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Urteil Kantonsgericht Graubünden (GR)

Kopfdaten
Kanton:GR
Fallnummer:SB-06-28
Instanz:Kantonsgericht Graubünden
Abteilung:-
Kantonsgericht Graubünden Entscheid SB-06-28 vom 30.08.2006 (GR)
Datum:30.08.2006
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Verletzung von Verkehrsregeln
Schlagwörter : Berufung; Fungskläger; Rufungskläger; Berufungskläger; Recht; Sicht; Fahrer; Verkehr; Verkehrs; Fahrzeug; Verhalt; Fungsklägers; Radfahrer; B-Strasse; Bezirk; Bezirks; Manöver; Rufungsklägers; Motorradfahrer; Berufungsklägers; Lizei; Recht; Richtsausschuss; Kantons; Gerichtsausschuss; Gemanöver; Einvernahme
Rechtsnorm: Art. 1 VRV ; Art. 125 StPO ; Art. 142 StPO ; Art. 144 StPO ; Art. 146 StPO ; Art. 160 StPO ; Art. 175 StPO ; Art. 26 SVG ; Art. 34 SVG ; Art. 39 SVG ; Art. 42 VRV ; Art. 46 SVG ; Art. 97 StPO ;
Referenz BGE:100 IV 187; 118 IV 277; 119 Ia 318; 124 IV 87; 125 IV 83; 127 IV 34; 127 IV 38; 127 IV 42; 85 IV 50; 97 IV 34;
Kommentar zugewiesen:
Hans Giger, Kommentar zum Strassenverkehrsgesetz, 2002
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:-
Entscheid
Kantonsgericht von Graubünden

Tribunale cantonale dei Grigioni
Dretgira
chantunala
dal
Grischun
___________________________________________________________________________________________________

Ref.:
Chur, 30. August 2006
Schriftlich mitgeteilt am:
SB 06 28
(nicht mündlich eröffnet)



(Eine gegen diese Entscheidung erhobene Nichtigkeitsbeschwerde hat das
Bundesgericht mit Urteil vom 08. März 2007 abgewiesen.)

Urteil
Kantonsgerichtsausschuss
Vorsitz Vizepräsident
Schlenker
Richter
Vital und Möhr
Aktuar ad hoc
Hitz
——————
In der strafrechtlichen Berufung
des X., Angeklagter und Berufungskläger, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. iur.
Hans-Jürg Tarnutzer, Hartbertstrasse 1, 7002 Chur,

gegen

das Urteil des Bezirksgerichtsausschusses Plessur vom 2. Mai 2006, mitgeteilt am
12. Juni 2006, in Sachen des Angeklagten und Berufungsklägers,
betreffend Verletzung von Verkehrsregeln,
hat sich ergeben:


2
A.
X. wurde am 30. Juli 1932 in F. geboren und wohnt heute in G.. Er ist
Rentner und versteuerte im Jahre 2004 ein Einkommen von Fr. 83'300.- und ein
Vermögen von Fr. 610'300.-. X. ist weder im Zentralstrafregister noch im SVG-
Massnahmenregister (ADMAS) verzeichnet.
B.
Am 9. Juni 2005 fuhr X. mit seinem Personenwagen Kennzeichen H.
vom Kreisel A.-Strasse-/B.-Strasse herkommend über die B.-Strasse Richtung C.-
Strasse. Er beabsichtigte, sein Fahrzeug auf dem Parkplatz bei der Sportanlage
B.-Strasse abzustellen und stellte den rechten Richtungsblinker. Er fuhr langsam
über die B.-Strasse und hielt nach einem freien Parkplatz Ausschau. Zur gleichen
Zeit fuhr D. mit seinem Motorfahrrad über die B.-Strasse Richtung C.-Strasse und
überholte X. am rechten Strassenrand. Der Mofa-Lenker benützte nicht den Rad-
streifen, welcher hinter den Parkplätzen verläuft. Auf der Höhe der Parkplätze kam
es zu einer Kollision zwischen X. und D., wobei letzterer zu Fall kam und sich
leichte Verletzungen zuzog.
C.
D. wurde am 1. September 2005 durch den Jugendanwalt des Kan-
tons Graubünden der Verletzung von Verkehrsregeln gemäss Art. 34 Abs. 4 SVG,
Art. 42 Abs. 3 VRV in Verbindung mit Art. 90 Ziffer 1 SVG schuldig gesprochen
und mit einem Verweis belegt.
D.
Mit Strafmandat vom 21. September 2005, mitgeteilt am 28. Sep-
tember 2005, sprach das Kreispräsidium Chur X. der Verletzung von Verkehrsvor-
schriften gemäss Art. 34 Abs. 3 SVG und Art. 39 Abs. 2 SVG in Verbindung mit
Art. 90 Ziffer 1 SVG schuldig und verurteilte ihn zu einer Busse von Fr. 400.-. Ge-
gen dieses Strafmandat erhob X. am 7. Oktober 2005 innert Frist Einsprache beim
Kreispräsidium Chur, worauf dieses die Angelegenheit gestützt auf Art. 175 Abs. 1
StPO zur weiteren Untersuchung dem Bezirksgerichtspräsidium Plessur übertrug.
Dieses ergänzte die Untersuchung unter anderem insofern, als es eine Einver-
nahme sowohl von X. als Angeschuldigtem als auch von E. als Zeugen als auch
von D. als Auskunftsperson durchführte. Am 3. Januar 2006 erklärte das Bezirks-
gerichtspräsidium Plessur mittels Schlussverfügung die Untersuchung gemäss Art.
175 in Verbindung mit Art. 97 StPO als geschlossen.

