Der Berufungskläger X wurde vom Bezirksgerichtsausschuss Plessur wegen fahrlässiger Körperverletzung gemäss Art. 125 Abs. 1 aStGB für schuldig befunden. Er hatte am 24. Februar 2005 auf der Skipiste mit seiner Fahrweise gegen mehrere FIS-Verhaltensregeln verstossen und war mit einer Snowboarderin kollidiert, wodurch diese Verletzungen erlitt. Die Snowboarderin zog sich einen Bruch des rechten Schultergelenks, einen Abriss diverser Bänder, Kontusionen der Nackenwirbel und Prellungen der rechten Gesichtshälfte zu. X wurde zu einer Geldstrafe von CHF 800.- verurteilt und musste die Verfahrenskosten von CHF 7'591.20 tragen. Der Betrag von CHF 8'391.20 musste innerhalb von 30 Tagen bezahlt werden. Das Gerichtsurteil erging am 19. Februar 2008 und wurde schriftlich am 18. August 2008 mitgeteilt.
Urteilsdetails des Kantongerichts SB-08-29
Kanton: | GR |
Fallnummer: | SB-08-29 |
Instanz: | Kantonsgericht Graubünden |
Abteilung: | - |
Datum: | 03.12.2008 |
Rechtskraft: | - |
Entscheid des Kantongerichts SB-08-29
Kantonsgericht
von
Graubünden
Dretgira
chantunala
dal
Grischun
Tribunale cantonale dei Grigioni
_____
Ref.:
Chur, 03. Dezember 2008
Schriftlich mitgeteilt am:
SB 08 29
(nicht mündlich eröffnet)
Urteil
Kantonsgerichtsausschuss
Vorsitz Vizepräsident
Schlenker
RichterInnen Möhr
und Michael Dürst
Aktuarin Thöny
——————
In der strafrechtlichen Berufung
des X., Berufungskläger, vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Martin Suender-
hauf, Postfach 545, Gäuggelistrasse 16, 7002 Chur,
gegen
das Urteil des Bezirksgerichtsausschusses Plessur vom 19. Februar 2008, mitge-
teilt am 18. August 2008, in Sachen gegen den Berufungskläger,
betreffend fahrlässige Körperverletzung,
hat sich ergeben:
2
A.
X. wurde am 15. Januar 1977 in A. geboren. Er ist in B. wohnhaft
und als Geschäftsführer eines Unternehmens tätig. Gemäss eigenen Angaben
beträgt sein monatliches Nettoeinkommen EUR 700.--. Er verfügt ebenfalls ge-
mäss eigenen Angaben weder über ein grösseres Vermögen, noch hat er nen-
nenswerte Schulden. X. ist ledig und hat Unterhaltsverpflichtungen gegenüber ei-
nem Kind in der Höhe von EUR 127.-pro Monat.
X. ist weder im schweizerischen noch im deutschen Strafregister verzeich-
net. Weitere Angaben zu seiner Person konnten nicht erhältlich gemacht werden.
B.
Am 20. Juli 2005 eröffnete die Staatsanwaltschaft Graubünden ge-
gen X. eine Strafuntersuchung wegen fahrlässiger Körperverletzung und beauf-
tragte das Untersuchungsrichteramt Chur mit deren Durchführung. Auf Gesuch
des Angeschuldigten wurde im Verlauf der Untersuchung ein unfallanalytisches
und biomechanisches Gutachten bei der Arbeitsgruppe für Unfallmechanik Zürich
eingeholt. Mit Verfügung vom 12. September 2007 wurde X. wegen fahrlässiger
Körperverletzung gemäss Art. 125 Abs. 1 StGB in Anklagezustand versetzt. Der
zu Handen des Bezirksgerichtsausschusses Plessur erhobenen Anklage liegt ge-
mäss Anklageschrift vom 12. September 2007 der folgende Sachverhalt zu Grun-
de:
„Am 24. Februar 2005 befuhren Y. auf dem Snowboard und ihr Cousin C.
mit Skier die D.-Piste im Skigebiet E. in F.. Im Bereich des so genannten
„G.“ mündet die Skipiste aus einer steilen, eher schmalen Linkskurve in ei-
nen etwas breiteren, vertikal verlaufenden Pistenbereich von ca. 100 m
Breite und ca. 200 m Länge. Am Ende dieser 200 m verzweigt die Skipiste
in zwei Richtungen, d.h. sie führt nach rechts in Richtung des Parkplatzes
und nach links in Richtung der Talstation. Y. befuhr die vorgenannte steile
Linkskurve und setzte sich am oberen Rand des nachfolgenden ca. 100 m
breiten und ca. 200 m langen Pistenbereichs wenige Meter unterhalb des
Waldrandes in den Schnee, um einen kurzen Halt einzuschalten. C. war
bereits vorgefahren und hatte ganz am rechten Pistenrand auf seine Cou-
sine gewartet. Diese hatte sich dann auf ihr Snowboard gestellt und kurz
den Blick die Piste hinauf gerichtet, ob ein anderer Pistenbenützer heran-
fahren würde. Sie konnte jedoch keinen erblicken und fuhr deshalb lang-
sam an. Bei Y. handelt es sich um eine nicht sehr geübte Snowboardfahre-
rin, weshalb sie mit eher geringem Tempo mehr weniger vertikal zum
Pistenverlauf in leichten Schwüngen die Piste herunterfuhr. Zur genannten
Zeit herrschte auf der Skipiste wenig Verkehr. Aufgrund ihrer Position auf
dem Snowboard war ihr Oberkörper und damit auch ihr Blickfeld bei einer
Fahrt in Richtung des rechten Pistenrandes vor allem talabwärts, bei einer
Fahrt in Richtung des linken Pistenrandes vor allem bergwärts gerichtet. Y.
fuhr nun nach einigen wenigen Schwüngen ein kurzes Stück in Richtung
des rechten Pistenrandes und damit mit dem Oberkörper und dem Blick
eher talwärts gerichtet und setzte gerade wieder zu einer Rechtskurve an,
wobei ihr Blickwinkel nun vollständig in Richtung Tal gerichtet war, als sie
plötzlich von dem mit Skiern heranfahrenden Angeklagten, X., an der rech-
3
ten Schulter getroffen und danach ca. 20 bis 30 m den Hang hinunterge-
schleudert wurde. Der Angeklagte war mit einer wesentlich höheren Ge-
schwindigkeit als Y. das G. hinuntergefahren und ohne grössere Schwünge
zu machen, frontal in die rechte Schulter von Y. gefahren.
Akten: act. 3.3, 4.2, 4.6
Y. zog sich bei dem Zusammenstoss gemäss eigener Aussage wie auch
aus dem Operationsbericht ersichtlich einen Bruch des rechten Schulterge-
lenks sowie den Abriss diverser Bänder, Kontusionen der Nackenwirbel
und Prellungen der rechten Gesichtshälfte zu, wobei mehrere Zähne be-
schädigt wurden.
Akten: act. 3.7.4, 4.5
Mit Schreiben vom 23. Mai 2005 stellte RA Dr. iur. W. Fleischmann namens
und im Auftrag von Y. Strafantrag gegen X..
Akten: act. 3.6“
C.
Am 19. Februar 2008 fand vor dem Bezirksgerichtsausschuss Ples-
sur die mündliche Hauptverhandlung statt. Der Angeklagte X. wurde vom persönli-
chen Erscheinen dispensiert; anwesend war lediglich sein privater Verteidiger. Die
Staatsanwaltschaft Graubünden verzichtete auf eine mündliche Vertretung der
Anklage. Mit Urteil vom 19. Februar 2008, im Dispositiv mitgeteilt am 20. Februar
2008 und schriftlich mitgeteilt am 18. August 2008, erkannte der Bezirksgerichts-
ausschuss Plessur wie folgt:
„1. X. ist schuldig der fahrlässigen Körperverletzung gemäss Art. 125 Abs.
1 aStGB.
2.
Dafür wird X. mit einer Busse von CHF 800.-bestraft.
3. Die Kosten des Verfahrens von CHF 7'591.20 (Untersuchungskosten
der Staatsanwaltschaft Graubünden CHF 6'391.20 und Gerichtskosten
von CHF 1'200.--) gehen zu Lasten von X..
X. schuldet dem Bezirksgericht Plessur folglich Total CHF 8'391.20
(Busse: CHF 800.00; Verfahrenskosten: CHF 7'591.20). Dieser Betrag
ist innert 30 Tagen seit Zustellung des Urteils auf das PC-Konto 70-
3596-3 des Bezirksgerichtes Plessur zu überweisen.
4. (Rechtsmittelbelehrung).
5. (Mitteilung).“
D.
Gegen dieses Urteil liess X. mit Eingabe vom 15. September 2008
beim Kantonsgerichtsausschuss von Graubünden Berufung erheben, wobei er die
folgenden Anträge stellte:
„1. Ziff. 1 bis 3 des Dispositivs des Urteils des Bezirksgerichtausschusses
Plessur vom 19. Februar 2008, mitgeteilt 18. August 2008 sei vollum-
fänglich aufzuheben.
