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Urteil Kantonsgericht Graubünden (GR)

Zusammenfassung des Urteils SK1-10-17: Kantonsgericht Graubünden

Ein Beschuldigter wurde wegen versuchter schwerer Körperverletzung verurteilt und zu einer Freiheitsstrafe von 4 Jahren verurteilt, von denen bereits 404 Tage durch Haft abgesessen wurden. Die bedingten Vollzüge früherer Strafen wurden widerrufen. Eine ambulante Behandlung wegen Alkoholabhängigkeit wurde angeordnet. Der Beschuldigte muss dem Privatkläger eine Genugtuung von 7'500 CHF zahlen. Die Gerichtskosten wurden auf 5'500 CHF festgesetzt. Die Kosten der Untersuchung und des Verfahrens wurden dem Beschuldigten auferlegt, mit Ausnahme der Kosten der amtlichen Verteidigung. Der Beschuldigte obsiegte in Bezug auf das Honorar der amtlichen Verteidigung. Die Kosten des Berufungsverfahrens wurden dem Beschuldigten zu 9/10 auferlegt und zu 1/10 auf die Gerichtskasse genommen. Der Richter war männlich.

Urteilsdetails des Kantongerichts SK1-10-17

Kanton:GR
Fallnummer:SK1-10-17
Instanz:Kantonsgericht Graubünden
Abteilung:-
Kantonsgericht Graubünden Entscheid SK1-10-17 vom 10.11.2010 (GR)
Datum:10.11.2010
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:sexuelle Handlungen mit Kindern etc
Schlagwörter : Beruf; Berufung; Aussage; Aussagen; Tochter; Urteil; Kantons; Kantonsgericht; Berufungskläger; Vater; Handlungen; Angeklagte; Recht; Vorinstanz; Glaubhaftigkeit; Bezirksgericht; Einvernahme; Mutter; Anklage; Kinder; Ausführungen; Angeklagten; Punkt; Weisung; Glaubwürdigkeit
Rechtsnorm:Art. 126 StGB ;Art. 141 StPO ;Art. 142 StPO ;Art. 146 StPO ;Art. 180 StGB ;Art. 189 StGB ;Art. 213 StGB ;Art. 22 StGB ;Art. 380 StGB ;Art. 47 StGB ;Art. 94 StGB ;
Referenz BGE:-
Kommentar:
Hans Giger, Kommentar SVG, Art. 86 SVG, 2008

Entscheid des Kantongerichts SK1-10-17

Kantonsgericht von Graubünden

Dretgira chantunala dal Grischun

Tribunale cantonale dei Grigioni
_____

Ref.:
Chur, 10. November 2010
Schriftlich mitgeteilt am:
SK1 10 17
[nicht mündlich eröffnet]
Urteil
I. Strafkammer
Vorsitz Vizepräsident
Schlenker
Richter/-in
Brunner und Michael Dürst
Redaktion
Aktuar ad hoc Walder

In der strafrechtlichen Berufung
des X., Angeklagter und Berufungskläger, vertreten durch Rechtsanwalt Marcel
Bosonnet, Gartenhofstrasse 7, 8036 Zürich,
gegen
das Urteil des Bezirksgerichts Plessur vom 21. Januar 2010, mitgeteilt am 18.
März 2010, in Sachen gegen den Berufungskläger,
betreffend sexuelle Handlungen mit Kindern etc.,
hat sich ergeben:

A.
X. wurde am 8. August 1964 in A. geboren, wo er zusammen mit
einem Bruder und drei Schwestern aufwuchs und zehn Jahre die Schulen
besuchte; einen Beruf konnte er nicht erlernen. 1984 kam er in die Schweiz und
wohnt seither immer in B.. Er verheiratete sich ein erstes Mal 1987 mit C., welcher
Ehe die Kinder D., geboren am 11. Februar 1988, und E., geboren am 28. Oktober
1991, entsprossen. Diese Ehe wurde 1994 wieder geschieden. Aus einer zweiten
Verbindung mit F., welche er 2000 heiratete, gingen die beiden Kinder Y., geboren
am 28. April 1992, und G., geboren am 21. November 2005, hervor.
X. arbeitete von 1988 bis 1999 bei der Schweizerischen
Speisewagengesellschaft und darauf bis 2008 im Restaurant H. in B., welches
seiner zweiten Ehefrau gehörte. Seit dem 1. März 2009 ist er bei einem
Arbeitspensum von 60 % beim Express-Pizzakurier in B. tätig, wo er nach seinen
Angaben einen monatlichen Bruttolohn von Fr. 2'000.00 bezieht. Er muss an den
Unterhalt seiner beiden Kinder aus erster Ehe Fr. 1'000.00 pro Monat bezahlen. X.
besitzt kein Vermögen, hingegen lagen gegen ihn bei Eröffnung des vorliegenden
Strafverfahrens 32 Verlustscheine im Betrage von insgesamt Fr. 52'328.20 vor.
Im schweizerischen Zentralstrafregister ist X. mit zwei Vorstrafen
verzeichnet. Am 16. Mai 2007 bestrafte ihn der Kreispräsident B. wegen
Unterlassung der Buchführung sowie wegen Vergehen gegen das Bundesgesetz
über die Altersund Hinterlassenenversicherung unter Ansetzung einer Probezeit
von zwei Jahren mit eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu Fr. 50.00 sowie einer
Busse von Fr. 1'000.00. Wegen der gleichen Verfehlungen sprach der
Kreispräsident B. am 26. Februar 2008 eine Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu Fr.
30.00, wiederum bedingt vollziehbar mit einer Probezeit von zwei Jahren, und eine
Busse von Fr. 800.00 aus.
Am 11. Mai 2008 wurde X. durch die Kantonspolizei Graubünden vorläufig
festgenommen, und er befand sich darauf bis am 11. Juli 2008 in
Untersuchungshaft. Er wurde im Zusammenhang mit den vorliegend zu
beurteilenden Straftaten durch die psychiatrischen Dienste Graubünden
begutachtet. In seiner Expertise vom 6. August 2008 kam der leitende Arzt, Dr.
med. Christoph Burz, zum Schluss, der Explorand habe zur Zeit der Taten an
keiner psychischen Störung gelitten. Die Rückfallsgefahr und die
Wahrscheinlichkeit eines Suizids wurden als gering beurteilt, und die
Voraussetzungen für eine Massnahme gemäss Art. 59, 60 63 StGB als nicht
erfüllt bezeichnet. Für den Fall, dass das Gericht den Anschuldigungen der
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Tochter folgen sollte, wäre nach dem Gutachter aber die deliktorientierte
fachpsychiatrische Auseinandersetzung mit der Thematik im Rahmen einer
vollzugsbegleitenden Weisung zu empfehlen.
B. 1. Mit Verfügung vom 14. Mai 2008 eröffnete die Staatsanwaltschaft
Graubünden gegen X. ein Strafverfahren wegen sexueller Handlungen mit Kindern
usw. Mit Anklageschrift vom 28. Oktober 2009 wurde der Angeschuldigte in
Anklagezustand versetzt und aufgrund des im Folgenden dargelegten
Sachverhalts der mehrfachen sexuellen Handlungen mit Kindern gemäss Art. 187
Ziff. 1, des mehrfachen Versuchs dazu gemäss Art. 187 Ziff. 1 in Verbindung mit
Art. 22 Abs. 1, der mehrfachen sexuellen Nötigung gemäss Art. 189 Abs. 1, des
mehrfachen Inzests gemäss Art. 213 Abs. 1, der mehrfachen Pornographie
gemäss Art. 197 Ziff. 1, der Pornographie gemäss Art. 197 Ziff. 3bis, der Drohung
gemäss Art. 180 Abs. 1 sowie der Tätlichkeit gemäss Art. 126 Abs. 1 StGB
angeklagt:
“1.1
X. missbrauchte seine am 28. April 1992 geborene Tochter Y.
zwischen ca. Mai 2004 und ca. Ende April 2008 wiederholt sexuell
(nachstehend Ziff. 1.1.1 - 1.1.7) versuchte es (nachstehend Ziff.
1.1.8 - 1.1.11). Im Einzelnen geht es um folgende sexuelle
Handlungen:

1.1.1 X. versuchte immer wieder, mit seinem Penis in Y.s Scheide
einzudringen.
1.1.2 X. drückte hinter Y. liegend seinen Penis gegen deren Gesäss.
1.1.3
X. streichelte seine Tochter Y. am ganzen Körper,
insbesondere am Gesäss, an den Brüsten und im Bereich der
Scheide.