E.
Am 30. Januar 2006, mitgeteilt am 14. Februar 2006, erliess der un-
tersuchende Bezirksrichter die Anklageverfügung gegen X. wegen Verletzung von


3
Verkehrsvorschriften gemäss Art. 34 Abs. 3 SVG und Art. 39 Abs. 2 SVG in Ver-
bindung mit Art. 90 Ziffer 1 SVG und überwies den Fall gestützt auf Art. 175 StPO
dem Bezirksgerichtsausschuss Plessur zur Beurteilung.
F.
An der Hauptverhandlung vor dem Bezirksgerichtsausschuss Plessur
vom 2. Mai 2006 nahm X. teil. Dieser bestätigte, in Kenntnis seiner Verteidigungs-
rechte, auf den Beistand eines Rechtsanwaltes zu verzichten. Zuständigkeit und
Legitimation des Gerichtes stellte er nicht in Frage, worauf der Vorsitzende den
Bezirksgerichtsausschuss Plessur zur Beurteilung der Strafsache als zuständig
erklärte. X. bestätigte die Richtigkeit der in den Akten liegenden Unterlagen zu
seiner Person.
Zum Sachverhalt führte er aus, dass die in der polizeilichen Einvernahme
vom 9. Juni 2005 festgehaltenen Aussagen mehrfach falsch seien. Er sei sehr
durcheinander gewesen und der Polizist habe ihm den Sachverhalt in den Mund
gelegt. Er habe beispielsweise nicht an der Stelle parkiert, welche im Protokoll
bezeichnet sei. Die Einvernahme sei wie ein Verhör durchgeführt worden. Er sei
felsenfest überzeugt, dass er noch gar nicht habe abbiegen wollen. Er habe den
Blinker die ganze Zeit gestellt gehabt, aber erst später in einen Parkplatz einbie-
gen wollen. Die Aussagen, welche er gegenüber der Polizei gemacht habe, seien
falsch. Zutreffend seien die Aussagen gegenüber dem Bezirksgerichtsvizepräsidi-
um vom 8. November 2005. Aus rechtlicher Sicht könne ihm kein Vorwurf gemacht
werden. Die Untersuchung durch die Polizei sei äusserst mangelhaft erfolgt, was
bereits aus der falschen Unfallskizze hervorgehe. Des Weiteren sei D. vom Ju-
gendanwalt nur wegen dem Rechtsüberholen bestraft worden, nicht dagegen da-
für, dass er nicht auf dem auch für Mofas vorgesehenen Radstreifen gefahren sei.
G.
Mit Urteil vom 2. Mai 2006, mitgeteilt am 12. Juni 2006, erkannte der
Bezirksgerichtsauschuss Plessur was folgt:
„1.
X. ist schuldig der Verletzung von Verkehrsregeln nach Art. 34
Abs. 3 SVG und Art. 39 Abs. 2 SVG in Verbindung mit Art. 90
Ziff. 1 SVG.

2.
Dafür wird X. mit einer Busse von CHF 400.-- bestraft.
3.
Die Kosten des Verfahrens von CHF 2'790.00 (Kosten der Stra-
funtersuchung von CHF 790.00 und Gerichtsgebühr von CHF
2'000.00) gehen zu Lasten des Verurteilten und sind, zusam-
men mit der Busse, innert 30 Tagen auf das PC-Konto 70-
3596-3 des Bezirksgerichtes Plessur zu überweisen. Die Kos-
ten des Kreisamtes Chur von CHF 412.50 trägt ebenfalls der



4
Verurteilte. Diese sind innert gleicher Frist dem Kreisamt Chur
zu überweisen.

4. (Rechtsmittelbelehrung)
5. (Mitteilung).“
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Sachverhalt
vorliegend umstritten sei. X. habe gegenüber dem Bezirksgerichtsvizepräsidium
zu Protokoll gegeben, dass er zwar die Absicht gehabt habe, auf einen freien
Parkplatz beim Sportplatz B.-Strasse einzubiegen, er aber ein solches Abbiege-
manöver noch gar nicht begonnen habe. An diesen Ausführungen habe X. auch
an der Hauptverhandlung vor dem Bezirksgerichtsausschuss Plessur vom 2. Mai
2006 festgehalten. Am 9. Juni 2005 habe X. hingegen unmittelbar nach dem Unfall
gegenüber der Polizei zu Protokoll gegeben, dass er seinen Personenwagen bei
der B.-Strasse auf dem Parkplatz bei der Sportanlage habe parken wollen. Auf der
Höhe des Ticketautomaten habe er in ein freies Parkfeld abbiegen wollen. Er sei
langsam nach rechts abgebogen und habe zuvor einen Blick in den Innenspiegel
geworfen und dabei keinen Motorradfahrer sehen können. Als er in das freie Park-
feld habe fahren wollen, habe er plötzlich den Motorradfahrer gesehen, welcher
ihn rechts überholt habe. Die Argumentation von X. bezüglich der Änderung seiner
ersten Aussagen wirke nicht überzeugend, zumal sowohl D. als auch der als Zeu-
ge einvernommene E. ausgesagt hätten, dass X. bereits mit dem Abbiegemanöver
begonnen habe und somit die erste Aussage von X. bestätigen würden, wonach
der Unfall auf das Überholmanöver von D. und das Einschwenkmanöver von X.
zurückzuführen sei. Die Vorinstanz sei überzeugt, dass D. die vor ihm fahrenden
Fahrzeuge nach dem Kreisel rechtsseitig mit einer Geschwindigkeit von rund 30
km/h überholt habe und nicht bemerkt habe, dass X. rechtsseitig den Blinker ge-
setzt und sein Abbiegemanöver begonnen habe. X. habe somit objektiv gegen Art.
34 Abs. 3 SVG verstossen, weil er auf die ihm nachfolgenden Fahrzeuge nicht
genügend Rücksicht genommen habe. Auch könne sich X. nicht auf den Vertrau-
ensgrundsatz berufen, da er selbst klar zu bedenken gegeben habe, dass er trotz
des Radstreifens grundsätzlich mit Motorradfahrer auf der B.-Strasse rechnen
müsse. Im Wissen, dass sich andere Verkehrsteilnehmer auf der B.-Strasse allen-
falls regelwidrig verhalten könnten, hätte X. nicht nur in den Innenspiegel schauen
müssen, sondern er hätte auch einen Blick in den rechten Aussenspiegel und ei-
nen Seitenblick nach rechts werfen müssen. Hätte er diese Vorsichtsmassnahme
vor dem Abbiegen getroffen, dann hätte er den ihn überholenden Motorradfahrer
erkennen können und der Unfall wäre vermeidbar gewesen. Somit habe X. objek-
tiv und subjektiv gegen die Art. 34 Abs. 3 SVG und Art. 39 Abs. 2 SVG verstossen.


