Das Obergericht des Kantons Zürich hat in einem Berufungsverfahren gegen einen Beschuldigten, der der versuchten Tötung und weiterer Delikte schuldig gesprochen wurde, ein Urteil gefällt. Der Beschuldigte wurde zu einer Freiheitsstrafe von 9 Jahren verurteilt, wobei die Strafe aufgrund des vollendeten Versuchs leicht reduziert wurde. Die Kosten des Berufungsverfahrens wurden dem Beschuldigten zur Hälfte auferlegt, während die Kosten der amtlichen Verteidigung und der unentgeltlichen Rechtsvertretung des Privatklägers 2 auf die Gerichtskasse genommen wurden. Die Gerichtsgebühr für das Verfahren wurde auf Fr. 3'000.- festgesetzt. Die Entschädigung für die amtliche Verteidigung und die unentgeltliche Rechtsvertretung wurden entsprechend den Ansätzen der AnwGebV festgelegt.
Urteilsdetails des Kantongerichts SF-03-30
Kanton: | GR |
Fallnummer: | SF-03-30 |
Instanz: | Kantonsgericht Graubünden |
Abteilung: | - |
Datum: | 16.12.2003 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | - |
Schlagwörter : | Droge; Heroin; Drogen; Gramm; BetmG; Angeklagte; Verkehr; Kokain; Menge; Sinne; Betäubungsmittel; Massnahme; Konsum; Täter; Verkehrsregel; Widerhandlung; Angeklagten; Graubünden; Verletzung; Behandlung; Vollzug; Fahrzeug |
Rechtsnorm: | Art. 11 StGB ;Art. 158 StPO ;Art. 188 StPO ;Art. 31 SVG ;Art. 41 StGB ;Art. 47 StGB ;Art. 64 StGB ;Art. 66 StGB ;Art. 69 StGB ; |
Referenz BGE: | 102 IV 245; 104 IV 214; 104 IV 64; 106 IV 49; 109 IV 145; 112 IV 113; 114 IV 162; 114 IV 166; 114 IV 167; 117 IV 113; 117 IV 314; 120 IV 334; 120 IV 388; 121 IV 334; 121 IV 56; 128 IV 198; 129 IV 20; 75 IV 2; |
Kommentar: | Schweizer, Trechsel, , Zürich, Art. 41 StGB, 1997 Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017 |
Entscheid des Kantongerichts SF-03-30
Kantonsgericht von Graubünden
Tribunale cantonale dei Grigioni
Dretgira chantunala dal Grischun
___ __ __ __ __ __ __ __ __ __ __ __ __
Ref.:
Chur, 16. Dezember 2003
Schriftlich mitgeteilt am:
SF 03 30
(mündlich eröffnet)
Urteil
Strafkammer
Vorsitz Vizepräsident
Schlenker
RichterInnen
Heinz-Bommer, Lazzarini, Sutter-Ambühl und Rehli
Aktuar ad hoc
Maranta
——————
In der Strafsache
des X., Angeklagter, amtlich verteidigt durch lic. iur. Roman Dajan, c/o Anwaltsbü-
ro Diener, Postfach 201, Bärenloch 1, 7002 Chur,
mit Verfügung der Staatsanwaltschaft Graubünden vom 9. Oktober 2003 in Ankla-
gezustand versetzt,
wegen Widerhandlung gegen Art. 19 Ziff. 2 lit. a BetmG, mehrfacher Widerhand-
lung gegen Art. 19a Ziff. 1 BetmG und grober Verletzung von Verkehrsregeln ge-
mäss Art. 31 Abs. 2 SVG in Verbindung mit Art. 90 Ziff. 2 SVG,
hat sich ergeben:
2
A.
X. wurde am 21. Oktober 1974 in E. geboren. Er wuchs zusammen
mit zwei älteren und einer jüngeren Schwester bei seinen Eltern in geordneten
Familienverhältnissen in B. auf. Dort besuchte er während sechs Jahren die Pri-
marund anschliessend während drei Jahren die Sekundarschule. Nach der
Schulentlassung absolvierte er bei der Firma A. in C. eine Lehre als Mechaniker,
die er erfolgreich abschloss. Danach war er während zwei Jahren bei der Firma D.
als Allrounder tätig. Daraufhin begann er eine Weiterbildung als Informatik-
Techniker, wobei er aber diese Schule mangels Aussicht auf eine Stelle als Infor-
matiker wieder abbrach. Auf eine Phase der Arbeitslosigkeit in der ersten Jahres-
hälfte 1997 absolvierte X. ein Praktikum als Motorradmechaniker in E.. Vom Früh-
jahr 1998 bis April 2002 war er wiederum bei der Firma A. angestellt, wo er vorerst
als Mechaniker arbeitete und später zum Sachbearbeiter befördert wurde. Wäh-
rend dieser Anstellung führte er im Zusammenhang mit seiner Drogensucht zwei
Therapien durch, eine davon während vier Monaten im P. der Klinik Q. und die
andere von Mai 2001 bis April 2002 in der Therapeutischen Institution R. in S..
Nach dem regulären Austritt aus der Therapie arbeitete er bis Oktober 2002 als
Allrounder in dem von einer seiner Schwestern geführten Restaurant F. in G.. An-
schliessend war er temporär auf dem Gerüstbau tätig. Im März 2003 zog er nach
H.. Von Februar 2003 bis zu seiner Festnahme am 27. April 2003 arbeitete als
Servicemonteur bei der Firma I. in K.. Anfangs Mai 2003 trat er freiwillig in die
Psychiatrische Klinik Q. ein, um dort einen vierwöchigen Entzug zu machen. An-
schliessend arbeitete er während drei Wochen temporär in L.. Seit anfangs Juli
2003 ist er bei der Stadt E. als technischer Mitarbeiter/Klärwärter in Anstellung.
Zuerst arbeitete er dort temporär; seit den Stellenwahlen Ende Oktober 2003 ist er
fest angestellt. Er erzielt bei dieser Arbeit ein monatliches Einkommen von Fr.
4'808.-zuzüglich Fr. 165.-- Wohnsitzentschädigung. Aufgrund dieser Anstellung
erfolgte ein Umzug nach E.. Zur Zeit hat X. weder Vermögen noch Schulden.
Im Schweizerischen Zentralstrafregister ist X. nicht verzeichnet. Al-
lerdings wurde er mit Strafmandat des Kreispräsidenten Chur vom 2. April 2003
wegen Konsums von Betäubungsmittel zu einer Busse von Fr. 50.-verurteilt. Im
Administrativmassnahmen-Register (ADMAS) ist er mit einem Führerausweisent-
zug wegen Geschwindigkeit sowie mit einer Verwarnung wegen Unfalls verzeich-
net.
Gemäss dem Leumundsbericht der Kantonspolizei Graubünden ge-
niesst X. an seinem früheren und langjährigen Wohnort B. einen guten Ruf.
3
Am 27. April 2003 um 9:00 Uhr gelang der Kantonspolizei Graubün-
den in Landquart die Festnahme von X.; in der Folge wurde dieser umgehend in
Polizeihaft genommen. Am 28. April 2003 wurde er um 16:00 Uhr wieder aus der
Haft entlassen.
B.
