonderen Haftgrundes (Art. 221 StPO)
verlangt,
- dass die Einwilligung zum vorzeitigen Strafantritt daran grundsätzlich nichts
ändert (Urteil des Bundesgerichts 6B_73/2017 vom 16. Februar 2017, E. 2.2),
- dass nämlich ein weiterer Freiheitsentzug der beschuldigten Person, die zu-
nächst zwar vorzeitig die Strafe angetreten hat, dann aber ein Haftentlas-
sungsgesuch stellt, nur gerechtfertigt ist, wenn nach den massgebenden Be-
stimmungen der Strafprozessordnung die Voraussetzungen für die Anordnung
von Untersuchungsoder Sicherheitshaft gegeben sind (Urteil des Bundesge-
richts 6B_73/2017 vom 16. Februar 2017, E. 2.3),
- dass vorliegend somit zu prüfen ist, ob die Voraussetzungen der Untersu-
chungsbzw. Sicherheitshaft nach wie vor gegeben sind,
- dass in diesem Zusammenhang grundsätzlich kein Anspruch der beschuldig-
ten Person auf eine mündliche Verhandlung besteht, sofern der Anspruch auf
rechtliches Gehör durch ein kontradiktorisches (schriftliches) Verfahren aus-
reichend gewährleistet ist (BGE 137 IV 186),
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- dass vorliegend sowohl der Gesuchsteller als beschuldigte Person als auch
die Staatsanwaltschaft Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten und davon
Gebrauch gemacht haben,
- dass sich die Angelegenheit unter diesen Umständen als spruchreif erweist
und eine mündliche Verhandlung nicht nötig erscheint,
- dass angesichts des erstinstanzlichen (mittels Berufung nur teilweise ange-
fochtenen) Schuldspruches wegen diverser Verbrechen und Vergehen ohne
weiteres von einem dringenden Tatverdacht im Sinne von Art. 221 Abs. 1
StPO auszugehen ist,
- dass als besonderer Haftgrund vorliegend namentlich Fluchtgefahr zu prüfen
ist,
- dass Fluchtgefahr im Sinne von Art. 221 Abs. 1 lit. a StPO dann anzunehmen
ist, wenn eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass sich die be-
schuldigte Person, wenn sie in Freiheit wäre, der Strafverfolgung und dem
Vollzug der Strafe durch Flucht entziehen würde (vgl. die Hinweise bei Forster,
a.a.O., N 5 zu Art. 221 StPO),
- dass für die Frage, ob Fluchtgefahr besteht, nebst der Schwere der drohenden
Sanktion die gesamten Lebensverhältnisse der beschuldigten Person in Be-
tracht zu ziehen sind, namentlich deren familiären und sozialen Bindungen,
deren berufliche Situation und Schulden und ähnliches,
- dass als Fluchtneigung auch das erhöhte Risiko eines "Untertauchens" in der
Schweiz gilt (vgl. die Hinweise bei Forster, a.a.O., N 5 zu Art. 221 StPO),
- dass der Gesuchsteller algerischer Staatsbürger ist,
- dass der Gesuchsteller über keinerlei familiären sozialen Kontakte in der
Schweiz verfügt (und auch während des Strafvollzuges keine Anrufe und Be-
suche von in der Schweiz wohnhaften Personen erhalten hat),
- dass er auch weder über eine Wohnung noch über eine Arbeit in der Schweiz
verfügt,
- dass er im Weiteren über keine Aufenthaltsbewilligung in der Schweiz verfügt,
sondern sein Asylgesuch definitiv abgewiesen wurde, sodass ihm die Auswei-
sung bzw. Ausschaffung droht,
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- dass er, falls ihm nach rechtskräftiger Verurteilung keine bedingte Entlassung
gewährt würde, noch ein Drittel der möglichen Freiheitsstrafe zu verbüssen
hätte,
- dass unter diesen Umständen von Fluchtgefahr ausgegangen werden muss,
wobei namentlich auch mit einem "Untertauchen" in der Schweiz gerechnet
werden müsste, zumal der Gesuchsteller selbst zum Ausdruck brachte, in der
Schweiz bleiben zu wollen,
- dass das Versprechen des Gesuchstellers bzw. seiner Rechtsvertreterin, er
werde die Flucht nicht ergreifen und der Berufungsverhandlung vom 12. De-
zember 2017 beiwohnen, nichts daran zu ändern vermag,
- dass der vorzeitige Strafvollzug demnach gerechtfertigt ist,
- dass eine in strafprozessualer Haft gehaltene Person nach Art. 31 Abs. 1 BV
und Art. 5 Ziff. 3 EMRK Anspruch darauf hat, innerhalb einer angemessenen
Frist richterlich beurteilt während des Strafverfahrens aus der Haft ent-
lassen zu werden,
- dass eine übermässige Haftdauer eine unverhältnismässige Beschränkung
dieses Grundrechts darstellt,
- dass der Gesetzgeber diesem Grundsatz in Art. 212 Abs. 2 StPO Rechnung
getragen hat,
- dass eine Verletzung des Verhältnismässigkeitsprinzips insbesondere dann
vorliegt, wenn die Haft die Dauer der zu erwartenden Strafe übersteigt (Art.
