Der Angeklagte A. wurde wegen mehrfachen Raubes, Diebstahls, Diebstahlsversuchs, Sachbeschädigung, Hausfriedensbruchs, betrügerischem Missbrauch einer Datenverarbeitungsanlage, Betrugs, Urkundenfälschung, Hehlerei, Fahrens ohne Führerausweisentzug und Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz angeklagt. Er wurde zu einer Freiheitsstrafe von 2 ½ Jahren und einer Geldstrafe von CHF 300 verurteilt. Die Gerichtskosten belaufen sich auf CHF 12'868.65. Die Verliererperson ist männlich.
Urteilsdetails des Kantongerichts SK1-09-35
Kanton: | GR |
Fallnummer: | SK1-09-35 |
Instanz: | Kantonsgericht Graubünden |
Abteilung: | - |
Datum: | 28.10.2009 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Raub etc |
Schlagwörter : | Berufung; Berufungskläger; Freiheitsstrafe; Opfer; Aussage; Täter; Recht; Raubes; Graubünden; Urteil; Portemonnaie; Einvernahme; Verteidiger; Angeklagte; Vorinstanz; Gericht; Staat; Aussagen; Angst; Jugendliche; Kanton; Recht; Jugendlichen; ässig |
Rechtsnorm: | Art. 125 StPO ;Art. 140 StGB ;Art. 142 StPO ;Art. 144 StGB ;Art. 144 StPO ;Art. 146 StGB ;Art. 146 StPO ;Art. 147 StGB ;Art. 160 StPO ;Art. 186 StGB ;Art. 22 StGB ;Art. 24 StGB ;Art. 42 StGB ;Art. 43 StGB ;Art. 47 StGB ;Art. 49 StGB ; |
Referenz BGE: | 115 IV 267; 118 IV 340; 120 Ia 31; 121 IV 268; 124 IV 86; 132 IV 132; 133 IV 82; |
Kommentar: | Schweizer, Trechsel, Praxis, Zürich, Art. 47 StGB, 2008 Schweizer, Trechsel, Praxis, Zürich, Art. 47 StGB, 2008 Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017 |
Entscheid des Kantongerichts SK1-09-35
Kantonsgericht von Graubünden
Dretgira chantunala dal Grischun
Tribunale cantonale dei Grigioni
_____
Ref.:
Chur, 28. Oktober 2009
Schriftlich mitgeteilt am:
SK1 09 35
[nicht/mündlich eröffnet]
Urteil
I. Strafkammer
Vorsitz Vizepräsident
Schlenker
Richter
Brunner und Michael Dürst
Redaktion
Aktuar ad hoc Pers
In der strafrechtlichen Berufung
des A., Angeklagter und Berufungskläger, vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur.
Dieter Marty, Alexanderstrasse 8, 7002 Chur,
gegen
das Urteil des Bezirksgerichts Hinterrhein vom 10. Juni 2009, mitgeteilt am 13. Juli
2009, in Sachen E., Adhäsionskläger und Berufungsbeklagter und in Sachen der
S t a a t s a n w a l t s c h a f t G r a u b ü n d e n , Sennhofstrasse 17, 7001 Chur, An-
klägerin und Berufungsbeklagte, gegen den Angeklagten und Berufungskläger,
betreffend Raub etc.,
hat sich ergeben:
I. Sachverhalt
A.
A. wurde im Z. geboren und wuchs zusammen mit vier Schwestern bei den
Eltern auf. Im Alter von fünf Jahren zog er zusammen mit seiner Mutter und seinen
Schwestern zu seinem Vater in die Schweiz. In Y. besuchte er drei Jahre den Kin-
dergarten und sechs Jahre die Primarschule, anschliessend drei Jahre die Real-
schule in X., zwei davon in einer Kleinklasse. Im Sommer 2006 beendete A. die
Schulzeit. Trotz Absolvieren mehrerer Schnupperlehren - unter anderem bei B. als
Metzger sowie bei C., W., als Bodenleger kam es nie zum Abschluss eines Lehr-
vertrags, weshalb er seither immer wieder Gelegenheitsjobs ausübte. Da er aber
häufig unentschuldigt der Arbeit fernblieb und sich weder als zuverlässig noch als
ehrlich erwies, wurde das Arbeitsverhältnis jeweils nach kurzer Zeit aufgelöst. Zur-
zeit arbeitet A. gemäss eigenen Angaben seit etwa einem Monat in der D. in X..
Dort erhält er allenfalls die Möglichkeit, eine Lehre zu beginnen, was er denn auch
tun möchte. A. wohnt bei seinen Eltern in W., die seit dem Jahr 2007 dort leben.
Für den Fall, dass der Abschluss eines Lehrvertrags bei seinem aktuellen Arbeit-
geber tatsächlich zustande kommen sollte, hat er den Wunsch geäussert, nach
Möglichkeit bei seinen Eltern auszuziehen und eine eigene Wohnung in X. zu be-
ziehen.
Im Schweizerischen Strafregister ist A. mit einer Eintragung verzeichnet. Mit
Strafmandat des Kreispräsidenten V. vom 23. Januar 2008 wurde er wegen fahr-
lässiger Körperverletzung, Entwendung zum Gebrauch, grober Verletzung von
Verkehrsregeln, Fahrens ohne Führerausweis sowie Fahrens in fahrunfähigem
Zustand zu einer bedingten Geldstrafe von 45 Tagessätzen zu je Fr. 100.-bei
einer Probezeit von zwei Jahren und einer Busse von Fr. 1'200.-verurteilt. Aus-
serdem wurde er zwischen Oktober 2004 und Januar 2007 wegen Entwendung
zum Gebrauch, Fahrens ohne Führerausweis (Mofa), Fahrens mit einem nicht be-
triebssicheren Mofa und wegen VRVund VZV-Widerhandlungen sowie wegen
Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz von der Jugendanwaltschaft
Graubünden einmal verwarnt und zweimal zu Arbeitsleistungen verpflichtet. Sein
bisheriger Leumund muss aufgrund seiner Vorstrafen und seines Lebenswandels
als getrübt bezeichnet werden.
B.
Mit Verfügung der Staatsanwaltschaft Graubünden vom 7. April 2009 wurde
A. wegen mehrerer Delikte angeklagt. In der Ergänzung zur Anklageschrift vom 7.
April 2009 stellte die Staatsanwaltschaft folgenden Antrag:
„1. A. sei schuldig zu sprechen
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-
des mehrfachen Raubes gemäss Art. 140 Ziff. 1 Abs. 1 StGB,
-
des mehrfachen Diebstahls gemäss Art. 139 Ziff. 1 StGB,
-
des mehrfachen Diebstahlsversuchs gemäss Art. 139 Ziff. 1 StGB
in Verbindung mit Art. 22 Abs. 1 StGB,
-
der mehrfachen Sachbeschädigung gemäss Art. 144 Abs. 1 StGB,
-
des mehrfachen Hausfriedensbruchs gemäss Art. 186 StGB,
-
des mehrfachen betrügerischen Missbrauchs einer Datenverarbei-
tungsanlage gemäss Art. 147 Abs. 1 StGB,
-
des Betrugs gemäss Art. 146 Abs. 1 StGB,
-
der Urkundenfälschung gemäss Art. 251 Ziff. 1 StGB,
-
der Hehlerei gemäss Art. 160 Ziff. 1 Abs. 1 StGB,
-
des mehrfachen Fahrens trotz Führerausweisentzugs gemäss Art.
95 Ziff. 2 SVG und des Fahrens in fahrunfähigem Zustand gemäss
Art. 91 Abs. 1 Satz 1 SVG,
-
der mehrfachen Widerhandlung gegen Art. 19a Ziff. 1 BetmG.
2. Dafür sei er - unter Anrechnung der erstandenen Polizeihaft von 6 Ta-
gen zu einer Freiheitsstrafe von 2 ½ Jahren sowie zu einer Busse von
Fr. 300.--, ersatzweise zu einer Freiheitsstrafe von 3 Tagen, zu verur-
teilen.
3. Für den Teil von 16 Monaten sei die Freiheitsstrafe unter Anwendung
von Art. 43 StGB bei einer Probezeit von drei Jahren bedingt aufzu-
schieben.
4. Die mit Strafmandat des Kreispräsidenten V. am 23. Januar 2008 ge-
gen A. bedingt ausgesprochene Geldstrafe von 45 Tagessätzen zu je
Fr. 100.-sei zu widerrufen.
5. Kostenfolge sei die gesetzliche.“
C.
Insgesamt wurden fünf Adhäsionsklagen eingereicht, nämlich von E. am 9.
Juni 2008 für Fr. 40.--, von F. am 20. November 2008 für Fr. 7'672.20, von G. am
22. November 2008 für Fr. 600.--, von H. am 27. November 2008 für Fr. 1'229.25
sowie von der I. am 30. März 2009 für Fr. 1'694.75.