Im Gutachten der Psychiatrischen Dienste Graubünden, vom 12. Ju-
ni 2003, welches im Rahmen des gegen den Angeklagten geführten Verfahrens
erstellt wurde, diagnostizierte der Gutachter bei X. zusammenfassend ein Heroin-
abhängigkeitssyndrom (allerdings mit gegenwärtiger Abstinenz in geschützter
Umgebung), welches 1993 durch erstmaligen Konsum begonnen habe und im
Weiteren immer wieder durch „kalte Entzüge“, abstinente Phasen, wiederholte
Rückfälle sowie ärztlich therapeutische Massnahmen wie Behandlungen mit Ne-
mexin und Methadon inklusive eines stationären Aufenthalts in der Klinik Q. zum
Heroinentzug mit einer anschliessenden mehrmonatigen Entwöhnungsbehandlung
in einer therapeutischen Einrichtung geprägt worden sei. Während der Hospitalisa-
tion in der Klinik Q. Anfang 2001 sei neben der Heroinabhängigkeit auch die Diag-
nose eines Morbus Crohn (entzündliche Darmerkrankung) gestellt worden. Zwi-
schenzeitlich sei der Explorand arbeitslos gewesen, was Heroinrückfälle ebenso
wahrscheinlicher gemacht habe wie Überforderungssituationen am Arbeitsplatz
bei einem mehrfach vom Exploranden als bei ihm vorhanden beschriebenen „Per-
fektionismus“. Ferner wurde festgestellt, dass im Verlauf der letzten Monate der
Explorand vor seiner Festnahme mit dem Konsum von täglich 0.4 Gramm Heroin
offensichtlich einen Zustand erreicht habe, in welchem er Entzugssymptome habe
vermeiden können, ohne dabei völlig berauscht zu sein. Zur Zeit der Erstellung
des Gutachtens sei der Explorand unter strikten Auflagen nach einem freiwilligen
Eintritt auf der Drogenstation P. in der Klinik Q. gewesen, wobei sämtliche, spora-
disch durchgeführten Drogenurine negativ auf die untersuchten Substanzen aus-
gefallen seien. Betreffend die Zurechnungsfähigkeit wurde im Gutachten darge-
legt, dass dem Exploranden aus psychiatrischer Sicht höchstens eine leichtgradi-
ge Verminderung der Steuerungsfähigkeit attestiert werden könnte; gegen die
Einschätzung einer vollen Zurechnungsfähigkeit spreche hingegen nichts. Der
Umstand, dass der einsichtsfähige, intelligente und immer wieder motivierte Explo-
rand - nach intensiven therapeutischen Behandlungen in den Jahren 2001 bis
2002 im Spätsommer 2002 wieder in eine aktive Heroinabhängigkeit abgeglitten
sei, lasse seine Prognose ungünstig erscheinen. Ohne therapeutische Massnah-
men müsste davon ausgegangen werden, dass der Explorand ohne fachliche Un-
terstützung erneut in die Drogensucht gerate, was somit bezüglich des Vorwurfes
der Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz automatisch zu einem
4
neuerlichen Verstoss gegen das Gesetz führen würde. Als Folge könnten andere
Straftaten aus dem Bereich der sogenannten Beschaffungskriminalität begangen
werden. Die Prognose könne somit nur durch kontrollierende und therapeutische
Massnahmen verbessert werden.
Bezüglich Massnahmen wurde vom Gutachter eine solche nach Art.
44 Ziff. 1 StGB empfohlen. Hierbei sei aus psychiatrischer Sicht eine ambulante
Massnahme vorzuziehen. Aufgrund der bereits vom Exploranden freiwillig einge-
leiteten stationären Behandlung zum Drogenentzug und seiner zur Zeit festzustel-
lenden Motivationslage und Zielsetzung (abstinent leben) erscheine auch der Auf-
schub einer allfällig verfügten Strafe sinnvoll, um diesem auch die schnellstmögli-
che Reintegration im Arbeitsleben und damit ein wichtiges Fundament einer lang-
fristigen Stabilisierung zu ermöglichen. Dagegen würde ein reiner Strafvollzug die
Prognose negativ beeinträchtigen. Ferner wäre eine ambulante Massnahme wäh-
rend eines allfälligen Strafvollzuges nur dann sinnvoll, wenn der Explorand sich
der ambulanten Massnahme entziehen würde Rückfälle ohne Konsultation
seiner Ärzte hätte. Eine Schutzaufsicht sei nötig. Des Weiteren erscheine es aus
psychiatrischer Sicht zweckmässig, dass der Explorand mindestens zweimal pro
Monat über einen Zeitraum von zwei Jahren kurzfristig angeordnete (Tagesfrist)
Urinproben zum Drogenscreening bei einem zu definierenden Arzt wie namentlich
dem Hausarzt unter Sichtkontrolle abgebe. Daneben sei es angezeigt, vierteljähr-
lich Blutproben zu nehmen, um einen Alkoholmissbrauch eine Alkoholabhän-
gigkeit frühzeitig erkennen zu können. Überdies erscheine eine auf zwei Jahre
auszurichtende psychiatrisch-psychotherapeutische Behandlung dringend indi-
ziert, und zwar im ersten Vierteljahr mit wöchentlichen, im weiteren Verlauf ent-
sprechend der Einschätzung des Therapeuten, jedoch mit mindestens einmal im
Monat, stattfindenden einstündigen Gesprächen.
Schliesslich wurden die durch den Staatsanwalt gestellten Fragen
vom Gutachter wie folgt beantwortet:
„1. War der Angeschuldigte zur Zeit der Taten in seiner geistigen Ge-
sundheit in seinem Bewusstsein beeinträchtigt war er geistig
mangelhaft entwickelt, so dass seine Fähigkeit zur Einsicht in das Un-
recht der Tat zum Handeln gemäss dieser Einsicht herabgesetzt
war, wenn ja, in welchem Grad (Art. 11 StGB)
Zum Zeitpunkt der vorgeworfenen Taten bestand bei dem Expl. eine
Heroinabhängigkeit (Rauschgiftsucht), was einer Beeinträchtigung der
geistigen Gesundheit entsprechend Art. 11 StGB zugeordnet werden
kann. Aus psychiatrischer Sicht spricht jedoch nichts gegen die Ein-
schätzung der vollen Zurechnungsfähigkeit bzgl. der zur Last gelegten
Sachverhalte.
5
2. Ist der Angeschuldigte rauschgiftsüchtig und erscheint daher zur Ver-
hütung einer allfälligen Rückfallgefahr die Einweisung in eine Drogen-
entziehungsanstalt eine andere Heilanstalt zweckmässig (Art. 44
Ziff. 1 Abs. 1 StGB) Genügt eine ambulante Behandlung im Sinne
von Art. 44 Ziff. 1 Abs. 1 letzter Satz StGB Wäre der sofortige Vollzug
einer Strafe mit einer ambulanten Behandlung vereinbar würde
diese durch den Strafvollzug schwer beeinträchtigt
Ja, der Expl. ist heroinabhängig und somit rauschgiftsüchtig. Aus psy-
chiatrischer Sicht erscheint eine ambulante Behandlung im Sinne von
Art. 44 Ziff. 1 Abs. 1 letzter Satz StGB die vernünftigste Vorgehens-
weise zur Verbesserung der Legalprognose. Der sofortige Vollzug ei-
ner allfälligen, insbesondere länger dauernden Haftstrafe, könnte die
momentan zu konstatierenden Chancen auf eine erfolgreiche ambu-
lante Behandlung negativ beeinflussen. Als Alternative könnte aus
meiner Sicht eine Halbgefangenschaft eine vernünftige Kompromisslö-
sung darstellen, sofern der Expl. zu einer unbedingten Haftstrafe ver-
urteilt werden würde. Bezüglich der von uns empfohlenen Vorgehens-
weise im Rahmen einer ambulanten Therapie erlaube ich mir, auf die
Ausführungen unter „Beurteilung“ / „5. Therapie, sonstige Massnah-
men“ zu verweisen.
3. Sind andere Massnahmen zweckmässig, z.B. Bevormundung, Verbei-
ständung
Die aufgeführten Massnahmen erscheinen nicht zweckmässig. Hinge-
gen empfehlen wir, sofern dies nicht ohnehin vorgesehen ist, die Etab-
lierung einer Schutzaufsicht zur bestmöglichen Koordination der für die
Gesamtbehandlung notwendigen Fachpersonen und des Expl.“
C.
X. wird angeklagt der Widerhandlung gegen Art. 19 Ziff. 2 lit. a
BetmG, der mehrfachen Widerhandlung gegen Art. 19a Ziff. 1 BetmG sowie der
groben Verletzung von Verkehrsregeln gemäss Art. 31 Abs. 2 SVG in Verbindung
mit Art. 90 Ziff. 2 SVG. Der Anklage liegt gemäss der Anklageschrift der Staats-
anwaltschaft Graubünden vom 9. Oktober 2003 folgender Sachverhalt zu Grunde:
„1.1 In der Zeit von Ende Dezember 2002 bis anfangs April 2003 chauffier-
te X. mit seinem Fahrzeug Seat Ibiza den Drogendealer M. 5 Mal von
E. nach J.. Sodann holte er ihn weitere Male in J. mit dem Auto ab.
Wie häufig das Letztere geschah, konnte zwar nicht ermittelt werden,
es ist aber von mindestens 7 Fällen auszugehen. Bei all diesen Fahr-
ten wusste X., dass M. in J. jeweils 40 Gramm Heroin sowie mindes-
tens 2 Gramm Kokain ankaufte. Nachdem M. die Drogen erworben
hatte, hat X. diesen, der, wie er wusste, die Drogen im After ver-
steckt in Getränkedosen mit sich führte, mit dem Auto zum Haupt-
bahnhof J., nach T. zu sich nach H. zurückgefahren. Als Gegen-
leistung für seine Fahrdienste erhielt X. von M. pro Fahrt 1 bis 2
Gramm Heroin, ab und zu eine kleine Menge Kokain sowie etwas
Benzingeld. Total hat X. mit seinen 12 Drogenfahrten 480 Gramm He-
roin sowie 24 Gramm Kokain für M. in seinem Auto transportiert. Am 3.