2.
X. sei von Schuld und Strafe freizusprechen.
4
3. Die Kosten des Verfahrens (Untersuchungskosten der Staatsanwalt-
schaft Graubünden, Gerichtskosten der Vorinstanz) seien auf die
Staatskasse zu nehmen.
4. X. sei für die Verteidigungsaufwendungen im vorinstanzlichen Verfah-
ren eine Parteientschädigung in Höhe von Fr. 14'095.-zuzusprechen.
5. Unter gesetzlicher Kostenund Entschädigungsfolge für das Beru-
fungsverfahren. Dem Berufungskläger sei dabei für die Aufwendungen
im Berufungsverfahren vor Kantonsgericht Graubünden eine Entschä-
digung von Fr. 6'000.-zuzusprechen.
X. stellte überdies den Antrag, es seien H., I., J. sowie K. als Zeugen einzu-
vernehmen.
E.
Mit Schreiben vom 18. September 2008 verzichtete die Staatsan-
waltschaft Graubünden auf die Einreichung einer Vernehmlassung. Das Bezirks-
gericht Plessur teilte mit Schreiben vom 3. Oktober 2008 den Verzicht auf die Ein-
reichung einer Vernehmlassung mit.
Auf die Ausführungen zur Begründung der Anträge sowie im angefochtenen
Urteil wird, soweit erforderlich, in den nachstehenden Erwägungen eingegangen.
Der Kantonsgerichtsausschuss zieht in Erwägung :
1.
Gemäss Art. 141 Abs. 1 des Gesetzes über die Strafrechtspflege
(StPO; BR 350.00) können der Verurteilte und der Staatsanwalt gegen Urteile und
Beschlüsse der Bezirksgerichte und ihrer Ausschüsse beim Kantonsgerichtsaus-
schuss Berufung einlegen. Die Berufung ist innert zwanzig Tagen seit der schriftli-
chen Eröffnung des Entscheids unter Beilage des angefochtenen Entscheids ein-
zureichen. Sie ist zu begründen und hat darzutun, welche Mängel des erstinstanz-
lichen Entscheids gerügt werden und ob das ganze Urteil lediglich Teile da-
von angefochten werden (Art. 142 Abs. 1 StPO). Diesen Anforderungen vermag
die vorliegende Berufung zu genügen, weshalb auf sie einzutreten ist.
2. Der
Kantonsgerichtsausschuss
überprüft das erstinstanzliche Urteil
in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht im Rahmen der gestellten Anträge frei
(Art. 146 Abs. 1 StPO). Er besitzt eine umfassende, uneingeschränkte Kognitions-
befugnis. Wenn die Aktenlage die Beurteilung zulässt und keine Verletzung des
rechtlichen Gehörs vorliegt der Mangel geheilt ist, entscheidet der Kantons-
gerichtsausschuss in der Sache selber (Art. 146 Abs. 2 StPO e contrario; Padrutt,
Kommentar zur Strafprozessordnung des Kantons Graubünden, 2. Auflage, Chur
1996, S. 376).
5
3.
Der Kantonsgerichtausschuss kann eine mündliche Verhandlung von
sich aus auf Antrag der Parteien anordnen, wenn die persönliche Befragung
des Berufungsklägers für die Beurteilung der Streitsache wesentlich ist (Art. 144
Abs. 1 StPO). Findet keine mündliche Verhandlung statt, so trifft der Kantonsge-
richtsausschuss seinen Entscheid ohne Parteivortritt auf Grund der Akten (Art. 144
Abs. 3 StPO). Der Angeschuldigte in einem Strafverfahren hat aber unabhängig
von der kantonalen Verfahrensordnung gestützt auf Art. 6 Ziff. 1 EMRK Anspruch
darauf, dass seine Sache in billiger Weise öffentlich gehört wird. Das Gebot der
Verfahrensöffentlichkeit unter dem Vorbehalt von Art. 107 StPO gilt dem Grund-
satz nach nicht nur für das erstinstanzliche Strafverfahren, sondern erstreckt sich
auf die Gesamtheit eines Strafverfahrens inklusive des gesamten Rechtsmittelwe-
ges, somit auch auf das Berufungsverfahren gemäss Art. 141 ff. StPO. Der Be-
troffene kann auf die Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung von
sich aus verzichten. Voraussetzung eines wirksamen Verzichts ist, dass er aus-
drücklich erklärt wird sich aus dem Stillschweigen des Betroffenen eindeutig
ergibt.
Der Berufungskläger hat im vorliegenden Fall nicht die Durchführung einer
mündlichen Berufungsverhandlung verlangt, woraus auf einen wirksamen Verzicht
geschlossen werden kann. Es besteht aber auch kein Grund, dass das urteilende
Gericht von sich aus (vgl. hierzu Art. 144 Abs .1 StPO) eine mündliche Berufungs-
verhandlung anordnet, nachdem die Vorinstanz öffentlich verhandelt hat, bezüg-
lich des strittigen Sachverhalts keine zusätzlichen Aufschlüsse von einer mündli-
chen Verhandlung zu erwarten sind, eine reformatio in peius ausgeschlossen ist
und sich ferner im vorliegenden Fall keine Fragen zur Person und zum Charakter
des Berufungsklägers stellen, welche sich nicht mit genügender Hinlänglichkeit
aufgrund der Akten beantworten lassen. Zudem steht einem nichtöffentlichen Ver-
fahren kein öffentliches Interesse entgegen (vgl. BGE 119 Ia 316 E. 2b S. 318 f.;
Art. 107 StPO; ZR 99/2000, Nr. 36). Die streitige Strafsache kann somit gestützt
auf die vorliegenden Akten sachgerecht entschieden werden. Ein persönliches
Vortreten von X. ist daher nicht notwendig.
4.
X. stellte im Rahmen seiner Berufungserklärung den Beweisantrag,
es seien die von ihm benannten vier Zeugen zum Unfall einzuvernehmen. Diese
Zeugen seien allesamt in der Lage, sich zum skifahrerischen Können des Beru-
fungsklägers zum Zeitpunkt des Unfallereignisses äussern zu können, da sie zu-
sammen mit ihm die Skiferien verbracht hätten. Sein damals bescheidenes skifah-
rerisches Können sei insbesondere im Hinblick auf die zur Diskussion stehende
Sorgfaltspflichtverletzung von Relevanz. Sein Verhalten sei mithin nur dann
6
pflichtwidrig, wenn er zum Zeitpunkt der Tat aufgrund der Umstände sowie seiner
Kenntnisse und Fähigkeiten die damit bewirkte Gefährdung der Rechtsgüter des
Opfers hätte erkennen können und müssen und wenn er zugleich die Grenzen des
erlaubten Risikos überschritt. Die beantragten Zeugenbefragungen könnten das
diesbezüglich nicht klare Beweisergebnis klären.
a)
Es ist Aufgabe des Gerichts, die materielle Wahrheit bezüglich des
den Gegenstand des Verfahrens bildenden Sachverhalts zu ermitteln. Bei der Be-
urteilung eines Sachverhalts hat das Gericht die vorhandenen Beweismittel frei zu
würdigen (Art. 146 Abs. 1 und Art. 125 Abs. 2 StPO). Den Verfahrensbeteiligten
steht es als Ausfluss des rechtlichen Gehörs frei, Beweisanträge zu stellen. Dabei
besteht aber kein uneingeschränktes Recht auf Beweisabnahme. Vielmehr kann
auf die Erhebung weiterer Beweise dann verzichtet werden, wenn die für die Beur-
teilung der Sache erforderlichen Tatsachen bereits aufgrund der vorhandenen
Beweismittel feststehen und nicht zu erwarten ist, dass neue Beweismittel das
Ergebnis der freien Würdigung der vorhandenen Beweismittel zu erschüttern ver-
mögen. Vorweggenommene antizipierte Beweiswürdigung ist also in einem
beschränkten Umfange zulässig; insbesondere kann der Richter das Beweisver-
fahren schliessen, wenn er aufgrund bereits abgenommener Beweise seine Über-
zeugung gebildet hat und er ohne Willkür in vorweggenommener Beweiswürdi-
gung annehmen kann, dass diese seine Überzeugung durch weitere Beweiserhe-
bungen nicht geändert würde (Niklaus Schmid, Strafprozessrecht, 3. Auflage, Zü-
rich 1997, N. 291 mit Hinweisen; Hauser/Schweri/Hartmann, Schweizerisches
Strafprozessrecht, 6. Auflage, Basel 2005, § 55 N. 10 mit Hinweisen; Urteil des
Bundesgerichts 6B_212/2007 vom 27. Oktober 2007, E. 2; PKG 1993 Nr. 27).
