Der Berufungskläger X wurde wegen verschiedener Vergehen schuldig gesprochen und mit einer Geldstrafe und Gefängnis belegt. Nachdem er die Geldstrafe und Verfahrenskosten nicht bezahlt hatte, wurde ein Betreibungsverfahren eingeleitet. Trotz Ratenzahlungsvereinbarung wurde die Geldstrafe in Haft umgewandelt. X legte Berufung ein und argumentierte, dass er Zahlungen geleistet habe. Das Gericht entschied, dass X die Geldstrafe vollständig bezahlt hat und hob die Umwandlung in Haft auf. Die Kosten des Berufungsverfahrens wurden X auferlegt.
Urteilsdetails des Kantongerichts SB-06-38
Kanton: | GR |
Fallnummer: | SB-06-38 |
Instanz: | Kantonsgericht Graubünden |
Abteilung: | - |
Datum: | 27.11.2006 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Umwandlung von Busse in Haft |
Schlagwörter : | Busse; Zahlung; Berufung; Trins; Berufungskläger; Umwandlung; Kantons; Schuld; Kantonsgericht; Kantonsgerichtsausschuss; Zahlungen; Raten; Entscheid; Kreisamt; Betreibung; Ratenzahlung; Kreispräsident; Staat; Graubünden; Kreispräsidenten; Umwandlungsentscheid; Verfahren; Mandat; Forderung; Umständen; Verfahrens; Beschluss; Vizepräsident |
Rechtsnorm: | Art. 141 StPO ;Art. 142 StPO ;Art. 49 StGB ; |
Referenz BGE: | 130 I 169; |
Kommentar: | - |
Entscheid des Kantongerichts SB-06-38
Kantonsgericht von Graubünden
Tribunale cantonale dei Grigioni
Dretgira chantunala dal Grischun
_____
Ref.:
Chur, 27. November 2006
Schriftlich mitgeteilt am:
SB 06 38
(nicht mündlich eröffnet)
Beschluss
Kantonsgerichtsausschuss
Vorsitz Vizepräsident
Schlenker
RichterInnen Vital und Hubert
Aktuar ad hoc
Hartmann
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In der strafrechtlichen Berufung
des X., Berufungskläger,
gegen
den Entscheid des Kreispräsidenten Trins vom 12. Oktober 2006, in Sachen des
Berufungsklägers,
betreffend Umwandlung von Busse in Haft,
hat sich ergeben:
2
A.
Mit Strafmandat des Kreispräsidenten Trins vom 25. Juni 2004 wurde
X. wegen der Vereitelung einer Blutprobe, der Verletzung von Verkehrsregeln, des
pflichtwidrigen Verhaltens bei Unfall sowie der mehrfachen Widerhandlung gegen
Art. 19a Ziff. 1 BetmG schuldig gesprochen. Dafür wurde er mit 15 Tagen Gefäng-
nis bei einer Probezeit von zwei Jahren und Fr. 600.-- Busse bestraft. Die Verfah-
renskosten von Fr. 1109.80 gingen zu Lasten von X.. Gegen das Strafmandat
wurde keine Einsprache erhoben.
B.
Mit dem Strafmandat wurde X. aufgefordert die Busse und die Ver-
fahrenskosten innert 60 Tagen an die Kreiskasse Trins zu zahlen. Nachdem X.
trotz diverser Mahnungen den Rechnungsbetrag von Fr. 1709.80 nicht beglichen
hatte, leitete das Kreisamt Trins am 30. November 2004 das Betreibungsverfahren
gegen X. ein. Dementsprechend wurde X. mit Zahlungsbefehl Nr. 2041573 des
Betreibungsamtes Trins für den Betrag von Fr. 1709.80 nebst 5% Zins seit dem
26. August 2004 und Mahnspesen von Fr. 30.-betrieben. Die Betreibung wurde,
da kein Rechtsvorschlag erhoben worden war, auf Begehren des Kreisamtes Trins
vom 7. März 2005 hin fortgesetzt. Beim Schuldner konnte in der Folge kein pfänd-
bares Vermögen festgestellt und kein zukünftiger Lohn gepfändet werden, wes-
halb das Betreibungsamt Trins am 28. Februar 2006 einen Verlustschein in der
Höhe von Fr. 2’066.95 (Forderung zzgl. Zinsen + Kosten) ausstellte.
C.
Mit Schreiben des Kreisamtes Trins vom 14. März 2006 wurde X. die
Umwandlung der Busse in Haft gemäss Art. 49 Ziff. 3 StGB angedroht, sollte er
nicht bis spätestens am 31. März 2006 sämtliche Schulden begleichen.