April 2003 konnte bei M. Heroin und Kokain sichergestellt werden, die
er zuvor beim gleichen Lieferanten in J. angekauft hatte, wie in jenen
Fällen, als er von X. chauffiert wurde. Die Analyse dieser Drogen
ergab für das Heroin einen Reinheitsgehalt von 12.4 % und für das
6
Kokain einen solchen von 50.8 %. Geht man bezüglich Qualität der
von X. transportieren Betäubungsmittel vom gleichen Reinheitsgehalt
aus, hat er demnach 59.5 Gramm reines Heroin sowie 12.2 Gramm
reines Kokain befördert.
1.2 Im März 2003 lagerte X. in seiner Wohnung in H. 10 Gramm Heroin für
M.. Weil M. dieses Heroin nicht abholte, konsumierte X. in der Folge
dieses Heroin selber. Geht man auch hier von einem Reinheitsgehalt
von 12.4 % aus, hat X. 1.2 Gramm reines Heroin gelagert.
2. Im Sommer 2002 begann X. wieder mit dem Konsum von Heroin. In
der Folge erwarb er bei verschiedenen Personen, darunter bei M. so-
wie N., mindestens 90 Gramm Heroin und konsumierte dieses im Zeit-
raum von ca. Juni 2002 bis zum 26. April 2003 in regelmässigen Ab-
ständen und vorwiegend bei sich zu Hause in B. H. durch Rau-
chen. Von September 2002 bis April 2003 konsumierte er sodann 3 bis
4 Mal etwas Kokain, total 0.8 Gramm, durch Sniffen.
3. Im Zeitraum 1. Juni 2002 bis 27. April 2003 lenkte X. sein Fahrzeug
Seat Ibiza mehrmals von H. an seinen Arbeitsplatz nach K. zwi-
schen E. und J., obschon er während dieser Zeit praktisch täglich 0.4
Gramm Heroin konsumierte und mithin, was er wusste, aufgrund der
Konzentration der darin enthaltenen Wirkstoffe in seiner Fahrfähigkeit
eingeschränkt war."
D.
Anlässlich der Hauptverhandlung vom 16. Dezember 2003 vor der
Strafkammer des Kantonsgerichtes von Graubünden waren der Angeklagte und
sein amtlicher Verteidiger, lic. iur. Roman Dajan, sowie auf Seiten der Anklage
Staatsanwalt Dr. iur. Alex Zindel anwesend. Es wurden keine Einwände gegen die
Zuständigkeit und Zusammensetzung des Gerichtes erhoben. Während der rich-
terlichen Befragung bestätigte der Angeklagte den von der Staatsanwaltschaft er-
mittelten Sachverhalt im Wesentlichen und anerkannte die ihm zur Last gelegten
Straftaten. Unklarheiten bestanden jedoch bei der von der Staatsanwaltschaft an-
gegebenen Menge der transportierten Drogen; die Menge von 480 Gramm Heroin,
die der Angeklagte in seinem Wagen beförderte, basiert auf einer Vermutung des-
selben. Zur vorgeworfenen Einschränkung seiner Fahrfähigkeit führte der Ange-
klagte aus, dass diese nur eingeschränkt gewesen wäre, hätte er nicht Heroin
konsumiert. Mit der Konsumation habe er nämlich die Entzugssymptome unter-
drücken können, ohne berauscht gewesen zu sein.
In seinem Plädoyer führte der Staatsanwalt vorwiegend aus, dass
der Sachverhalt gemäss Anklageschrift vom Angeklagten anerkannt werde. Mit
dem Transport der Drogen habe sich der Angeklagte der Widerhandlung gegen
Art. 19 Ziff. 1 Abs. 3 BetmG schuldig gemacht, wie dies auch in BGE 114 IV 162
bestätigt werde. Mit dem Lagern der Drogen bei sich zu Hause habe der Ange-
klagte weiter gegen Art. 19 Ziff. 1 Abs. 5 BetmG verstossen. Im vorliegenden Fall
7
sei die Drogenmenge und der Reinheitsgrad der Drogen untergeordnet, da mit
dem Transport von beinahe einem halben Kilo Heroin mit einem Reinheitsgehalt
von mehr als 10 %, mithin von über 50 Gramm reinem Heroin, der Tatbestand von
Art. 19 Ziff. 2 lit. a BetmG ohne weiteres erfüllt werde. Zum Vorliegen einer groben
Verletzung von Verkehrsregeln sei aufgrund der Notorietät keine Expertise dafür
nötig, um nachzuweisen, dass mit dem Konsum von Drogen keine genügende
Reaktionsfähigkeit mehr bestehe. Betreffend die Strafzumessung wurde geltend
gemacht, dass das Verschulden von X. nicht bagatellisiert werden dürfe. Strafmin-
dernd könne dem Angeklagten das Geständnis, der Umstand, dass er nichts sel-
ber verkaufte sowie seine schwierige persönliche Situation zu Gute gehalten wer-
den. Darum erscheine eine Gefängnisstrafe für die Minimaldauer von 12 Monaten,
unter Anrechnung der erstandenen Polizeihaft, angemessen. Mit Verweis auf das
psychiatrische Gutachten wurde eine günstige Prognose verneint sowie die Mass-
nahmebedürftigkeit von X. ausgewiesen, wobei sich die Anordnung einer ambu-
lanten Massnahme welche vom Angeklagten bereits freiwillig begonnen worden
sei sowie ein Strafaufschub als sinnvoll erweisen würden. Ausserdem sei auf
eine Ersatzabgabe zu verzichten. Staatsanwalt Dr. iur. Alex Zindel stellte daher
folgende Anträge:
"1. X. sei der Widerhandlung gegen Art. 19 Ziff. 2 lit. a BetmG, der mehr-
fachen Widerhandlung gegen Art. 19a Ziff. 1 BetmG sowie der groben
Verletzung von Verkehrsregeln gemäss Art. 31 Abs. 2 SVG in Verbin-
dung mit Art. 90 Ziff. 2 SVG schuldig zu sprechen.
2. Dafür sei er mit 12 Monaten Gefängnis, unter Anrechnung der Polizei-
haft, zu bestrafen.
3. Der Vollzug der Freiheitsstrafe sei aufzuschieben, und es sei eine am-
bulante Massnahme anzuordnen.
4.
Gesetzliche Kostenund Entschädigungsfolge.
E.
Der amtliche Verteidiger lic. iur. Roman Dajan legte in seinem Plädo-
yer im Wesentlichen dar, dass die Frage, was für eine Menge Drogen vom Ange-
klagten transportiert wurde, von entscheidender Bedeutung sei. Der Annahme,
dass er bei zwölf Fahrten jeweils 40 Gramm Heroin sowie 2 Gramm Kokain beför-
derte, müsse widersprochen werden. Es sei lediglich ausgewiesen, dass er ein
einziges Mal gesehen habe, wie M., für welchen er die Drogen transportierte, Fr.
2000.-auf sich gehabt habe. Mittels einer eigenen Hochrechnung sei der Ange-
klagte darauf gekommen, dass das Kokain einer sehr geringfügigen und das Hero-
in einer Menge von etwa 30 bis 40 Gramm entsprochen haben müsse. Allerdings
sei nirgends belegt, dass die Fr. 2000.-von M. vollständig für den Drogenkauf
benötigt worden seien. Ferner sei nicht klar, ob M. jedes Mal soviel Geld bei sich
8
hatte und in dieser Grössenordnung Drogen einkaufte. Aufgrund dieser Umstände
dürfte es fraglich sein, ob es sich vorliegend um einen schweren Fall im Sinne von
Art. 19 Ziff. 2 lit. a BetmG handle. Daneben müssten für die Annahme eines
schweren Falles - neben der relevanten Menge der Drogen mindestens 20
Menschen ernstlich gefährdet werden. X. habe jedoch nie Drogen verkauft; daher
sei nicht bewiesen, dass mehr als 20 Menschen aufgrund der durch M. getätigten
Verkäufe der Drogen gefährdet worden seien. Ausserdem sei der Stoff nur an be-
reits Süchtige verkauft worden, sodass auch aus diesem Grund kein schwerer Fall
vorliege. Schliesslich genüge es für eine Anwendung von Art. 19 Ziff. 2 lit. a
BetmG nicht, wenn der relevante Grenzwert der Drogenmenge lediglich infolge
einer Addition der einzelnen in den Verkehr gebrachten Mengen überschritten
werde. Betreffend den subjektiven Tatbestand von Art. 19 Ziff. 2 lit. a BetmG habe
X. nicht gewusst wissen können, dass eine Drogenmenge - die geeignet ist,
eine gesundheitliche Gefahr für viele Menschen zu schaffen verkauft worden sei,
da er die Drogenmenge nie gesehen habe. Im Lichte dieser Ausführungen liege
kein schwerer Fall vor und es sei demzufolge Art. 19 Ziff. 1 BetmG anwendbar.