b) Wie
die
Vorinstanz
zutreffend ausführte, waren die vom Berufungs-
kläger angerufenen Personen am fraglichen Tag nicht anwesend und könnten
somit zum Unfallhergang keine relevanten Aussagen machen. Im vorliegenden
Fall gilt es einzig, das Verhalten von X. im Zusammenhang mit dem Unfall zu be-
urteilen. Entgegen seiner Auffassung spielt dabei keine Rolle, ob er im fraglichen
Zeitpunkt ein guter lediglich mittelmässiger Skifahrer war. Gemäss FIS-Regel
Nr. 2 muss er nämlich seine Geschwindigkeit und seine Fahrweise seinem Kön-
nen und den Gelände-, Schneeund Witterungsverhältnissen sowie der Verkehrs-
dichte anpassen. Ist ein Skifahrer mit anderen Worten ungeübt und unerfahren,
hat er diesem Umstand insofern Rechnung zu tragen, als er seine Geschwindig-
keit entsprechend zu reduzieren hat, um dadurch auf ausserordentliche Situatio-
nen auch angemessen reagieren zu können. Selbst wenn die angerufenen Zeu-
gen bestätigen würden, dass es sich bei X. entgegen seinen eigenen Einschät-
7
zungen gemäss Polizeirapport (act. 3.1) und gemäss Protokoll zur Schadensregu-
lierung (act. 3.5) - um einen mittelmässigen Skifahrer handelt, vermöchte ihn dies
somit nicht zu entlasten. Aus diesem Grund ist nicht ersichtlich, inwiefern durch
die beantragten Zeugeneinvernahmen zusätzliche sachrelevante Erkenntnisse
gewonnen werden könnten. Der Beweisantrag des Berufungsklägers auf Einver-
nahme der genannten Zeugen wird daher abgewiesen.
5.
Der Berufungskläger macht zunächst geltend, im vorliegenden Fall
sei der Strafantrag zu spät gestellt worden. Der Bezirksgerichtsausschuss sei vor
dem Hintergrund der Beweislage zu Recht davon ausgegangen, dass Y. keine
schwere Körperverletzung im Sinne von Art. 122 StGB erlitten habe, so dass ein
Offizialdelikt nicht zur Diskussion stehe. Vorliegend könne einzig dem Polizeirap-
port entnommen werden, dass die vom Rechtsvertreter der Geschädigten einge-
reichte Strafanzeige beziehungsweise der entsprechende Strafantrag den Post-
stempel vom 23. Mai 2005 enthalten solle. Der dazugehörige Briefumschlag fehle
jedoch in den Akten. Es werde daher weiterhin mit Nichtwissen bestritten, ob die
3-monatige Antragsfrist eingehalten worden sei. Der Nachweis der Rechtzeitigkeit
des Strafantrags lasse sich aufgrund der aktuellen Aktenlage nicht führen, so dass
ein Freispruch schon deshalb zu erfolgen habe.
Wie die Vorinstanz zutreffend ausführt, lief die Frist für die Einreichung des
Strafantrages bis zum 24. Mai 2005, weil der erste Tag, der die Frist auslöst, bei
deren Berechnung nicht mitgezählt wird. Der Strafantrag des Rechtsvertreters der
Geschädigten datiert vom 23. Mai 2005 (act. 3.6). Im Polizeirapport (act. 3.1) wird
ausdrücklich festgehalten, dass die Strafanzeige wegen fahrlässiger Körperverlet-
zung gegen X. mittels eines eingeschriebenen Briefes, Poststempel vom 23. Mai
2005, am 24. Mai 2005 beim Polizeiposten N. einging. Auch unter dem Vermerk
„Angetroffene Situation“ im Polizeirapport hält der zuständige Sachbearbeiter fest,
dass die Kantonspolizei bis zum Eingang der Strafanzeige vom 24. Mai 2005 kei-
ne Kenntnisse über den Vorfall hatte. Eine weitere Nennung des (gleichlautenden)
Anzeigedatums erfolgte zudem bei den allgemeinen Angaben zum erhobenen
Fall. Ein Irrtum über das Eingangsdatum ist damit ausgeschlossen. Was den Be-
weiswert des Polizeirapports betrifft, so hat der Kantonsgerichtsausschuss in PKG
2004 Nr. 14 festgehalten, dass der Inhalt eines Rapports bei der Beweiswürdigung
berücksichtigt werden kann, soweit er mit den Angaben des Angeklagten und/oder
den Akten übereinstimmt und Ermittlungsergebnisse festhält, welche auf eigenen
Feststellungen beruhen und allenfalls verifizierbar sind. Im vorliegenden Fall
stimmen die Angaben im Polizeirapport mit der Datumsangabe in der fraglichen
Strafanzeige überein. Der Polizeirapport basiert zudem auf den Feststellungen
8
des zuständigen Sachbearbeiters, welcher sämtliche erforderlichen Angaben zum
Eingang der Strafanzeige (Eingangsdatum, zuständige Dienststelle, zuständiger
Sachbearbeiter) aufgeführt hat. Es bestehen mit anderen Worten keine Anhalts-
punkte dafür, dass die Strafanzeige entgegen diesen Angaben erst einen Tag spä-
ter bei der Kantonspolizei eingereicht wurde. Der Berufungskläger bringt denn
auch keinerlei Beweise vor, welche eine spätere Einreichung der Anzeige belegen
würden. Somit steht aufgrund der Aktenlage fest, dass die Antragsfrist im vorlie-
genden Fall eingehalten wurde, die Strafanzeige somit rechtzeitig eingereicht wur-
de.
6.
Der Bezirksgerichtsausschuss Plessur ist den Anträgen der Staats-
anwaltschaft gefolgt und hat X. mit Urteil vom 19. Februar 2008 der fahrlässigen
Körperverletzung im Sinne von Art. 125 Abs. 1 StGB schuldig gesprochen. Zur
Begründung führte die Vorinstanz aus, es könne zwar nicht rechtsgenügend
nachgewiesen werden, wie sich der Skiunfall abgespielt habe. Es stehe jedoch
fest, dass X. mit seiner Fahrweise gegen die FIS-Regel Nr. 2 im Besonderen und
die FIS-Regel Nr. 1 im Allgemeinen verstossen habe. Infolge seines pflichtwidri-
gen Verhaltens er ist gemäss den Ausführungen der Vorinstanz nicht auf Sicht-
weite gefahren sei es zur Kollision mit Y. gekommen, welche sich dabei verletzt
habe. Dabei habe X. zumindest die Möglichkeit der Verletzung von anderen Ski-
fahrern auf der Piste als Folge seines pflichtwidrigen Verhaltens voraussehen
können. Hätte er seine Fahrweise den Verhältnissen angepasst und den Vorgän-
gen auf der Piste genügend Aufmerksamkeit geschenkt, hätte er also seine Sorg-
faltspflichten wahrgenommen und sich entsprechend den FIS-Regeln verhalten,
so wären der Zusammenprall mit Y. und die daraus resultierenden Verletzungen
mit grosser Wahrscheinlichkeit zu vermeiden gewesen. X. müsse sich demzufolge
vorwerfen lassen, dass er die nach den Umständen und seinen persönlichen Ver-
hältnissen erforderliche Vorsicht pflichtwidrig nicht beachtet und dadurch Y. fahr-
lässig am Körper geschädigt habe. Er habe sich demnach mit seinem Verhalten
der fahrlässigen Körperverletzung gemäss Art. 125 Abs. 1 aStGB schuldig ge-
macht.
Unbestritten ist, dass es am 24. Februar 2005 auf der D.-Piste im Skigebiet
E. in F. zu einem Zusammenstoss zwischen Y. und dem Berufungskläger gekom-
men ist, wobei erstere Schulterverletzungen, Kontusionen der Nackenwirbel sowie
Prellungen der rechten Gesichtshälfte erlitten hat. Der Berufungskläger bestreitet
jedoch die Darstellung des Unfallhergangs im angefochtenen Entscheid. Zur Be-
gründung beruft er sich insbesondere auf den aus Art. 32 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff.
2 EMRK fliessenden Grundsatz „in dubio pro reo“. Der Bezirksgerichtsausschuss
9
Plessur räume ausdrücklich ein, dass sich der Unfallhergang beziehungsweise der
Ablauf des Skiunfalls nicht mehr rechtsgenüglich feststellen lasse. Gleichwohl lege
die Vorinstanz der Verurteilung eine Sachverhaltsvariante zugrunde, welche sich
beweismässig nicht rechtsgenüglich erhärten lasse. Es seien zahlreiche andere
Unfallabläufe denkbar, welche nicht zu einer strafrechtlich relevanten Tatbe-
standsmässigkeit zu Lasten des Berufungsklägers führen würden. So sei es ohne
weiteres möglich, dass X. die Sichtlinie schon einige Sekunden vor dem Losfahren
von Y. überquert habe und diese den Kontrollblick schlicht unterlassen nicht
entsprechend den Vorgaben der FIS-Regel Nr. 5 durchgeführt habe. In diesem in
Betracht zu ziehenden Fall hätte der Berufungskläger Y. nicht in seinem Blickfeld
gehabt. Ausgehend von diesem Sachverhalt könne ihm weder ein Verstoss gegen
die FIS-Verhaltensregeln noch eine Verletzung anderer Sorgfaltspflichten und da-
mit keinerlei strafrechtlich relevantes Fehlverhalten nachgewiesen werden.