D.
Am 9. April 2009 erliess der Bezirksgerichtspräsident Hinterrhein eine Ein-
gangsverfügung betreffend die Anklage und setzte Rechtsanwalt Dieter R. Marty
als amtlichen Verteidiger ein bzw. bestätigte ihn als solchen.
E.
Anlässlich der Hauptverhandlung vom 10. Juni 2009 machte der Verteidiger
geltend, A. sei vom Vorwurf des mehrfachen Raubs freizusprechen, da er an kei-
nem Raub mitgewirkt habe. Frühere diesbezügliche Geständnisse seien wegen
Widerrufs derselben nichtig. Die übrigen Vorwürfe wurden grundsätzlich aner-
kannt. Bei der Strafzumessung sei alsdann zu berücksichtigen, dass A. nur wäh-
Seite 3 — 22
rend einer kurzen Zeit straffällig geworden sei, zuvor jedoch nicht in dieser Weise
und danach überhaupt nicht mehr. Insgesamt scheine eine Freiheitsstrafe von 24
Monaten mit einer Probezeit von vier Jahren angemessen, wobei auf einen teil-
weisen Vollzug zu verzichten sei. Die Adhäsionsklagen seien sodann alle auf den
Zivilweg zu verweisen. Der Angeklagte bestätigte grundsätzlich die Ausführungen
seines Verteidigers, anerkannte aber ausdrücklich die Forderung von G. von Fr.
600.-sowie den von H. in ihrem Plädoyer erwähnten Vergeichsvorschlag über
eine Zahlung von Fr. 300.--. Ebenso wenig bestritt er, zusammen mit J. von E. Fr.
40.-erhalten und davon die Hälfte genommen zu haben. Klare Zweifel äusserte
er dagegen an der Forderung von F. in Höhe von Fr. 7'672.20, belaufe sich der
Wert der Digitalkamera doch nur auf rund Fr. 200.--. Zu der Forderung der I. von
Fr. 1'694.75 hat er sich nicht geäussert.
F.
Mit Urteil vom 10. Juni 2009, eröffnet gleichen Tags mittels Telefax, mitge-
teilt am 13. Juli 2009, erkannte das Bezirksgericht Hinterrhein wie folgt:
„1. A. ist schuldig des mehrfachen Raubes gemäss Art. 140 Ziff. 1 Abs. 1
StGB, des mehrfachen Diebstahls gemäss Art. 139 Ziff. 1 StGB, des
mehrfachen Diebstahlsversuchs gemäss Art. 139 Ziff. 1 StGB in Ver-
bindung mit Art. 22 Abs. 1 StGB, der mehrfachen Sachbeschädigung
gemäss Art. 144 Abs. 1 StGB, des mehrfachen Hausfriedensbruchs
gemäss Art. 186 StGB, des mehrfachen betrügerischen Missbrauchs
einer Datenverarbeitungsanlage gemäss Art. 147 Abs. 1 StGB, des
Betrugs gemäss Art. 146 Abs. 1 StGB, der Urkundenfälschung gemäss
Art. 251 Ziff. 1 StGB, der Hehlerei gemäss Art. 160 Ziff. 1 Abs. 1 StGB,
des mehrfachen Fahrens trotz Führerausweisentzugs gemäss Art. 95
Ziff. 2 SVG, des Fahrens in fahrunfähigem Zustand gemäss Art. 91
Abs. 1 Satz 1 SVG sowie der mehrfachen Widerhandlung gegen Art.
19a Ziff. 1 BetmG.
2. Dafür wird A. zu einer Freiheitsstrafe von 2 ½ Jahren sowie mit einer
Busse von CHF 300.00, ersatzweise zu einer Freiheitsstrafe von drei
Tagen, verurteilt.
3. Die erstandene Polizeihaft von sechs Tagen wird an die Freiheitsstrafe
angerechnet.
4. Für den Teil von 24 Monaten wird der Vollzug der Freiheitsstrafe unter
Ansetzung einer Probezeit von drei Jahren aufgeschoben.
5. Der bedingte Vollzug der mit Strafmandat des Kreispräsidenten V. vom
23. Januar 2008 ausgesprochenen Geldstrafe von 45 Tagessätzen zu
je CHF 100.00 wird widerrufen.
6. Das Bezirksgericht Hinterrhein nimmt Vermerk davon, dass A. die Ad-
häsionsklage von G. für den Betrag von CHF 600.00 und jene von H.
für den Betrag von CHF 300.00 anerkennt.
Die Adhäsionsklage von E. für CHF 40.00 wird gutgeheissen.
Die Adhäsionsklagen von F. für CHF 7'672.20 und jene der I. für CHF
1'694.75 werden auf den Zivilweg verwiesen.
Seite 4 — 22
7. Die Kosten des Verfahrens, bestehend aus:
Untersuchungskosten der Staatsanwaltschaft
CHF 5'751.00
Gerichtsgebühr
CHF 7'117.65
Total
CHF 12'868.65
gehen zulasten von A..
Das Honorar des amtlichren Verteidigers, Rechtsanwalt lic. iur. Dieter
R. Marty, von total CHF 7'828.00 (inkl. 7.6 % Mehrwertsteuer) geht zu-
lasten von A. und wird vorschussweise vom Kanton Graubünden über-
nommen.
Die Kosten der Untersuchungsund Sicherheitshaft sowie des Straf-
vollzuges gehen zulasten des Kantons Graubünden.
8. (Rechtmittelbelehrung).
9. (Mitteilung).“
G.
Gegen dieses Urteil erhob A. mit Eingabe vom 3. August 2009 Berufung an
das Kantonsgericht von Graubünden mit folgendem Rechtsbegehren:
„1. A. sei vom Vorwurf des mehrfachen Raubes freizusprechen.
2. Die vom Bezirksgericht Hinterrhein verhängte Freiheitsstrafe sei auf 18
Monate herabzusetzen.
3. Die zu verhängende Freiheitsstrafe sei unter Ansetzung einer Pobezeit
von 3 Jahren aufzuschieben.
4.
Wir beantragen die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.
5.
Der Unterzeichnete sei mit der amtlichen Verteidigung zu beauftragen.
6.
Unter Kostenund Entschädigungsfolge gemäss Gesetz.“
H.
Mit Schreiben vom 13. August 2009 beantragte die Staatsanwaltschaft
Graubünden unter Hinweis auf die Akten und das ihrer Auffassung nach sorgfältig
begründete Urteil der Vorinstanz die Abweisung der Berufung.
I.
Mit Schreiben vom 17. August 2009 verzichtete das Bezirksgericht Hinter-
rhein unter Einreichung der Akten auf eine Stellungnahme und beantragte unter
Hinweis auf das angefochtene Urteil die Abweisung der Berufung.
J.
Am 28. Oktober 2009 fand die mündliche Berufungsverhandlung vor dem
Kantonsgericht von Graubünden statt. Anwesend waren der Berufungskläger und
dessen Verteidiger sowie der Staatsanwalt des Kantons Graubünden. Einleitend
verlas der Vorsitzende die Anträge der Berufung. Einwände gegen die Zuständig-
keit und die Zusammensetzung des Gerichts wurden nicht erhoben, woraufhin der
Vorsitzende das Gericht für legitimiert erklärte. Im Anschluss an die formlose Be-
fragung des Berufungsklägers durch den Vorsitzenden hinsichtlich der bestrittenen
Seite 5 — 22
Taten sowie seiner persönlichen Verhältnisse nahmen der Verteidiger und der
Staatsanwalt in ihren Plädoyers zu der Berufung Stellung. Dabei hielt Rechtsan-
walt Marty an den Anträgen gemäss Berufung vom 3. August 2009 fest. Der
Staatsanwalt beantragte die Abweisung der Berufung. Rechtsanwalt Marty ver-
zichtete anschliessend auf eine Replik, womit auch die Duplik entfiel. Ausserdem
reichte der Verteidiger des Berufungsklägers noch seine Honorarnote ein.
Auf die Erwägungen im angefochtenen Urteil sowie auf die Ausführungen
des Verteidigers und des Staatsanwalts in den Rechtsschriften und anlässlich der
Berufungsverhandlung wird, soweit erforderlich, in den nachstehenden Erwägun-
gen eingegangen.