Zum Vorwurf der Verkehrsregelverletzung führte der amtliche Verteidiger aus,
dass der Angeklagte die Wirkung der Droge nach dem Konsum nie gespürt habe.
Der Konsum habe allein der Unterdrückung der Entzugserscheinungen gedient
und nicht berauschend gewirkt. Nur bei Nichtkonsumation der Drogen wäre seine
Fahrfähigkeit aufgrund der Entzugssymptome beeinträchtigt gewesen. Ohnehin
könne die mangelnde Fahrfähigkeit wegen des Konsums von Betäubungsmitteln
nur mit einem gerichtsmedizinischen Gutachten nachgewiesen werden; ein sol-
ches liege jedoch nicht vor. Darüber hinaus könne Art. 90 Ziff. 2 SVG nicht zur
Anwendung kommen, da dafür eine grobe Verkehrsregelverletzung vorliegen
müsse. X. habe aber durch seine Fahrten nie eine Gefahr für die Sicherheit ande-
rer geschaffen und auch nicht in Kauf genommen. Folglich sei, wenn überhaupt,
höchstens Art. 90 Ziff. 1 SVG anwendbar.
Zur Strafzumessung wurde geltend gemacht, dass das Verschulden
von X. nicht als allzu schwer bezeichnet werden dürfe. Sein Verhalten habe kei-
nerlei kriminelle Energie gezeigt. Aufgrund der behaupteten, jedoch nicht bewie-
senen Drogenmenge würde sich ein Strafmass von 18 bis 21 Monaten ergeben.
Nach Abzügen von 20 bis 33 % für das Geständnis sowie von 30 % für blosse
Kurierdienste im Inland ergebe sich ein formelles Strafmass von 9 bis 10 Monaten.
Ferner habe X. einzig darum delinquiert, um an Drogen zu kommen und seine
Entzugssymptome zu unterdrücken. Ebenfalls müsse seine Kooperation bei der
Untersuchung sowie seine Einsicht und Reue berücksichtigt werden. Darüber hin-
9
aus habe der Angeklagte keine Vorstrafen und sich seit seiner Verhaftung positiv
entwickelt, indem er nun drogenfrei lebe, freiwillig eine ambulante Therapie besu-
che und absolut keinen Kontakt mehr zur Drogenszene pflege. Betreffend Mass-
nahmen solle X. gemäss dem Gutachten seine begonnene ambulante Massnah-
me fortsetzen; dabei sei eine Schutzaufsicht aber nicht nötig. Schliesslich führte
der amtliche Verteidiger aus, dass X. sämtliche Voraussetzungen für die Gewäh-
rung des bedingten Strafvollzuges erfülle. Er habe innerhalb der letzten 5 Jahre
keine Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten verbüsst und es sei aufgrund sei-
nes Vorlebens, Charakters und seiner Wandlung nach der Verhaftung zu erwar-
ten, dass er nicht mehr straffällig und nie mehr zu Drogen greifen werde.
Lic. iur. Roman Dajan stellte demnach folgende Anträge:
„1. X. sie für die ihm vorgeworfenen Tatbestände mit einer Gefängnisstra-
fe von höchstens 9 Monaten zu bestrafen.
2. Es sei ihm unter Ansetzung einer angemessenen Probezeit der be-
dingte Straffvollzug zu gewähren.
3. Zusätzlich sei eine ambulante Massnahme anzuordnen bzw. die be-
reits begonnene weiterzuführen.
4.
Gesetzliche Kostenund Entschädigungsfolge.“
F.
In seiner Replik wies der Staatsanwalt sinngemäss darauf hin, dass
das Geständnis von X. und so die Anwendbarkeit von Art. 19 Ziff. 2 lit. a BetmG
nicht in Frage gestellt werden sollte. Ferner sei es nicht wichtig, ob eine Freiheits-
strafe von 9 12 Monaten ausgesprochen werden müsste; vielmehr müsse
dem Angeklagten mittels einer Therapie geholfen werden, damit er nicht wieder in
die Drogen zurückfalle. Ob in diesem Zusammenhang die Strafe bedingt auszu-
sprechen ein Strafaufschub aufgrund einer Massnahme zu gewähren sei,
spiele im Ergebnis keine Rolle.
In der Duplik hielt der amtliche Verteidiger fest, dass X. in der Tat
geholfen werden müsse; dies könne aber auch mit der Gewährung des bedingten
Strafvollzuges und der Anordnung einer Massnahme geschehen.
In seinem Schlusswort erklärte X., dass er seine Taten bereue und
sehr froh wäre, wenn er sein Leben so fortsetzen könnte, wie er es zum jetzigen
Zeitpunkt führe.
G.
Auf die weiteren Ausführungen des Staatsanwaltes und des amtli-
chen Verteidigers zur Begründung ihrer Anträge sowie auf die richterliche Befra-
10
gung des Angeklagten anlässlich der Hauptverhandlung wird, soweit erforderlich,
in den nachfolgenden Erwägungen eingegangen.
Die Strafkammer zieht in Erwägung :
1. a) Der Widerhandlung gegen Art. 19 Ziff. 1 Abs. 3 des Bundesgesetzes
über die Betäubungsmittel und die psychotropen Stoffe (BetmG; SR 812.21)
macht sich unter anderem strafbar, wer unbefugt Betäubungsmittel, mithin auch
Kokain und Heroin, befördert lagert. Art. 19 Ziff. 1 Abs. 5 BetmG stellt den
Besitz und das Aufbewahren von Drogen unter Strafe. Bei vorsätzlicher Tatbege-
hung beträgt die Strafe Gefängnis Busse, in schweren Fällen Zuchthaus
Gefängnis nicht unter einem Jahr, womit eine Busse bis zu einer Million Franken
verbunden werden kann (Art. 19 Ziff. 1 Abs. 9 BetmG). Ein schwerer Fall liegt un-
ter anderem vor, wenn der Täter weiss annehmen muss, dass sich die Wi-
derhandlung auf eine Menge von Betäubungsmitteln bezieht, welche die Gesund-
heit vieler Menschen in Gefahr bringen kann (Art. 19 Ziff. 2 lit. a BetmG). Viele
Menschen im Sinne dieser Bestimmung sind nach der Rechtsprechung 20 Perso-
nen, während eine Gesundheitsgefährdung bei physischer psychischer Ab-
hängigkeit zu bejahen ist (BGE 121 IV 334). Das Bundesgericht setzte in BGE 109
IV 143 die Werte zur Berechnung der das Risiko einer psychischen Abhängigkeit
erzeugenden Betäubungsmittelmenge unter anderem für Heroin und Kokain fest.
Danach wird für das Vorliegen der objektiven Voraussetzung von Art. 19 Ziff. 2 lit.
a BetmG von einer Menge von 12 Gramm reinem Heroin 18 Gramm reinem
Kokain ausgegangen.
X. ist geständig, im März 2003 1.2 Gramm reines Heroin gelagert -
und später, da M. dieses Heroin nicht abholte, auch konsumiert zu haben. Ferner
hat er zugegeben, in der Zeit von Ende Dezember 2002 bis anfangs April 2003 mit
seinem Fahrzeug insgesamt 480 Gramm Heroin sowie 24 Gramm Kokain trans-
portiert zu haben. Die Analyse dieser Drogen auf ihren Reinheitsgehalt ergab für
das Heroin eine solchen von 12.4 % und für das Kokain 50.8 %. Demnach handelt
es sich hierbei um eine Menge von 59.5 Gramm reinem Heroin sowie 12.2 Gramm
reinem Kokain. In objektiver Hinsicht ist ein schwerer Fall von Art. 19 Ziff. 2 lit. a
BetmG damit grundsätzlich ohne weiteres gegeben. Nach den Ausführungen des
amtlichen Verteidigers sei jedoch nicht belegt, dass bei 12 Fahrten jeweils 40
Gramm Heroin und 2 Gramm Kokain befördert worden seien, sodass nicht insge-
samt von 480 Gramm Heroin bzw. 24 Gramm Kokain ausgegangen werde könne.