212 Abs. 3 StPO),
- dass das Gericht die strafprozessuale Zwangsmassnahme somit nur so lange
aufrechterhalten darf, als sie nicht in grosse zeitliche Nähe der (im Falle einer
rechtskräftigen Verurteilung) konkret zu erwartenden Dauer der freiheitsent-
ziehenden Sanktion rückt,
- dass ein richterlicher Entscheid über das Strafmass ein wichtiges Indiz für die
mutmassliche Dauer der tatsächlich zu verbüssenden Strafe darstellt (Urteil
des Bundesgerichts 1B_363/2015 vom 30. Oktober 2015, E. 2.2 m.w.H.),
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- dass der Gesuchsteller vorliegend erstinstanzlich zu einer (unbedingten) Frei-
heitsstrafe von 40 Monaten sowie einer Busse von CHF 300.00 verurteilt wur-
de,
- dass der Gesuchsteller dieses Urteil mittels Berufung angefochten hat und
eine Korrektur des vorinstanzlichen Schuldund Strafpunktes verlangt, wobei
er in Bezug auf Letzteres eine Freiheitsstrafe von 20 Monaten beantragt,
- dass die Staatsanwaltschaft ihrerseits keine Berufung erhoben hat, sodass die
Strafe mit Blick auf das Verschlechterungsverbot (reformatio in peius) vom Be-
rufungsgericht grundsätzlich nicht erhöht werden darf (Art. 391 Abs. 2 StPO),
- dass die Staatsanwaltschaft in ihrer Stellungnahme vom 16. Oktober 2017
mitteilte, sie werde Abweisung der Berufung beantragen,
- dass unter diesen Umständen nicht auszuschliessen ist, dass das Berufungs-
gericht den vorinstanzlichen Schuldspruch bestätigt und die Freiheitsstrafe bei
40 Monaten belässt,
- dass damit jedoch kein Entscheid des Berufungsgerichts in der Sache vor-
weggenommen wird,
- dass unter Annahme einer 40-monatigen Freiheitsstrafe die ordentliche Ent-
lassung am 28. Januar 2019 erfolgen würde bzw. eine bedingte Entlassung in
Anwendung von Art. 86 Abs. 1 StGB am 7. Dezember 2017 vorgesehen wäre,
- dass unter diesen Umständen derzeit keine Überhaft droht, sodass sich die
strafprozessuale Haft (bzw. der vorzeitige Strafvollzug) nicht als unverhältnis-
mässig erweist,
- dass einer sofortigen Entlassung, wie sie vom Gesuchsteller im E-Mail seiner
Rechtsvertreterin vom 21. November 2017 offenbar beantragt wird, somit nicht
stattzugeben ist,
- dass der Gesuchsteller mit Replik vom 26. Oktober 2017 indessen (auch) eine
Entlassung per 12. Dezember 2017 bzw. dem Datum der Rechtskraft des Be-
rufungsurteils verlangt,
- dass der verlangte Zeitpunkt der Entlassung dabei nach dem - unter Annahme
der höchstmöglichen Freiheitsstrafe von 40 Monaten ermittelten - Datum der
bedingten Entlassung (7. Dezember 2017) liegt,
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- dass der Aspekt der bedingten Entlassung im Sinne von Art. 86 StGB bei der
Frage der Überhaft somit nicht unberücksichtigt bleiben kann,
- dass die Gewährung der bedingten Entlassung vom Verhalten des Gefange-
nen im Strafvollzug und von der Prognose hinsichtlich seines zukünftigen Ver-
haltens in Freiheit abhängt,
- dass diese Fragen in das Ermessen der zuständigen Behörde (Art. 86 Abs. 2
StGB) fallen und es in der Regel nicht am Haftrichter liegt, eine solche Prog-
nose anzustellen (Urteil des Bundesgerichts 1B_363/2015 vom 30. Oktober