II. Erwägungen
1.a)
Gegen Urteile der Bezirksgerichte können der Verurteilte und der Staats-
anwalt beim Kantonsgericht Berufung erheben (Art. 141 Abs. 1 des kantonalen
Gesetzes über die Strafrechtspflege [StPO; BR 350.000]). Dazu ist die schriftliche
Berufung innert zwanzig Tagen seit der schriftlichen Eröffnung des angefochtenen
Entscheids einzureichen. Sie ist zu begründen und hat darzutun, welche Mängel
des erstinstanzlichen Entscheids gerügt werden und ob das ganze Urteil le-
diglich Teile davon angefochten werden (Art. 142 Abs. 1 StPO). Diesen Anforde-
rungen vermag die vorliegende, fristund formgerecht eingereichte Berufung zu
genügen, weshalb darauf einzutreten ist.
b)
Die I. Strafkammer des Kantonsgerichts überprüft das erstinstanzliche Urteil
in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht im Rahmen der gestellten Anträge frei
(Art. 146 Abs. 1 StPO). Sie besitzt somit eine umfassende, uneingeschränkte
Kognitionsbefugnis, und zwar auch in Bezug auf Ermessensfehler, obschon sie
sich bei deren Überprüfung eine gewisse Zurückhaltung auferlegt. Wenn die Ak-
tenlage die Beurteilung zulässt und keine Verletzung des rechtlichen Gehörs vor-
liegt, der Mangel geheilt ist, entscheidet die I. Strafkammer in der Sache
selbst (Art. 146 Abs. 2 StPO, e contrario). Die Rückweisung an die Vorinstanz bil-
det die Ausnahme (vgl. Padrutt, Kommentar zur Strafprozessordnung des Kantons
Graubünden, 2. Aufl., U. 1996, S. 376).
2.a) Die Beweislast für die dem Angeklagten zur Last gelegten Tat liegt grund-
sätzlich beim Staat (vgl. Padrutt, a.a.O., S. 306). Bei der Würdigung der Beweis-
mittel entscheidet das Gericht gemäss Art. 125 Abs. 2 StPO nach freier, in der
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Hauptverhandlung gewonnener Überzeugung (vgl. Schmid, Strafprozessrecht, 4.
Aufl., Basel 2004, N 286). Dieser Grundsatz der freien Beweiswürdigung ergibt
sich bereits aus Art. 249 des Bundesgesetzes über die Bundesstrafrechtspflege
(BStP; SR 312.0). Das Gericht hat von Bundesrechts wegen frei von gesetzlichen
Beweisregeln und nur nach seiner persönlichen Überzeugung aufgrund gewissen-
hafter Prüfung der vorliegenden Beweise darüber zu entscheiden, ob es eine Tat-
sache für bewiesen hält nicht (vgl. BGE 115 IV 267 E. 1). Ist für die Urteils-
findung wie im vorliegenden Fall die materielle Wahrheit wegleitend, so kann für
diese Beurteilung nur die freie Meinung des Gerichts massgebend sein (vgl. Hau-
ser/Schweri/Hartmann, Schweizerisches Strafprozessrecht, 6. Aufl., Basel 2005, §
54 N 2). Allein auf diese Weise kann das Gericht ein für jeden Einzelfall zutreffen-
des Urteil fällen. Neben der Würdigung der Beweise stellt sich dem Gericht die
Frage, wann es eine bestimmte Tatsache als erwiesen betrachten darf und wann
nicht. Nach Lehre und Rechtsprechung darf blosse Wahrscheinlichkeit für eine
Verurteilung nicht genügen, absolute Sicherheit ist für eine solche aber auch nicht
erforderlich und eine theoretisch entfernte Möglichkeit, dass der Sachverhalt an-
ders sein könnte, rechtfertigt keinen Freispruch (vgl. Hauser/Schweri/Hartmann,
a.a.O., § 54 N 11). Aufgabe des Gerichts ist es, ohne Bindung an Beweisregeln
die an sich möglichen Zweifel zu überwinden und sich mit Überzeugung für einen
bestimmten Sachverhalt zu entscheiden, wobei die Bildung der Überzeugung ob-
jektivierund nachvollziehbar sein muss. Die Schuld des Angeklagten muss sich
dabei auf vorgelegte Beweise und Indizien stützen, die vernünftige Zweifel in aus-
schliesslicher Weise zu beseitigen vermögen (vgl. PKG 1987 Nr. 12; Schmid,
a.a.O., N 289). Nach der aus Art. 32 Abs. 1 der Bundesverfassung der Schweize-
rischen Eidgenossenschaft (BV; SR 101) und Art. 6 Ziffer 2 der Konvention zum
Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK; SR 0.101) fliessenden
Beweiswürdigungsregel „in dubio pro reo“ darf sich der Strafrichter jedoch nicht
von der Existenz eines für den Angeklagten ungünstigen Sachverhalts überzeugt
erklären, wenn bei objektiver Betrachtung Zweifel an den tatsächlichen Vorausset-
zungen für ein verurteilendes Erkenntnis bestehen (vgl. BGE 124 IV 86 E. 2a).
Bloss theoretische und abstrakte Zweifel sind indessen nicht massgebend, weil
solche immer möglich sind und absolute Gewissheit nicht verlangt werden kann.
Es muss sich vielmehr um erhebliche und nicht zu unterdrückende Zweifel han-
deln, das heisst um solche, die sich nach der objektiven Sachlage aufdrängen
(vgl. BGE 120 Ia 31 E. 2c). Die genannte allgemeine Rechtsregel kommt nicht
schon dann zur Anwendung, wenn Aussage gegen Aussage steht. Es ist vielmehr
anhand sämtlicher sich aus den Akten ergebenden Umstände zu untersuchen, ob
die Darstellung der Anklage jene des Angeklagten das Gericht zu überzeu-
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gen vermag. Erst wenn eine solche Überzeugung weder in der einen noch in der
anderen Richtung zu gewinnen ist, muss gemäss dem Grundsatz „in dubio pro
reo“ der für den Angeklagten günstigere Sachverhalt angenommen werden (vgl.
Padrutt, a.a.O., S. 307).
b)
Zu den verschiedenen Beweismitteln ist auszuführen, dass der Grundsatz
der freien Beweiswürdigung eine Rangordnung verbietet, was bedeutet, dass alle
Beweismittel grundsätzlich gleichwertig sind. Insbesondere sind die Aussagen von
Zeugen, Auskunftspersonen und sogar Angeschuldigten vollgültige Beweismittel
mit derselben Beweiseignung. Weniger die Form, sondern vielmehr der Gesamt-
eindruck, das heisst die Art und Weise der Bekundung sowie die Überzeugungs-
kraft ist bei der Würdigung dieser Beweise entscheidend (vgl. Schmid, a.a.O., N
290). Bei der Würdigung von Zeugenaussagen steht nicht die Glaubwürdigkeit der
befragten Person, sondern vielmehr die sachliche Glaubhaftigkeit der Aussage im
Vordergrund (vgl. Hauser, Der Zeugenbeweis im Strafprozess mit Berücksichti-
gung des Zivilprozesses, Zürcher Schriften zum Verfahrensrecht, Band 5, Zürich
1974, S. 311 ff.).
3.
Der Berufungskläger bestreitet vorliegend, den Tatbestand des Raubes in
zwei Fällen erfüllt zu haben.
a)
Gemäss Art. 140 Ziff. 1 Abs. 1 StGB wird mit Freiheitsstrafe bis zu zehn
Jahren Geldstrafe nicht unter 180 Tagessätzen bestraft, wer mit Gewalt ge-
gen eine Person unter Androhung gegenwärtiger Gefahr für Leib Leben
nachdem er den Betroffenen zum Widerstand unfähig gemacht hat, einen
Diebstahl begeht. Raub stellt ein aus einem Diebstahl und einer (qualifizierten)
Nötigung zusammengesetztes Delikt dar. Der objektive Tatbestand des Raubes ist
dadurch gekennzeichnet, dass ein Diebstahl begangen wird, nachdem zu diesem
Zweck eine Nötigungshandlung begangen wurde, welche die Duldung dieses
Diebstahls bezweckt. Es wird nicht gefordert, dass die Drohung mit gegenwärtiger
Gefahr für Leib Leben das Opfer vollständig widerstandsunfähig macht, sie
muss jedoch objektiv eine solche Intensität erreichen, dass ein durchschnittlich
Einsichtiger dem Ansinnen des Täters nachgäbe. Das Opfer braucht somit nicht
(vollständig) widerstandsunfähig zu sein: Es genügt, dass das Opfer auf (weiteren)
Widerstand verzichtet, weil es solchen schliesslich für sinnlos hält. Zudem muss
sie sich auf die körperliche Integrität beziehen, wobei die Drohung mit einer einfa-
chen Körperverletzung genügt, nicht jedoch mit einer Tätlichkeit. Der Täter muss
die Drohung nicht ausführen wollen, es reicht aus, dass sie als ernstgemeint er-
scheint. Schliesslich muss die Drohung nicht ausdrücklich formuliert werden, es
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reicht auch konkludentes Handeln aus (vgl. Niggli/Riedo, Basler Kommentar,
Strafrecht II, 2. Aufl., Basel 2007, N 7 f./N 23 ff. zu Art. 140 StGB; Trech-
sel/Crameri, Schweizerisches Strafgesetzbuch, Praxiskommentar, Zürich 2008, N
1/N 5 zu Art. 140 StGB).
b) Das
Strafgesetzbuch
enthält keine allgemeine Definition der Täterschaft.