11
Dem kann jedoch nicht gefolgt werden. X. gab anlässlich seiner Einvernahme an,
gewusst und auch einmal gesehen zu haben, dass M., für den er Chauffeurdienste
zwischen J. Hauptbahnhof, J., H. und E. leistete, rund Fr. 2000.-pro Fahrt zur
Verfügung hatte, womit er Drogen einkaufen wollte. Demnach sei er davon ausge-
gangen, dass er jeweils 30 bis 40 Gramm Heroin und 2 bis 5 Gramm Kokain be-
förderte. M. gab anlässlich seiner Einvernahmen an, dass er in J. bei einer Frau
namens O. jeweils 30 bis 40 Gramm Heroin sowie etwas Kokain bezogen habe.
Ferner habe er die Drogen im After nach E. transportiert, und zwar jeweils 30
Gramm; beim Einkauf von grösseren Mengen habe er das restliche Rauschgift in
den übrigen Effekten mitgetragen. Damit ist rechtsgenüglich nachgewiesen, dass
es sich pro Fahrt um eine Menge von mindestens 30 Gramm Heroin und etwas
Kokain gehandelt hat. Bezüglich der Anzahl Fahrten gab X. an, mit M. und den
Drogen 5 bis 6 Mal von J. nach E., etwa 15 Mal von J. zum Hauptbahnhof J. und
etwa 2 bis 3 Mal von J. nach H. gefahren zu sein. Im Konfront führte M. aus, dass
es etwa 3 bis 4 Fahrten nach E. gewesen seien, etwa 7 Fahrten von J. weg und
etwa 2 bis 3 Fahrten nach H.. Somit kann durchaus davon ausgegangen werden,
dass es, wie der Staatsanwalt ausführte, 12 Fahrten gewesen sind, jeweils mit
mindestens 30 Gramm Heroin und ein wenig Kokain. Damit ist erstellt, dass ins-
gesamt mindestens eine Menge von 360 Gramm Heroin und 20 Gramm Kokain
von X. befördert worden ist. Mit einem minimalen Reinheitsgehalt des Heroins von
12 % sowie einem solchen für das Kokain von 50 % handelte es sich also um 43.2
Gramm reinem Heroin und 10 Gramm reinem Kokain. Damit wird der Grenzwert
für die Annahme eines schweren Falles im Sinne von Art. 19 Ziff. 2 lit. a BetmG
deutlich überschritten. Der amtliche Verteidiger macht jedoch geltend, dass das
Überschreiten des Mengengrenzwertes für den schweren Fall (12 Gramm Heroin)
allein nicht ausreiche. Es müssten dabei 20 mehr Menschen naheliegend und
ernstlich gefährdet werden. Diese Ansicht ist abzulehnen. Einerseits ist allein ent-
scheidend, dass so viele Menschen gefährdet werden können; massgebend ist
nicht, wie viele tatsächlich gefährdet worden sind; mithin handelt es sich um ein
abstraktes Gefährdungsdelikt. Andrerseits hielt das Bundesgericht mit Ausnahme
von Cannabis (vgl. BGE 117 IV 314) bis heute an der in BGE 109 IV 145 festge-
legten Menge von 12 Gramm Heroin für die Erfüllung der objektiven Vorausset-
zung von Art. 19 Ziff. 2 lit. a BetmG fest (Fingerhuth/Tschurr, Betäubungsmittelge-
setz, Zürich 2002, S. 141 und 144). Dass diese Menge Heroin wahrscheinlich an
nur Süchtige verkauft wird, ändert nichts daran, dass ein schwerer Fall vorliegt, da
in BGE 120 IV 334 ein Sonderfall behandelt wurde, als grössere Mengen Heroin
nur an eine einzige süchtige Bezugsperson und somit nicht an Dritte verkauft
vergeben wurden. Dieser Fall ist aber im Gegensatz zu der Meinung des amtli-
12
chen Verteidigers auf vorliegenden Sachverhalt nicht anzuwenden, da die Drogen
wie üblich zum Verkauf an mehrere Dritte bestimmt waren und damit die Gefahr,
dass die Drogen in die Hände unbestimmt vieler gelangen, nicht vernachlässigt
werden kann. In diesem Sinne spielt es somit keine Rolle, ob neue Abnehmerkrei-
se durch die Tathandlung erschlossen werden die vermittelten Abnehmer
bereits süchtig sind (vgl. BGE 120 IV 388, 118 IV 205 f., 111 IV 31 f.). Schliesslich
verkennt der amtliche Verteidiger bezüglich der wiederholten fortgesetzten
Tathandlungen mit Verweis auf BGE 114 IV 166 ff., dass ein schwerer Fall nicht
nur bei fortgesetzter, sondern auch bei wiederholter Tatbegehung vorliegt, sofern
der Täter durch seine wiederholten Handlungen insgesamt eine Betäubungsmit-
telmenge umsetzt, welche die Gesundheit vieler Menschen in Gefahr bringen
kann, mithin über 12 Gramm reines Heroin. (Fingerhuth/Tschurr, a.a.O., S. 141
und 147). Im Lichte dieser Ausführungen sind die objektiven Voraussetzungen des
schweren Falles im Sinne von Art. 19 Ziff. 2 lit. a BetmG gegeben.
b)
In subjektiver Hinsicht verlangt das Gesetz, dass der Täter um die
objektiven Umstände von Art. 19 Ziff. 2 lit. a BetmG weiss darauf schliessen
muss. In Bezug auf die grosse Menge genügt Eventualvorsatz (BGE 112 IV 113).
Diesbezüglich hat der Richter im Einzelfall zu prüfen, ob der Täter gewusst hat
nach den Umständen wissen musste, dass die in Frage stehende Drogen-
menge nach der Art des Betäubungsmittels geeignet ist, eine gesundheitliche Ge-
fahr für eine Vielheit von Menschen zu schaffen (Fingerhuth/Tschurr, a.a.O., S.
148, mit Hinweisen). In vorliegendem Fall wusste X., dass es sich bei den von ihm
transportierten Drogen um Heroin, mithin um eine harte Droge, und um grössere
Mengen dieses Stoffes handelte, welcher unter anderem für den Verkauf an meh-
rere Dritte bestimmt war. Gleichwohl wollte er diese befördern. Damit wusste er
hätte ohne Zweifel aufgrund seiner Kenntnisse im Umgang mit Betäubungs-
mitteln wissen müssen, dass ein allfälliger Gebrauch dieses Betäubungsmittels
beträchtliche Schädigungen der menschlichen Gesundheit zu bewirken vermag
und dass mit solchen Mengen von Heroin eine Gemeingefahr begründet wurde
(vgl. BGE 104 IV 214; Fingerhuth/Tschurr, a.a.O., S. 148). Unbeachtlich ist im üb-
rigen, ob der Täter das Rauschgift unter mehreren Malen in kleinen Teilmengen
in einer gesamten Abgabe in Verkehr bringt (BGE 114 IV 167). Somit sind -
neben den objektiven auch die subjektiven Voraussetzungen eines schweren
Falles gemäss Art. 19 Ziff. 2 lit. a BetmG gegeben. X. ist daher der Widerhandlung
gegen diese Bestimmung schuldig zu sprechen.
13
2. a) Gemäss Art. 19a Ziff. 1 BetmG wird mit Haft Busse bestraft, wer
unbefugt Betäubungsmittel vorsätzlich konsumiert wer zum eigenen Konsum
eine Widerhandlung im Sinne von Art. 19 BetmG begeht. Unter eine solche Wi-
derhandlung, begangen zum eigenen Konsum, fällt unter anderem der Besitz, die
Aufbewahrung, der Kauf die anderweitige Erlangung von Betäubungsmitteln
sowie das Treffen von Anstalten hiezu (Art. 19 Abs. 1 BetmG). Auf die Quantität
des konsumierten Stoffes kommt es nicht an. Selbst der einmalige Gebrauch einer
geringfügigen Menge ist strafbar. Ebensowenig ist es von Bedeutung, in welcher
Form die Betäubungsmittel konsumiert werden. Der Konsum und die strafbare
Vorbereitung dazu müssen "unbefugt" erfolgen. Unbefugt konsumiert bzw. trifft die
entsprechenden Vorbereitungen zum Konsum, wer Betäubungsmittel namentlich
nicht aufgrund einer medizinisch indizierten Anweisung eines Arztes gebraucht
(Fingerhuth/Tschurr, a.a.O., S. 156 f., mit Hinweisen).