7.
Entsprechend den Rügen des Berufungsklägers gilt es im folgenden
zu prüfen, ob die Vorinstanz zu Recht zur Überzeugung gelangt ist, dass X. den
ihm zur Last gelegten Tatbestand der fahrlässigen Körperverletzung im Sinne von
Art. 125 Abs. 1 StGB verwirklicht hat. Anlässlich dieser Prüfung ist eine Würdigung
der vorliegenden Beweismittel vorzunehmen und gestützt darauf zu beurteilen, ob
die Sachverhaltsdarstellung des Berufungsklägers der Staatsanwaltschaft
beziehungsweise der Vorinstanz überzeugend erscheint. Dabei hat das Gericht
nach Art. 144 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 125 Abs. 2 StPO auch im Berufungs-
verfahren nach freier Überzeugung zu entscheiden (vgl. auch Schmid, Strafpro-
zessrecht, 3. Aufl., Zürich 1997, N 286). Die Beweislast für die dem Angeklagten
zur Last gelegte Tat liegt grundsätzlich beim Staat (Padrutt, a.a.O., S. 306, Ziff. 2).
An den Beweis sind hohe Anforderungen zu stellen. Verlangt wird mehr als eine
blosse Wahrscheinlichkeit, nicht aber ein absoluter Beweis der Täterschaft. Nach
der aus Art. 32 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 2 EMRK fliessenden Beweiswürdigungs-
regel „in dubio pro reo“ darf sich der Strafrichter jedoch nicht von der Existenz ei-
nes für den Angeklagten ungünstigen Sachverhaltes überzeugt erklären, wenn bei
objektiver Betrachtung Zweifel an den tatsächlichen Voraussetzungen für ein ver-
urteilendes Erkenntnis bestehen (BGE 124 IV E. 2a S. 87 f.). Bloss theoretische
und abstrakte Zweifel sind indessen nicht massgebend, weil solche immer möglich
sind und absolute Gewissheit nicht verlangt werden kann. Es muss sich vielmehr
um erhebliche, nicht zu unterdrückende Zweifel handeln, das heisst um solche, die
sich nach der objektiven Sachlage aufdrängen (BGE 127 I 38 E. 2a S. 40 f.). Auf-
gabe des Richters ist es, ohne Bindung an Beweisregeln die an sich möglichen
Zweifel zu überwinden und sich mit Überzeugung für einen bestimmten Sachver-
10
halt zu entscheiden, wobei die Bildung der Überzeugung objektivierund nachvoll-
ziehbar sein muss. Die Schuld des Angeklagten muss sich dabei auf vorgelegte
Beweise und Indizien stützen, die vernünftige Zweifel in ausschliesslicher Weise
zu beseitigen vermögen (vgl. PKG 1987 Nr. 12; Padrutt, a.a.O., S. 307; Schmid,
a.a.O., N 289). Diese allgemeine Rechtsregel kommt im Übrigen nicht schon dann
zur Anwendung, wenn Aussage gegen Aussage steht. Es ist vielmehr anhand
sämtlicher sich aus den Akten ergebenden Umstände zu untersuchen, ob die Dar-
stellung der Staatsanwaltschaft jene des Angeklagten den Richter zu über-
zeugen vermag. Erst wenn eine solche Überzeugung weder in die eine noch in die
andere Richtung zu gewinnen ist, muss gemäss dem Grundsatz „in dubio pro reo“
der für den Angeklagten günstigere Sachverhalt angenommen werden (PKG 1978
Nr. 31; Padrutt, a.a.O., S. 307).
8.
Zur Ermittlung des Sachverhalts ist auf die Aussagen der am Unfall
Beteiligten, die Zeugenaussagen und die übrigen Beweismittel abzustellen. Zu
den verschiedenen Beweismitteln ist auszuführen, dass der Grundsatz der freien
Beweiswürdigung eine Rangordnung verbietet. Insbesondere sind die Aussagen
von Zeugen, Auskunftspersonen und Angeschuldigten voll gültige Beweismittel mit
derselben Beweiseignung. Bei der Würdigung der Beweise ist weniger die Form,
sondern vielmehr der Gesamteindruck, dass heisst die Art und Weise der Bekun-
dung sowie die Überzeugungskraft entscheidend. Massgebend ist mit andern
Worten allein die Beweiskraft der konkreten Beweismittel im Einzelfall (Schmid,
a.a.O., N 290, S83 f.). Bei der Würdigung von Zeugenaussagen im Rahmen des
Gerichtsverfahrens steht nicht in erster Linie die Glaubwürdigkeit eines Zeugen,
sondern vielmehr die sachliche Glaubhaftigkeit seiner konkreten Aussage im Vor-
dergrund. Kennzeichen einer wahrheitsgetreuen Aussage bilden diesbezüglich die
innere Geschlossenheit und Folgerichtigkeit in der Darstellung des Geschehens
sowie die konkrete und anschauliche Wiedergabe des Erlebten. Als weiteres Indiz
für die Richtigkeit der Deposition gilt die Schilderung des Vorfalles in so charakte-
ristischer Weise, wie sie nur von demjenigen zu erwarten ist, der den Vorfall selbst
erlebt hat. Bei wahrheitswidrigen Bekundungen fehlen diese Kennzeichen regel-
mässig. Indizien für bewusst unbewusst falsche Aussagen sind Unstimmig-
keiten grobe Widersprüche in den eigenen Darlegungen, Zurücknahme, un-
klare, verschwommene ausweichende Antworten und gleichförmige, eingeübt
wirkende Aussagen. Die Richtigkeit einer Deposition muss alsdann auf ihre Über-
einstimmung mit den Lebenserfahrungen und dem Ergebnis der übrigen Beweis-
erhebungen geprüft werden (vgl. zum Ganzen Robert Hauser, Der Zeugenbeweis
im Strafprozess mit Berücksichtigung des Zivilprozesses, Zürich 1974, S. 311 mit
11
Hinweisen; Arntzen/Michaelis-Arntzen, Psychologie der Zeugenaussage, System
der Glaubwürdigkeitsmerkmale, 3. Aufl., München 1993, S. 15 ff.).
a)
Was den genauen Unfallhergang betrifft, stimmt die Darstellung des
Berufungsklägers mit derjenigen der Zeugen nicht in allen Punkten überein. Es ist
daher anhand der einzelnen Aussagen zu prüfen, welche Sachverhaltsdarstellung
im Einzelnen zu überzeugen vermag.
aa)
Zunächst stellt sich die Frage, ob Y. nach dem eingelegten Halt erst
wieder am Anfahren war, ob sie bereits mehrere Schwünge absolviert hatte,
als es zum Zusammenstoss mit X. kam. Dazu äusserte sich C. in seiner ersten
Einvernahme (act. 4.2) wie folgt: Er sei im unteren Bereich des G., von oben her
gesehen, am rechten Pistenrand stehengeblieben. Y. habe indessen am linken
Pistenrand angehalten. Er habe ihr noch mit Handzeichen den Weg gezeigt. Dann
habe er gesehen, wie sie vom Pistenrand weggefahren sei. Sie sei mit ihrem
Snowboard schwingend, vertikal zum Pistengelände, die Piste hinuntergefahren.
Etwa nach 50 Metern, sie sei vielleicht 10-15 Sekunden am Fahren gewesen, sei
von oben ein Skicarver angefahren gekommen. Seine Cousine habe inmitten der
Piste einen kleinen Rechtsschwung gemacht, wobei sie in diesem Moment den
Blick talwärts gerichtet hatte beziehungsweise mit dem Rücken gegen den Hang
stand. Anlässlich seiner zweiten Befragung (act. 4.6) bestätigte C. nochmals, dass
Y. gemäss seiner eigenen Einschätzung vielleicht 50 70 Meter gefahren war,
bevor es zum Zusammenstoss gekommen sei. Sie habe dabei etwa 3-4 kurze
Schwünge gemacht. Demgegenüber führte X. in seiner Einvernahme (act. 4.4)
aus, er habe den Eindruck gehabt, als habe Y. ihre Fahrt gerade begonnen. Y.
selbst konnte sich nicht mehr daran erinnern, ob sie eine mehrere Kurven
gefahren war, als es zum Unfall kam (act. 4.5). Sie habe es so in Erinnerung, dass
sie kurz nach dem Wegfahren den Aufprall verspürt habe. Vielleicht sei sie aber
auch schon auf dem halben Weg zu ihrem Cousin gewesen als es zum Zusam-
menstoss kam. Ihren Standort zeichnete sie auf ihrer Skizze von oben gesehen -
in Übereinstimmung mit den Schilderungen von C. ganz am linken Pistenrand ein.