1.1.4 X. küsste und schleckte Y. am ganzen Körper, insbesondere
auch an den Brüsten und im Intimbereich.
1.1.5 X. rieb seinen Penis zwischen den Beinen und den Brüsten
seiner Tochter Y. bis zum Samenerguss.
1.1.6 X. legte sich mit ohne Kleider auf Y. und machte bis zur
Ejakulation Stossbewegungen.
1.1.7 X. rasierte während einer gemeinsamen Dusche mehrmals Y.s
Intimbereich, um sie dort besser lecken zu können.
1.1.8 X. wollte mit Y. einen Zungenkuss machen, was diese jedoch
ablehnte.
1.1.9 X. nahm die Hand seiner Tochter Y. und legte sie über seinen
Hosen an den Penis und forderte Y. auf, ihn zu wichsen. Y.
weigerte sich.

1.1.10 X. wünschte, dass seine Tochter Y. ihn oral befriedige. Y.
weigerte sich.
Seite 3 — 22

1.1.11 X. wünschte, Y. nackt zu fotografieren und zu filmen, um sich in
ihrer Abwesenheit befriedigen zu können. Y. lehnte es ab,
gefilmt zu werden.

1.2.

Damit Y. die unter Ziff. 1.1 der Anklageschrift aufgeführten
Handlungen über sich ergehen liess, wurde sie von X. massiv unter
psychischen Druck gesetzt. Mitte August 2002 [recte 2004] sagte er zu
ihr, dass für den Fall, dass sie etwas sagen würde, sie sehen werde,
wie traurig ihre Mama sein werde. Zudem sagte er zu seiner Tochter,
dass er entweder ins Bordell gehe sie es mit ihm mache.
Schliesslich drohte X. Y. ab dem 2006 2007, sich und sie alle
umzubringen, falls sie der Polizei Kollegen von seinen
Handlungen erzähle; er wolle nicht ins Gefängnis und sich vor der
Verwandtschaft schämen und sich von ihr demütigen lassen.

1.3 X. versuchte mehrmals, mit seiner in gerader Linie blutsverwandten
Tochter den Beischlaf zu vollziehen.

Die erwähnten sexuellen Handlungen nahm X. zwischen ca. Mai 2004
und ca. Ende April 2008 in ihrer damaligen Wohnung an der
Bienenstrasse 4 in B. sowie ca. im Juni 2006 in einem Hotel in
Meiningen (Österreich) vor.


Der Angeklagte bestreitet die vorstehend genannten Handlungen
gemäss Ziff. 1.1.1 - 1.1.6 und 1.1.8 - 1.1.11. Das gemeinsame
Duschen und das Rasieren von Y. in deren Schamgegend gemäss
Ziff. 1.1.7 gibt er zu, verneint aber sexuelle Hintergründe.

2.1 X. sah sich in der Wohnung an der Bienenstrasse 4 in B. zwischen ca.
Mai 2004 und ca. Ende April 2008 mit Y. verschiedene DVD’s mit
pornographischem Inhalt an.


Nach dem 21. November 2007 zeigte X. seiner Tochter Y. einen
Videoclip mit tierpornographischem Inhalt.


X. bestreitet, seiner Tochter DVD’s mit pornographischem Inhalt sowie
einen Videoclip mit tierpornographischem Inhalt gezeigt zu haben.


Mit Verfügung vom 30. April 2009 beschlagnahmte der
Untersuchungsrichter die bei X. von der Polizei sichergestellte VHS-
Videokassette (Dr. Michael Perry’s „How to make Love! - Was Frauen
gerne haben“) sowie vier DVD’s (Devil Films presents: „International
Throat Bangers 2“; Muschi Movie „Sex-Spiele Bizarr“ und „12
Schwänze für Anna“; Dolly Buster präsentiert: “Triangel“ [defekt].

2.2 Am 21. November 2007 hielt sich im Restaurant H. in B. ein Kollege
von X. auf, der ihm einen Videoclip mit tierpornographischem Inhalt
zeigte. In der Folge liess sich X. diesen Clip via Bluetooth auf sein
Mobiltelefon überspielen.

3.1 Anlässlich eines Familienstreites holte X. in der Wohnung an der
Bienenstrasse 4 in B. am Abend des 04. Mai 2008 aus der Küche ein
Messer und drohte den anwesenden Familienmitgliedern, darunter Y.,
alle Familienmitglieder umzubringen. Anlässlich dieses Streites
erwähnte der Angeklagte eine Pistole, mit der er sich erschiessen
wolle.

3.2 Anlässlich dieses Streites wurde Y. von ihrem Vater X. geschlagen.“
Seite 4 — 22

2. Am 22. Juli 2009 reichte Y. durch Rechtsanwältin lic. iur. Diana
Honegger Droll beim Untersuchungsrichteramt B. eine Adhäsionsklage mit
folgendem Rechtsbegehren ein:
„1. Es sei festzustellen, dass X. gegenüber der Adhäsionsklägerin für die
Folgen der strafbaren Handlungen gemäss Anklageschrift (sexuelle
Handlungen mit Kindern etc.) vollumfänglich schadenersatzpflichtig ist.


2.
Es sei der Adhäsionsklägerin ein Nachklagerecht für allfälligen
Schaden als unmittelbare Folge der strafbaren Handlungen gemäss
Anklageschrift einzuräumen.


3.

Es sei X. zu verpflichten, der Adhäsionsklägerin eine
Genugtuungssumme von Fr. 20'000.-- nebst Zins zu 5% seit
30.04.2008 zu bezahlen.

4. Unter gesetzlicher Kostenund Entschädigungsfolge.“
C.
Mit Urteil vom 21. Januar 2010 erkannte das Bezirksgericht Plessur:
„1. X. ist schuldig:
- der Tätlichkeit gemäss Art. 126 Abs. 1 StGB
- der Drohung gemäss Art. 180 Abs. 1 StGB
- der mehrfachen sexuellen Handlungen mit Kindern gemäss Art.
187 Ziff. 1 StGB
- des mehrfachen Versuchs der sexuellen Handlungen mit Kindern
gemäss Art. 187 Ziff. 1 StGB i.V.m. Art. 22 Abs. 1 StGB
- der mehrfachen Pornographie gemäss Art. 197 Ziff. 1 StGB
- der Pornographie gemäss Art. 197 Ziff. 3bis StGB
- des mehrfachen Inzests gemäss Art. 213 Abs. 1 StGB
- des mehrfachen Versuchs des Inzests gemäss Art. 213 Abs. 1
StGB i.V.m. Art. 22 Abs. 1 StGB
2. X. wird vom Vorwurf der mehrfachen sexuellen Nötigung gemäss Art.
189 Abs. 1 StGB freigesprochen.
3. Auf den Widerruf der am 16. Mai 2007 und am 26. Februar 2008 vom
Kreispräsidenten B. wegen Unterlassung der Buchführung und
Vergehen gegen das BG über die Altersund
Hinterlassenenversicherung gewährten bedingten Vollzüge zweier
Geldstrafen von 30 Tagessätzen zu CHF 50.00 bzw. von 20
Tagessätzen zu CHF 30.00 wird verzichtet und die Probezeiten jeweils
um 1 Jahr verlängert.

4.a) Für die begangenen Delikte nach obiger Ziffer 1 wird X. mit einer
Freiheitsstrafe von 3 Jahren und einer Busse von CHF 200.00 bestraft.
b) Von der Freiheitsstrafe sind 15 Monate unbedingt zu vollziehen, unter
Anrechung der erstandenen Polizeiund Untersuchungshaft von 62
Tagen. Für die restlichen 21 Monate Freiheitsstrafe wird der bedingte
Strafvollzug gewährt, unter Ansetzung einer Probezeit von 3 Jahren.

Seite 5 — 22

c) Die Ersatzfreiheitsstrafe für die Busse beträgt 2 Tage. Sie tritt an die
Stelle der Busse, soweit X. dieselbe schuldhaft nicht bezahlt.
5. Die Abklärung und allfällige Durchführung der Therapierung des
Verurteilten erfolgt im Sinne der Erwägungen.
6. Die mit untersuchungsrichterlicher Beschlagnahmeverfügung vom 30.
April 2009 sichergestellten 4 DVD’s (einmal inkl. Hülle) und 1 VHS-
Videokassette mit pornografischem Inhalt werden gerichtlich
eingezogen und sind zu vernichten.