Der Angeklagte ist geständig, zwischen Juni 2002 und dem 26. April
2003 in regelmässigen Abständen, also mehrmals, insgesamt etwa 90 Gramm
Heroin sowie von September 2002 bis April 2003 drei bis vier Mal, insgesamt circa
0.8 Gramm, Kokain konsumiert zu haben. Diesen Stoff erwarb er bei verschiede-
nen Personen. Offensichtlich war der Angeklagte dazu nicht befugt. Damit wurde
der objektive Tatbestand von Art. 19a Ziff. 1 BetmG mehrfach erfüllt.
b)
Das Gesetz hält ausdrücklich fest, dass lediglich der vorsätzliche
Gebrauch von Betäubungsmittel strafbar ist, wobei Eventualvorsatz genügt. Der
Vorsatz bezieht sich auf die objektiven Tatbestandselemente, insbesondere auf
das Wissen, dass der konsumierte Stoff ein Betäubungsmittel im Sinne des Ge-
setzes ist. Der zweite Teil von Art. 19a Ziff. 1 BetmG wer zum eigenen Konsum
eine Widerhandlung im Sinne von Art. 19 BetmG begeht enthält im Gegensatz
zum ersten Teil - Konsum keine explizite Erwähnung des Erfordernisses des
Vorsatzes. Grundsätzlich ist dieser Übertretungstatbestand deshalb auch bei fahr-
lässiger Begehung strafbar (Fingerhuth/Tschurr, a.a.O., S. 157).
Der Angeklagte konsumierte die Betäubungsmittel zweifellos willent-
lich und im Wissen, dass es sich bei den konsumierten Stoffen um Betäubungs-
mittel im Sinne des Gesetzes handelte. Auch bestehen keine Anzeichen dafür,
dass die Widerhandlungen gegen Art. 19 Ziff. 1 BetmG zum Konsum, mithin der
Erwerb, nicht vorsätzlich begangen worden wären. Somit ist auch der subjektive
Tatbestand von Art. 19a Ziff. 1 BetmG gegeben und der Angeklagte hat sich der
mehrfachen Widerhandlung gegen Art. 19a Ziff. 1 BetmG schuldig gemacht.
14
3. a) Gemäss Art. 31 Abs. 2 des Strassenverkehrsgesetzes (SVG; SR
741.01) darf kein Fahrzeug führen, wer angetrunken, übermüdet sonst nicht
fahrfähig ist. Das heisst, der Führer darf kein Fahrzeug führen, wenn er sich in
einem geistigen körperlichen Zustand befindet, der seine Fähigkeit zur Füh-
rung des Fahrzeuges soweit beeinträchtigt, dass er der Vorschrift von Art. 31 Abs.
1 SVG wonach der Führer sein Fahrzeug stets so beherrschen muss, dass er
seinen Vorsichtspflichten nachkommen kann - nicht mehr ständig in dem von der
Verkehrssicherheit gebotenem Mass zu genügen vermag. Insbesondere verbieten
Süchte, welche schon die Erteilung des Führerausweises gemäss Art. 14 Abs. 2
lit. c SVG ausgeschlossen hätten, das Führen von Fahrzeugen (Giger, Strassen-
verkehrsgesetz, Zürich 2002, S. 91). Demnach verletzt derjenige die Verkehrsre-
gel von Art. 31 Abs. 2 SVG, wer dem Trunke andern die Fahrfähigkeit herab-
setzenden Süchten ergeben ist (Art. 14 Abs. 2 lit. c SVG). Dabei ist nachzuweisen,
dass die betroffene Person süchtig ist, und dass sie sich deswegen regelmässig
unter anderem Drogen in Mengen zuführt, welche die Fahrtüchtigkeit soweit her-
absetzen, dass eine Gefährdung der Verkehrssicherheit eintreten könnte (Giger,
a.a.O., S. 51). Als ungeeignet zum Führen eines Motorfahrzeuges gelten deshalb
in der Regel bereits diejenigen Personen, deren Abhängigkeit von der Droge der-
art ist, dass der Betroffene mehr als jede andere Person der Gefahr ausgesetzt ist,
sich ans Steuer eines Fahrzeugs in einem - dauernden zeitweiligen - Zustand
zu setzen, der das sichere Führen nicht mehr gewährleistet (BGE 127 II126).
b)
Der Angeklagte ist geständig, im Zeitraum vom 1. Juni 2002 bis 27.
April 2003 mehrmals sein Fahrzeug von H. an seinen Arbeitsplatz nach K.
von J. nach E. und umgekehrt geführt zu haben, obwohl er während dieser Zeit
täglich 0.4 Gramm Heroin konsumierte, und zwar jeweils morgens und abends 0.2
Gramm. Bei einem Reinheitsgehalt von mindestens 12 % (vgl. Ziff. 1a) nahm er
also täglich zweimal je etwa 24 Milligramm reines Heroin zu sich. Der Angeklagte
führte sich also aufgrund seiner Sucht regelmässig Drogen in Mengen zu, welche
ohne weiteres die Fahrtüchtigkeit soweit herabsetzten, dass die Möglichkeit einer
Gefährdung der Verkehrssicherheit bestand. Im Gutachten wird erläutert, dass der
Angeklagte damit seine Entzugssymptome habe unterdrücken können, ohne dabei
völlig berauscht zu sein. Demnach wird lediglich ein völliges Berauschtsein ausge-
schlossen; für die Möglichkeit des Eintretens einer Gefährdung der Verkehrssi-
cherheit reicht jedoch auch ein anderer Grad der Berauschtheit infolge der Kon-
sumation von Heroin. Damit war der Angeklagte zweifellos mehr als jede andere
Person der Gefahr ausgesetzt, sich in einem Zustand befunden zu haben, der das
sichere Führen eines Fahrzeugs nicht mehr gewährleistet. Im Lichte dieser Aus-
15
führungen ist eine mehrfache Verletzung der Verkehrsregel von Art. 31 Abs. 2
SVG als gegeben zu betrachten.
c)
Gemäss Art. 90 Ziff. 1 SVG wird mit Haft Busse bestraft, wer
unter anderem Verkehrsregeln im Sinne von Art. 27 bis 57 SVG verletzt. Mit Ge-
fängnis Busse wird bestraft, wer durch grobe Verletzung dieser Verkehrsre-
geln eine ernstliche Gefahr für die Sicherheit anderer hervorruft in Kauf
nimmt (Art. 90 Ziff. 2 SVG). Die Verletzung der Verkehrsregeln im Sinne von Art.
90 Ziff. 1 SVG bildet ein abstraktes Gefährdungsdelikt, sodass ein Verstoss gegen
die Verkehrsvorschriften unabhängig davon strafbar ist, ob hierdurch eine konkre-
te Unfallgefahr bewirkt wird nicht (Giger, a.a.O., S. 247, mit Hinweisen). In
subjektiver Hinsicht genügt fahrlässige Tatbegehung (Art. 100 Ziff. 1 Abs. 1 SVG).
Da der Angeklagte durchaus wusste, dass er unter Heroineinfluss ein Fahrzeug
führte und er dadurch auch wissen mindestens annehmen musste, dass die
Möglichkeit bestand, sich in einem Zustand befunden zu haben, der das sichere
Führen des Fahrzeuges nicht mehr gewährleisten würde, ist der Übertretungstat-
bestand von Art. 90 Ziff. 1 SVG in Verbindung mit Art. 31 Abs. 2 SVG (s. Ziff. 3b)
ohne weiteres erfüllt. Zu prüfen ist nun, ob auch eine qualifizierte Verletzung der
Verkehrsregeln im Sinne von Art. 90 Ziff. 2 SVG vorliegt, wie es der Staatsanwalt
geltend macht. Eine Verletzung der Verkehrsregeln im Sinne von Art. 90 Ziff. 1
SVG erfüllt dann die qualifizierten Tatbestandsmerkmale von Ziff. 2, wenn sie grob
ist und kumulativ der Täter dadurch eine ernstliche Gefahr für die Sicherheit ande-
rer hervorruft in Kauf nimmt (Giger, a.a.O., S. 247, mit Hinweisen). Ein
Verstoss gegen die Verkehrsregeln ist dann grob, wenn der Täter einerseits sub-
jektiv ein rücksichtsloses sonst schwerwiegendes regelwidriges Verhalten an
den Tag legt, was schweres Verschulden mindestens grobe Fahrlässigkeit
voraussetzt, und andrerseits auch objektiv eine wichtige Verkehrsvorschrift in gra-
vierender Weise betroffen ist. Demnach fällt nicht jede objektiv schwere Verkehrs-
regelverletzung unter die erhöhte Strafandrohung von Art. 90 Ziff. 2 SVG, sofern
nicht auch gleichzeitig die erwähnten subjektiven Voraussetzungen erfüllt sind.
Umgekehrt ginge es aber auch nicht an, einen Täter nach Art. 90 Ziff. 2 SVG zu
bestrafen, wenn dieser zwar rücksichtslos ohne Skrupel gehandelt hat, aber
nur eine relativ unwichtige Verkehrsregel verletzt ist (Giger, a.a.O., S. 248, mit
zahlreichen Hinweisen). Demnach kann offen bleiben, ob die Verletzung von Art.