Sowohl aus dem Fotoblatt (act. 3.3) wie auch aus der Unfallskizze der Pistenpat-
rouilleurin L. (act. 3.4) geht hervor, dass sich der Zusammenstoss jedoch mitten
auf der Piste, somit entsprechend den Angaben von C. rund 50-70 Meter unter-
halb des Pistenrandes, von welchem aus Y. losgefahren war, ereignet hatte.
Demzufolge steht fest, dass die Startposition von Y. und die Kollisionsstelle ent-
sprechend den Aussagen von C. nicht unmittelbar nebeneinander lagen. Damit
vermag auch die Aussage des Berufungsklägers, wonach Y. beim Anfahren war,
nicht zu überzeugen. Vielmehr steht aufgrund der übereinstimmenden Aussagen
12
sowie der Skizzen und Fotodokumentation fest, dass Y. auf dem fraglichen Pis-
tenabschnitt bereits unterwegs war, als es zur Kollision kam.
ab) Weitere
Unklarheiten
bestehen hinsichtlich der Fahrtrichtung der am
Unfall beteiligten Personen. Dabei ist im Hinblick auf die Anwendung der FIS-
Regeln insbesondere von Bedeutung, welcher der beiden Kollisionsgegner von
hinten gekommen ist. Aufgrund der vorstehenden Erwägung steht fest, dass sich
Y. vom linken Pistenrand talwärts bewegte. Jedoch bestreitet der Berufungskläger
die Ausführungen des Zeugen C. (act. 4.2), wonach sich X. seiner Cousine von
oben her mit sehr grosser Geschwindigkeit genähert haben soll. Somit ist zu-
nächst auf die Sachverhaltsdarstellung von X. selbst anlässlich seiner Einvernah-
me vom 6. März 2006 (act. 4.4) näher einzugehen. Er gab zu Protokoll, dass er
mit seinem Bekannten M. die besagte Piste hinuntergefahren sei. Da er ein relativ
schlechter Skifahrer sei, sei M. wie üblich vorangefahren und habe auf ihn gewar-
tet. Er sei ihm dann gefolgt. Plötzlich habe er von links kommend eine Snowboar-
derin bemerkt. Er habe sie erst im letzten Moment wahrgenommen. Er habe über-
haupt nichts mehr machen können, insbesondere nicht mehr nach rechts auswei-
chen, und sei ihr in die Seite gefahren. Seine Bemühung, mit einem Rechts-
schwung um sie herumzukommen, sei aussichtslos gewesen, weil sie sich auch in
seine Richtung bewegt habe. Aufgrund dieser Aussage kann somit davon ausge-
gangen werden, dass Y. aus der Sicht von X. von links angefahren kam und tal-
wärts weiterfuhr, während X. seinerseits aus dem G. kommend geradeaus (vgl.
hierzu auch die übereinstimmende Aussage von M. in act. 4.8) den Hang hinunter-
fuhr. Wie im Gutachten der Arbeitsgruppe für Unfallmechanik vom 18. Juni 2007
(act. 3.10) ausgeführt wird, stehen Snowboarder seitlich auf dem Brett. Dies be-
deutet, dass sie bezogen auf ihre Fahrtrichtung immer der einen Seite den Rücken
zuwenden. Da Y., wie dem Gutachten zu entnehmen ist, in der sogenannten
„Goofy-Position“, das heisst mit dem rechten Fuss voraus, und sich von links
kommend sodann talwärts bewegte, drehte sie somit der rechten Seite mehr
weniger den Rücken zu. Aufgrund der Aussage von X., er sei der Snowboarderin
in die Seite gefahren (act. 4.4), was insbesondere durch die von Y. erlittenen Ver-
letzungen an Schulter, Oberarm und Schlüsselbein rechts belegt wird, steht damit
fest, dass es X. war, der sich von oben herkommend Y. näherte. Die aufgezeigte
Sachverhaltsdarstellung deckt sich im Übrigen auch mit den Aussagen von L..
Diese gab nämlich zu Protokoll, X. habe gesagt, dass Y. in eine andere Richtung
nach links geschaut habe. Dann habe er vermutet, dass sie in diese Richtung
nach links fahren würde. Sie sei aber geradeaus nach unten gefahren. Somit
muss allein aufgrund der Ausführungen von X. davon ausgegangen werden, dass
13
er derjenige war, der von hinten angefahren kam. Diese Schlussfolgerung steht
auch im Einklang mit den Darlegungen von C., der im Verlaufe seiner beiden Ein-
vernahmen mehrfach darauf hinwies, dass X. von oben kommend in seine Cousi-
ne gefahren sei (act. 4.2 und 4.6). Auch die Unfallskizze, die L. kurze Zeit nach
dem Zusammenstoss anfertigte, und welche X. noch vor Ort mit seiner Anschrift
und seiner Telefonnummer versah, weist dasselbe Ergebnis auf. Somit bestehen
keine Zweifel daran, dass X. aus dem G. kommend, von hinten auf Y. auffuhr, wo-
bei er sie insbesondere an deren rechter Schulter und dem rechten Oberarm traf.
ac)
Ebenfalls entscheidrelevant ist in diesem Zusammenhang die Frage,
ob X. die von links kommende Y. überhaupt wahrnehmen konnte. Dabei ist wiede-
rum in erster Linie auf seine eigenen Aussagen abzustellen. So führte er aus (act.
4. 4), er habe plötzlich von links kommend eine Snowboarderin bemerkt, habe
aber überhaupt nichts mehr machen können. Auf Vorhalt der Zeugenaussagen
von L. und C., wonach er selbst zugegeben haben soll, die Snowboarderin über-
sehen zu haben, stellte er richtig, dass er die Snowboardfahrerin nicht übersehen,
sondern sie erst zu spät wahrgenommen habe. Aufgrund des Umstandes, dass X.
talwärts fuhr und von hinten kommend auf die sich links nähernde Y. auffuhr, steht
damit fest, dass er die Snowboarderin vor der Kollision in seinem Blickfeld hatte,
sie jedoch zu spät wahrnahm, um den Zusammenstoss noch zu verhindern. Dies
wird durch die Aussage von C. bestätigt, welcher noch beobachten konnte, wie
der Skifahrer seine Arme zum Eigenschutz vor seinen Oberkörper gehalten habe
und so dann auf seine Cousine aufgefahren sei. Auch der Gutachter führte aus
(act. 3.10), hinsichtlich der Blickfelder ergebe sich, dass X. Y. während den letzten
ca. 5-10 Sekunden vor der Kollision immer in seinem Blickfeld gehabt haben müs-
se, während Y. nur mit einer starken Kopfdrehung in der Lage gewesen wäre, X.
zu sehen. Somit muss aufgrund der vorliegenden Beweismittel davon ausgegan-
gen werden, dass sich Y. aufgrund der Fahrtrichtung von X. (von oben kommend)
durchaus in dessen Blickfeld befunden hatte.
ad)
Steht nach dem Gesagten fest, dass X. von oben her kommend auf
die Snowboarderin Y. auffuhr, obwohl sich diese in seinem Blickfeld befunden hat-
te, sind weitere (umstrittene) Einzelheiten über den Unfallhergang wie die von den
Kollisionsgegnern gefahrene Geschwindigkeit sowie deren Fahrkenntnisse wie
die nachfolgenden Erwägungen noch zeigen werden von untergeordneter Be-
deutung und vermögen keine Entlastung von X. zu bewirken. Daher kann offen
gelassen werden, ob die Ausführungen insbesondere von C. sowie des Gutach-
ters über Geschwindigkeit und Fahrkenntnisse von X. und Y. zutreffen.
14
b)
Der Berufungskläger macht des Weiteren geltend, Y. habe möglich-
erweise vergessen, vor dem Losfahren einen Kontrollblick bergwärts zu machen,
weshalb sie den herannahenden X. übersehen haben könnte. Diese Vermutung
steht in klarem Widerspruch zu den Depositionen von Y. und des Zeugen C.. Y.
führte in ihrer untersuchungsrichterlichen Einvernahme vom 21. April 2006 (act.