7.a) Es wird festgestellt, dass X. gegenüber Y. für die Folgen der ihr
gegenüber begangenen Straftaten vollumfänglich
schadenersatzpflichtig ist.

b) X. wird verpflichtet, Y. eine Genugtuung von CHF 20'000.00 zuzüglich
Zins zu 5 % seit dem 30. April 2008 zu bezahlen.
c) X. hat Y. aussergerichtlich mit CHF 7'352.75 (inkl. Barauslagen und
MwSt.) zu entschädigen.
8.a) Die Kosten des Verfahrens von CHF 29'938.60 (Untersuchungskosten
der Staatsanwaltschaft Graubünden CHF 25'693.60, Gerichtskosten
von CHF 4'000.00 und Bargebühren von CHF 245.00) gehen zu
Lasten von X..

b) Die Kosten der angerechneten Untersuchungshaft von CHF 10’485.00
sowie des Strafvollzuges gehen zu Lasten des Kantons Graubünden.
Die Kosten einer allfälligen Massnahme gehen im Sinne der
Erwägungen zu Lasten der Wohnsitzgemeinde. X. hat sich an den
beiden Kostenarten nach Massgabe von Art. 380 Abs. 2 StGB zu
beteiligen.

c) X. schuldet dem Bezirksgericht Plessur folglich total CHF 30'138.60
(Busse: CHF 200.00, Verfahrenskosten: CHF 29'938.60). Dieser
Betrag ist innert 30 Tagen seit Zustellung des Urteils auf das PC-Konto
70-3596-3 des Bezirksgerichtes Plessur zu überweisen.

9. Rechtsmittelbelehrung
10. Mitteilung an “
D. 1. Gegen dieses Urteil liess X. am 8. April 2010 die Berufung an das
Kantonsgericht von Graubünden erklären mit dem Antrag:
„1. Der Berufungskläger sei vom Vorwurf der mehrfachen sexuellen
Handlungen von Kindern gemäss Art. 187 Ziff. 1 StGB, des
mehrfachen Versuchs sexueller Handlungen gemäss Art. 187 Ziff. 1
StGB iVm Art. 22 Abs. 1 StGB, der mehrfachen Pornografie gemäss
Art. 197 Ziff. 1 StGB, des mehrfachen Inzests gemäss Art. 213 Abs. 1
StGB und des mehrfachen Versuchs des Inzests gemäss Art. 213 Abs.
1 iVm Art. 22 Abs. 1 StGB freizusprechen.

2.
Es sei F. hinsichtlich des aktuellen Kontakts zwischen dem
Berufungskläger und seiner Tochter Y. zu befragen.
3.
Es sei eine mündliche Verhandlung iSv Art. 6 Ziff. 1 EMRK
durchzuführen.
Seite 6 — 22

4.
Eventualiter sei hinsichtlich der Glaubwürdigkeit von Y. X. ein
Gutachten zu erstellen.
Alles unter Kostenund Entschädigungsfolgen zulasten der Staatskasse.“
Das Bezirksgericht Plessur verzichtete auf eine Vernehmlassung. Die
Staatsanwaltschaft Graubünden und die Adhäsionsklägerin beantragten die
kostenfällige Abweisung der Berufung und der gestellten Beweisanträge. Auf die
Ausführungen in den Rechtsschriften wird, soweit erforderlich, in den Erwägungen
eingegangen. - Mit Schreiben vom 18. Mai 2010 zog Rechtsanwalt Marcel
Bosonnet seinen Antrag auf Durchführung einer öffentlichen Verhandlung zurück.
Die I. Strafkammer zieht in Erwägung:
I. 1. X. wurde am 21. Januar 2010 vom Bezirksgericht Plessur wegen
Tätlichkeit, Drohung, verschiedener strafbarer Handlungen gegen die sexuelle
Integrität und Inzests teilweise als Zusatz zu 2007 und 2008 ausgesprochenen
Strafen wegen Unterlassung der Buchführung und Vergehen gegen das
Bundesgesetz über die AHV mit einer teilweise bedingt vollziehbaren
Freiheitsstrafe von drei Jahren und einer Busse von Fr. 200.00 bestraft. Als
Verurteilter ist X. gemäss Art. 141 Abs. 1 StPO legitimiert, gegen das am 18. März
2010 schriftlich mitgeteilte Urteil Berufung beim Kantonsgericht einzulegen. Mit
seiner den Anforderungen von Art. 142 Abs. 1 StPO genügenden Eingabe vom 8.
April 2010 hat der Verurteilte die vom Gesetz vorgeschriebene Frist von zwanzig
Tagen gewahrt, so dass auf das Rechtsmittel einzutreten ist.
2.
Gemäss Art. 146 Abs. 1 StPO überprüft das Kantonsgericht als
strafrechtliche Berufungsinstanz das erstinstanzliche Urteil in tatsächlicher und
rechtlicher Hinsicht frei. Dieses Überprüfungsrecht ist abgesehen vom Verbot der
reformatio in peius in keiner Weise eingeschränkt. Die Berufungsinstanz ist
vielmehr berechtigt und verpflichtet, das angefochtene Urteil umfassend zu
überprüfen, worin eine Ermessenkontrolle eingeschlossen ist. Sie schreitet
allerdings nicht ein und ändert einen erstinstanzlichen Entscheid nicht ab, wenn
nur eine geringe Abweichung von dem nach ihrer Auffassung richtigen Ermessen
vorliegt. Diese Praxis liegt in der Natur der Sache und ist in prozessökonomischen
Überlegungen begründet; solange der Entscheid der Vorinstanz noch als
vertretbar erscheint, soll kein Anlass zu einer Berufung bestehen (PKG 1971 Nr.
48).
Seite 7 — 22

3.
Der Rechtsvertreter von X. hat in seiner Berufungsbegründung die
Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung beantragt. Dieses
Begehren hat er mit Schreiben vom 18. Mai 2010 zurückgezogen. Das
Kantonsgericht sieht keinen Anlass, eine mündliche Verhandlung von Amtes
wegen anzuordnen; nach der Aktenlage ist die persönliche Anwesenheit des
Berufungsklägers nicht erforderlich, so dass auf einen Vortritt verzichtet werden
kann.
4.
Der Berufungskläger beantragt, es sei F., die Mutter der
Geschädigten, nochmals über die aktuellen Beziehungen zwischen ihm und seiner
Tochter Y. zu befragen. Das Kantonsgericht sieht keinen Grund für eine solche
Beweisergänzung. Es vermag im Umstand, dass Y., nachdem seit den
Gegenstand des Verfahrens bildenden Vorkommnissen längere Zeit vergangen
ist, nun wieder öfters Kontakt zu ihrer Familie hat und sich auch ab und zu in
deren Wohnung aufhält und dabei auch gelegentlich ihrem Vater begegnet,
entgegen der Auffassung der Vorinstanz keinen Umstand zu erblicken, welcher
gegen die Glaubhaftigkeit ihrer Aussagen im Rahmen der Strafuntersuchung
sprechen würde. Y. hat in ihrer letzten Einvernahme durch die
Untersuchungsrichterin auf die Frage, wie sie die kurze Begegnung mit ihrem
Vater empfunden habe, geantwortet, es sei nicht so schlimm gewesen wie sonst,
da sie ihn nun schon öfters gesehen habe. Wenn eine gewisse Wiederannäherung
an die Familie im Gange ist, und Y. dabei in Kauf nimmt, in der elterlichen
Wohnung an dessen Arbeitsort auch hin und wieder ihrem Vater gegenüber
zu stehen, so ist darin eine durchaus natürliche Verarbeitung des Geschehenen
zu sehen, welche für die Beurteilung des Falles keine Bedeutung haben kann. Im
Übrigen mag auch der Umstand, dass Y. nun einen festen Freund hat, zu einer
gewissen Entkrampfung des Verhältnisses zu ihrer Familie geführt haben. Es ist
daher nicht einzusehen, was eine nochmalige Befragung der Mutter des Opfers an
sachdienlichen Elementen zu erbringen vermöchte; der entsprechende Antrag ist
daher abzuweisen.
5.
Der Rechtsvertreter des Berufungsklägers stellte schliesslich den
Eventualantrag, es sei hinsichtlich der Glaubwürdigkeit von Y. ein Gutachten
erstellen zu lassen. Der Verteidiger hält eine solche Massnahme deshalb für
gerechtfertigt, weil sowohl die Anklage als auch die Vorinstanz die Verurteilung
allein auf die Aussagen von Y. abstützten. Dazu ist vorweg zu bemerken, dass
Sexualdelikte an Minderjährigen immer unter Ausschluss der Öffentlichkeit
erfolgen. Es liegt daher in der Natur der Sache, dass die Staatsanwaltschaft die
Anklage und die Vorinstanz ihre Schuldsprüche allein mit den Aussagen der
Seite 8 — 22