31 Abs. 2 SVG objektiv eine schwerwiegende ist (obwohl eine schwerwiegende
Verletzung nur anzunehmen ist, wenn die Regelwidrigkeit gemäss BGE 106 IV 49
oft zu Unfällen führt, was in vorliegendem Fall aber nicht anzunehmen ist), da die
subjektive Voraussetzung der groben Verkehrsregelverletzung ohnehin als nicht
16
gegeben zu betrachten ist. Dem Angeklagten kann nicht vorgeworfen werden, er
habe in subjektiver Hinsicht ein rücksichtsund skrupelloses Verhalten an den Tag
gelegt, da er vorgab, die Drogen nie gespürt und sich somit immer in fahrfähigem
Zustand befunden zu haben; mit dem Konsum von Heroin habe er lediglich die zur
Fahrunfähigkeit führenden Entzugssymptome unterdrückt. Damit ist eine Bestra-
fung des Angeklagten nach Art. 90 Ziff. 2 SVG ausgeschlossen. Dies umsomehr,
da es zweifelhaft erscheint, ob der Angeklagte entweder konkret eine ernstliche
Gefahr für die Sicherheit anderer hervorgerufen abstrakt die Möglichkeit einer
ernstlichen Gefahr geschaffen bzw. in Kauf genommen hat. Einerseits geht näm-
lich aus den Akten nicht hervor, dass je eine konkrete hervorgerufene Gefahr ein-
getreten wäre. Andrerseits ist auch nicht eine allfällig herbeigeführte in Kauf
genommene ernstliche, mithin erhebliche Gefahr durch das Verhalten des Ange-
klagten von vornherein zu bejahen (vgl. Giger, a.a.O., S. 249, mit Hinweisen).
Im Lichte dieser Ausführungen hat sich X. der mehrfachen Verlet-
zung von Verkehrsregeln im Sinne von Art. 31 Abs. 2 SVG in Verbindung mit Art.
90 Ziff. 1 SVG schuldig gemacht.
4. a) Bei der Strafzumessung hat der Richter gemäss Art. 63 des Schwei-
zerischen Strafgesetzbuches (StGB; SR 311.0) die Strafe nach dem Verschulden
des Täters zu ermitteln, wobei er die Beweggründe, das Vorleben und die persön-
lichen Verhältnisse des Schuldigen berücksichtigt. Das Verschulden umfasst den
gesamten Unrechtsund Schuldgehalt der konkreten Straftat. Der Bemessung der
Schuld ist die Schwere der Tat zu Grunde zu legen. Beim Verschulden wird weiter
in Tatund Täterkomponente unterschieden. Bei der Tatkomponente betrachtet
man das Ausmass des verschuldeten Erfolges, die Willensrichtung, mit welcher
der Täter handelte und seine Beweggründe. Die Täterkomponente hingegen um-
fasst Vorleben und persönliche Verhältnisse des Täters sowie das Verhalten nach
der Tat im Strafverfahren, wie namentlich Reue, Einsicht Strafempfind-
lichkeit (BGE 129 IV 20; BGE 117 IV 113 f., mit Hinweisen). Diese in die Waag-
schale gelegten Elemente wirken strafmindernd straferhöhend, wobei in der
Begründung der Strafzumessung die Überlegungen des Richters nachvollziehbar
sein müssen (BGE 121 IV 56).
Hat der Täter durch eine mehrere Handlungen mehrere Frei-
heitsstrafen verwirkt, so verurteilt ihn der Richter nach dem Asperationsprinzip zu
der Strafe der schwersten Tat und erhöht deren Dauer angemessen. Er kann je-
doch das höchste Mass der angedrohten Strafe nicht um mehr als die Hälfte erhö-
17
hen und ist dabei an das gesetzliche Höchstmass der Strafart gebunden (Art. 68
Ziff. 1 StGB). Schwerste Tat ist diejenige, welche unter den mit der höchsten Stra-
fe bedrohten Tatbestand fällt.
b)
Grundlage für die Strafzumessung ist im vorliegenden Fall der in Art.
19 Ziff. 1 Abs. 9 Satz 2 BetmG vorgesehene Strafrahmen von Gefängnis nicht un-
ter einem Jahr Zuchthaus. Das Verschulden des Angeklagten darf nicht ba-
gatellisiert werden, hat er doch eine Menge von Heroin (und Kokain) transportiert
und somit indirekt in Umlauf gebracht, welche ein Strafmass von 18 bis 21 Mona-
ten rechtfertigen würde (vgl. Fingerhuth/Tschurr, a.a.O., S. 381 ff.). Davon ausge-
hend fällt strafschärfend das Zusammentreffen von mehreren zueinander in ech-
ter Konkurrenz stehenden strafbaren Handlungen ins Gewicht (Art. 68 Ziff. 1
StGB). Strafmilderungsgründe im Sinne von Art. 64 StGB und insbesondere von
Art. 66 StGB in Verbindung mit Art. 11 StGB sind vorliegend keine gegeben, wie
dies auch im Gutachten der psychiatrischen Dienste Graubünden festgestellt wur-
de. Strafmindernd sind dem Angeklagten sein Geständnis, seine Kooperation wäh-
rend der Untersuchung, seine Ehrlichkeit, Einsicht und Reue, seine positive Ent-
wicklung seit seiner Verhaftung sowie die Umstände, dass er zum überwiegenden
Teil blosser Transporteur der Betäubungsmittel war und ausschliesslich aufgrund
seiner Drogensucht zwecks Beschaffung von Drogen delinquierte, zu Gute zu hal-
ten. Hat der Täter nach den in Frage kommenden Tatbeständen wie in vorliegen-
dem Fall Freiheitsstrafe und Busse verwirkt, so sind beide Strafen zu verhängen
(vgl. dazu BGE 75 IV 2; BGE 102 IV 245). In Würdigung sämtlicher Strafzumes-
sungsgründe erachtet die Strafkammer die Anordnung einer Freiheitsstrafe von 12
Monaten Gefängnis, mithin der Mindeststrafe gemäss Art. 19 Abs. 9 Satz 2
BetmG, und einer Busse von Fr. 200.-als dem Verschulden und den persönli-
chen Verhältnissen des Angeklagten als angemessen. Gestützt auf Art. 69 StGB
ist die erstandene Polizeihaft von zwei Tagen an die ausgefällte Freiheitsstrafe
anzurechnen.
5. a) Gemäss Art. 41 Ziff. 1 Abs. 1 StGB kann der Richter den Vollzug ei-
ner Freiheitsstrafe von nicht mehr als 18 Monaten durch die Gewährung der
Rechtswohltat des bedingten Strafvollzuges aufschieben, wenn Vorleben und
Charakter des Verurteilten erwarten lassen, er werde dadurch von weiteren Ver-
brechen Vergehen abgehalten. Gemäss Abs. 2 der genannten Bestimmung
ist der Aufschub einer Freiheitsstrafe bzw. die Gewährung des bedingte Strafvoll-
zuges von Gesetzes wegen nicht zulässig, wenn der Verurteilte innerhalb der letz-
ten fünf Jahre vor der Tat wegen eines vorsätzlich begangenen Verbrechens
18
Vergehens eine Zuchthausoder Gefängnisstrafe von mehr als drei Monaten ver-
büsst hat. Da der Angeklagte innerhalb der letzten fünf Jahre keine Freiheitsstrafe
von einer solchen Dauer verbüssen musste und beim hier zu behandelnden Fall
eine Strafe von nicht mehr als 18 Monaten verhängt wurde, sind die objektiven
Voraussetzungen für die Gewährung des bedingten Strafvollzuges gegeben.