2015, E. 2.4 m.w.H.),
- dass vom Grundsatz der Nichtberücksichtigung der Möglichkeit einer beding-
ten Entlassung nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung indes dann ei-
ne Ausnahme zu machen ist, wenn es die konkreten Umstände des Einzelfalls
gebieten, insbesondere wenn absehbar ist, dass eine bedingte Entlassung mit
grosser Wahrscheinlichkeit erfolgen dürfte, etwa wenn die betroffene Person
bereits zwei Drittel der erstinstanzlich verhängten Freiheitsstrafe in Untersu-
chungsoder Sicherheitshaft bzw. im vorzeitigen Strafvollzug verbracht hat
und die Strafe im Rechtsmittelverfahren noch verkürzt, nicht aber erhöht wer-
den kann (Urteil des Bundesgerichts 1B_363/2015 vom 30. Oktober 2015, E.
2.4 m.w.H.),
- dass sich der Gesuchsteller im vorzeitigen Strafvollzug zwar (mittlerweile) gut
verhält, der vorliegende Vollzugsbericht des Amts für Justizvollzug Graubün-
den vom 6. Oktober 2017 jedoch aufgrund fehlender Zukunftsperspektiven be-
treffend einer legalen Lebensführung von einem hohen Rückfallrisiko ausgeht
und deshalb aus Sicht der Anstaltsleitung die bedingte Entlassung nicht emp-
fohlen wird,
- dass mangels sozialer und beruflicher Integration des Gesuchstellers in der
Schweiz davon ausgegangen werden muss, dass er sich nach einer bedingten
Entlassung in denselben Lebensverhältnissen wiederfindet, die ihn in der Ver-
gangenheit in die Delinquenz geführt haben,
- dass angesichts der sehr bescheidenen finanziellen Verhältnisse des Gesuch-
stellers namentlich die Gefahr einer erneuten Betäubungsmitteldelinquenz zur
Finanzierung des Lebensunterhalts nicht gänzlich ausgeschlossen werden
kann,
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- dass unter diesen Umständen nicht gesagt werden kann, der Gesuchsteller
würde wäre er rechtskräftig verurteilt mit grosser Wahrscheinlichkeit vor
dem beantragten Haftentlassungszeitpunkt bedingt entlassen werden,
- dass zwar für die zuständige Behörde die Möglichkeit besteht, trotz einer ne-
gativen Legalprognose bei einem Verbleib in der Schweiz die bedingte Entlas-
sung zu gewähren, sie jedoch an die Bedingung der Ausschaffung zu knüpfen
(vgl. hierzu auch Cornelia Koller, in: Niggli/Wiprächtiger [Hrsg.], Basler Kom-
mentar, Strafrecht I, 3. Aufl., Basel 2013, N 20 zu Art. 86 StGB),
- dass der Entscheid hierüber der zuständigen Behörde zu belassen ist, zumal
ihr in dieser Frage ein beträchtliches Ermessen zukommt,
- dass dabei namentlich auch zu berücksichtigen ist, dass die bedingte Entlas-
sung des Gesuchstellers von der tatsächlichen Möglichkeit der Ausschaffung
abhängen würde, welche nicht vorbehaltslos angenommen werden kann,
- dass unter diesen Umständen nicht von einer grossen Wahrscheinlichkeit für
die Gewährung der bedingten Entlassung die Rede sein kann,
- dass geeignete Ersatzmassnahmen weder ersichtlich sind noch vom Gesuch-
steller geltend gemacht werden,
- dass der vorzeitige Strafvollzug somit bis auf Weiteres nicht als unverhältnis-
mässig erscheint,
- dass das Gesuch um Haftentlassung per 12. Dezember 2017 bzw. dem Da-
tum der Rechtskraft des Berufungsurteils abzuweisen ist,