5
H.
Gegen dieses Urteil erhob X. mit Eingabe vom 3. Juli 2006 Berufung
an den Kantonsgerichtsausschuss Graubünden. Seine Rechtsbegehren lauten:
„1.
Das angefochtene Urteil sei aufzuheben.
2.
X. sei von der Anklage der Verletzung von Verkehrsregeln im
Sinne von Art. 34 Abs. 3 SVG und Art. 39 Abs. 2 SVG in Ver-
bindung mit Art. 90 Ziff. 1 SVG von Schuld und Strafe freizu-
sprechen.

3.
Die Kosten des Verfahrens von CHF 2'790.00 seien dem Bezirk
Plessur, diejenigen von CHF 412.50 dem Kreis Chur aufzuerle-
gen.

4.
Dem Berufungskläger sei für das erstinstanzliche Gerichtsver-
fahren eine angemessene ausseramtliche Entschädigung zu-
lasten des Bezirks Plessur zuzusprechen.

5.
Unter Kosten- und Entschädigungsfolge zuzüglich die gesetzli-
che Mehrwertsteuer für das Berufungsverfahren zulasten des
Kantons Graubünden.“

Zur Begründung wurde unter anderem ausgeführt, dass, selbst wenn man
davon ausgehen würde, dass Zweiradfahrer, welche im Bereich der Parkplätze vor
dem Sportplatz nach links abbiegen wollen, auf der B.-Strasse verbleiben müss-
ten, der Autofahrer nicht mit geradeaus fahrenden Zweiradfahrern zu rechnen ha-
be. Die gesetzliche Regelung von Art. 46 Abs. 1 SVG sei klar. Sie gelte nicht nur
für Radfahrer, sondern auch für Motorradfahrer. Von einer unklaren Rechtslage
könne unter diesen Umständen keine Rede sein und X. habe sich sehr wohl auf
den Vertrauensgrundsatz berufen können. Auch sei aufgrund der Beschädigungen
an X.s Fahrzeug erstellt, dass er zur Zeit der Kollision sein Manöver bereits be-
gonnen habe. Zuvor habe er einen Blick in den Innenrückspiegel geworfen und
dabei kein ihm nachfolgendes Zweiradfahrzeug wahrgenommen. Zudem habe D.
gewusst, dass er den Radstreifen hätte benutzen müssen und auf der B.-Strasse
nichts zu suchen hatte. X. habe somit davon ausgehen dürfen, dass kein Zweirad-
fahrer ihn in Anbetracht der örtlichen Verhältnisse rechts überholen würde. Ein
Blick in den Innenspiegel habe vollauf genügt und im Übrigen sei nicht bewiesen,
dass er den Motorradfahrer überhaupt hätte sehen können, wenn er zusätzlich
auch noch den Aussenspiegel konsultiert hätte. X. habe sich in jeder Beziehung
verkehrsregelkonform verhalten und habe sich auf das Vertrauensprinzip verlas-
sen dürfen.
I.
Das Bezirksgericht Plessur verzichtete mit Schreiben vom 24. Juli
2006 auf die Einreichung einer Vernehmlassung.


6
Die Staatsanwaltschaft Graubünden verzichtete mit Schreiben vom 12. Juli
2006 ebenfalls auf die Einreichung einer Vernehmlassung.
Auf die weiteren Ausführungen im angefochtenen Urteil sowie die Begrün-
dungen in der Rechtsschrift wird, soweit erforderlich, in den nachfolgenden Erwä-
gungen eingegangen.
Der Kantonsgerichtsausschuss zieht in Erwägung :
1.
Gegen Urteile der Bezirksgerichte und ihrer Ausschüsse können der
Verurteilte und der Staatsanwalt beim Kantonsgerichtsausschuss Berufung erhe-
ben (vgl. Art. 141 Abs. 1 der Strafprozessordnung des Kantons Graubünden
(StPO; BR 350.000)). Dazu ist die Berufung innert zwanzig Tagen seit der schriftli-
chen Eröffnung des angefochtenen Entscheides einzureichen. Sie ist zu begrün-
den und hat darzutun, welche Mängel des erstinstanzlichen Entscheides gerügt
werden und ob das ganze Urteil oder lediglich Teile davon angefochten werden
(vgl. Art. 142 Abs. 1 StPO). Diesen Anforderungen vermag die vorliegende Beru-
fung zu genügen. Auf die frist- und formgerecht eingereichte Berufung vom 3. Juli
2006 ist daher einzutreten.
2.
Für das Berufungsverfahren ist zu beachten, dass dem Kantonsge-
richtsausschuss als Berufungsinstanz grundsätzlich eine umfassende, uneinge-
schränkte Kognition zukommt (auch mit Bezug auf Ermessensfehler, obschon er
sich bei deren Überprüfung eine gewisse Zurückhaltung auferlegt). Der Kantons-
gerichtsausschuss überprüft das vorinstanzliche Urteil grundsätzlich nur im Rah-
men der in der Berufung oder Anschlussberufung gestellten Anträge. Wenn die
Aktenlage die Beurteilung zulässt und keine Verletzung des rechtlichen Gehörs
vorliegt, oder der Mangel geheilt ist, entscheidet der Kantonsgerichtsausschuss in
der Sache selber (vgl. Art. 146 Abs. 2 StPO e contrario). Die Rückweisung an die
Vorinstanz bildet die Ausnahme (vgl. Willy Padrutt, Kommentar zur Strafprozess-
ordnung des Kantons Graubünden, 2. Aufl., Chur 1996, S. 375 ff., mit Hinweisen).
3.
Der Betroffene kann auf die Durchführung einer mündlichen Beru-
fungsverhandlung von sich aus verzichten. Voraussetzung eines wirksamen Ver-
zichts ist, dass er ausdrücklich erklärt wird oder sich aus dem Stillschweigen des
Betroffenen eindeutig ergibt. Vorliegend hat der Berufungskläger die Durchführung
einer mündlichen Berufungsverhandlung nicht verlangt. Es besteht aber auch kein
Grund, dass das urteilende Gericht von sich aus (vgl. Art. 144 Abs. 1 StPO) eine