4.5) aus, was sich gemäss ihrer Erinnerung vor dem Unfall abgespielt hatte. Sie
habe die Piste in Begleitung ihres Cousins C. befahren. Sie habe sich am Pisten-
rand hingesetzt und die Piste überblickt. Dann habe sie zu ihrem Cousin hinunter-
fahren wollen. Sie sei auf dem Brett gestanden. Bevor sie losgefahren sei, habe
sie den Hang hinaufgeschaut, ob jemand herangefahren käme. Damit bestätigte
sie ausdrücklich, vor dem Anfahren einen Kontrollblick bergwärts gemacht zu ha-
ben. Auf die Frage hin, wie sie sich erklären könne, dass sie beim Losfahren nie-
manden gesehen hätte, der von oben herangefahren sei, antwortete sie, dass sie
vielleicht schon auf halbem Weg zu ihrem Cousin gewesen sei, als es zum Zu-
sammenstoss gekommen sei. Auch auf eine entsprechende Frage des Gegenan-
walts hin, bestätigte sie im Verlauf der Einvernahme, beim Kontrollblick nach oben
keinen Skifahrer gesehen zu haben, da sie sonst an dieser Stelle nicht losgefah-
ren wäre. Dass sie sich vor dem Wegfahren versichert hatte, dass sich kein ande-
rer Skifahrer von oben näherte, bestätigte auch der Cousin C. anlässlich seiner
polizeilichen Einvernahme vom 23. Juni 2005 (act. 4.2). Darin schilderte er gese-
hen zu haben, wie Y. vom linken Pistenrand weggefahren sei. Wie er habe be-
obachten können, habe sie vor der Wegfahrt noch bergwärts die Piste hochge-
schaut, ob weitere Alpinsportler herannahen würden. Dann sei sie mit ihrem
Snowboard schwingend, vertikal zum Pistengelände, die Piste hinuntergefahren.
Auch auf den Vorhalt hin, ob Y. nicht möglicherweise den Kontrollblick unterlassen
haben könnte, bestätigte er, gesehen zu haben, wie sie vor dem Wegfahren ihren
Blick bergwärts gerichtet hatte. Da X. sehr schnell angefahren gekommen sei,
müsse er davon ausgehen, dass dieser beim Zeitpunkt der Wegfahrt vom Pisten-
rand für seine Cousine gar nicht sichtbar gewesen sei. Zwar gab C. in seiner un-
tersuchungsrichterlichen Einvernahme zu Protokoll (act. 4.6), er könne nicht mit
Sicherheit sagen, ob seine Cousine beim Losfahren nach oben geblickt habe. Er
denke aber schon, dass sie nach oben geschaut habe. Diese Aussage steht sei-
ner früheren Deposition zwar nicht entgegen, relativiert diese jedoch, indem er
nicht mehr bestätigen konnte, ob der fragliche Kontrollblick tatsächlich erfolgt war.
Diese Inkonstanz der Aussage dürfte jedoch auf einem natürlichen Erinnerungs-
verlust beruhen, der keinen Anlass zu Zweifeln an der Glaubhaftigkeit seiner ers-
ten Aussage gibt, zumal die zweite Befragung erst rund 14 Monate nach dem Un-
fall stattfand, während die polizeiliche Einvernahme gerade einmal vier Monate
15
nach dem Ereignis durchgeführt wurde. Überdies gelangte auch der Gutachter
(act. 3.10) in Übereinstimmung mit der ersten Aussage von C. zum Ergebnis, dass
Y. den herannahenden X. trotz Kontrollblick nicht habe sehen können. Damit ver-
mag die Sachverhaltsdarstellung von Y. und von C. hinsichtlich des Kontrollblicks
in Gesamtwürdigung der vorliegenden Aussagen und übrigen Beweismittel zu
überzeugen. Die Äusserung des Berufungsklägers, wonach Y. den Kontrollblick
vor dem Anfahren möglicherweise vergessen hatte, ist als reine Schutzbehaup-
tung zu qualifizieren, die durch keinerlei Beweismittel gestützt wird.
9.
Einer fahrlässigen Körperverletzung gemäss Art. 125 Abs. 1 aStGB
macht sich schuldig, wer fahrlässig einen Menschen am Körper an der Ge-
sundheit schädigt. Fahrlässig begeht jemand eine Tat, wenn diese darauf zurück-
zuführen ist, dass der Täter die Folge seines Verhaltens aus pflichtwidriger Unvor-
sichtigkeit nicht bedacht darauf nicht Rücksicht genommen hat. Pflichtwidrig
ist die Unvorsichtigkeit, wenn der Täter sich vorwerfen lassen muss, die nach den
Umständen und seinen persönlichen Verhältnissen erforderliche Vorsicht nicht
beachtet zu haben (Art. 18 Abs. 3 aStGB). Mit anderen Worten muss der Täter mit
seinem Verhalten eine Sorgfaltspflicht verletzt haben. Dabei muss für den Täter
voraussehbar gewesen sein, dass durch sein sorgfaltswidriges Verhalten der tat-
bestandsmässige Erfolg eintreten könnte. Ausserdem ist zu fordern, dass er dies
durch pflichtgemässes Verhalten mit grosser Wahrscheinlichkeit hätte vermeiden
können (vgl. Rehberg, Strafrecht I, 6. Aufl., Zürich 1996, § 33, S. 295 ff.). Als
Rechtsquelle für das im Einzelfall gebotene Mass an Sorgfalt kommen neben ge-
setzlich festgelegten Sorgfaltspflichten unter anderem auch Richtlinien nichtstaat-
licher Organisationen, wie etwa im Bereich des Skisports die Verhaltensregeln des
Internationalen Skiverbandes, die sogenannten FIS-Regeln, zur Anwendung (vgl.
zum Ganzen Stiffler, Schweizerisches Schneesportrecht, 3. Auflage, Bern 2002,
§ 2, N. 30 ff. und Anhang I; BGE 122 IV 17 E. 2b/bb S. 20 f.).
a) Gemäss
FIS-Verhaltensregel
Nr. 3 muss der von hinten kommende
Skifahrer Snowboarder seine Fahrspur so wählen, dass er vor ihm fahrende
Skifahrer Snowboarder nicht gefährdet. Vorrang hat also der vorausfahrende
Skifahrer Snowboarder (vgl. Stiffler, a.a.O., § 2, N. 82, 83 mit Hinweisen).
Nach dem Gesagten steht fest, dass X. von oben respektive von hinten kommend
in die weiter vorne fahrende Y. hineingefahren ist. Letztere genoss mithin gegen-
über dem Berufungskläger den Vorrang auf der Piste. Dass Y. von links kommend
für X. überraschend ebenfalls talwärts weiterfuhr, währendem X. geradeaus zu
Tale fuhr, vermag am Vorrang der voranfahrenden Snowboarderin gegenüber
dem von hinten kommenden Skifahrer nichts zu ändern. Der Vorrang gilt nämlich
16
uneingeschränkt für alle Bewegungen des vorderen beziehungsweise gelände-
mässig gesehen unteren Skifahrers Snowboarders, ob dieser nun geradeaus
fahre, stemme, in weiten Bögen abschwinge, rutsche oder, was für den oberen
Skifahrer besonders überraschend sein kann, plötzlich stürze. Der vordere Fahrer
Boarder hat in jedem Falle Vorrang; der hintere muss auch damit rechnen,
dass der vordere infolge mangelnder Fahrtechnik nicht die erwartete Richtung ein-
schlägt und beispielsweise zu einem Linksschwung ansetzt, aber verkantet und
damit doch noch nach rechts weiterfährt. Dieser Grundsatz erfährt durch die im
Jahre 2002 geschaffene Ergänzung der FIS-Verhaltensregel 5 eine einzige Aus-
nahme: Der hintere Skifahrer und Snowboarder braucht nicht damit zu rechnen,
dass ihm der vordere plötzlich entgegenkommt, indem er hangaufwärts fährt
schwingt. Ansonsten hat der vordere Fahrer aber in jedem Fall Vorrang (vgl. Stiff-
ler, a.a.O., § 2, N. 83, 84, 101 f. mit Hinweisen). Indem X. von hinten kommend in
die weiter vorne fahrende Y. fuhr, hat er deren Vorrang missachtet. Er hat mit sei-
ner Fahrweise demzufolge die FIS-Verhaltensregel Nr. 3 verletzt.
b) Gemäss
FIS-Verhaltensregel
Nr. 2 muss jeder Skifahrer und Snow-
boarder auf Sicht fahren. Er muss während der Fahrt das Gelände und die andern
Personen ständig genau beobachten, um innerhalb der Sichtweite der vor ihm lie-
genden Strecke anhalten ausweichen zu können. Der Grundsatz des Fah-
rens auf Sicht gilt uneingeschränkt für offenes Gelände wie für Engnisse,
Schneisen und Waldwege. Skifahrer und Snowboarder müssen immer damit
rechnen, dass sie in unübersichtlichen Streckenabschnitten auf Hindernisse stos-
sen wie beispielsweise auf dem Boden sitzende gestürzte Abfahrtsbenutzer,
und ihre Geschwindigkeit so herabsetzen, dass sie anhalten an ihnen vorbei-
fahren können. Ein Skifahrer Snowboarder, der weder ausweichen noch an-
halten kann, hat einen drohenden Zusammenstoss notfalls dadurch zu verhindern,
dass er sich rechtzeitig in den Schnee wirft, beziehungsweise fallen lässt. Dieser
sogenannte Notsturz ist die letztmögliche Lösung, wenn die Fahrweise mit Ab-
schwingen und Bremsen versagt. Sie muss dem potentiellen Schädiger schon un-
ter dem psychologischen Gesichtspunkt zugemutet werden, dass er wirklich alles
unternimmt und eher sich als andere gefährdet allenfalls schädigt, um we-
nigstens die Wucht des Aufpralls zu vermindern. Zudem darf nicht übersehen
werden, dass sich Kollisionen häufig bei mässigen Geschwindigkeiten in Gelände-
und Schneeverhältnissen ereignen, wo ein Sich-Fallen-Lassen sofortiges Anhalten
bewirkt (Stiffler, a.a.O., § 2 N. 73 und 74).