In subjektiver Hinsicht setzt Art. 41 Ziff. 1 StGB voraus, dass Vorle-
ben und Charakter des Verurteilten erwarten lassen, er werde durch den Aufschub
der Strafe bzw. die Gewährung des bedingten Strafvollzuges von weiteren Ver-
brechen und Vergehen abgehalten. Das Gericht hat zu prüfen, ob eine günstige
Prognose für künftiges Wohlverhalten gestellt werden kann, wobei ihm dafür ein
erhebliches Ermessen zusteht. Bei der Prüfung, ob der Verurteilte für ein dauern-
des Wohlverhalten Gewähr bietet, ist eine Gesamtwürdigung aller wesentlichen
Umstände vorzunehmen. In die Beurteilung mit einzubeziehen sind neben den
Tatumständen auch das Vorleben und der Leumund sowie alle weiteren Tatsa-
chen, die gültige Schlüsse auf den Charakter des Täters und die Aussichten seiner
Bewährung zulassen. Für die Einschätzung des Rückfallrisikos ist ein Gesamtbild
der Täterpersönlichkeit unerlässlich. Relevante Faktoren sind unter anderem straf-
rechtliche Vorbelastung, Arbeitsverhalten, das Bestehen sozialer Bindungen und
Hinweise auf Suchtgefährdungen. Dabei sind die persönlichen Verhältnisse bis
zum Zeitpunkt des Entscheides mit einzubeziehen (BGE 128 IV 198 f.). Vorliegend
kann X. auf ein günstiges Umfeld zählen, womit er eine völlige Integration in der
Gesellschaft geniesst. Er hat eine feste Arbeitsstelle, pflegt gute Beziehungen zu
seiner Familie und lebt in einer festen Beziehung. Dies gibt ihm Rückhalt und eine
solide Grundlage zum drogenfreien Leben. Seit seiner Verhaftung Ende April 2003
nimmt X. keine Drogen mehr und hat feiwillig im Juli 2003 eine Behandlung be-
gonnen. Dies bekräftigt seinen geäusserten Willen, endgültig einen Schlussstrich
zu ziehen und von den Drogen wegzukommen. Er pflegt auch keine Kontakte
mehr zur Drogenszene und hat sich neue Freunde geschaffen. Ausserdem ist der
Angeklagte im Strafregister nicht eingetragen, sodass es in dessen Vorleben
nichts zu beanstanden gibt. Gemäss dem Gutachten der psychiatrischen Dienste
Graubünden kann eine günstige Prognose gestellt werden, wenn kontrollierende
und therapeutische Massnahmen durchgeführt würden und durch den Angeklag-
ten die Entscheidung getroffen würde, drogenfrei zu leben. Aufgrund der Mass-
nahmefähigkeit und Massnahmewilligkeit, des Vorlebens sowie der oben be-
schriebenen Umstände ist doch zu erwarten, dass X. durch die Gewährung des
bedingten Strafvollzuges von weiteren Verbrechen und Vergehen abgehalten wer-
de. Für ein künftiges Wohlverhalten kann diesem somit eine günstige Prognose
19
ausgestellt werden. Deshalb ist der bedingte Strafvollzug - unter Ansetzung einer
Probezeit von drei Jahren zu gewähren. Die Probezeit von drei Jahren ist inso-
fern angezeigt, um der während der Probezeit notwendigerweise durchzuführen-
den Behandlung Rechnung zu tragen und Erfolg zu garantieren. Denn nur eine
erfolgreiche Behandlung kann die Rückfallgefahr minimieren (vgl. Trechsel,
Schweizerisches Strafgesetzbuch, Kurzkommentar, Zürich 1997, N 31 zu Art. 41
StGB).
b)
Nach Art. 41 Ziff. 2 StGB kann der Richter den Verurteilten ab Be-
ginn sowie für die Dauer der Probezeit unter Schutzaufsicht stellen und/oder ihm
für sein Verhalten bestimmte Weisungen erteilen. Dabei ist jede Weisung denkbar,
welche mit dem Delikt in einem sinnvollen Zusammenhang steht, vom Betroffenen
nicht mehr als eine zumutbare, verhältnismässige Anstrengung verlangt sowie ge-
eignet ist, im Sinne von Art. 41 StGB der Resozialisierung zu dienen (BGE 108 IV
152 f.). Unter Berücksichtigung des Gutachtens der psychiatrischen Dienste
Graubünden erscheint es zweckmässig, dem Angeklagten die Weisung zu ertei-
len, während zwei Jahren mindestens zwei Mal pro Monat kurzfristig angeordnete
Urinproben zum Drogenscreening unter Sichtkontrolle abzugeben; daneben haben
vierteljährlich Blutproben zu erfolgen. Neben diesen - der Kontrolle dienenden -
Massnahmen, mit welchen der Verurteilte seine absolute Drogenabstinenz nach-
weisen muss, erscheint eine ebenfalls auf mindestens zwei Jahre ausgerichtete
ambulante psychiatrisch-psychotherapeutische Behandlung zweckmässig; dazu
haben im ersten Vierteljahr wöchentliche, im weiteren Verlauf entsprechend der
Einschätzung des Therapeuten mindestens einmal im Monat einstündige Ge-
spräche stattzufinden. Wird es dem Verurteilten gelingen, unter den genannten
Massnahmen über einen Zeitraum von zwei Jahren drogenabstinent zu leben, ist
sodann das weitere Prozedere festzulegen.
c)
Zur Überwachung der erteilten Weisungen ist gestützt auf Art. 41 Ziff.
2 StGB eine Schutzaufsicht im Sinne von Art. 47 StGB anzuordnen. Die Notwen-
digkeit einer Schutzaufsicht ergibt sich vorliegend daraus, dass die Dauerhaftigkeit
der manifestierten Resozialisierung des Angeklagten noch nicht vorliegt (Trechsel,
a.a.O., N 3 zu Art. 47 StGB), da noch keine absolute Überzeugung des Gerichts
hinsichtlich einer langfristigen guten Entwicklung aufgrund der früheren Vorkomm-
nisse im Leben des Angeklagten besteht, obwohl die günstige Entwicklung des
Angeklagten und seine allgemeine Wandlung zum Besseren berücksichtigt wird
(vgl. BGE 104 IV 64).
20
6.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens gehen gemäss Art. 158 Abs. 1
des Gesetzes über die Strafrechtspflege (StPO; BR 350.000) die Kosten der Stra-
funtersuchung, bestehend aus den Barauslagen von Fr. 970.-- und der Untersu-
chungsgebühr von Fr. 1'500.--, des Gerichtsverfahrens von Fr. 2'000.-- und der
amtlichen Verteidigung von Fr. 3'452.65 zu Lasten des Verurteilten. Überdies hat
X. die Kosten der mit der erteilten Weisung durchzuführenden Massnahmen zu
tragen. Demgegenüber gehen die Kosten der Polizeihaft sowie eines allfälligen
Strafvollzuges zu Lasten des Kantons Graubünden (Art. 158 Abs. 3 StPO in Ver-
bindung mit Art. 188 StPO).
21
Demnach erkennt die Strafkammer :
1.
X. ist schuldig der Widerhandlung gegen Art. 19 Ziff. 2 lit. a BetmG, der
mehrfachen Widerhandlung gegen Art. 19a Ziff. 1 BetmG sowie der mehr-
fachen Verletzung von Verkehrsregeln gemäss Art. 31 Abs. 2 SVG in Ver-
bindung mit Art. 90 Ziff. 1 SVG.
2.
Dafür wird er mit 12 Monaten Gefängnis und Fr. 200.-- Busse bestraft, ab-
züglich der erstandenen Polizeihaft von zwei Tagen.
3. a) Der Vollzug der Freiheitsstrafe wird aufgeschoben unter Ansetzung einer
Probezeit von 3 Jahren.
b) X. wird gestützt auf Art. 41 Ziff. 2 StGB die Weisung erteilt, sich während
der Probezeit medizinisch und psychiatrisch-psychotherapeutisch im Sinne
der Erwägungen behandeln zu lassen.
c) X. wird für die Dauer der Probezeit unter Schutzaufsicht gestellt.
4.
Die Kosten des Verfahrens, bestehend aus:
- den Untersuchungskosten der Staatsanwaltschaft Graubünden:
- Barauslagen
Fr. 970.--
- Untersuchungsgebühr
Fr. 1'500.--
- den Gerichtskosten
Fr. 2'000.--
- dem Honorar der amtlichen Verteidigung
Fr. 3'452.65
total somit
Fr. 7'922.65
gehen zu Lasten von X., welcher auch die Kosten der Behandlung zu tra-
gen hat.
Die Kosten der angerechneten Polizeihaft sowie die Kosten des allfälligen
Strafvollzuges trägt der Kanton Graubünden.
5.
Gegen dieses Urteil kann, sofern Verletzung eidgenössischen Rechts gel-
tend gemacht werden will, Nichtigkeitsbeschwerde an den Kassationshof
des schweizerischen Bundesgerichts geführt werden. Diese ist dem Bun-
desgericht innert 30 Tagen seit Zustellung der vollständigen Ausfertigung
des Entscheides in der in Art. 273 des Bundesgesetzes über die Bundes-
strafrechtspflege (BStP; SR 312.0) vorgeschriebenen Weise einzureichen.
22
Für die Beschwerdelegitimation und die weiteren Voraussetzungen der
Nichtigkeitsbeschwerde gelten die Art. 268 ff. BStP.
6. Mitteilung
an:
__
Für die Strafkammer des Kantonsgerichts von Graubünden
Der Vizepräsident:
Der Aktuar ad hoc:
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
Hier geht es zurück zur Suchmaschine.