Geschädigten begründen konnten. Nur mit dem Hinweis auf diese
Selbstverständlichkeit lässt sich also der Antrag auf Durchführung einer
Glaubwürdigkeitsexpertise nicht rechtfertigen. Sowohl der Staatsanwalt als auch
die Vertreterin des Opfers äussern sich denn zu Recht und mit überzeugender
Begründung in abweisendem Sinne zu diesem Begehren. Auch das
Kantonsgericht ist der Auffassung, dass keinerlei Anlass zur Anordnung einer
solchen Expertise besteht. Es hat in ständiger Rechtsprechung stets betont, dass
es in erster Linie Sache des Gerichts und dessen ureigenste Aufgabe sei, die
Glaubhaftigkeit von Aussagen zu beurteilen. Ein Sachverständiger ist nach dieser
Praxis nur beizuziehen, wenn das Gericht selbst zur Beurteilung der
Glaubwürdigkeit einer Person beziehungsweise der Glaubhaftigkeit derer
Aussagen nicht in der Lage ist, insbesondere wenn ihm die nötige Sachkunde
fehlt. Auch im Falle von Zweifeln an der Glaubwürdigkeit von Zeugen
Auskunftspersonen besteht grundsätzlich weder eine Pflicht noch ein Recht zur
Einholung eines Glaubwürdigkeitsgutachtens; eine solche Massnahme drängt sich
nur dann auf, wenn im Bereiche der Verständnisfähigkeit Defizite auftreten, also
das Gericht ohne fachtechnische Hilfe nicht in der Lage ist, die Aussage richtig zu
verstehen. Es bedarf also besonderer Umstände, aufgrund welcher die
Glaubhaftigkeit der zu beurteilenden Aussagen als zweifelhaft erscheinen. Dies
trifft namentlich dann zu, wenn es um die Glaubwürdigkeit von Äusserungen von
Kindern, psychisch Abnormen und altersdementen Menschen sowie die
Beurteilung von vorübergehenden Störungen wie zum Beispiel Alkoholrausch,
akuter Drogenentzug starker Medikamenteneinfluss geht. Erwachsene und
psychisch unauffällige Zeugen sind nach dieser Rechtsprechung nur
ausnahmsweise und unter bestimmten Umständen zu begutachten, nämlich wenn
besondere Ereignisse Begebenheiten im Werdegang des Zeugen
hervortreten behauptet werden und dessen Glaubhaftigkeit zweifelhaft
erscheinen lassen (vgl. PKG 2000 Nr. 33 mit Verweisungen). Solche Verhältnisse
liegen im zu beurteilenden Fall nicht vor. Die Aussagen von Y. sind klar und
verständlich; sie wirken nicht unglaubhaft und erwecken nicht den Eindruck einer
Person, die nicht glaubwürdig wäre. Die Zeugin war bei der Einvernahme mehr als
sechzehnjährig, also kein Kind mehr, und es deutet nichts darauf hin, dass ihr
Geisteszustand Anlass dazu gäbe, ihre Aussagen als unzuverlässig
verdächtig erscheinen zu lassen. Gerade auch die Videoaufnahmen vermitteln
den Eindruck einer durchaus glaubwürdigen Person, deren Aussagen es nicht an
Glaubhaftigkeit mangelt. Die Tatsache, dass die Geschädigte im Mai 2008
erstmals gegen ihren Vater den Vorwurf erhob, sie sexuell missbraucht zu haben,
obwohl sie bis dahin scheinbar nie bei Lehrern anderen Personen etwa durch
Seite 9 — 22

Hypersexualität Andeutungen in dieser Richtung aufgefallen war, vermag
nach Auffassung des Kantonsgerichts entgegen der entsprechenden Bemerkung
im Gutachten über den Angeklagten keine Zweifel an der Glaubwürdigkeit der
Zeugin zu wecken, welche die Anordnung eines entsprechenden Gutachtens
rechtfertigen würden. Die Akten erlauben es dem Kantonsgericht ohne weiteres,
die Glaubhaftigkeit der Aussagen von Y. im Rahmen der freien Beweiswürdigung
selbst zu beurteilen. Das Eventualbegehren der Verteidigung ist daher
abzuweisen.
II.
1.

Der Berufungskläger liess das erstinstanzliche Urteil in
verschiedenen Punkten unangefochten. So akzeptierte er den Schuldspruch
bezüglich der Tatbestände der Tätlichkeit gemäss Art. 126 StGB, der Drohung
gemäss Art. 180 Abs. 1 StGB und der Pornographie gemäss Art. 197 Ziff. 3bis
StGB. Nicht mehr zur Diskussion steht sodann auch der Freispruch von der
Anklage der mehrfachen sexuellen Nötigung gemäss Art. 189 Abs. 1 StGB. Die
rechtliche Qualifikation der verbleibenden und im Berufungsverfahren noch
streitigen strafbaren Handlungen des Angeklagten bietet keine Probleme, und es
bestehen denn auch zwischen der Anklage und der Verteidigung diesbezüglich
keine Meinungsverschiedenheiten. Im Zentrum der Auseinandersetzung steht
vielmehr die Beweiswürdigung. Die entscheidende Frage ist, ob das Gericht die
von der Tochter Y. des Angeklagten erhobenen Anschuldigungen gegenüber
ihrem Vater für erwiesen betrachtet ob angesichts der in den wesentlichen
Punkten konsequenten Bestreitungen des Berufungsklägers Zweifel an seiner
Täterschaft übrigbleiben, die so erheblich sind, dass nach dem sich aus der im
Strafverfahren gültigen Unschuldsvermutung abgeleiteten Grundsatz „in dubio pro
reo“ ein Freispruch erfolgen muss. Die Vorinstanz hat sich unter der Ziffer 3.b)
ihrer Erwägungen eingehend mit den bei der Beweiswürdigung zu beachtenden
Grundsätzen auseinandergesetzt. Die ausführlichen und durch Hinweise auf die
einschlägige Literatur und Rechtsprechung dokumentierten Darlegungen geben
einen umfassenden Überblick über das Thema, so dass ihnen nichts beizufügen
ist und darauf verwiesen werden kann.
2.
Vorweg kann festgehalten werden, dass sich die Vorinstanz sehr
gründlich mit den in mehreren Einvernahmen gemachten Aussagen des Opfers,
aber auch mit den Depositionen des Angeklagten und jener der Zeugen
auseinandergesetzt und diese sehr sorgfältig abgewogen hat. Die Schlüsse, die
das Bezirksgericht aufgrund seiner Beweiswürdigung vorgenommen hat, sind
weitestgehend überzeugend und halten wie im Folgenden dargelegt werden wird
- der Überprüfung durch die Berufungsinstanz stand. Lediglich in zwei Punkten
Seite 10 — 22

vermag das Kantonsgericht den Ausführungen der Vorinstanz nicht zu folgen.
Diese führte auf den Seiten 21 und 22 ihres Urteils aus, X. habe eingestanden,
mehrmals mit seiner Tochter Y. gemeinsam geduscht, sie an verschiedenen
Körperstellen rasiert und danach am ganzen Körper eingecremt zu haben.
Sämtliche übrigen Vorfälle habe der Angeklagte konsequent und übereinstimmend
von der ersten polizeilichen Einvernahme bis zur Hauptverhandlung abgestritten,
worin ein Indiz für die Glaubhaftigkeit seiner Aussagen zu sehen sei. Das
Kantonsgericht teilt diese Ansicht nicht. Das konsequente Bestreiten von
Anschuldigungen ist ein einfaches, wenn auch legitimes Mittel der Verteidigung,
bietet es doch am ehesten Gewähr dafür, dass man sich nicht in Widersprüche
verstrickt. So gesehen kann es nicht sein, dass ein Indiz für die Glaubhaftigkeit
von Depositionen allein schon in der Tatsache zu sehen ist, dass der Angeklagte,
der ja nicht zu wahrheitsgemässen Aussagen verpflichtet ist, während des ganzen
Verfahrens stets die ihm vorgeworfenen strafbaren Handlungen bestreitet. - Nicht
vollends einig geht das Kantonsgericht sodann mit den Ausführungen der
Vorinstanz bezüglich der Beurteilung der Glaubhaftigkeit der Aussagen von Y.. Es
ist nicht einzusehen, weshalb an Y.s Depositionen gezweifelt werden sollte, weil
sie offenbar öfters in der Wohnung in den Boxershorts ihres Vaters herumgelaufen
ist. Ihre Aussagen werden aber nach Auffassung des Kantonsgerichts auch nicht
dadurch gemindert, dass sie anfänglich bestritt, mit ihrem Freund
Geschlechtsverkehr gehabt zu haben. Auch die Vorinstanz räumt im Übrigen ein,
dass das Verhalten Y.s psychologisch nachvollziehbar sei, so dass ihr
anfängliches Lügen nicht überbewertet werden dürfe. Auch die Berufungsinstanz
ist der Ansicht, dass die Glaubhaftigkeit ihrer Aussagen im Kernpunkt dadurch
nicht gemindert wird.
3. a) Die bündnerische Strafprozessordnung schreibt in Art. 142 Abs. 1
vor, dass die Berufung zu begründen ist und darzutun hat, welche Mängel des
erstinstanzlichen Entscheides Gerichtsverfahrens gerügt werden und ob das
ganze Urteil lediglich Teile davon angefochten werden. Die
Begründungspflicht dient dazu, die ordnungsgemässe, rationelle und ökonomische
Abwicklung des Verfahrens zu gewährleisten. Die Berufung kommt diesen
Anforderungen insofern nach, als unter der Ziffer 1 der Anträge festgehalten wird,
welche Schuldsprüche angefochten werden. Wie oben festgehalten wurde, ergibt
sich daraus, in welchen Punkten X. das erstinstanzliche Urteil akzeptiert und mit
welchen Tatbeständen sich das Kantonsgericht somit nicht mehr zu befassen hat.
Hingegen genügt die nicht sehr sorgfältig abgefasste Berufungsschrift der
Begründungspflicht in weiten Teilen nicht. Sie erschöpft sich weitgehend in der
Seite 11 — 22