Der Berufungskläger gab anlässlich seiner Einvernahme vom 6. März 2006
(act. 4.4) zu Protokoll, er sei seinem Bekannten M. gefolgt. Plötzlich habe er von
17
links kommend eine Snowboarderin bemerkt. Er habe sie erst im letzten Moment
wahrgenommen. Sein Bemühen, mit einem Rechtsschwung um sie herumzu-
kommen, sei aussichtslos gewesen, weil sie sich auch in seine Richtung bewegt
habe. Damit wird aufgrund seiner eigenen Angaben deutlich, dass X. seiner Um-
gebung nicht die Aufmerksamkeit geschenkt hat, die nötig gewesen wäre, um das
vor ihm liegende Gelände und die in diesem Bereich fahrende Y. genau beobach-
ten und der Snowboarderin ausweichen zu können. Obwohl er sie gemäss eige-
nen Aussagen noch vor dem Zusammenstoss erblickt hatte, war er nicht mehr in
der Lage, innerhalb der Sichtweite der vor ihm liegenden Strecke anhalten
ausweichen zu können. Dabei ist irrelevant, dass sich Y. von der linken Seite nä-
herte. Die FIS-Verhaltensregel Nr. 3 wird in der Lehre und Rechtsprechung dahin-
gehend ausgelegt, als sich die Verpflichtung des hinteren Fahrers, seine Fahrwei-
se auf den vorderen Fahrer Snowboarder einzurichten nicht nur auf den Be-
reich geradeaus vor ihm bezieht, sondern einen gewissen Seitenbereich nach
links und rechts umfasst, nämlich je etwa 45 Grad. Das Blickfeld des Skifahrers
beträgt damit rund 90 Grad (vgl. Stiffler, a.a.O., S. 25). Es ist ebenso selbstver-
ständlich, dass der Skifahrer während der Fahrt nicht das gesamte überblickbare,
oft weitflächige Gelände vor sich beobachten muss; das kann er gar nicht, weil er
seine besondere Aufmerksamkeit dem unmittelbaren Bereich vor sich zuwenden
muss, um nicht zu stürzen. Er muss aber doch einen so grossen Raum vor sich
beobachten, dass er bei auftretenden Kollisionsgefahren in der Lage ist, dem Hin-
dernis rechtzeitig auszuweichen vor diesem anzuhalten (vgl. M. Reinhardt,
Die strafrechtliche Bedeutung der FIS-Regeln, Diss., St. Gallen 1976, S. 153/154;
J. Pichler, Pisten, Paragraphen, Skiunfälle, Wien 1970, S. 50). Dies war bei X. je-
doch gerade nicht der Fall. Gemäss seinen eigenen Aussagen nahm er die sich
von links nähernde Snowboarderin erst im letzten Moment war, so dass er nicht
mehr in der Lage war, eine Kollision zu vermeiden. Damit steht fest, dass er dem
vor ihm liegenden Bereich nicht genügend Beachtung geschenkt hatte, ansonsten
er die Berufungsbeklagte früher bemerkt hätte. Er hat folglich mit seiner Fahrweise
die in FIS-Verhaltensregel Nr. 2 statuierte Pflicht zur Beobachtung der Vorgänge
auf der Piste verletzt.
c)
Nach dem Gesagten steht fest, dass der Berufungskläger Y. durch
seine Fahrweise geschädigt hat. Wie die Vorinstanz zutreffend ausführt, hat er mit
seinem Verhalten auch gegen den allgemein gültigen Grundsatz der FIS-Regel Nr.
1 verstossen, wonach jeder Skifahrer und Snowboarder sich so verhalten muss,
dass er keinen anderen gefährdet schädigt. Die FIS-Regel Nr. 1 enthält im
Gegensatz zu den übrigen FIS-Regeln keine Verhaltensanweisung. Entsprechend
18
kommt sie im Sinne eines Auffangtatbestands lediglich in Situationen, für die keine
bestimmte Regelung besteht, wie beispielsweise für Skifahrer und Snowboarder
auf gleicher Höhe etc., direkt zur Anwendung. Liegen aber, wie im vorliegenden
Fall, Verhältnisse vor, welche unter eine mehrere der konkreten FIS-
Verhaltensregeln subsumiert werden können, so kommt der FIS-Regel Nr. 1 keine
selbständige Bedeutung zu (vgl. zum Ganzen Stiffler, a.a.O., S. 18 f.).
d)
Zusammenfassend steht somit fest, dass X. mit seiner Fahrweise auf
der Skipiste gegen mehrere FIS-Verhaltensregeln verstossen hat. Infolge seines
pflichtwidrigen Verhaltens ist er mit Y. kollidiert und hat die Snowboarderin am
Körper verletzt. Dabei hat er zumindest die Möglichkeit der Verletzung von andern
Skifahrern und Snowboardern auf der Piste als Folge seines pflichtwidrigen Ver-
haltens voraussehen können. Hätte der Berufungskläger den Vorgängen auf der
Piste genügend Aufmerksamkeit geschenkt und seine Geschwindigkeit seinen
eigenen Fahrkenntnissen angepasst, hätte er also seine Sorgfaltspflichten wahr-
genommen und sich entsprechend den FIS-Regeln verhalten, so wären der Zu-
sammenprall mit der Berufungsbeklagten und die daraus resultierenden Verlet-
zungen der Snowboarderin mit grosser Wahrscheinlichkeit zu vermeiden gewe-
sen. X. muss sich demzufolge vorwerfen lassen, dass er die nach den Umständen
und seinen persönlichen Verhältnissen erforderliche Vorsicht pflichtwidrig nicht
beachtet und dadurch Y. fahrlässig am Körper geschädigt hat.
e)
Die Berufungsbeklagte zog sich durch den Zusammenprall mit X. ei-
nen Bruch des rechten Schultergelenks sowie einen Abriss diverser Bänder, Kon-
tusionen der Nackenwirbel und Prellungen der rechten Gesichtshälfte zu, wobei
mehrere Zähne beschädigt wurden. Wie aus den Akten hervorgeht, musste sich Y.
zwei Operationen an der Schulter unterziehen. Gemäss ihren Aussagen vom 21.
April 2006 (act. 4.5) habe sie während ca. sieben bis acht Monaten nicht gearbei-
tet. Auch zum damaligen Zeitpunkt litt sie nach wie vor unter Nackenbeschwerden
und Schmerzen am Arm. Die Funktion des rechten Arms sei noch nicht vollständig
zurückgekehrt, weshalb sie in der Ausübung ihres Berufes weiterhin behindert sei.
Obwohl die Berufungsbeklagte auch rund 14 Monate nach dem Vorfall noch unter
Beschwerden an Nacken und Arm litt, ist davon auszugehen, dass vorliegend kei-
ne irreversible Beeinträchtigung der Gesundheit erfolgt ist. Zum einen lässt sich
dem Operationsbericht keine derartige Prognose entnehmen (act. 3.7.4), zum an-
deren war Y. bereits zum Zeitpunkt ihrer untersuchungsrichterlichen Einvernahme
wieder zu 70% arbeitsfähig. Damit ist die von ihr erlittene Verletzung aus rechtli-
cher Sicht als einfache Körperverletzung im Sinne von Art. 123 Ziff. 1 Abs. 1 StGB
19
zu qualifizieren. X. hat sich demnach mit seinem Verhalten der fahrlässigen Kör-
perverletzung gemäss Art. 125 Abs. 1 StGB schuldig gemacht.
10.