7
mündliche Berufungsverhandlung anordnet, nachdem die Vorinstanz öffentlich
verhandelt hat, bezüglich des strittigen Sachverhaltes keine zusätzlichen Auf-
schlüsse von einer mündlichen Verhandlung zu erwarten sind, im vorliegenden
Fall vorwiegend Rechtsfragen zur Diskussion stehen, sich zudem keine Fragen
zur Person und zum Charakter des Berufungsklägers stellen, welche sich nicht mit
genügender Hinlänglichkeit aus den Akten ergeben, und ferner die Sache von ge-
ringer Tragweite ist. Zudem steht einem nichtöffentlichen Verfahren kein wichtiges
öffentliches Interesse entgegen (vgl. BGE 119 Ia 318 f. E. 2b). Die streitige Straf-
sache kann somit gestützt auf die vorliegenden Akten sachgerecht entschieden
werden. Ein persönliches Vortreten von X. vor dem Gericht ist daher nicht not-
wendig.
4.
Gemäss Art. 4 Abs. 1 der Ausführungsverordnung zum Bundesge-
setz über den Strassenverkehr (GAV zum SVG; BR 870.100) sind die Kantonspo-
lizei und die im Sinne von Art. 13 Absatz 3 dazu ermächtigten Polizeiorgane der
Gemeinden berechtigt, bei der Abklärung von Verkehrsunfällen im polizeilichen
Ermittlungsverfahren Zeugen einzuvernehmen und Befragungen durchzuführen.
Eine solche formelle polizeiliche Zeugenbefragung oder Befragung des Ange-
schuldigten ist auch unter dem Gesichtspunkt von Art. 6 der Konvention zum
Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK; SR 0.101) zulässig
(vgl. Willy Padrutt, a.a.O., S. 213; PKG 1993 Nr. 25; PKG 1984 Nr. 40). Aus den
Akten ist zu entnehmen, dass die polizeiliche Einvernahme des Berufungsklägers
vom 9. Juni 2005 rund 1 ¼ Stunden dauerte (vgl. act. 3 des Kreisamtes Chur).
Auch wenn die Einvernahme für den relativ einfachen Sachverhalt tatsächlich als
sehr lange erscheint, so hielt die Vorinstanz zu Recht fest, dass entgegen der An-
sicht des früheren Rechtsvertreters des Berufungsklägers die Länge einer solchen
Einvernahme nicht unbedingt zu ungewollten Falschaussagen führt, da der Ein-
vernommene Zeit hat, sich die Sache noch einmal zu überlegen und den Sach-
verhalt so zu schildern, wie er sich tatsächlich abgespielt hat. Die polizeilichen
Einvernahmen wurden somit rechtmässig durchgeführt und die gemachten Aus-
sagen sind daher verwertbar. Dies umso mehr, als der Berufungskläger in seinem
E-Mail vom 17. Juni 2006 an die Stadtpolizei Chur ausführte, dass sich die beiden
Polizeimänner bei der Aufnahme sehr korrekt und zuvorkommend verhalten hätten
(vgl. act. 12 des Kreisamtes Chur). Der Berufungskläger macht diesbezüglich
auch keine entsprechenden Vorbringen mehr in seiner Berufung, womit sich weite-
re Ausführungen erübrigen.


8
5. a) Bei der Würdigung der Beweismittel entscheidet das Gericht gemäss
Art. 125 Abs. 2 StPO in Verbindung mit Art. 146 Abs. 1 StPO auch im Berufungs-
verfahren nach freier Überzeugung. Die Beweislast für die dem Angeklagten vor-
geworfenen Tat liegt dabei grundsätzlich beim Staat (vgl. Willy Padrutt, a.a.O., S.
306). An diesen Beweis sind hohe Anforderungen zu stellen. Verlangt wird mehr
als eine blosse Wahrscheinlichkeit, nicht aber ein absoluter Beweis der Täter-
schaft. Nach der aus Art. 32 Abs. 1 der Bundesverfassung der Schweizerischen
Eidgenossenschaft (BV; SR 101) und Art. 6 Ziffer 2 EMRK fliessenden Beweis-
würdigungsregel „in dubio pro reo“ darf sich der Strafrichter jedoch nicht von der
Existenz eines für den Angeklagten ungünstigen Sachverhaltes überzeugt erklä-
ren, wenn bei objektiver Betrachtung Zweifel an den tatsächlichen Voraussetzun-
gen für ein verurteilendes Erkenntnis bestehen (vgl. BGE 124 IV 87 f.). Bloss theo-
retische und abstrakte Zweifel sind indessen nicht massgebend, weil solche immer
möglich sind und absolute Gewissheit nicht verlangt werden kann. Es muss sich
vielmehr um erhebliche und nicht zu unterdrückende Zweifel handeln, das heisst
um solche, die sich nach der objektiven Rechtslage aufdrängen (vgl. BGE 120 Ia
37). Aufgabe des Richters ist es, ohne Bindung an Beweisregeln die an sich mög-
lichen Zweifel zu überwinden und sich mit Überzeugung für einen bestimmten
Sachverhalt zu entscheiden, wobei die Bildung der Überzeugung objektivier- und
nachvollziehbar sein muss. Die Schuld des Angeklagten muss sich auf vorgelegte
Beweise und Indizien stützen, die vernünftige Zweifel in ausschliesslicher Weise
zu beseitigen vermögen (vgl. PKG 1987 Nr. 12; Willy Padrutt, a.a.O., S. 307). Es
ist anhand sämtlicher sich aus den Akten ergebenden Umstände zu untersuchen,
ob die Darstellung der Anklage oder jene des Angeklagten den Richter zu über-
zeugen vermag. Erst wenn eine solche Überzeugung weder in der einen noch in
der anderen Richtung zu gewinnen ist, muss gemäss dem Grundsatz „in dubio pro
reo“ der für den Angeklagten günstigere Sachverhalt angenommen werden und es
hat ein Freispruch zu erfolgen (vgl. PKG 1978 Nr. 31; Wily Padrutt, a.a.O., S. 307).
b)
Im vorinstanzlichen Verfahren war umstritten, ob der Berufungsklä-
ger bei seinem Vorhaben, auf einen freien Parkplatz beim Sportplatz B.-Strasse
einzubiegen, bereits ein solches Abbiegemanöver begonnen hat. Würde dies nicht
zutreffen, so hätte er weder objektiv noch subjektiv gegen Art. 34 Abs. 3 SVG oder
Art. 39 Abs. 2 SVG verstossen. Anlässlich der polizeilichen Einvernahme vom 9.
Juni 2005 (vgl. act. 3 des Kreisamtes Chur) gab der Berufungskläger zu Protokoll,
dass er auf der B.-Strasse fahrend beim Parkplatz beim Sportplatz auf der Höhe
des Ticketautomaten in ein freies Parkfeld habe einbiegen wollen. Er sei langsam
nach rechts abgebogen und habe zuvor einen Blick in den Innenspiegel geworfen