- dass im Übrigen darauf hinzuweisen ist, dass der vorzeitige Strafvollzug ge-
mäss Art. 236 StPO bis zur Rechtskraft des Strafurteils andauert (vgl. Urteil
des Bundesgerichts 1B_153/2013 vom 17. Mai 2013, E. 2.3), d.h. dass sich
nach Eintritt der Rechtskraft des Berufungsurteils der vorzeitige Strafvollzug
für den Fall einer Verurteilung zu einer über der bisherigen Haftdauer liegen-
den Freiheitsstrafe in den ordentlichen Strafvollzug umwandelt, sodass nach
diesem Zeitpunkt nicht mehr die Verfahrensleitung des Berufungsgerichts,
sondern die Vollzugsbehörden über eine Entlassung aus dem Freiheitsentzug
zu entscheiden hätten,
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- dass der Gesuchsteller schliesslich beantragt, ihm seien gestützt auf Art. 17
der Verordnung über den Justizvollzug im Kanton Graubünden (JVV; BR
350.510) bis zum Entlassungszeitpunkt Vollzugslockerungen zu gewähren,
- dass auch bei vorzeitigem Strafantritt - das Amt für Justizvollzug Graubün-
den für die Durchführung und die erforderlichen Vollzugsregelungen sorgt (Art.
16 JVV i.V.m. Art. 1 Abs. 1 JVV),
- dass gemäss Art. 17 JVV gegenüber Personen im vorzeitigen Strafoder
Massnahmenvollzug Vollzugserleichterungen nur ausnahmsweise und für
den vorliegenden Fall - nur mit Zustimmung der Verfahrensleitung des Beru-
fungsgerichts angeordnet werden können,
- dass das in Art. 17 JVV enthaltene Zustimmungserfordernis nichts daran än-
dert, dass Gesuche um Vollzugserleichterungen bei den Strafvollzugsbehör-
den zu stellen sind,
- dass sich das Gesuch im Übrigen darüber ausschweigt, welche konkreten
Vollzugserleichterungen zu gewähren seien,
- dass das Gesuch insofern ungenügend begründet ist,
- dass auf das Gesuch um Gewährung von Vollzugslockerungen demnach nicht
einzutreten ist,
- dass die Kosten für den vorliegenden Entscheid bei der Hauptsache (SK1 17
21) belassen werden,
- dass gegen diesen Entscheid Beschwerde in Strafsachen an das Bundesge-
richt möglich ist (Forster, a.a.O., N 5 zu Art. 233 StPO; Hug/Scheidegger,
a.a.O., N 4 zu Art. 233 StPO; Schmid, a.a.O., N 2 zu Art. 233 StPO und N 7 zu
Art. 232 StPO),
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erkannt:
1.
Das Gesuch von X.___ um Entlassung aus dem vorzeitigen Strafvollzug
wird abgewiesen.
2.
Auf das Gesuch von X.___ um Gewährung von Vollzugslockerungen wird
nicht eingetreten.
3.
Die Kosten für die Ausfertigung der vorliegenden Entscheidung werden bei
der Hauptsache belassen.
4.
Gegen diese Entscheidung kann gemäss Art. 78 ff. BGG Beschwerde in
Strafsachen an das Bundesgericht geführt werden. Die Beschwerde ist dem
Schweizerischen Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, schriftlich innert 30
Tagen seit Eröffnung der vollständigen Ausfertigung der Entscheidung in
der gemäss Art. 42 f. BGG vorgeschriebenen Weise einzureichen. Für die
Zulässigkeit, die Beschwerdelegitimation, die weiteren Voraussetzungen
und das Verfahren der Beschwerde gelten die Art. 29 ff., 78 ff. und 90 ff.
BGG.
5.
Mitteilung an:
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Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

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