seitenlangen Wiedergabe der Aussagen der Beteiligten und der Ausführungen im
angefochtenen Urteil, setzt sich mit diesen jedoch nicht analytisch auseinander.
Die Depositionen werden ohne vernetzten Bezug dargestellt, ohne dass
aufgezeigt wird, inwiefern dies jenes nicht richtig sein könnte, und es wird
nicht ausreichend aufgezeigt, wo ein Ermessensfehler eine offensichtlich
falsche Beweiswürdigung vorliegen soll. Soweit sich der Berufungskläger mit der
Wiedergabe von Aussagen begnügt, kann und braucht auf seine Ausführungen
nicht eingegangen zu werden.
b)
Immerhin versucht der Berufungskläger mit verschiedenen
Beispielen, die Glaubwürdigkeit seiner Tochter in Frage zu stellen. So verweist er
auf die handschriftlichen Notizen, welche Y. auf Veranlassung der Polizeibeamtin,
welche sie befragt hatte, eingereicht habe und welche Anweisungen enthalten
würden, was sie aussagen soll. Diese Notizen seien nicht geeignet, das Erlebte
frei wiederzugeben; es gebe Passagen im schriftlichen Text, die fast wortwörtlich
in der Einvernahme wiederholt worden seien. Es könne also nicht ausgeschlossen
werden, dass Y. mehr bemüht gewesen sei, in ihren Aussagen den Inhalt des
zuvor eingereichten Textes als die Wahrheit zu Protokoll zu geben. Wenn daher
die Vorinstanz argumentiere, die Aussagen von Y. seien bei den verschiedenen
Einvernahmen in den wesentlichen Punkten übereinstimmend, so könne dies
angesichts der schriftlichen Aufzeichnungen nicht überraschen. Das
Kantonsgericht sieht die Glaubhaftigkeit der Aussagen von Y. durch die
handschriftlichen Aufzeichnungen nicht in Frage gestellt. Es ergibt sich aus den
Akten klar, wie diese Notizen zustande gekommen sind. Y. erzählte ihrer
Firmgotte, was sich während der letzten vier Jahre zwischen ihr und ihrem Vater
zugetragen hatte, und I. schrieb das Gehörte nieder. Am Schluss der Notizen
fügte Y. selbst noch einige Zeilen bei. Ob Y. den ganzen Aufsatz eigenhändig
geschrieben hat, wie aus ihren ersten Depositionen geschlossen werden könnte,
ob wie sie dies gegen Ende der Befragung präzisierte ihre Firmgotte den
grössten Teil entsprechend ihren Angaben niederschrieb, ist nebensächlich und
beeinflusst die Glaubhaftigkeit der schriftlichen und mündlichen Schilderungen
nicht. Wenn sodann gelegentlich in Klammern eingefügt wird, Y. soll diese
jene Episode erzählen, tut das der Zuverlässigkeit der Darstellung der
Vorkommnisse keinen Abbruch, sondern diente offensichtlich einfach dazu, auf
gewisse Ereignisse hinzuweisen, ohne diese in aller Breite aufzeichnen zu
müssen. Dass gewisse Formulierungen in den handschriftlichen Aufzeichnungen
in ähnlicher Form in den anlässlich der Einvernahmen gemachten Aussagen
wiederkehren, ist naheliegend, wurden doch die Notizen von I. aufgrund der
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Schilderungen von Y. niedergeschrieben, welche sich darauf in den Einvernahmen
wiederum in der ihr eigenen Ausdrucksform äusserte. Sieht man sich die
Videoaufzeichnungen an, so gewinnt man den Eindruck, dass das Opfer recht
spontan und ohne sich an früher Gesagtes klammernd in Mundart auf die Fragen
antwortete. Ihre Ausführungen vermitteln in Wort und Gestik das Bild einer
Person, welche die geschilderten Geschehnisse persönlich erlebt hat. Sie wirken
absolut authentisch und lassen nie den Verdacht aufkommen, sie könnten ganz
auch nur teilweise erfunden sein. Es ist für das Kantonsgericht nicht
vorstellbar, dass sich Y. in ihrer Phantasie eine Geschichte zurecht gelegt hat,
diese durch ihre Firmgotte niederschreiben liess, sich alles genau einprägte und in
späteren Einvernahmen ihre Aussagen nach dem sich dadurch geschaffenen
Schema machte. Zahlreiche in den Notizen nicht enthaltene Details finden sich
übereinstimmend in den Einvernahmen immer wieder und vermitteln den
Aussagen ein hohes Mass an Glaubhaftigkeit.
c)

Der Berufungskläger führt aus, Y. versuche, den Verlauf der
Geschehnisse in den vier Jahren in zwei Phasen zu gliedern, wobei es in den
beiden ersten Jahren nicht so schlimm, während der beiden letzten Jahren
hingegen am Schlimmsten gewesen sei. Wenn er darauf geltend macht, die
Schilderungen der Tochter unterschieden sich bezüglich der ihm vorgeworfenen
Handlungen bezüglich der beiden Phasen nicht, so sieht er darin offenbar ein
Element, das für die Unzuverlässigkeit der Aussagen spricht. Abgesehen davon,
dass das Kantonsgericht dieser Argumentation nichts abzugewinnen vermag, stellt
es durchaus Unterschiede in der Intensität des Verhaltens des Angeklagten fest.
Auch wenn sich die Übergriffe als solche ähnelten, so änderte sich doch die
Einstellung von X. gegenüber seiner Tochter. Ging es ihm offenbar anfänglich in
erster Linie darum, an ihr seine Triebe zu befriedigen, so sah er in ihr im Laufe der
Jahre eine Geliebte, welche ihm je länger je mehr seine Ehefrau ersetzen sollte,
welche ihn nicht mehr sexuell zu stimulieren vermochte, so dass er mit ihr kaum
mehr Geschlechtsverkehr hatte. Es ist durchaus verständlich, dass Y. diesen
Wandel als besonders belastend empfand und unter den von ihrem Vater an ihr
vorgenommenen sexuellen Handlungen immer mehr litt. In diese Zeit fielen im
Übrigen auch die Vorkommnisse in Österreich, wo der Berufungskläger seine
Tochter besonders intensiv missbrauchte. Das Kantonsgericht hat angesichts
dieser Umstände durchaus Verständnis dafür, dass Y. die beiden letzten Jahre als
besonders schlimm in Erinnerung hat und sieht keinen Grund, ihre
diesbezüglichen Aussagen in Frage zu stellen.
Seite 13 — 22