Mit undatiertem Schreiben bot X. dem Kreisamt Trins zur Tilgung seiner
Schulden Ratenzahlung von Fr. 50.-pro Monat an. Diesem Gesuch wurde mit
Schreiben vom 4. April 2006 insofern entsprochen, als die Ratenzahlung zwar ge-
währt wurde, jedoch zu monatlichen Raten von Fr. 100.--.
D.
Der Kreispräsident Trins erkannte mit Umwandlungsentscheid vom
12. Oktober 2006, wie folgt:
"1. Die am 25. Juni 2004 ausgesprochene Busse von Fr. 600.00 wird in
20 Tage Haft umgewandelt.
2.
Die Kosten des Strafvollzuges gehen zu Lasten des Staates.
3. Das Justiz-, Polizeiund Sanitätsdepartement des Kantons Graubün-
den wird um Vollzug der Haftstrafe ersucht.
4. (Rechtsmittelbelehrung)
3
5. (Mitteilung)"
Begründet wurde der Entscheid damit, dass bislang keine Ratenzahlungen
erfolgt seien.
E.
Gegen diesen Entscheid reichte X. am 31. Oktober 2006 Berufung
an den Kantonsgerichtsausschuss von Graubünden ein. Er machte im Wesentli-
chen geltend, er habe bereits am 19. Mai 2006 Fr. 200.-bezahlt. Weitere Zahlun-
gen seien ihm zunächst nicht möglich gewesen. Allerdings habe er jetzt einen Pri-
vatkredit über Fr. 400.-aufgenommen und diese umgehend dem Kreisamt Trins
einbezahlt. Hiezu verwies der Berufungskläger jeweils auf die beigelegten Emp-
fangscheine. Zudem sei er darum bemüht, die Verfahrenskosten auch noch in Ra-
ten zu begleichen.
F.
Mit Vernehmlassung vom 8. November 2006 beantragte das Krei-
samt Trins sinngemäss die Abweisung der Berufung. Zur Begründung wurde an-
geführt, dass der Berufungskläger trotz Mahnung, Betreibung und Ausstellung ei-
nes Verlustscheins keine Zahlung an diese Forderung geleistet habe. Er habe erst
auf Androhung der Umwandlung der Busse in Haft reagiert und in der Folge auch
Fr. 200.-geleistet. Diese Zahlung sei an die Gesamtforderung angerechnet wor-
den. Nachdem jedoch keine weiteren Zahlungen eingegangen seien, habe man
den Umwandlungsentscheid erlassen. Dabei sei die Busse in vollem Umfang be-
rechnet worden, weil man die geleistete Zahlung an die aufgelaufenen Kosten an-
gerechnet habe. Die zwischenzeitlich geleistete Zahlung von Fr. 400.-könne an
die offene Busse angerechnet werden.
Die Staatsanwaltschaft Graubünden verzichtete auf die Einreichung einer
Vernehmlassung.
Auf die weiteren Ausführungen der Parteien in den Rechtsschriften wird,
soweit erforderlich, in den Erwägungen eingegangen.
Der Kantonsgerichtsausschuss zieht in Erwägung :
1.
Gegen Verfügungen der Kreispräsidenten kann der Verurteilte beim
Kantonsgerichtsausschuss Berufung erheben (Art. 141 Abs. 1 StPO). Diese ist
innert zwanzig Tagen seit der schriftlichen Eröffnung des angefochtenen Ent-
scheides einzureichen. Sie ist zu begründen und hat darzutun, welche Mängel des
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erstinstanzlichen Entscheides gerügt werden und ob das ganze Urteil ledig-
lich Teile davon angefochten werden (Art. 142 Abs. 2 StPO). Diesen Anforderun-
gen vermag die fristund formgerecht eingereichte Berufung des Berufungsklä-
gers zu genügen, weshalb darauf einzutreten ist.
2.
Im vorliegenden Fall bestreitet der Berufungskläger, dass er den vom
Kreispräsidenten Trins in Haft umgewandelten Bussenbetrag von Fr. 600.-- noch
schuldig sei. Es ist daher im Folgenden zu prüfen, ob die erfolgten Zahlungen an
die ausstehende Busse anzurechnen sind; mithin, ob der Berufungskläger die in
Haft umgewandelte Busse tatsächlich bezahlt hat, was deren Umwandlung in Haft
selbstverständlich ausschliessen würde.