9
und dabei keinen Motorradfahrer gesehen. Diese Aussage widerrief der Beru-
fungskläger an seiner Einvernahme durch das Bezirksgerichtsvizepräsidium vom
8. November 2005 (vgl. act. 13, S. 2 f.), indem er aussagte, dass er überhaupt
noch nicht zum Einschwenken in den Parkplatz angesetzt habe, als es zur Kollisi-
on gekommen sei. Sein Personenwagen sei parallel zur Fahrbahn gestanden, als
es zur Kollision gekommen sei. In seiner Berufung vom 3. Juli 2006 hat der Beru-
fungskläger nun eingeräumt, dass aufgrund der Beschädigungen an seinem Fahr-
zeug erstellt sei, dass er zur Zeit der Kollision sein Abbiegemanöver bereits be-
gonnen habe. Zuvor habe er einen Blick in den Innenrückspiegel geworfen und
dabei kein ihm nachfolgendes Zweiradfahrzeug wahrgenommen. Auch sei erstellt,
dass er rechtzeitig den rechten Blinker gestellt habe (vgl. act. 01, S. 2 f.). In Anbe-
tracht dieses Zugeständnisses des Berufungsklägers in seiner Berufung kann so-
mit von einer zweifelsfreien Sachverhaltsdarstellung ausgegangen werden. Der
Berufungskläger hat somit zum Zeitpunkt der Kollision mit D. mit seinem Abbie-
gemanöver bereits begonnen. Im Übrigen wird diese Sachverhaltsdarstellung des
Berufungsklägers von D. und E. in deren Einvernahmen bestätigt. So konnte D.
anlässlich seiner Einvernahme vom 8. November 2005 zwar nicht bestätigen, ob
der Berufungskläger den rechtsseitigen Blinker seines Fahrzeuges gesetzt habe
oder nicht (vgl. act. 14, S. 2), doch führte er aus, dass das Fahrzeug des Beru-
fungsklägers bereits schräg zur Fahrrichtung gestanden sei. Ebenso führte der als
Zeuge einvernommene E. bei seiner Einvernahme vom 22. November 2005 aus
(vgl. act. 16, S. 2 f.), dass er habe feststellen können, dass das Fahrzeug des Be-
rufungsklägers mit einem Winkel rechtsseitig zur Fahrbahn gestanden sei. Wie
weit das Fahrzeug aber bereits eingeschränkt (recte: eingeschwenkt) habe, könne
er nicht sagen. Im Folgenden gilt es nun, die Sachverhaltsdarstellung des Beru-
fungsklägers auf eine Subsumtion unter die Bestimmungen von Art. 34 Abs. 3
SVG und Art. 39 Abs. 2 SVG in Verbindung mit Art. 90 Ziffer 1 SVG zu überprüfen.
6. a). Gemäss Art. 34 Abs. 3 des Strassenverkehrsgesetzes (SVG; SR
741.01) hat der Führer, der seine Fahrrichtung ändern will, wie zum Abbiegen,
Überholen, Einspuren und Wechseln des Fahrstreifens, auf den Gegenverkehr
und auf die ihm nachfolgenden Fahrzeuge Rücksicht zu nehmen. Derjenige, der
das Zeichen zur Richtungsänderung gibt, darf sich nicht ohne weiteres und blind
darauf verlassen, dass die anderen Strassenbenützer das Zeichen sehen und ent-
sprechend handeln. Eine pflichtgemässe Zeichengebung entbindet den Fahrzeug-
führer nach Art. 39 Abs. 2 SVG nicht von der gebotenen Vorsicht (vgl. René
Schaffhauser, Grundriss des schweizerischen Strassenverkehrsrechts, Band I, 2.
Aufl., Bern 2002, N. 893; BGE 100 IV 187).