Nach der bundesgerichtlichen Umschreibung gilt als Mittäter, wer bei der Ent-
schliessung, Planung Ausführung eines Delikts vorsätzlich und in massge-
bender Weise mit anderen Tätern zusammenwirkt, so dass er als Hauptbeteiligter
dasteht. Der Tatbeitrag begründet Tatherrschaft, wenn er nach den Umständen
des konkreten Falls und dem Tatplan für die Ausführung des Delikts so wesentlich
ist, dass sie mit ihm steht fällt. Mittäterschaft verlangt in objektiver Hinsicht
keine direkte Beteiligung an der gar Herrschaft über die - Ausführung der
konkreten Straftat. Auch die massgebliche, Tatherrschaft bzw. Mit-Tatherrschaft
begründende Beteiligung an der Entschlussfassung bzw. an der Planung Ko-
ordination kann genügen. In subjektiver Hinsicht setzt Mittäterschaft Vorsatz wo-
bei Eventualvorsatz genügt - und einen gemeinsamen Tatentschluss voraus. Der
gemeinsame Tatentschluss braucht nicht ausdrücklich zu sein, er kann auch bloss
konkludent zum Ausdruck gebracht werden. Weiter braucht der Mittäter an der
ursprünglichen Entschlussfassung nicht von Anfang an mitgewirkt zu haben, er
kann sich den Tatentschluss auch erst sukzessive zu Eigen machen. Ein Indiz für
Mittäterschaft ist das Interesse an der Tat, insbesondere die anteilsmässige Betei-
ligung an der Beute (vgl. BGE 133 IV 82 E. 2.7; Forster, Basler Kommentar, Straf-
recht II, 2. Aufl., Basel 2007, N 7 ff. zu Vor Art. 24 StGB; Trechsel/Jean-Richard,
Schweizerisches Strafgesetzbuch, Praxiskommentar, Zürich 2008, N 12 ff. zu Vor
Art. 24 StGB).
4.a) Der Berufungskläger bestreitet vorliegend in beiden ihm zur Last gelegten
Fällen, den Tatbestand des Raubes erfüllt zu haben. So habe er in keinem der
Fälle auch nur daran gedacht, Gewalt anzuwenden, um widerrechtlich in Besitz
fremden Eigentums zu gelangen. Weiter habe er in keinem der beiden Fälle mit
dem Vorsatz gehandelt, durch Drohung die Gegenseite zu zwingen, ihm deren
Eigentum zu übergeben. Schlussendlich habe er nichts unternommen, um die Wi-
derstandsunfähigkeit der Beteiligten herbeizuführen, um dann ungestört das Ei-
gentum derselben an sich zu nehmen. Er bestreite nicht, K. und L. an besagtem
Tag angetroffen zu haben. Aus dem Sachverhalt gehe jedoch klar hervor, dass
nicht er, sondern der Anführer, J., den Einfall gehabt habe, den beiden Jungen
etwas wenn möglich Geld abzunehmen. So sei es denn auch besagter J. ge-
wesen, der von Beginn bis zum Abschluss die Initiative in den Händen behalten
Seite 9 — 22
habe; er sei es gewesen, der die beiden Jungen bedroht und geschlagen habe. Es
sei nicht einsichtlich so der Verteidiger weshalb die Bemerkung des Berufungs-
klägers, J. meine es ernst, vom gesetzlichen Tatbestand des Raubes abgedeckt
sei. Aus den Akten gehe klar hervor, dass J. der Täter und der Berufungskläger
lediglich Zuschauer gewesen sei. Zuschauer seien aber nicht geeignet, den Tat-
bestand des Raubes zu erfüllen. Daran vermöge auch nichts zu ändern, dass der
Berufungskläger im Nachhinein von J. ein geraubtes Handy entgegengenommen
habe. Auch hinsichtlich des zweiten Vorfalls habe J. die Initiative ergriffen und die-
se nicht mehr aus der Hand gegeben. Wieder habe er den Berufungskläger aufge-
fordert, ihm zu folgen und wieder habe er daneben gestanden, als J. sein Opfer
ausgeraubt habe. Er selbst habe dem Opfer weder gedroht noch mit seinem Griff
an den Oberarm bzw. Schulter die geforderte Widerstandsunfähigkeit herbeige-
führt. Er habe das Opfer lediglich geschubst, allerdings nicht derart, dass dieses
das Gleichgewicht verloren hätte. J. sei jeweils die treibende Kraft gewesen und
habe den Berufungskläger bei seinen Raubzügen aufgrund seiner Körpergrösse
und Erscheinung breit und finster dreinschauend quasi als „Waffe“ benutzt. Der
Berufungskläger müsste demnach für sein Aussehen bestraft werden, was nicht
angehe.
b)
Der Berufungskläger bestreitet zunächst den ihm zur Last gelegten Vorwurf
des Raubes an K. und L.. Diesem Vorwurf liegt gemäss Anklageschrift der Staats-
anwaltschaft Graubünden vom 7. April 2009 folgender Sachverhalt zugrunde:
„Am Abend des 16. Mai 2008 fuhr der Angeklagte zusammen mit J., M., N.
und O. nach U.. Nachdem O. das Fahrzeug beim P. parkiert hatte, bega-
ben sich alle fünf in den Park bei der Turnhalle des Schulhauses Q.. Dort
gewahrten sie K., _, und L., _, sitzend auf einer Parkbank. Da A. kein Geld
hatte, entschloss er sich zusammen mit J., diese zu überfallen. Sie traten
bis auf einen halben Meter vor die beiden Jugendlichen. J. schüchterte sie
gehörig ein, indem er ihnen auch Schläge androhte. Er trug in diesem Mo-
ment Handschuhe, in deren Futter Quarzsand eingenäht ist. Faustschläge,
die mit diesen Handschuhen ausgeteilt werden, sind aus diesem Grund be-
sonders schmerzhaft. J. verlangte sodann von den beiden Jugendlichen die
Herausgabe ihrer Portemonnaies und ihrer Mobiltelefone. Diese weigerten
sich zunächst, der Aufforderung nachzukommen. Daraufhin verpasste J.
den beiden Jugendlichen je eine Ohrfeige und zog anschliessend sein
Feuerzeug ein Stück weit aus seinem Hosensack heraus, ohne dass die
Jugendlichen das Feuerzeug als solches erkennen konnten. Gleichzeitig
sagte J., er habe ein Messer im Sack. Die völlig eingeschüchterten Jugend-
lichen übergaben daraufhin J. ihre Mobiltelefone und Portemonnaies. Im
Portemonnaie von L. befanden sich Fr. 10.--, die sich J. aneignete. Er be-
hielt auch die beiden Natel und warf anschliessend die beiden Portemon-
naies auf den Boden.
Während dieser Tat hielt sich A. unmittelbar neben J. auf und schüchterte
die beiden Opfer zusätzlich ein, indem er ihnen klar machte, dass J. nicht
Seite 10 — 22
spasse. M., O. und N. beobachteten die Tat aus einer Distanz von etwa 4
m. Nachdem sich die Tatausführung längere Zeit hinzog und M. befürchte-
te, dass andere Personen hinzutreten könnten, forderte er A. und J. auf,
vorwärts zu machen. Nach der Tat erhielt der Angeklagte von J. ein Mobil-
telefon, das er später einem Bekannten verschenkte.
Der Angeklagte gab diese Tat in der polizeilichen Befragung vom 18. Mai
2008 und untersuchungsrichterlichen Einvernahme vom 4. Juni 2008 zu,
widerrief jedoch das Geständnis in der zusammenfassenden Einvernahme
vom 23. Oktober 2008.“
c)
Der Berufungskläger sagte anlässlich der polizeilichen Einvernahme vom
18. Mai 2008 aus, an besagtem Abend hätten er, M., J., N. und O. beim P. parkiert
und im Park vor der Turnhalle Q. zwei Jugendliche sitzen gesehen. Kevin und er
hätten dann gesagt „komm wir gehen zu den Jungs und machen denen ein wenig
Angst“. Sie seien aggressiv aufgetreten, um den beiden Angst zu machen und
hätten gesagt, sie wollten deren Natels. J. habe auch verbal mit einem Messer
gedroht und so getan, als hätte er eines bei sich. Er habe sich in die Taschen ge-
griffen, so dass die beiden Angst bekommen und geglaubt hätten, er trage wirklich
ein Messer auf sich. Die beiden hätten die Natels zuerst nicht herausgeben wol-
len. Dann habe J. beiden drei Ohrfeigen gegeben. Während dieser Zeit habe er in
unmittelbarer Nähe gestanden, aber nicht geschlagen. Logischerweise habe auch
er geblufft, um den beiden Angst zu machen. In der Folge hätten die beiden Ju-
gendlichen ihre Natels sowie die Portemonnaies herausgegeben, woraufhin J. ei-
nem Portemonnaie Fr. 10.-entnommen und das Geld eingesteckt habe. J. habe
auch die Identitätskarten der beiden in der Hand gehabt. Sie hätten den beiden
gesagt, dass sie nun deren Namen und Adressen wüssten und dass sie nicht zur
Polizei gehen dürften, da sonst etwas passiere. J. habe anschliessend die beiden
SIM-Karten aus den Natels herausgenommen und diese kaputt gemacht. Jeder
von ihnen habe ein Natel zu sich genommen, er ein Nokia, schwarz/silbrig. Auf die
Frage, wer die Idee hatte, die beiden Jugendlichen anzugehen, gab der Beru-
fungskläger zur Antwort, dass dies am meisten eigentlich schon J. gewesen sei, er
habe aber ganz klar mitgemacht. Die Absicht sei klar die gewesen, den beiden
Jugendlichen etwas abzunehmen bzw. die beiden auszunehmen. Als J. die beiden
geschlagen habe, habe er gesagt, dass sie machen sollten, was sein Kollege sage
und verlange, sonst schlage dieser sie kaputt. Die übrigen hätten sich am Raub
nicht beteiligt, hätten aber ganz in der Nähe gestanden und den Vorfall auch mit-
bekommen (vgl. act. 26.5).