3. a) Privatpersonen, die dem Staat neben einer Busse noch weitere Be-
träge, die auf anderen Rechtsgründen beruhen, schuldig sind, haben grundsätz-
lich einen Anspruch darauf, dass die von ihnen geleisteten Zahlungen in erster
Linie an die ausstehende Busse angerechnet werden. Dies muss jedenfalls so
lange gelten, als nicht aus einer vom Schuldner angebrachten Bezeichnung
aus anderen Umständen hervorgeht, dass die Zahlung für eine bestimmte Schuld
verwendet werden soll (vgl. KGA SB 01 69). Demgemäss kann jemand, der dem
Staat mehrere Beträge schuldet, bestimmen, auf welche Schuld seine Zahlungen
angerechnet werden sollen, beziehungsweise kann es sich aus den Umständen
ergeben, dass die Zahlung auf eine bestimmte andere Schuld anzurechnen ist.
Daraus folgt aber auch, dass kein Wahlrecht des Staates darüber besteht, auf
welche Schuld eine Zahlung angerechnet wird. Eine andere Auffassung hätte
nämlich zur Folge, dass die allein für den Fall der Nichtbezahlung der Busse zu-
lässige Haft auch als Exekutionsmittel für die Eintreibung anderer öffentlichrechtli-
cher Forderungen verwendet werden könnte. Das Bundesgericht hat deshalb be-
reits in einem Entscheid aus dem Jahre 1887 festgehalten und seither in konstan-
ter Rechtssprechung bestätigt, dass die einseitige Anrechnung einer auf eine Bus-
se geleisteten Zahlung an ausstehende Kosten Gebühren gegen das in Art.
59 Abs. 3 aBV verankerte Verbot des Schuldverhaft verstösst (BGE XIII Nr. 26, S.
167; BJM 1985, S. 237, mit Hinweisen). Heute leitet sich dieses Verbot aus den
Art. 7 und 10 Abs. 2 BV ab (BGE 130 I 169).
b)
Vorliegend ist erstellt, dass der Berufungskläger am 19. Mai 2006
insgesamt Fr. 200.-- und am 30. Oktober 2006 weitere Fr. 400.-einbezahlt hat.
Dabei ist klar und unbestritten, dass die zweite Zahlung über Fr. 400.-an die
Busse anzurechen ist. Nämliches muss nach dem oben Dargelegten aber auch für
5
die Zahlungen vom 19. Mai 2006 über insgesamt Fr. 200.-gelten, zumal primär
ein Anspruch auf Anrechnung von Zahlungen an die ausstehende Busse besteht
und sich in den Akten auch keine Anhaltspunkte für eine explizite konkluden-
te Zustimmung des Berufungsklägers zu einer Verwendung dieser Zahlungen für
die aufgelaufenen Verfahrenskosten finden. Im Gegenteil ist in Nachachtung sei-
nes Ratenzahlungsgesuches vielmehr davon auszugehen, dass er mit der Zah-
lung von Fr. 200.-zumindest teilweise die Busse bezahlen wollte, um nicht in Ge-
fahr zu laufen, dass diese in Haft umgewandelt wird. In dieses Bild passt auch der
Umstand, dass der Berufungskläger erst auf Androhung der Umwandlung leistete,
bzw. zunächst das Gesuch um Ratenzahlung gestellt hatte.
Abgesehen davon haftet einer Zahlung während des Verfahrens wohl im-
mer die konkludente Erklärung an, damit die Busse bezahlen zu wollen.
4.
Somit bleibt festzuhalten, dass X. mit Einzahlung vom 19. Mai 2006
Fr. 200.-an die Busse bezahlt hat und mit derjenigen vom 30. Oktober 2006 den
noch ausstehenden Betrag von Fr. 400.-bezahlte, mithin hat er während hängi-
gem Rechtsmittelverfahren vor Kantonsgerichtsausschuss die Busse vollumfäng-
lich bezahlt. Aus diesem Grund ist der angefochtene Umwandlungsentscheid auf-
zuheben und das Verfahren als gegenstandslos geworden abzuschreiben. Es
rechtfertigt sich aber unter diesen Umständen, X. die Kosten des Berufungsverfah-
rens von Fr. 200.-aufzuerlegen, hat er doch Fr. 400.-erst während der Rechts-
mittelfrist bezahlt und somit die Kosten des vorliegenden Beschlusses verursacht
(vgl. Reto Bernhard, Der Bussenvollzug gemäss Art. 49 StGB, Diss. Zürich 1982,
S. 103 und S. 104).
6
Demnach beschliesst der Kantonsgerichtsausschuss :
1.
Der angefochtene Umwandlungsentscheid wird aufgehoben und das Ver-
fahren wird als gegenstandslos geworden abgeschrieben.
2.
Die Kosten des Berufungsverfahrens von Fr. 200.-gehen zu Lasten von
X..
3. Mitteilung
an:
__
Für den Kantonsgerichtsausschuss von Graubünden
Der Vizepräsident:
Der Aktuar ad hoc:
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