10
Der Berufungskläger führt aus, dass er den rechten Blinker rechtzeitig ge-
stellt habe. Rechtzeitig kündigt die Änderung seiner Fahrrichtung an, wer zwi-
schen der Zeichengabe und dem Beginn der Richtungsänderung so viel Zeit ver-
streichen lässt, dass sich die anderen Strassenbenützer der neuen Verkehrslage
anpassen können (vgl. BGE 85 IV 50). Der Berufungskläger führte anlässlich sei-
ner polizeilichen Einvernahme vom 9. Juni 2005 aus (vgl. act. 3 des Kreisamtes
Chur), dass er anfangs Parkplatz beim Sportplatz den Richtungsanzeiger nach
rechts betätigt habe, um nachher auf Höhe des Ticketautomaten in ein freies Park-
feld einzubiegen. In der Einvernahme vom 8. November 2005 führte er weiter aus,
dass er durch das Setzen des Blinkers habe anzeigen wollen, dass er beabsichti-
ge einzuparken. In der Folge sei er dann noch ein Stück weitergefahren (vgl. act.
13, S. 2). Der Berufungskläger hat somit pflichtgemäss seine Richtungsänderung
durch Betätigen des Blinkers angezeigt. Ob dies nun auch rechtzeitig geschah,
kann vorliegend unter Hinweis auf die nachfolgenden Erwägungen insofern offen
bleiben, da einerseits - wie bereits ausgeführt - eine pflichtgemässe Zeichenge-
bung den Fahrzeugführer nicht von der gebotenen Vorsicht entbindet und ande-
rerseits in der Anklageverfügung keine Verletzung von Art. 39 Abs. 1 SVG (Zei-
chengebung) geltend gemacht wird (vgl. act. 24).
b)
Der Berufungskläger wendet weiter ein, dass er absolut nicht damit
habe rechnen können, dass ihn ein anderes Fahrzeug rechts überholen würde,
zumal Art. 46 Abs. 1 SVG nicht nur für Radfahrer gelte, sondern auch für Motor-
radfahrer und somit auch für D. mit seinem Motorfahrrad. Des Weiteren sei auf
Grund der örtlichen Verhältnisse ohnehin kaum Platz für einen Motorradfahrer ge-
wesen, um rechts vorbeizufahren, ohne dabei die Führungslinie zu überfahren. In
Anbetracht all dieser Umstände habe ein Blick in den Innenrückspiegel vollauf ge-
nügt und er könne sich auf den Vertrauensgrundsatz des Art. 26 Abs. 1 SVG beru-
fen, da er sich in jeder Beziehung verkehrsregelkonform verhalten habe.
c)
Gemäss Art. 46 Abs. 1 SVG müssen Radfahrer die Radwege und
Radstreifen benützen. Nach Art. 42 Abs. 4 der Verkehrsregelnverordnung (VRV;
SR 741.11) haben aber auch Motorradfahrer die Vorschriften für Radfahrer zu be-
achten und sind somit zur Benützung von Radwegen und Radstreifen verpflichtet
(vgl. auch Art. 1 Abs. 6 und 7 VRV; weiter auch Art. 33 Abs. 1 und Art. 74 Abs. 5
der Signalisationsverordnung (SSV; SR 741.21)). Radwege sind ihnen grundsätz-
lich ausschliesslich vorbehalten. Die soeben erwähnte Regelung der Benutzung
der Radwege und Radstreifen gilt somit für Radfahrer und Motorradfahrer. Umge-
kehrt gilt diese Regel hingegen nicht für andere zweirädrige Verkehrsteilnehmer


11
wie Motorräder. Dem Einwand des Berufungsklägers, dass er davon habe ausge-
hen können, dass ihn kein Zweiradfahrer rechts überholen würde und daher ein
Blick in den Innenspiegel vollauf genügt habe, zumal sich D. zur Zeit der Einlei-
tung des Abbiegemanövers noch weit von der Kollisionsstelle entfernt befunden
habe und er das Motorfahrrad selbst dann nicht hätte sehen können, wenn er in
den Aussenspiegel geblickt hätte, kann nicht gefolgt werden. Wie soeben ausge-
führt, müssen Motorradfahrer den Fahrradstreifen gemäss Art. 46 Abs. 1 SVG be-
nützen. Der Berufungskläger musste zwar grundsätzlich nicht mit Motorradfahrern
rechnen, hingegen aber mit Motorrädern, da diese die B.-Strasse benutzen müs-
sen. Des Weiteren kann die Frage, wie weit D. zur Zeit des Abbiegemanövers
noch vom Fahrzeug des Berufungsklägers entfernt war, offen bleiben. Tatsache ist
vielmehr, wie vom Berufungskläger auch eingestanden (vgl. act. 01, S. 3), dass
die Kollision während dem Abbiegemanöver stattfand und sich D. demzufolge mit
seinem Motorfahrrad unmittelbar rechts neben dem Fahrzeug des Berufungsklä-
gers befand.
d)
Wie bereits ausgeführt, muss der Führer, der seine Fahrrichtung än-
dern will, wie zum Abbiegen, Überholen, Einspuren und Wechseln des Fahrstrei-
fens, auf den Gegenverkehr und die ihm nachfolgenden Fahrzeuge Rücksicht
nehmen, wobei diese Bestimmung aber keine Vortrittsregel beinhaltet (vgl. Art. 34
Abs. 3 SVG). Der rechts Abbiegende, der einen so weiten Abstand vom rechten
Strassenrand einhält, dass dazwischen genügend Platz bleibt, um einem nachfol-
genden Verkehrsteilnehmer, beispielsweise einem Radfahrer oder Motorradfahrer,
ein rechtsseitiges Überholen zu erlauben, oder der vor dem Abbiegen erheblich
abbremsen muss oder aus einem anderen wichtigen Grund eine Verkehrslage
schafft, die für den nachfolgenden Verkehr gefährlich sein oder zu Missverständ-
nissen Anlass geben könnte, hat sich vor dem Abbiegen durch aufmerksame Be-
obachtung und durch zureichende Vorkehren zu vergewissern, dass er das Ab-
biegemanöver ohne Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer durchführen kann
(vgl. Hans Giger, Kommentar zum Strassenverkehrsgesetz, 2. Aufl., Zürich 2002,
S. 106; René Schaffhauser, a.a.O., N. 775; BGE 97 IV 34). Fahrzeugführer haben
grundsätzlich immer damit zu rechnen und besonders darauf zu achten, ob sich
rechts neben ihrem Fahrzeug auch etwa vom Strassenrand oder dem Trottoir her-
kommende Fahrrad- und Motorradfahrer einschieben (René Schaffhauser, a.a.O.,
N. 775).
Der Einwand des Berufungsklägers, dass er D. auch nicht im Aussenspie-
gel gesehen hätte, ist vorliegend dem Faktum des sichttoten Winkels zu widmen,