Diese Aussage stimmt in den wesentlichen Punkten mit derjenigen von J.
anlässlich der polizeilichen Einvernahme vom 19. Mai 2008 überein. Dieser führte
aus, sie hätten die beiden Personen bereits während der Fahrt auf den Parkplatz
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auf der Bank vor dem Schulhaus Stadtgarten sitzen gesehen. Er sei plötzlich auf
die Idee gekommen, den beiden ein wenig Angst zu machen, was er dem Beru-
fungskläger mitgeteilt habe. Dieser sei sofort damit einverstanden gewesen. Sie
seien gemeinsam vor die beiden hingestanden und er habe sie aufgefordert, ihm
ihre Portemonnaies auszuhändigen. Als diese der Aufforderung nicht nachge-
kommen seien, habe er sie noch einmal mit gehobener Stimme dazu aufgefordert.
Der Berufungskläger habe sich dabei vor ihnen aufgebaut und sie ebenfalls aufge-
fordert, die Portemonnaies auszuhändigen. Schliesslich habe er beide Portemon-
naies erhalten, diese durchsucht, einem Fr. 10.-entnommen und beide wieder
zurückgegeben. Anschliessend habe er noch die beiden Mobiltelefone der Bur-
schen verlangt, welche diese ihm sofort ausgehändigt hätten. Um ihnen ein wenig
Angst einzujagen und sie so von einer Anzeige bei der Polizei abzuhalten, habe er
nochmals ihre Portemonnaies verlangt, um sich deren Ausweise genauer anzuse-
hen. Da sie seiner Aufforderung wieder nicht hätten nachkommen wollen, habe er
beiden mit der offenen Hand ins Gesicht geschlagen, woraufhin beide ihm erneut
ihr Portemonnaie übergeben hätten. Er habe von den Identitätskarten die Namen
der beiden laut vorgelesen und seine Geste damit unterstrichen, dass er ihnen
gesagt habe, er kenne jetzt deren Namen. Die Portemonnaies habe er dann wie-
der zurückgegeben. Auf die Frage, was sein Vorsatz gewesen sei, als er sich ent-
schieden habe, den beiden Jungen etwas Angst einzujagen, gab er zur Antwort, er
habe bereits im Auto gedacht, dass diese beiden Burschen sicher schwächer sei-
en als sie und dass sie ihnen Angst einjagen könnten. Als er dies dem Berufungs-
kläger mitgeteilt habe, habe dieser gesagt, dass er noch etwas Geld benötige. Auf
diese Aussage hin habe er bei sich gedacht, dass sie den beiden gleich alles ab-
nähmen, was sie an Wertsachen mit sich führten. Der Berufungskläger habe sich
während des Vorfalls gegenüber den beiden Burschen dahingehend geäussert,
dass er (J.) sicher nicht spassen würde (vgl. act. 26.8). Diese Aussage bestätigte
J. ebenfalls anlässlich der untersuchungsrichterlichen Einvernahme vom 30. Mai
2008 (vgl. act. 26.9), der untersuchungsrichterlichen Konfronteinvernahme zwi-
schen ihm und dem Berufungskläger vom 4. Juni 2008 (vgl. act. 26.10) sowie der
zusammenfassenden Einvernahme vom 31. Oktober 2008 (vgl. act. 26.32). Wäh-
rend diesen Einvernahmen bestätigte er gleich mehrfach, dass der Berufungsklä-
ger ihm dabei geholfen habe, die beiden Jugendlichen einzuschüchtern (vgl. act.
26.9 S. 2, 26.10 S.2). Darüber hinaus wurden die Aussagen von J. selbst vom Be-
rufungskläger anlässlich der untersuchungsrichterlichen Konfronteinvernahme
vom 4. Juni 2008 bestätigt. So sagte er hierbei aus, dass er mit der Tat einver-
standen gewesen sei, weil er kein Geld gehabt habe. Als sie die beiden Jugendli-
Seite 12 — 22
chen gesehen hätten, hätten sie sich gemeinsam zu dieser Tat entschlossen und
auch er habe den beiden Jugendlichen Angst eingejagt (vgl. act. 26.10 S. 2).
M. bestätigte anlässlich der untersuchungsrichterlichen Einvernahme vom
20. Oktober 2008, dass J. und der Berufungskläger die Tat bzw. den Raub ausge-
führt hätten. Die beiden hätten von den Jugendlichen Natels und Portemonnaies
verlangt und J. habe einem der Jugendlichen auch Schläge ausgeteilt. Der Beru-
fungskläger habe unmittelbar daneben gestanden. Er selbst habe sich in einer
Entfernung von wenigen Metern aufgehalten und J. lediglich aufgefordert, vorwärts
zu machen, weil er befürchtet habe, es könnten andere Leute dazutreten (vgl. act.
26.30 S. 7). Auch O. äusserte sich anlässlich der untersuchungsrichterlichen Ein-
vernahme vom 29. Oktober 2008 dahingehend, dass J. den beiden Jungen gehö-
rig Angst eingejagt und von diesen sowohl das Natel als auch das Portemonnaie
gefordert habe. Der Berufungskläger sei zu J. hinübergegangen und habe den
beiden gesagt, dass dieser (J.) mit ihnen nicht spasse. Damit habe er offenbar das
Vorgehen von J. unterstützen wollen. Auf jeden Fall seien die beiden Jugendlichen
so sehr eingeschüchtert gewesen, dass sie ihre Portemonnaies und Natels he-
rausgegeben hätten. Der Berufungskläger habe sich während dieser Tat in unmit-
telbarer Nähe von J. befunden und diesen in seinem Tun unterstützt (vgl. act.
26.31).
Die eben erwähnten Aussagen stimmen sodann auch mit der Sachver-
haltsdarstellung der beiden Opfer überein. Den beiden Aussagen ist ferner zu ent-
nehmen, dass diese im Moment des Vorfalls grosse Angst hatten (vgl. act. 26.2,
26.3).
d)
Aufgrund der aktenkundigen Aussagen, die in den wesentlichen Punkten
übereinstimmen, gelangt das Gericht zum Schluss, dass der Berufungskläger zu-
sammen mit J. den Tatbestand des Raubes so wie ihn die Vorinstanz dargestellt
hat in optima forma erfüllt hat. Für die Erfüllung des Raubes genügt nämlich,
dass eine Drohung bzw. eine Drohgebärde andeutungsweise konkludent er-
folgt. Die Drohung braucht nicht verwirklicht zu werden, es reicht aus, dass beim
Opfer bzw. den Opfern ein entsprechender Eindruck erweckt wird. Endlich müssen
die Opfer entgegen der Auffassung der Verteidigung - nicht vollständig wider-
standsunfähig sein; es genügt, dass sie auf Widerstand verzichten, weil sie sol-
chen für aussichtslos halten. Die Möglichkeit der Erfüllung der tatbestandsmässi-
gen Voraussetzungen durch Beteiligung ist ferner auch ohne äusserlich erkennba-
re eigene Handlungen zu bejahen. Dies kann dann der Fall sein, wenn der Mittäter
sich in räumlicher Nähe zur Gruppe als Verbindung zu ihr befindet und darüber
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hinaus die feindselige Absicht gegenüber dem Opfer trägt. Es ist nicht ungewöhn-
lich, dass sich Mitglieder einer Gruppe durch die Präsenz weiterer Personen stär-
ker fühlen und eher bereit sind, Gewalt anzuwenden. Indem sie sich gegenseitig in
ihrem Tun bestärken und sich Rückendeckung geben, erhöhen sie die Gefährlich-
keit der Gruppe (vgl. AGVE 2004 Nr. 22 E. 3b; Trechsel/Jean-Richard, a.a.O., N
14 zu Vor Art. 24 StGB). Der Berufungskläger hat die beiden Opfer durch seine
Anwesenheit in unmittelbarer Nähe von J. sowie insbesondere durch seine War-
nung, sein Kollege würde sicher nicht spassen, zusätzlich eingeschüchtert und in
Angst versetzt. Diese Drohung war angesichts dessen, dass J. bereits zuvor
handgreiflich geworden war sowie die beiden mit einem (zwar nicht vorhandenen)
Messer bedroht hatte, durchaus geeignet, um die Opfer aus Angst vor weiteren,
allenfalls schwerwiegenderen Übergriffen zur Herausgabe des Geldes sowie der
Mobiltelefone zu zwingen. Hinzu kommt, dass die Opfer wie den Aussagen der
Täter zu entnehmen ist - diesen körperlich und wohl auch kräftemässig unterlegen
waren. Der Berufungskläger hat somit einen wesentlichen Tatbeitrag geleistet;
darüber hinaus hat er beim Tatentschluss mitgewirkt und die Beute anschliessend
mit J. geteilt, was als zusätzliches Indiz für die Mittäterschaft zu würdigen ist.