d)
In der Berufung wird sodann auf Aussagen vom 12. November 2008
verwiesen, wo Y. aus unerfindlichen Gründen eine Blinddarmoperation erwähnt
habe. Es wird geltend gemacht, es fehle ein Zusammenhang zwischen diesem
Ereignis und den übrigen Aussagen; solche Sprünge würden in der
Aussagenpsychologie bekanntlich als Lügensignale gewertet. Wie es sich mit der
letztgenannten Behauptung verhält, kann dahingestellt bleiben. Von einem
eigentlichen Gedankensprung kann jedenfalls nicht die Rede sein. Zwar unterhielt
sich die Untersuchungsrichterin mit der Zeugin im fraglichen Abschnitt der
Befragung vor allem darüber, wann und bei welcher Gelegenheit der Angeklagte
bei seinen sexuellen Kontakten mit dem Opfer Kondome verwendet hatte, das
schloss aber nicht aus, dass Y. im Rahmen der Beantwortung der entsprechenden
Fragen Ereignisse in den Sinn kamen, die sie bisher nicht erwähnt hatte, die sie
aber - um sie nicht zu vergessen sofort in die Diskussion einbringen wollte.
Inwiefern dieses Verhalten die Glaubwürdigkeit der Zeugin in Frage stellen sollte,
ist schlechterdings nicht vorstellbar. Zutreffend ist, dass die Tatsache, dass in
Kondomen Spermienspuren von E. gefunden wurden und eine DNA-Analyse
ergeben hatte, dass diese Kondome auch mit Y. in Kontakt gekommen sein
mussten, Fragen aufwirft. Es trifft hingegen nicht zu, dass Y. auf die Frage, ob sie
mit ihrem Bruder Geschlechtsverkehr gehabt habe, ausweichend geantwortet
hatte. Sie stellte dies wie sich gerade auch aus den Videobefragungen ergibt -
vielmehr ganz eindeutig in Abrede, und diese Antwort stimmt denn auch mit den
Aussagen ihres Halbbruders völlig überein. Das Gegenteil konnte anhand der
festgestellten DNA-Spuren nicht bewiesen werden, und die verbleibenden Fragen
in diesem Punkt vermögen an der Glaubhaftigkeit der Aussagen von Y. über ihre
Beziehungen zum Vater nichts zu ändern.
e)
Der Berufungskläger befasst sich sodann mit den Aussagen der
Tochter Y. anlässlich der Befragung durch die Untersuchungsrichterin vom 23.
April 2009. Er führt aus, Y. habe ausgesagt, niemand habe sie im Schambereich
rasiert, auch die Mutter nicht. Damit stelle sie sich in klaren Widerspruch zu den
Aussagen ihrer Mutter, welche bezeugt habe, dass auch sie ihre Tochter in der
Schamgegend rasiert habe. Zu diesem Thema ist festzuhalten, dass bezüglich
des Rasierens keine Differenzen zwischen der Sachdarstellung von Y. und jener
ihres Vaters bestehen; dieser hat nie bestritten, seine Tochter beim Duschen an
verschiedenen Körperteilen, so auch im Intimbereich, rasiert zu haben. Soweit
bezüglich dieses Sachverhalts gegenüber dem Angeklagten Vorwürfe erhoben
wurden, sind diese unbestritten und als solche für das Berufungsverfahren ohne
Interesse. Wenn in der Berufungsschrift auf dieses Thema zurückgekommen wird,
Seite 14 — 22

so könnte dies also einzig dem Zwecke dienen, die Glaubhaftigkeit der Aussagen
von Y. in Frage zu stellen. Diesbezüglich bringt das Argument jedoch nichts. Die
Aussagen von Y. sind an der vom Berufungskläger angeführten Stelle recht
unbestimmt, was an sich schon deshalb verständlich ist, da doch zwischen den
fraglichen Vorkommnissen und der Einvernahme viel Zeit verstrichen ist. Zudem
sind die diesbezüglichen Depositionen der Mutter auch nicht eindeutig. Die an sie
gerichtete Frage lautete, wo sie und ihr Mann Y. rasiert hätten, worauf die Zeugin
antwortete, am Rücken, beim Bauch und auch in der Schamgegend bei der
Scheide; Y. habe immer Angst gehabt, dass sie sich schneide. Die Frage ging
also dahin, wo die Mutter und der Vater Y. rasiert hätten. Dass der Vater seine
Tochter auch im Intimbereich zu rasieren pflegte, ist unbestritten. Dass dies die
Mutter jedenfalls an anderen Körperteilen auch zumindest einmal getan hatte,
bestätigte auch Y.. Abgesehen davon, dass es sich bezüglich des Rasierens
durch die Mutter um einen belanglosen Nebenpunkt handelt, bestehen zwischen
den Aussagen also keineswegs unüberbrückbare Differenzen, welche die
Glaubhaftigkeit der Aussagen von Y. zu erschüttern vermöchten. Gleiches gilt
auch mit Bezug auf die vom Berufungskläger ebenfalls ins Feld geführten
Unterschiede in den Aussagen über die Besuche in Österreich. Es wird dem
Mädchen in der Berufungsschrift vorgeworfen, nach sehr langem Fragen habe es
letztlich eingestanden, es sei mindestens viermal im gleichen Hotel in Österreich
gewesen, in welchem ihm angeblich das Schlimmste in ihrem Leben zugestossen
sei. Auch in diesem Punkt vermag das Kantonsgericht nichts zu erkennen, was
gegen die Glaubhaftigkeit der Aussagen von Y. sprechen würde. Abgesehen
davon, dass es völlig nebensächlich ist, ob es sich um drei vier Ausflüge
nach Österreich gehandelt hat, hat Y. nie bestritten, dass sie vier Mal dorthin
gefahren ist; es hat sich einfach im Laufe der Einvernahme ergeben, dass es
offenbar tatsächlich vier und nicht nur zwei bis drei Ausflüge waren. Y. hat auch
sehr überzeugend dargelegt, weshalb zwischen ihrer Aussage, wonach die
Besuche mit ihrem Vater im Hotel in Meiningen für sie besonders schlimm waren,
und sie später mit ihrer Familie trotzdem wieder gern ins Vorarlberg gefahren sei,
kein Widerspruch besteht. Sie hat einfühlbar geschildert, dass die mit Einkaufen
und Fischen verbundenen Ausflüge ihr durchaus gefallen hätten und sie daher
gerne wieder hingefahren sei, dass sie aber von ihren schlimmen Erlebnissen mit
dem Vater der Mutter, ihren Geschwistern und ihrer Freundin nichts habe erzählen
können; sie habe ja auch im Alltag stets gesagt, es gehe ihr gut, obwohl es ihr
beschissen gegangen sei. Diese Feststellung steht im Einklang mit den Aussagen
ihrer Freundin J., welche das Gefühl hatte, das Familienleben der XY. sei
durchaus harmonisch gewesen, und Y. habe sich mit ihrem Vater sehr gut
Seite 15 — 22

verstanden. Allerdings war sie offenbar doch etwas über die Tatsache befremdet,
dass sich Vater und Tochter auf den Mund küssten. Die Rechtsvertreterin von Y.
weist in ihrer Stellungnahme zu Recht darauf hin, dass Y. sich gegen aussen stets
lustig und normal gegeben habe, dass sie aber innerlich kaputt gewesen sei und
viel geweint habe. Eine Bestätigung dafür, dass Y.s Aussagen über ihre
Beziehungen zum Vater der Wahrheit entsprechen und sie unter den von ihr
geschilderten Verhältnissen arg gelitten hat, findet sich denn auch tatsächlich in
den Depositionen ihrer Mutter, welche in der polizeilichen Einvernahme aussagte,
Y. habe sich in den letzten Jahren vielmals dahin geäussert, dass sie ihren Vater
hasse und ihn am liebsten umbringen würde. Dies habe sie insofern erstaunt, als
aus ihrer Sicht ihr Mann ein lieber Vater gewesen sei und ihrer Tochter viele
Geschenke gemacht habe. Sodann sei ihr auch aufgefallen, dass Y. sie immer
wieder gefragt habe, wann sie von der Arbeit nach Hause komme; sie habe nie mit
ihrem Vater alleine sein wollen. Diese zu Beginn der Untersuchung und damit von
der Zeugin spontan und sicher noch unbeeinflusst gemachten Aussagen belegen
klar, dass die von Y. gegenüber ihren Freunden zum Ausdruck gebrachte
Unbekümmertheit keineswegs ihrem inneren Gemütszustand entsprach. Die
Aussagen der Mutter stellen damit entgegen den Einwänden des
Berufungsklägers ein gewichtiges Argument zur Stützung der Glaubhaftigkeit der
Schilderungen von Y. dar. Dass diese über die sehr intimen Beziehungen zu ihrem
Vater auch nahen Angehörigen und guten Freundinnen nichts verlauten liess, ist
für das Kantonsgericht mehr als verständlich und ändert an ihrer Glaubwürdigkeit
nichts.
f)