12
also dem für den Fahrzeugführer nicht oder nicht ohne weiteres überblickbaren
Raum vor allem im Bereiche der rechten Wagenseite. Das Bundesgericht hat sich
schon mehrfach mit dem Problem des sichttoten Winkels zu befassen gehabt,
namentlich im Zusammenhang mit Unfällen, bei denen Lastwagen und Fahrrad-
fahrer beteiligt waren. Nach seiner Rechtssprechung handelt es sich beim sichtto-
ten Winkel um einen in der Bauart des Fahrzeuges liegenden Faktor, den der
Fahrzeuglenker grundsätzlich von vornhinein in Rechnung zu stellen hat. Dement-
sprechend hat es verschiedentlich ausgeführt, es gehe nicht an, das Verborgen-
bleiben eines Verkehrsteilnehmers dem Zufall zuzuschreiben und die sich aus
dem sichttoten Winkel ergebenden Risiken auf andere Strassenbenützer abzuwäl-
zen. Vielmehr müsse der Fahrzeuglenker dafür besorgt sein, dass die sich aus
jenem Faktor ergebenden Risiken ausgeschaltet werden (vgl. BGE 127 IV 34 mit
Hinweisen). Wer einspuren oder abbiegen will, hat nötigenfalls alle zur Verfügung
stehenden Beobachtungsmittel - vorab Innenspiegel, Aussenspiegel, Blick über
die Schulter, zusätzliche Beobachtung des Verkehrs durch einen Mitfahrer - ein-
zusetzen, um zur Gewissheit zu gelangen, dass durch das Einspuren auch im
sichttoten Winkel kein nachfolgender Verkehrsteilnehmer behindert oder gefährdet
wird (vgl. René Schaffhauser, a.a.O., N. 775).
Der Berufungskläger hat gemäss seinen Aussagen den Innenspiegel des
Fahrzeuges benützt, doch hat er es unbestrittenermassen unterlassen, sich mittels
des Aussenspiegels und eines Schulterblickes zu versichern, dass sich im Zeit-
punkt seines Abbiegemanövers kein anderer Verkehrsteilnehmer im sichttoten
Winkel befindet. Der Einwand des Berufungsklägers, dass er D. auch dann nicht
gesehen hätte, wenn er den Aussenspiegel seines Fahrzeuges konsultiert hätte,
kann offen bleiben, da der Berufungskläger verpflichtet gewesen wäre, mittels zu-
sätzlicher Beobachtungsmittel, vorliegend insbesondere mit einem Blick über die
Schulter nach rechts, der Gefahr des sichttoten Winkels zu begegnen. Dadurch
hätte er den ihn rechts überholenden D. vor Beginn seines Abbiegemanövers ge-
sehen und dadurch die Kollision vermeiden können. Dazu wäre der Berufungsklä-
ger vorliegend um so mehr verpflichtet gewesen, als dass auf der rechten Seite
des Fahrzeuges des Berufungsklägers genügend Platz zum Überholen war und er
damit rechnen musste, rechtsseitig von einem anderen Verkehrsteilnehmer über-
holt zu werden (vgl. auch act. 20, auf dessen Skizze ersichtlich ist, dass vom
Parkplatz Sportplatz bis zur B.-Strasse ein Abstand von ca. 0.85 Meter inkl. Breite
der Führungslinie besteht und ein Fahrzeuglenker, der, wie vorliegend der Beru-
fungskläger, rechtswinklig in ein freies Parkfeld einfahren will, dazu neigt, einen
grösseren Abstand zum Strassenrand einzunehmen, um das Einparken zu verein-


13
fachen). Somit hat der Berufungskläger selber eine Mitursache für die Kollision
gesetzt. Hätte er den Verkehr so aufmerksam beobachtet, wie er unter den gege-
benen Umständen zu tun verpflichtet war, hätte er D., aber auch andere rechts-
überholende Verkehrsteilnehmer, mit denen er grundsätzlich rechnen musste,
rechtzeitig wahrnehmen und einen Zusammenstoss vermeiden können. Der Beru-
fungskläger ist somit in objektiver Hinsicht den sich aus Art. 34 Abs. 3 SVG und
Art. 39 Abs. 2 SVG ergebenden Vorsichtspflichten nicht in genügendem Masse
nachgekommen.
e)
Ist die Tat darauf zurückzuführen, dass der Täter die Folge seines
Verhaltens aus pflichtwidriger Unvorsichtigkeit nicht bedacht oder darauf nicht
Rücksicht genommen hat, so begeht er die strafbare Handlung fahrlässig. Pflicht-
widrig ist die Unvorsichtigkeit, wenn der Täter die Vorsicht nicht beobachtet, zu der
er nach den Umständen und nach seinen persönlichen Verhältnissen verpflichtet
ist (vgl. Art. 18 Abs. 3 des Schweizerischen Strafgesetzbuches (StGB; SR 311.0)).
Im Rahmen der Prüfung der Adäquanz stellt sich die Frage, ob das Verhalten des
Täters geeignet war, nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und den Erfahrun-
gen des Lebens einen Erfolg wie den eingetretenen herbeizuführen oder mindes-
tens zu begünstigen. Des Weiteren stellt sich die Frage, ob der Täter die Gefahr
des Erfolgseintritts erkennen beziehungsweise voraussehen konnte (vgl. BGE 120
IV 312; 122 IV 23; Stefan Trechsel, Schweizerisches Strafgesetzbuch, Kurzkom-
mentar, 2. Aufl., Zürich 1997, N. 27 zu Art. 18). Die Voraussehbarkeit ist unter an-
derem dann zu verneinen, wenn das Mitverschulden eines Dritten hinzutritt, mit
welchem schlechthin nicht gerechnet werden musste und das derart schwer wiegt,
dass es als wahrscheinlichste und unmittelbarste Ursache des Erfolges erscheint
und so alle anderen mitverursachenden Faktoren - namentlich das Verhalten des
Berufungsklägers - in den Hintergrund drängt (vgl. BGE 127 IV 38 f; BGE 122 IV
23). Das Mass der gebotenen Sorgfalt hängt auch davon ab, inwieweit die Mög-
lichkeit riskanten Fehlverhaltens Dritter in Rechnung zu stellen ist. Im Strassen-
verkehrsrecht leitet sich dieser Grundsatz aus Art. 26 Abs. 1 SVG ab.
Nach dem aus der Grundregel von Art. 26 Abs. 1 SVG abgeleiteten Ver-
trauensgrundsatz darf jeder Strassenbenützer, sofern nicht besondere Umstände
dagegen sprechen, darauf vertrauen, dass sich die anderen Verkehrsteilnehmer
ebenfalls ordnungsgemäss verhalten, ihn also nicht behindern oder gefährden
(vgl. BGE 127 IV 42; BGE 118 IV 277 E. 4a mit Hinweisen). Schranke für den Ver-
trauensgrundsatz bildet Abs. 2 von Art. 26 SVG, nach welcher Bestimmung be-
sondere Vorsicht geboten ist gegenüber Kindern, Gebrechlichen und alten Leuten,