e)
Weiter bestreitet der Berufungskläger den Vorwurf des Raubes an E., wel-
cher sich gemäss Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Graubünden vom 7. April
2009 wie folgt zugetragen hat:
„Am gleichen Tag [16. Mai 2008] um ca. 21.15 Uhr befand sich A. zusam-
men mit J., O. und M. in der R.. Dort hielt sich zu diesem Zeitpunkt auch E.,
_, auf, der im Begriffe war, das Schaufenster des S. gegenüber dem Hotel
T. zu betrachten. Spontan entschlossen sich der Angeklagte und J., diesen
Mann auszunehmen. J. packte ihn dann völlig unvermittelt an der Brust und
verlangte sein Geld. Er sagte auch, dass er ein Messer im Sack habe und
ihn damit niederstechen werde. A. unterstützte dieses Vorgehen, indem er
E. am Oberarm an der Schulter festhielt. E. befürchtete ernsthaft, zu-
sammengeschlagen zu werden. Er nahm deshalb sein Portemonnaie her-
vor und übergab dem Angeklagten zwei Zwanzigernoten. Anschliessend
liessen die Täter den Geschädigten los und gingen zusammen mit M. und
O. Richtung a. weiter. A. und J. teilten sich später die Beute.
A. hat in der Konfronteinvernahme vom 4. Juni 2008 ein Geständnis abge-
legt, das er am 23. Oktober 2008 widerrief.“
f) Anlässlich
der
untersuchungsrichterlichen Konfronteinvernahme zwischen
dem Berufungskläger und J. vom 4. Juni 2008 erklärte der Berufungskläger, dass
sie in der R. einen Mann beobachtet hätten, der ein Schaufenster betrachtet habe.
Spontan hätten sie, das heisst J. und er, sich entschlossen, diesen Mann auszu-
nehmen. Dabei habe J. den Mann an der Brust bzw. am Hals angefasst. Wenn er
bis jetzt insbesondere anlässlich der polizeilichen Einvernahme vom 24. Mai
Seite 14 — 22
2008 (vgl. act. 28.3 S. 2) ausgesagt habe, er hätte den Mann nicht angefasst, so
müsse er dies korrigieren. Auch er habe den Mann am Arm bzw. an der Schulter
festgehalten. Nachdem J. von diesem Mann das Geld verlangt habe, hätten sie Fr.
40.-erhalten. Auf die Frage, ob J. dem Mann gesagt habe, er habe ein Messer
dabei und würde ihn damit niederstechen, antwortete der Berufungskläger, dass J.
dies nicht gesagt habe. Sie hätten den Mann aber schon gehörig eingeschüchtert,
als sie ihn gepackt hätten (vgl. act. 28.6).
Hinsichtlich dieses Vorfalls sagte J. anlässlich der polizeilichen Einvernah-
me vom 22. Mai 2008 aus, der Berufungskläger habe an jenem Abend Geld benö-
tigt, um für sich und seine Freundin Alkohol zu kaufen, jedoch keines gehabt. Als
sie daraufhin in der Altstadt einen Mann gesehen hätten, seien er und der Beru-
fungskläger unvermittelt auf diesen zugegangen. Er habe den Mann am Brust-
bzw. Halsbereich gepackt, der Berufungskläger habe ihn am Arm festgehalten. Sie
hätten ihm gesagt, dass sie sein Geld wollten, woraufhin er ihnen Fr. 40.-oder Fr.
50.-gegeben habe. Davon habe er dem Berufungskläger Fr. 20.-gegeben und
Fr. 20.-selbst behalten. Die Idee, den Mann auszurauben, sei schon vom Beru-
fungskläger gekommen, dieser habe ja Geld gebraucht (vgl. act. 28.4). Diese Aus-
sage bestätigte J. auch anlässlich der untersuchungsrichterlichen Einvernahme
vom 30. Mai 2008 (vgl. act. 28.5), der untersuchungsrichterlichen Konfronteinver-
nahme zwischen ihm und M. vom 4. Juni 2008 (vgl. act. 28.8 S. 2) sowie anläss-
lich der zusammenfassenden Einvernahme vom 31. Oktober 2008 (vgl. act. 28.13
S. 8).
Eine mit den vorangegangenen Aussagen übereinstimmende Erklärung gab
auch O. anlässlich der untersuchungsrichterlichen Einvernahme vom 29. Oktober
2008 zu Protokoll. So hätten J. und der Berufungskläger in der R. einen Mann ge-
packt, der ein Schaufenster betrachtet habe. J. habe von diesem Geld verlangt
und dann auch erhalten. Soweit er sich erinnern könne, habe der Berufungskläger
den Mann am Arm festgehalten. Er sei sich sicher, dass der Berufungskläger an
der Tat mitgewirkt habe. Dieser und J. hätten den Mann eingeschüchtert. Er habe
die Tat aus nächster Nähe bzw. einer Distanz von etwa 3 m beobachtet (vgl. act.
28.12 S. 3).
g)
Auch in diesem Fall erachtet es das Gericht aufgrund der Aussagen der
einvernommenen Personen als erwiesen, dass der Berufungskläger zusammen
mit J. den Tatbestand des Raubes erfüllt hat. Wie bereits erwähnt, genügt für die
Erfüllung des Raubes, dass eine Drohung bzw. eine Drohgebärde andeutungs-
weise konkludent erfolgt. Die Drohung braucht nicht verwirklicht zu werden,
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es reicht aus, dass beim Opfer ein entsprechender Eindruck erweckt wird. Sodann
muss das Opfer nicht vollständig widerstandsunfähig sein; es genügt, dass es auf
Widerstand verzichtet, weil es solchen für aussichtslos hält. Dies trifft vorliegend
klar zu. So sagte E. anlässlich der polizeilichen Einvernahme vom 21. Mai 2008
denn auch aus, dass er sich während des Vorfalls ernsthaft bedroht gefühlt und
die Situation sehr ernst genommen habe. Vom Angreifer (J.) sei eine dermassen
grosse Aggressivität ausgegangen, dass er ernsthaft befürchtet habe, zusammen-
geschlagen zu werden. Hätte er nur den geringsten Widerstand geleistet, wäre es
sicher eskaliert (vgl. act. 28.2 S. 2). Dass E. dabei nicht ausdrücklich erwähnte,
auch vom Berufungskläger festgehalten und bedroht worden zu sein, vermag auf-
grund oben erwähnter Aussagen nichts an der Mittäterschaft desselben am be-
gangenen Raub zu ändern. Sowohl das ursprüngliche Geständnis des Berufungs-
klägers als auch die damit übereinstimmenden Aussagen der übrigen einvernom-
menen Personen lassen nach Ansicht des Gerichts keinen Zweifel darüber offen,
dass der Berufungskläger wie beim Raub zuvor auch in diesem Fall beim Tatent-
schluss mitgewirkt und durch seine aktive Einflussnahme - Festhalten des Opfers -
einen wesentlichen Tatbeitrag geleistet hat. Darüber hinaus teilten der Berufungs-
kläger und J. die Beute auch in diesem Fall untereinander auf.
h)
An dieser Stelle sei noch erwähnt, dass die Argumentation des Verteidi-
gers, wonach der Berufungskläger von J. bei seinen Raubzügen quasi als „Waffe“
benutzt worden sei, klar ins Leere zielt, würde dies doch voraussetzen, dass der
Berufungskläger jeweils völlig willenlos gewesen wäre. Die Darstellung desselben
als „willenloses Instrument“ wird jedoch aufgrund der aktenkundigen Aussagen der
einvernommenen Personen mitunter auch seiner eigenen Aussagen klar wider-
legt und entbehrt daher jeglicher Grundlage. Ferner hat die Vorinstanz den vom
Berufungskläger anlässlich der zusammenfassenden Einvernahme vom 23. Okto-
ber 2008 getätigten Widerruf (vgl. act 1.3 S. 2-4) zutreffend als reine Schutzbe-
hauptung gewertet und zu Recht für unbeachtlich befunden.