Ist der Schuldspruch des Bezirksgerichtsausschusses Plessur nach
dem Gesagten zu bestätigen, so bleibt im Folgenden das auferlegte Strafmass zu
überprüfen. Dabei ist zu beachten, dass der Kantonsgerichtsausschuss bei der
Überprüfung der vorinstanzlichen Strafzumessung sein Ermessen an die Stelle
desjenigen der Vorinstanz setzt und die Regeln über die Strafzumessung selbst-
ständig anwendet (Art. 146 Abs. 1 StPO).
a)
Der Berufungskläger hat die vorliegend zu beurteilende strafbare
Handlung am 24. Februar 2005 und damit noch vor Inkrafttreten der revidierten
Bestimmungen des Allgemeinen Teils des Strafgesetzbuches am 1. Januar 2007
begangen. Seine Beurteilung hat mithin gemäss Art. 2 Abs. 2 StGB nach dem für
ihn milderen Recht zu erfolgen (Art. 2 Abs. 2 StGB, lex mitior). Wie die Vorinstanz
zutreffend festgestellt hat, sieht Art. 125 Abs. 1 nStGB vor, dass Widerhandlungen
gegen diese Bestimmung mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren einer
Geldstrafe bestraft werden, währenddem bei Anwendung des alten Rechts ledig-
lich Gefängnis Busse ausgesprochen werden kann. Damit erweist sich das
alte Recht im konkreten Fall als das mildere, weshalb somit die Strafandrohung
gemäss Art. 125 Abs. 1 aStGB heranzuziehen ist.
b)
Bei der Überprüfung der vorinstanzlichen Strafzumessung setzt der
Kantonsgerichtsausschuss sein Ermessen anstelle desjenigen der Vorinstanz und
wendet die Regeln über die Strafzumessung selbständig an. Bei der Strafzumes-
sung hat der Richter gemäss Art. 63 aStGB vom Verschulden des Täters auszu-
gehen und insbesondere die Beweggründe, das Vorleben und die persönlichen
Verhältnisse zu berücksichtigen. Das Verschulden umfasst den gesamten Un-
rechtsund Schuldgehalt der konkreten Straftat. Der Bemessung der Schuld ist
die Schwere der Tat zugrunde zu legen. Weiter unterscheidet man beim Verschul-
den Tatund Täterkomponente. Bei der Tatkomponente betrachtet man das Aus-
mass des verschuldeten Erfolges, die Willensrichtung, mit welcher der Täter han-
delte, und seine Beweggründe. Die Täterkomponente hingegen umfasst Vorleben
und persönliche Verhältnisse des Täters sowie das Verhalten nach der Tat
im Strafverfahren, wie zum Beispiel Reue, Einsicht Strafempfindlichkeit (BGE
117 IV 112 ff. mit Hinweisen). Diese in die Waagschale gelegten Elemente wirken
strafmindernd straferhöhend, wobei in der Begründung der Strafzumessung
die Überlegungen des Richters nachvollziehbar sein müssen. Liegen keine Straf-
milderungsoder Strafschärfungsgründe vor, hat sich der Richter an den vom Ge-
20
setzgeber vorgesehenen Strafrahmen zu halten. Grundlage für die Strafzumes-
sung im vorliegenden Fall bildet der in Art. 125 Abs. 1 aStGB vorgesehene Straf-
rahmen von Gefängnis von drei Tagen bis zu drei Jahren Busse (Art. 36
aStGB). Wird eine Busse ausgesprochen und bestimmt das Gesetz es nicht an-
ders, so beträgt der Höchstbetrag der Busse Fr. 40'000.-- (Art. 48 Ziff. 1 Abs. 1
aStGB). Art. 48 Ziff. 2 Abs. 1 aStGB schreibt dem Richter vor, den Betrag einer
Busse je nach den Verhältnissen des Täters so zu bestimmen, dass dieser durch
die Einbusse die Strafe erleidet, die seinem Verschulden angemessen ist. Dabei
sind für die Verhältnisse des Täters namentlich sein Einkommen und sein Vermö-
gen, sein Familienstand und seine Familienpflichten, sein Beruf und Erwerb, sein
Alter und seine Gesundheit von Bedeutung (vgl. Art. 48 Ziff. 2 aStGB).
Das Verschulden von X. wiegt, auch wenn von einer fahrlässigen Tatbege-
hung auszugehen ist, nicht leicht, hat er doch mit seiner Fahrweise die ihm oblie-
genden Sorgfaltspflichten verletzt, wodurch eine andere Person zu Schaden ge-
kommen ist. Obschon er sich über seine eigenen Fahrkenntnisse im Klaren sein
musste, unterliess er es, seine Geschwindigkeit entsprechend anzupassen, um,
falls nötig, auf Sichtweite anhalten zu können. Strafmindernd ist dem Berufungs-
kläger sein vorstrafenfreies Vorleben anzurechnen. Demgegenüber kann er auf-
grund der Tatsache, dass er bis heute nicht einsehen will, dass er seine Sorgfalts-
pflichten verletzt und dadurch die Kollision mit Y. verursacht hat, nicht mit beson-
derer Milde rechnen. Strafschärfungsund Strafmilderungsgründe liegen keine
vor. Gemäss seinen eigenen Angaben beträgt sein monatliches Nettoeinkommen
EUR 700.--. Daneben habe er Unterhaltsverpflichtungen gegenüber einem Kind in
Höhe von EUR 127.-pro Monat. Er verfüge weder über ein grösseres Vermögen,
noch habe er nennenswerte Schulden. In Anbetracht der finanziellen Verhältnisse
des Berufungsklägers sowie unter Berücksichtigung der konkreten Umstände und
sämtlicher Strafzumessungsgründe erscheint die von der Vorinstanz ausgespro-
chene Busse von Fr. 800.-als dem Verschulden von X. angemessen. Die vo-
rinstanzliche Strafzumessung ist damit nicht zu beanstanden.
11.
Der Berufungskläger beantragt mit dem eingelegten Rechtsmittel die
Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils sowie seinen Freispruch. Des Weiteren
seien die Kosten des Verfahrens auf die Staatskasse zu nehmen und ihm für die
Verteidigungsaufwendungen im vorinstanzlichen Verfahren eine Parteientschädi-
gung in Höhe von Fr. 14'095.-- und für die Aufwendungen im Berufungsverfahren
eine solche in Höhe von Fr. 6'000.-zuzusprechen. Im Ergebnis steht jedoch fest,
dass das angefochtene Urteil sowohl in Bezug auf den Schuldspruch als auch hin-
sichtlich der Strafzumessung und der übrigen Punkte zu bestätigen ist. Die Rügen
21
von X. erweisen sich mithin als unbegründet, weshalb die Berufung vollumfänglich
abzuweisen ist.
12.
Der Vollständigkeit halber sei an dieser Stelle erwähnt, dass Y. in ih-
rem Strafantrag vom 23. Mai 2005 (act. 3.6) beantragte, es sei in Anwendung von
Art. 9 Abs. 3 OHG festzustellen, dass der Angeschuldigte der Strafantragstellerin
für die Folgen aus dem Unfallereignis vom 24. Februar 2005 vollumfänglich er-
satzpflichtig sei. In ihrer Stellungnahme zur Schlussverfügung vom 2. Juli 2007
(act. 1.44) kam sie auf ihr Feststellungsbegehren vom 23. Mai 2005 zurück und
führte auf, im Strafverfahren darauf zu verzichten, zivilrechtliche Forderungen ge-
genüber dem Angeschuldigten geltend zu machen. Es bleibe diesbezüglich bei
den Anträgen, wie sie sie in ihrem Brief vom 23. Mai 2005 gestellt habe. Weil das
sozialversicherungsrechtliche Verfahren noch immer pendent sei, liessen sich die
Zivilansprüche ziffernmässig noch nicht bestimmen. Sie werde ihre diesbezügli-
chen Forderungen nach Beendigung des UVG-Verfahrens bei der Haftpflichtversi-
cherung des Angeschuldigten geltend machen. Die Vorinstanz unterliess es, die-
sen Antrag im Rahmen des Gerichtsverfahrens zu behandeln. Da jedoch Y. gegen
das vorinstanzliche Urteil selbst kein Rechtsmittel ergriff, ist auf diesen Punkt im
vorliegenden Verfahren nicht näher einzugehen.
13.
Erweist sich das vorinstanzliche Urteil als rechtmässig und ist die Be-
rufung abzuweisen, so sind die Kosten des Berufungsverfahrens gemäss Art. 160
Abs. 1 StPO dem Berufungskläger aufzuerlegen.
22
Demnach erkennt der Kantonsgerichtsausschuss :
1.
Die Berufung wird abgewiesen.
2.
Die Kosten des Berufungsverfahrens von Fr. 2'500.-gehen zu Lasten des
Berufungsklägers.
3.
Gegen diese Entscheidung kann gemäss Art. 78 des Bundesgerichtsgeset-
zes (BGG) Beschwerde in Strafsachen an das Schweizerische Bundesge-
richt geführt werden. Diese ist dem Bundesgericht schriftlich, innert 30 Ta-
gen seit Eröffnung der vollständigen Ausfertigung der Entscheidung in der
gemäss Art. 42 f. BGG vorgeschriebenen Weise einzureichen. Für die Zu-
lässigkeit, die Beschwerdelegitimation, die weiteren Voraussetzungen und
das Verfahren der Beschwerde gelten die Art. 29 ff., 78 ff. und 90 ff. BGG.
4. Mitteilung
an:
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
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