14
sowie wenn Anzeichen dafür sprechen, dass sich ein Strassenbenützer nicht rich-
tig verhalten wird. Anzeichen für unrichtiges Verhalten eines Strassenbenützers
liegen einmal dann vor, wenn aufgrund seines bisherigen Verhaltens damit ge-
rechnet werden muss, dass er sich in verkehrsgefährdender Weise regelwidrig
verhalten wird. Sie können sich aber ebenfalls aus der Unklarheit oder Ungewiss-
heit einer bestimmten Verkehrslage ergeben, die nach allgemeiner Erfahrung die
Möglichkeit fremden Fehlverhaltens unmittelbar in die Nähe rückt. In solchen Situ-
ationen liegen zwar keine konkreten Anzeichen für unrichtiges Verhalten vor, doch
ist angesichts ihrer besonderen Gefahrenträchtigkeit risikoarmes Verhalten gefor-
dert (vgl. BGE 118 IV 277 E. 4a S. 281). Auf den Vertrauensgrundsatz kann sich
nur stützen, wer sich selbst verkehrsregelkonform verhalten hat. Wer gegen die
Verkehrsregeln verstösst und dadurch eine unklare oder gefährliche Verkehrslage
schafft, kann nicht erwarten, dass andere diese Gefahr durch erhöhte Vorsicht
ausgleichen (vgl. BGE 125 IV 83; BGE 118 IV 277 E. 4a mit weiteren Hinweisen;
René Schaffhauser, a.a.O., N. 426). Vorliegend hat der Berufungskläger bei sei-
nem Abbiegemanöver nicht die nötige Vorsicht walten lassen. Indem er es pflicht-
widrig unterliess, neben dem Innenspiegel auch andere Vorkehren bei seinem Ab-
biegemanöver zu treffen (insbesondere Seitenblick über die Schulter), hat er eine
gefährliche Verkehrslage geschaffen. Er hat sich selber nicht verkehrsregelkon-
form verhalten und kann sich schon daher nicht auf den aus Art. 26 Abs. 1 SVG
abgeleiteten Vertrauensgrundsatz stützen. Das regelwidrige Verhalten anderer
Verkehrsteilnehmer entbindet nicht von der Einhaltung der Verkehrsregeln. Eine
Sorgfaltspflichtverletzung wäre vorliegend nur dann zu verneinen, wenn der Beru-
fungskläger keinesfalls mit einem Fahrzeug hätte rechnen müssen, welches ihn
auf der rechten Seite überholt. Selbst wenn der Berufungskläger nun ausführt, er
habe darauf vertrauen dürfen, dass keine Motorradfahrer auf der B.-Strasse fah-
ren würden, so hätte er aber, wie bereits ausgeführt, mit Motorrädern rechnen
müssen.
Der Berufungskläger verstiess somit sowohl objektiv als auch subjektiv ge-
gen die Art. 34 Abs. 3 SVG und Art. 39 Abs. 2 SVG, womit die Vorinstanz ihn zu
Recht derer Verletzung in Verbindung mit Art. 90 Ziffer 1 SVG schuldig gespro-
chen hat.
f)
Auch der Einwand des Berufungsklägers, dass D. gewusst habe,
dass er den Radstreifen hätte benutzen müssen und auf der B.-Strasse also nichts
zu suchen hatte und er sinngemäss vorbringt, D. sei seinen Vorsichtspflichten
nicht in genügendem Masse nachgekommen, kann nicht gehört werden. Da das


15
Strafrecht keine Schuldkompensation kennt, kann der Berufungskläger aus einem
Fehlverhalten von D. nichts zu seinen Gunsten ableiten.
g)
Zu der von der Vorinstanz ausgesprochenen Busse hat sich der Be-
rufungskläger nicht geäussert. Sie ist aber auch davon abgesehen aufgrund der
gesamten Umstände, des Einkommens und Vermögens des Berufungsklägers
und aufgrund der von der Vorinstanz zutreffend vorgenommenen Erwägungen
nicht zu beanstanden.
7.
Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass X. den gebotenen Vor-
sichtspflichten nicht genügend Rechnung getragen hat und sich somit der Ver-
kehrsregelverletzung im Sinne von Art. 34 Abs. 3 und Art. 39 Abs. 2 SVG in Ver-
bindung mit Art. 90 Ziffer 1 SVG schuldig gemacht hat, womit auch eine Berufung
auf den Vertrauensgrundsatz nicht möglich ist. Die Berufung ist dementsprechend
abzuweisen, womit sich Ausführungen zu der Verteilung der vorinstanzlichen Kos-
ten und einer ausseramtlichen Entschädigung erübrigen.
8.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens gehen die Kosten des Beru-
fungsverfahrens von Fr. 1'200.- gemäss Art. 160 Abs. 1 StPO zu Lasten des Beru-
fungsklägers.


16
Demnach erkennt der Kantonsgerichtsausschuss :
1.
Die Berufung wird abgewiesen.
2.
Die Kosten des Berufungsverfahrens von Fr. 1'200.- gehen zu Lasten des
Berufungsklägers.
3.
Gegen dieses Urteil kann, sofern Verletzung eidgenössischen Rechts gel-
tend gemacht werden will, Nichtigkeitsbeschwerde an den Kassationshof
des schweizerischen Bundesgerichts geführt werden. Diese ist dem Bun-
desgericht innert 30 Tagen seit Zustellung der vollständigen Ausfertigung
des Entscheides in der in Art. 273 des Bundesgesetzes über die Bundes-
strafrechtspflege (BStP) vorgeschriebenen Weise einzureichen. Für die Be-
schwerdelegitimation und die weiteren Voraussetzungen der Nichtigkeits-
beschwerde gelten die Art. 268 ff. BStP.
4. Mitteilung
an:
__________
Für den Kantonsgerichtsausschuss von Graubünden
Der Vizepräsident:
Der Aktuar ad hoc



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