In der Berufung wird weiter geltend gemacht, aufgrund der
Arbeitszeiten von F. und des Stundenplans von Y. hätten der Vater und die
Tochter nur sehr kurze Zeit zusammen alleine zu Hause sein können. Diese
Argumentation verdrängt die Tatsache, dass der Berufungskläger nachts
ausreichend Gelegenheit hatte, sich an seiner Tochter zu vergehen. Er selbst
gestand zu, während der Schwangerschaft seiner Frau in Y.s Zimmer geschlafen
zu haben, während Y. sich zu ihrer Mutter begeben habe. Er habe jeweils noch
etwas fern gesehen; wenn er den Fernseher abgestellt habe, sei Y. zu ihm
gekommen und habe zu ihm gesagt, er solle bei ihr und nicht bei der Mutter
schlafen. Aus diesen Schilderungen ergibt sich deutlich, dass der Einwand, es
habe dem Berufungskläger an der Möglichkeit gefehlt, seine Tochter zu
missbrauchen, nicht standhält.
g)
Der Berufungskläger führt weiter aus, er sei auch wegen mehrfacher
Pornografie gemäss Art. 197 Ziff. 1 StGB und wegen Pornografie gemäss Art. 197
Seite 16 — 22

Ziff. 3bis StGB bestraft worden. Der zuletzt genannte Schuldspruch blieb im
Berufungsbegehren unangefochten, hingegen macht X. bezüglich der ersten
Verurteilung geltend, bei den Filmen, die er mit seiner Tochter angeschaut habe,
handle es sich um normale Sexfilme ohne pornografischen Inhalt. Wenn in der
Berufung sodann gerügt wird, die Vorinstanz stütze sich auch in diesem Punkt auf
die Aussagen von Y., so ist nicht verständlich, was damit gesagt werden will. Dass
er zusammen mit seiner Tochter solche Filme angeschaut hat, gab der Angeklagte
von Anfang an zu; insofern standen seine Aussagen also nicht mit jenen von Y. im
Widerspruch. Dass es sich nicht um die von der Polizei sichergestellten und bei
den Akten liegenden Filme gehandelt habe, wird in der Berufung nicht behauptet.
Die Vorinstanz hat aber bezüglich dieser Filme völlig zu Recht festgehalten, dass
sie eindeutig als Pornografie zu qualifizieren seien. Hat der Angeklagte aber in der
Einvernahme vom 22. Mai 2008 auf die Frage, ob er mit seiner Tochter DVD-Filme
mit pornografischem Inhalt konsumiert habe, vorbehaltlos geantwortet, sie hätten
Sexfilme miteinander angeschaut, und wurde im Laufe des Verfahrens nie
bestritten, dass es die von der Vorinstanz erwähnten und als Pornografie
bezeichneten Filme waren, so ist nicht ersichtlich, was der Berufungskläger mit
dem Einwand geltend machen will, das Bezirksgericht habe seinen Schuldspruch
allein auf die Aussagen von Y. abgestützt. Dass Y. auch mit ihrem Bruder
Sexfilme angeschaut haben soll, wäre selbst wenn es zutreffen würde für das
Verhalten des Angeklagten irrelevant. Immerhin hat im Übrigen auch die Mutter
bestätigt (und der Angeklagte hat dies auch zugegeben), sie habe mit ihrem
Ehemann gegen ihren Willen Sexfilme anschauen müssen und ihr Mann habe
dann das Gesehene mit ihr praktizieren wollen.
h)

In der Berufung werden schliesslich die Aussagen von Y. im
Zusammenhang mit den Drohungen ihres Vaters als unglaubwürdig bezeichnet.
Gerade die letzten Einvernahmen zu diesem Thema vermitteln ein konfuses Bild
und geben damit wohl eindrücklich den Gemütszustand der Tochter gerade in der
letzten Phase des Familiendramas wieder. Dass Y. angesichts der Ausbrüche
ihres Vaters in Furcht und Angst versetzt wurde, es könnte dieser ihren
Angehörigen und auch sich selbst etwas antun, ist verständlich. Ihre Vertreterin
weist denn auch zu Recht darauf hin, dass Y. durchaus Grund zur Angst gehabt
habe, nachdem X. ja selbst gegenüber dem Gutachter angegeben habe, er wisse,
dass er schnell einmal wütend werden könne und Angst habe, sich dann etwas
anzutun. Wenn der Berufungskläger mit seinen Bemerkungen zu diesem Punkt
die Aussagen seiner Tochter im Allgemeinen als unglaubwürdig abtun will, so
gelingt ihm dies offensichtlich nicht. Falls er damit den ihm angelasteten
Seite 17 — 22