Sodann ist gemäss Art. 172ter Abs. 2 StGB der Tatbestand des Raubs von
der Privilegierung der geringfügigen Vermögensdelikte ausdrücklich ausgenom-
men, weshalb diese Bestimmung selbst dann nicht zur Anwendung gelänge, wenn
der Wert der erbeuteten Gegenstände - Bargeld im Wert von Fr. 50.-sowie zwei
Mobiltelefone - unter Fr. 300.-läge (vgl. BGE 121 IV 268 E. 2.d).
5.a) Weiter sei nach Auffassung des Berufungsklägers das Strafmass zu hoch
ausgefallen. Die von der Vorinstanz verhängte Freiheitsstrafe sei auf 18 Monate
herabzusetzen, welche unter Ansetzung einer Probezeit von drei Jahren aufzu-
Seite 16 — 22
schieben sei. Zu den Gründen einer allfälligen Strafminderung sowie zu dem Voll-
zug der Freiheitsstrafe hat sich der Verteidiger in der Berufungsschrift allerdings
mit keinem Wort geäussert. Die beantragte Strafminderung scheint somit ihre ein-
zige Stütze in einem Freispruch vom Vorwurf des mehrfachen Raubes zu finden.
Immerhin führt der Verteidiger wie bereits im vorinstanzlichen Verfahren auch
anlässlich der mündlichen Berufungsverhandlung aus, bei der Strafzumessung sei
zu berücksichtigen, dass der Berufungskläger nur während einer kurzen Zeit straf-
fällig geworden sei. Er habe damals Anschluss gesucht und sich der betreffenden
Gruppe angeschlossen, wobei stets J. die treibende Kraft gewesen sei. Seit dieser
weg sei, habe er keine Straftaten mehr begangen und gebe sich Mühe, weshalb
eine mildere Strafe angeordnet werden müsse.
b)
Gemäss Art. 47 Abs. 1 StGB misst das Gericht die Strafe nach dem Ver-
schulden des Täters zu und berücksichtigt dabei das Vorleben und die persönli-
chen Verhältnisse sowie die Wirkung der Strafe auf das Leben des Täters. Das
Verschulden wird nach der Schwere der Verletzung Gefährdung des betrof-
fenen Rechtsguts, nach der Verwerflichkeit des Handelns, den Beweggründen und
Zielen des Täters sowie danach bestimmt, wie weit der Täter nach den inneren
und äusseren Umständen in der Lage war, die Gefährdung Verletzung zu
vermeiden (Art. 47 Abs. 2 StGB). Je leichter es für ihn gewesen wäre, die von ihm
übertretene Norm zu respektieren, desto schwerer wiegt die Entscheidung gegen
sie und damit seine Schuld (vgl. Trechsel/Affolter-Eijsten, Schweizerisches Straf-
gesetzbuch, Praxiskommentar, Zürich 2008, N 21 zu Art. 47 StGB; Wiprächtiger,
Basler Kommentar, Strafrecht I, 2. Aufl., Basel 2007, N 65 zu Art. 47 StGB). Dar-
aus geht hervor, dass sich die Strafe grundsätzlich auf die Schuld bezieht. Wie
nach altem soll auch nach geltendem Recht das Verschulden die Strafe begrün-
den und nach oben begrenzen, wobei Verschulden im Sinne dieser Bestimmung
das Mass der Vorwerfbarkeit des Rechtsbruchs ist (vgl. Wiprächtiger, a.a.O., N 10
ff. zu Art. 47 StGB). Folglich ist die Strafzumessung innerhalb des zulässigen
Strafrahmens und unter Berücksichtigung allfälliger Strafminderungssowie
Strafmilderungsgründe im Wesentlichen eine Frage des Ermessens, bei dessen
Überprüfung sich das angerufene Gericht als Rechtsmittelinstanz Zurückhaltung
aufzuerlegen hat und nicht ohne Not in das Ermessen der Vorinstanz eingreift.
c)
Das Verschulden des Berufungsklägers wiegt wie die Vorinstanz zutref-
fend ausgeführt hat schwer. So hat er kurz nach dem Strafmandat des Kreisprä-
sidenten V. vom 23. Januar 2008 und selbst nach mehrmaliger Polizeihaft weiter-
hin rücksichtslos delinquiert und dabei einen geradezu bedenklichen Mangel an
Respekt sowohl gegenüber seinen Mitmenschen als auch gegenüber fremdem
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Eigentum demonstriert. Nicht unwesentlich ist sodann, dass hinter den vom Beru-
fungskläger begangenen Straftaten kein auch nur ansatzweise ernsthaftes Motiv
zu erkennen ist. Die einzelnen Straftaten scheinen jeweils aus einer Laune bzw.
einer spontanen Idee heraus begangen worden zu sein, sobald sich eine günstige
Gelegenheit bot. Dabei ging es dem Berufungskläger nicht nur darum, die Opfer
auszunehmen, sondern auch darum, sie einzuschüchtern. Für eine Bagatellisie-
rung der Straftaten, welche bei den Ausführungen des Verteidigers zumindest un-
terschwellig zum Ausdruck kam, besteht absolut kein Grund. Derartige Taten, bei
welchen körperlich zahlenmässig unterlegenen Opfern im Falle des Nichtbe-
folgens Schläge Verletzungen mit Stichwaffen angedroht werden, sind kei-
nesfalls tolerierbar und gehen weit darüber hinaus, als Unüberlegtheit bezeichnet
werden zu können. Die Verteidigung macht es sich sodann zu einfach, die ganze
Schuld auf J. abzuwälzen. Wohl mag es zutreffen, dass dieser die treibende Kraft
gewesen ist, den Aussagen des Berufungsklägers zufolge hat dieser aber jeweils
bereitwillig an der Ausführung der Straftaten teilgenommen. Unter diesem Aspekt
erscheint deshalb eine besondere Milde nicht für angezeigt.
d)
Unter das Vorleben fallen die gesamte Lebensgeschichte des Täters, sein
Herkommen, das Verhältnis in der elterlichen Familie, die Erziehung, die Ausbil-
dung und die Haltung gegenüber den Gesetzen. Die persönlichen Verhältnisse
umfassen sämtliche Lebensumstände des Täters im Zeitpunkt der Tat. Jugendli-
ches Alter wird strafmindernd berücksichtigt, was die Vorinstanz denn auch getan
hat (vgl. S. 27 des angefochtenen Urteils). Im Gegensatz zum alten Recht handelt
es sich dabei aber nicht mehr um einen Strafmilderungsgrund (vgl. Trech-
sel/Affolter-Eijsten, a.a.O., N 30 ff. zu Art. 47 StGB; Wiprächtiger, a.a.O., N 94 ff.
zu Art. 47 StGB). Weitere Strafminderungsgründe aufgrund des Vorlebens des
Berufungsklägers wie beispielsweise Schwierigkeiten in der Kinderund Jugend-
zeit werden weder geltend gemacht noch ergeben sich solche aus den Akten.
e)
Ferner kommt bei der Strafzumessung den Vorstrafen eine ausserordent-
lich wichtige Rolle zu (vgl. Wiprächtiger, a.a.O., N 100 zu Art. 47 StGB). Der Beru-
fungskläger wurde bereits vom Kreispräsidenten V. als auch von der Jugendan-
waltschaft Graubünden mehrerer Straftaten für schuldig befunden. Hierfür wurde
er zu einer bedingten Geldstrafe und einer Busse verurteilt, einmal verwarnt und
zweimal zu Arbeitsleistungen verpflichtet. Ganz offensichtlich hat er daraus nicht
die nötigen Lehren gezogen, was sich besonders eindrücklich am Umstand de-
monstrieren lässt, dass er kurz nach dem Strafmandat des Kreispräsidenten V.
vom 23. Januar 2008 und selbst nach mehrmaliger Polizeihaft in verhältnismässig
kurzer Zeit in erheblichem Ausmass erneut Straftaten begangen hat.
Seite 18 — 22
f)
Entgegen der Auffassung des Verteidigers kann selbstredend nicht straf-
mindernd berücksichtigt werden, dass sich der Berufungskläger seit der Verübung
der vorliegend zu beurteilenden Straftaten wohl verhält und sich nichts mehr hat
zu Schulden kommen lassen. Dies ist nur selbstverständlich und hat auf die Straf-
zumessung keinerlei Einfluss. Ebenso wenig können die Geständnisse des Beru-
fungsklägers strafmindernd berücksichtigt werden, da er diese zu einem späteren
Zeitpunkt widerrufen hat. Dieses Verhalten darf ihm zwar nicht angelastet werden,
eine Strafminderung drängt sich aber unter diesen Umständen auch nicht auf (vgl.
Wiprächtiger, a.a.O., N 130 zu Art. 47 StGB).
g)
Gemäss Art. 49 Abs. 1 StGB wirkt sich das Zusammentreffen mehrerer
strafbarer Handlungen strafschärfend aus, wobei der Raub eine Freiheitsstrafe
von 10 Jahren eine Geldstrafe nicht unter 180 Tagessätzen vorsieht (Art. 140
Ziff. 1 Abs. 1 StGB). Die Ausführungen der Vorinstanz, wonach vorliegend von
einer Freiheitsstrafe von maximal 15 Jahren auszugehen ist, sind zutreffend (vgl.
S. 27 des angefochtenen Urteils), weshalb darauf verwiesen werden kann.
h)
Ob die Strafe allenfalls im Dienst der Resozialisierung tiefer angesetzt wer-
den darf, als es dem Verschulden entsprechen würde, ist im Schrifttum umstritten
(vgl. Trechsel/Affolter-Eijsten, a.a.O., N 12 zu Art. 47 StGB). Dennoch spielen
spezialpräventive Überlegungen insbesondere in der Praxis des Bundesgerichts
eine gewichtige Rolle, indem die mutmasslichen Auswirkungen der Strafe auf den
Täter berücksichtigt werden. Ausgangspunkt dieser neueren Rechtsprechung bil-
det BGE 118 IV 340 E. 2c (vgl. auch BGE 132 IV 132 E. 7). Danach dient das
Strafrecht in erster Linie der Verbrechensverhütung und der Resozialisierung. Es
sind deshalb Sanktionen, welche die Besserung Heilung des Täters gewähr-
leisten, zu verhängen und solche, die dem Anliegen der Verbrechensverhütung
zuwiderlaufen, möglichst zu vermeiden. So braucht das vom Verschulden be-
grenzte Strafmass nicht ausgeschöpft zu werden, wenn eine geringere Strafe den
Täter voraussichtlich von weiteren Straftaten abzuhalten vermag. Das Gericht hat
bei der Strafzumessung u.a. die Wirkung der Strafe auf das zukünftige Leben des
Täters zu berücksichtigen und innerhalb des Strafrahmens die Schuldstrafe mit
der geringstmöglichen Entsozialisierungsgefahr festzusetzen (vgl. Wiprächtiger,
a.a.O., N 54 ff. zu Art. 47 StGB). Vorliegend hat die von der Vorinstanz verhängte
Freiheitsstrafe für den Berufungskläger und dessen soziales Umfeld keine untrag-
baren Folgen. Er wird durch den Strafvollzug weder aus einem günstigen Umfeld
noch einer vorteilhaften Entwicklung herausgerissen (vgl. Wiprächtiger, a.a.O., N
120 f. zu Art. 47 StGB). Dass der Berufungskläger zurzeit arbeitet und beabsich-
tigt, eine Lehre zu absolvieren, kann zwar als positiver Schritt in die richtige Rich-
Seite 19 — 22
tung erachtet werden, vermag für sich allein jedoch keine Strafminderung zu recht-
fertigen. Eine Strafminderung unter dem Gesichtspunkt der Resozialisierung
drängt sich aber auch deshalb nicht auf, weil bereits die in der Vergangenheit
ausgesprochenen bedingten Geldstrafen und Verweise wie bereits erwähnt auf
das Verhalten des Berufungsklägers keinerlei Wirkung auszuüben vermochten,
weshalb ein Denkzettel in Form eines unbedingten Vollzugs zumindest eines Teils
der verhängten Freiheitsstrafe als angezeigt und unumgänglich erscheint. Über-
dies steht der Vollzug der von der Vorinstanz für unbedingt vollziehbar angeordne-
ten Freiheitsstrafe einer allfälligen Lehrlingsanstellung nicht im Weg, könnte der
Berufungskläger doch diese sechs Monate sollten denn die Voraussetzungen
gemäss Art. 29 der kantonalen Justizvollzugsverordnung (BR 350.460) gegeben
sein, worüber vorliegend jedoch nicht zu befinden ist sogar in Halbgefangen-
schaft verbüssen.
6.
Das Gericht schiebt den Vollzug einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs
Monaten und höchstens zwei Jahren in der Regel auf, wenn eine unbedingte Stra-
fe nicht notwendig erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbre-
chen Vergehen abzuhalten (Art. 42 Abs. 1 StGB). Den Vollzug einer Frei-
heitsstrafe von mindestens einem Jahr und höchstens drei Jahren kann das Ge-
richt nur teilweise aufschieben, wenn dies notwendig ist, um dem Verschulden des
Täters genügend Rechnung zu tragen (Art. 43 Abs. 1 StGB). Massgebend ist die
Dauer der ausgesprochenen, nicht der noch zu vollziehenden Strafe (vgl. Schnei-
der/Garré, Basler Kommentar, Strafrecht I, 2. Aufl., Basel 2007, N 8 zu Art. 42
StGB und N 8 zu Art. 43 StGB; Trechsel/Stöckli, Schweizerisches Strafgesetz-
buch, Praxiskommentar, Zürich 2008, N 5 zu Art. 42 StGB). Die objektiven Vor-
aussetzungen für die Gewährung des vollständig bedingten Vollzugs der Frei-
heitsstrafe sind vorliegend bei einer ausgesprochenen Freiheitsstrafe von 2 ½
Jahren bzw. 30 Monaten nicht gegeben, weshalb lediglich ein teilweise bedingter
Vollzug in Frage kommt. Dabei darf der unbedingt vollziehbare Teil die Hälfte der
Strafe nicht übersteigen (Art. 43 Abs. 2 StGB). Weiter muss bei der teilbedingten
Freiheitsstrafe der aufgeschobene wie auch der zu vollziehende Teil mindestens
sechs Monate betragen (Art. 43 Abs. 3 StGB). Die Vorinstanz ihrerseits hat dies-
bezüglich bereits Wohlwollen walten lassen, indem sie bei der Bestimmung des zu
vollziehenden Teils der Freiheitsstrafe zum einen unter dem Antrag der Staatsan-
waltschaft - diese forderte 14 Monate geblieben ist und sich zum andern mit der
gesetzlichen Mindestdauer von sechs Monaten begnügte.
Seite 20 — 22
7.
Die vom Berufungskläger für das Berufungsverfahren ersuchte amtliche
Verteidigung wird ihm bewilligt, da die Anklage eine Freiheitsstrafe von mehr als
zwei Jahren beantragt hat (Art. 144 Abs. 2 StPO i.V.m. Art. 102 Abs. 1 lit. b StPO).
8.a) Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Vorinstanz den Be-
rufungskläger zu Recht auch des von ihm zuletzt noch bestrittenen mehrfachen
Raubes für schuldig befunden hat und die ausgesprochene Freiheitsstrafe von 2
½ Jahren, davon 6 Monate unbedingt, im zulässigen Strafrahmen von maximal 15
Jahren liegt. Ferner liegen weder Strafminderungsnoch Strafmilderungsgründe
vor, welche eine Reduktion der ausgesprochenen Freiheitsstrafe rechtfertigen
würden. Das angefochtene Urteil erweist sich demnach in allen Punkten als
rechtmässig, weshalb die Berufung abzuweisen ist.
b)
Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt der Berufungskläger die Kosten
des Berufungsverfahrens (Art. 160 Abs. 1 StPO). Die Kosten der amtlichen Vertei-
digung übernimmt vorschussweise der Kanton Graubünden (Art. 155 Abs. 1
StPO). Die eingereichte Honorarrechnung von Rechtsanwalt Dieter R. Marty vom
28. Oktober 2009 in Höhe von Fr. 2'417.15 (inkl. MWST) wird in Anbetracht des
Aufwands für ausgewiesen befunden.
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III. Demnach wird erkannt
1.
Die Berufung wird abgewiesen.
2.
Die Kosten des Berufungsverfahrens von Fr. 3'000.-sowie die Kosten der
amtlichen Verteidigung von Fr. 2'417.15 (inkl. MWST) gehen zulasten von
A..
Die Kosten der amtlichen Verteidigung werden vorschussweise durch den
Kanton Graubünden bezahlt.
3.
Gegen diese Entscheidung kann gemäss Art. 78 des Bundesgerichtsgeset-
zes (BGG) Beschwerde in Strafsachen an das Schweizerische Bundesge-
richt geführt werden. Diese ist dem Bundesgericht schriftlich innert 30 Ta-
gen seit Eröffnung der vollständigen Ausfertigung der Entscheidung in der
gemäss Art. 42 f. BGG vorgeschriebenen Weise einzureichen. Für die Zu-
lässigkeit, die Beschwerdelegitimation, die weiteren Voraussetzungen und
das Verfahren der Beschwerde gelten die Art. 29 ff., 78 ff. und 90 ff. BGG.
4. Mitteilung
an:
Seite 22 — 22
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
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