Tatbestand der Drohung in Frage stellen will, braucht auf seine Ausführungen
nicht eingegangen zu werden, da er den fraglichen Schuldspruch nicht
angefochten hat.
4. Schon im erstinstanzlichen Verfahren hat sich der Rechtsvertreter des
Angeklagten hauptsächlich mit der Beweiswürdigung befasst und die von der
Staatsanwaltschaft vorgenommene rechtliche Subsumtion der zur Anklage
gebrachten strafbaren Handlungen nicht in Frage gestellt. Allein bezüglich des
Vorwurfs der mehrfachen sexuellen Nötigung im Sinne von Art. 189 Abs. 1 StGB
hielt das Bezirksgericht ein Tatbestandsmerkmal für nicht gegeben, weshalb es
den Angeklagten freisprach. In allen übrigen Anklagepunkten erachtete die
Vorinstanz die eingeklagten Straftatbestände sowohl in tatbeständlicher als auch
in rechtlicher Hinsicht erfüllt und gelangte dementsprechend zu Schuldsprüchen.
Im Berufungsverfahren setzte sich die Verteidigung wiederum ausschliesslich mit
der Beweiswürdigung auseinander. Sie bestätigte den Standpunkt des
Angeklagten, der nach wie vor bestreitet, seine Tochter durch die ihm von der
Staatsanwaltschaft zur Last gelegten Taten sexuell missbraucht zu haben. Der
Verteidiger beschränkte sich darauf, die sich vornehmlich auf die Aussagen der
Tochter Y. gestützte Sachverhaltsdarstellung der Anklage in Zweifel zu ziehen,
machte aber für den Fall, dass das Gericht den Sachverhalt als erstellt betrachten
sollte, zur rechtlichen Würdigung der Straftaten keine Bemerkungen. Dass die in
der Anklageschrift umschriebenen sexuellen Übergriffe die auf sie bezogenen
gesetzlichen Straftatbestände in jeder Hinsicht erfüllen, hat das Bezirksgericht in
gründlicher und in rechtlich einwandfreier Weise dargelegt. Das Kantonsgericht
teilt die rechtliche Würdigung der Missetaten durch die Anklage und die Vorinstanz
vorbehaltlos und hat den eingehenden Erwägungen im erstinstanzlichen Urteil
nichts beizufügen; es kann damit auf die entsprechenden Ausführungen verwiesen
werden.
III.1. Der Berufungskläger äussert sich nicht zu der von der Vorinstanz
vorgenommenen Strafzumessung. Da das erstinstanzliche Urteil in einigen
Punkten unangefochten blieb, hätten dazu jedoch schon für den hypothetischen
Fall der Gutheissung der Berufung Ausführungen gemacht werden müssen.
Nachdem sich die Berufung mit den Erwägungen des Bezirksgerichts zur
Strafzumessung nicht auseinandersetzt, kann davon ausgegangen werden, dass
der Angeklagte die ausgesprochene Strafe für den Fall, dass es beim
Schuldspruch des angefochtenen Urteils bleiben sollte, für angemessen hält. Nun
hat das Schweizerische Bundesgericht allerdings in einem neusten Entscheid
festgehalten, es gehöre zur richterlichen Fürsorgepflicht, dass der Verteidiger, der
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für den Fall eines allfälligen Schuldspruchs darauf verzichtet, Eventualanträge
samt Ausführungen zur Strafzumessung zu stellen, zur entsprechenden
Antragstellung und Stellungnahme aufzufordern sei (Urteil vom 22. April 2010,
6B_100/2010). Es erachtete im konkreten Fall Bundesrecht jedoch nicht verletzt,
obwohl das Kantonsgericht den amtlichen Verteidiger nicht dazu aufgefordert
hatte, zum Strafpunkt Stellung zu nehmen, weil es das erstinstanzliche Urteil auch
im Strafpunkt mit uneingeschränkter Kognition überprüft hatte. Angesichts dieser
Rechtsprechung erscheint es angebracht, an dieser Stelle einige Überlegungen
zur Strafzumessung anzustellen, obwohl die Berufung keine entsprechenden
Anträge enthält. Auch aus der Sicht des Kantonsgerichts erweist sich die
ausgefällte Strafe als ausgewogen und den Umständen des Falles angemessen.
Ausgangspunkt der Strafzumessung bildet nach Art. 47 Abs. 1 StGB das
Verschulden des Täters; das Gericht berücksichtigt das Vorleben und die
persönlichen Verhältnisse sowie die Wirkung der Strafe auf das Leben des Täters.
- Das Verschulden wiegt im vorliegenden Fall ausgesprochen schwer. Der
Angeklagte hat während Jahren seine Tochter in schwerwiegender Weise
missbraucht. Er hat seine dominante Stellung in der Familie ausgenutzt und mit
dem niedrigen Beweggrund, sexuelle Befriedigung zu suchen, Y. zweifellos
schweren seelischen Schaden zugefügt. Schon dieses verwerfliche Handeln ruft
nach einer empfindlichen Strafe. X. hat über die Jahre hinweg durch zahlreiche
strafbare Handlungen die Voraussetzungen für mehrere Strafen erfüllt.
Auszugehen ist von der schwersten Tat, der mehrfachen sexuellen Handlungen
mit Kindern gemäss Art. 187 Ziff. 1 StGB, welcher Tatbestand eine Freiheitsstrafe
von bis zu fünf Jahren eine Geldstrafe vorsieht. Die für diese Tat
gerechtfertigt erscheinende Strafe ist wegen des Hinzukommens weiterer
Straftatbestände angemessen zu erhöhen. In diesem Sinne wirken sich auch die
Vorstrafen und die weitgehende Uneinsichtigkeit aus. Andererseits ist wie die
Vorinstanz ausführlich darlegte zu berücksichtigen, dass die Strafe teilweise als
Zusatz zu den vom Angeklagten 2007 und 2008 erlittenen Strafen auszusprechen
ist. Es kann X. sodann zugute gehalten werden, dass er abgesehen von diesen
beiden Strafen in seinem bisherigen Leben nicht negativ aufgefallen ist und in
seiner Umgebung durch seine hier zur Diskussion stehenden Delikte an Ansehen
eingebüsst hat und entsprechend strafempfindlich sein dürfte. Dass es in
einzelnen Fällen beim Versuch geblieben ist, kann dem Angeklagten in allerdings
nur untergeordnetem Masse strafmildernd angerechnet werden, ist es doch kaum
seiner Einsicht zu verdanken, dass die fraglichen strafbaren Handlungen nicht zu
Ende geführt wurden. Gesamthaft betrachtet ist das Kantonsgericht der
Auffassung, dass die ausgesprochene Freiheitsstrafe von drei Jahren, verbunden
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mit einer Busse von Fr. 200.00, sich an der unteren Grenze dessen bewegt, was
in Abwägung aller Strafzumessungsgründe gerechtfertigt erscheint; eine
Reduktion dieser Strafe kommt jedenfalls nicht in Frage. Das Bezirksgericht ist
dem Verurteilten auch entgegengekommen, indem es von der ausgefällten
Freiheitsstrafe von 36 Monaten nur 15 Monate als unbedingt vollziehbar erklärte.
Auch wenn es sich angesichts der Schwere der Taten auch durchaus hätte
begründen lassen, die gesetzlichen Vorgaben voll auszuschöpfen, lässt sich der
X. wohlgesinnte Entscheid der Vorinstanz angesichts der nicht ungünstigen
Prognosen für künftiges Wohlverhalten immerhin vertreten; auch in diesem Punkt
liesse sich jedoch ein weitergehendes Entgegenkommen nicht begründen. Das
angefochtene Urteil ist somit auch im Strafpunkt zu bestätigen.
2. Die Vorinstanz hat unter der Ziffer 5 ihres Urteils festgestellt, die
Abklärung und allfällige Durchführung der Therapierung des Verurteilten erfolge im
Sinne der Erwägungen. In diesen hielt sie fest, der psychiatrische Gutachter sei
zum Schluss gekommen, dass der Angeklagte zur Zeit der Taten an keiner
psychischen Störung gelitten habe, folglich die Anordnung einer Massnahme
entfalle und für den Fall einer Verurteilung lediglich die Auseinandersetzung mit
der Thematik im Sinne einer Weisung empfohlen würde. Zwar könne das Gericht
dem teilbedingt Verurteilten Weisungen gemäss Art. 94 StGB für die Probezeit
erteilen. In casu würde es allerdings 15 Monate dauern bis eine Weisung
ausgeführt werden könne, da die Probezeit erst dann beginne. Es dränge sich hier
aber auf, bereits im Vollzug mit einer Therapierung im Sinne des Gutachtens zu
beginnen. Da sich das Gesetz hinsichtlich des Erteilens von Weisungen in
Verbindung mit zu vollziehenden Freiheitsstrafen ausschweige, werde es Sache
des Strafvollzuges sein, der Empfehlung des Gutachters Rechnung zu tragen. -
Das Amt für Justizvollzug Graubünden hat nach Empfang des Urteils dem
Bezirksgericht mit Schreiben vom 31. März 2010 mitgeteilt, seinen Ausführungen
könne nicht gefolgt werden. Die Probezeit beginne bei teilbedingten Strafen
bereits mit der Eröffnung des Urteils zu laufen. Dies bedeute, dass eine für die
Probezeit angeordnete Weisung bei teilbedingten Strafen ab Urteilseröffnung gelte
und kontrolliert werden müsse. Für den vorliegenden Fall bedeute dies, dass bei
gerichtlicher Anordnung einer Weisung für die Dauer der Probezeit eine
Therapierung im Sinne des Gutachtens durchgeführt werden könne. Damit diese
Therapierung jedoch formell als Weisung während des unbedingten
Freiheitsentzugs und auch nach der Entlassung bis zum Ende der Probezeit
durchgeführt werden könne, müsse der Auftrag seitens des Gerichts klar formuliert
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werden. Man ersuche daher um Mitteilung, ob die Therapierung als Weisung
durchzuführen sei.
Die Ausführungen des Amtes für Justizvollzug sind zutreffend; die Art und
Weise, wie das Bezirksgericht die Frage einer allfälligen Therapierung des
Verurteilten in Ziffer 8 der Erwägungen und in Ziffer 5 des Dispositivs seines
Urteils geregelt hat, ist nicht durchführbar. Entweder wird im Urteil eine Weisung
formell angeordnet man verzichtet darauf. Der Gutachter hat eine solche
empfohlen, sie aber nicht als zwingend notwendig bezeichnet. Da die Vorinstanz
es versäumt hat, eine Weisung mit Bewährungshilfe anzuordnen, kann das
Kantonsgericht diese Unterlassung wegen des Verbots der reformatio in peius
nicht im vorliegenden Urteil korrigieren und von sich aus das Versäumte
nachholen. Es bleibt vielmehr nichts anderes übrig, als das fehlerhafte
erstinstanzliche Urteil in diesem Punkt von Amtes wegen aufzuheben.
3. Der Berufungskläger äussert sich nicht zu der vom Bezirksgericht der
Adhäsionsklägerin zugesprochenen Genugtuung von Fr. 20'000.00, so dass es
diesbezüglich beim durchaus angemessenen erstinstanzlichen Entscheid bleibt.
IV. Ist die Berufung abzuweisen, gehen die Kosten des Verfahrens vor dem
Kantonsgericht zu Lasten des Berufungsklägers. Dieser hat die Rechtsvertreterin
der Adhäsionsklägerin zudem für das Berufungsverfahren aussergerichtlich
angemessen zu entschädigen.
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III. Demnach wird erkannt
1.
Die Berufung wird abgewiesen.
2.
Die Ziffer 5 des erstinstanzlichen Urteils wird von Amtes wegen
aufgehoben.
3.
Die Kosten des Berufungsverfahrens von Fr. 4'000.00 gehen zu Lasten des
Berufungsklägers, der Rechtsanwältin lic. iur. Diana Honegger Droll
aussergerichtlich mit Fr. 2'000.00 (inkl. MwSt..) zu entschädigen hat.
4. Gegen diese Entscheidung kann gemäss Art. 78 des
Bundesgerichtsgesetzes (BGG) Beschwerde in Strafsachen an das
Schweizerische Bundesgericht geführt werden. Diese ist dem
Bundesgericht schriftlich innert 30 Tagen seit Eröffnung der vollständigen
Ausfertigung der Entscheidung in der gemäss Art. 42 f. BGG
vorgeschriebenen Weise einzureichen. Für die Zulässigkeit, die
Beschwerdelegitimation, die weiteren Voraussetzungen und das Verfahren
der Beschwerde gelten die Art. 29 ff., 78 ff. und 90 ff. BGG.
5. Mitteilung
an:
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Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

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