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Urteil Kantonsgericht Graubünden (GR)

Zusammenfassung des Urteils SB-04-37: Kantonsgericht Graubünden

Der Gesuchsteller hat ein Revisionsgesuch gegen ein Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich eingereicht, in dem er der versuchten Nötigung und sexuellen Belästigung schuldig gesprochen wurde. Er wurde zu einer Geldstrafe und einer Busse verurteilt. Der Gesuchsteller hat Beschwerden gegen verschiedene Entscheidungen eingereicht, um seine Unschuld zu beweisen, jedoch wurden diese abgewiesen. Das Gericht hat festgestellt, dass keine neuen Tatsachen vorliegen, die eine Revision rechtfertigen würden. Das Revisionsbegehren wurde abgelehnt, die Gerichtsgebühr wurde auf Fr. 1'000.- festgelegt.

Urteilsdetails des Kantongerichts SB-04-37

Kanton:GR
Fallnummer:SB-04-37
Instanz:Kantonsgericht Graubünden
Abteilung:-
Kantonsgericht Graubünden Entscheid SB-04-37 vom 30.11.2004 (GR)
Datum:30.11.2004
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Verletzung von Verkehrsregeln
Schlagwörter : Beruf; Berufung; Fahrzeug; Strasse; Beweis; Fahrzeuge; Kantons; Berufungskläger; Unfall; Mauer; Recht; Strassen; Kantonsgericht; Urteil; Lieferwagen; Bezirk; Bezirksgericht; Graubünden; Hinterrhein; Verletzung; Fahrzeuges; Verfahren; Fahrbahn; Verkehr; Kurve; öglich
Rechtsnorm:Art. 107 StPO ;Art. 125 StPO ;Art. 141 StPO ;Art. 146 StPO ;Art. 158 StPO ;Art. 160 StPO ;Art. 31 SVG ;Art. 32 BV ;Art. 34 SVG ;Art. 346 StGB ;Art. 48 StPO ;Art. 63 StGB ;
Referenz BGE:117 IV 112; 118 IV 14; 119 Ia 318; 120 Ia 37; 121 I 308; 124 IV 44; 124 IV 87;
Kommentar:
Schweizer, Trechsel, , 2. Auflage, Zürich, Art. 146 StGB, 1997

Entscheid des Kantongerichts SB-04-37

Kantonsgericht von Graubünden

Tribunale cantonale dei Grigioni

Dretgira chantunala dal Grischun
_____

Ref.:
Chur, 30. November 2004
Schriftlich mitgeteilt am:
SB 04 37
(nicht mündlich eröffnet)

Urteil
Kantonsgerichtsausschuss
Vorsitz Vizepräsident
Schlenker
RichterInnen
Sutter-Ambühl und Rehli
Aktuarin ad hoc
Thöny
——————
In der strafrechtlichen Berufung
des X., Berufungskläger, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. iur. Hans-Jürg Tarnut-
zer, Hartbertstrasse 1, 7002 Chur,

gegen

das Urteil des Bezirksgerichtsausschusses Hinterrhein vom 24. August 2004, mit-
geteilt am 15. September 2004, in Sachen gegen den Berufungskläger,
betreffend Verletzung von Verkehrsregeln,
hat sich ergeben:


2
A.
Am Vormittag des 6. Juni 2003 um ca. 10.35 Uhr fuhr X. als Lenker
des Lieferwagens der Marke Ford Transit 350 mit dem Kontrollschild Nr. F. von A.
kommend auf der Kantonsstrasse in Richtung B.. In C. kam ihm in der Kurve beim
D. E. mit seinem Personenfahrzeug der Marke Honda CR-V mit dem Kontrollschild
Nr.. G entgegen. In der Folge kam es zwischen den beiden Fahrzeugen zu einer
seitlichen Kollision. Gemäss Fotoblatt und Rapport der Kantonspolizei Graubün-
den hatte das Fahrzeug von X. hinten einen Abstand von der Strassenbegrenzung
von rund 1.1 m und vorne einen solchen von 0.58 m. Ob das Fahrzeug von X. im
Zeitpunkt der Kollision stillstand noch leicht in Bewegung war, konnte durch
die Polizei nicht festgestellt werden. Die enge Strasse führt gemäss Polizeirapport
in Fahrtrichtung von E. gesehen durch eine leichte unübersichtliche Linkskurve.
Die Sicht nach vorne war durch die linksseitige Bruchsteinmauer auf ca. 30 m be-
schränkt. Am Lieferwagen entstand gemäss Polizeirapport vom 7. Juni 2003 ein
Sachschaden in der Höhe von ca. Fr. 1'000.--, am Personenwagen von E. ent-
stand ein Schaden von ca. Fr. 4'000.--. Verletzt wurde niemand.
B.
Aufgrund dieses Vorfalls erliess die Staatsanwaltschaft Graubünden
am 25. Juni 2003 einen Kompetenzentscheid, wonach der Kreispräsident Domle-
schg zur Verfolgung im Strafmandatsverfahren zuständig sei.
C.
Mit Strafmandat vom 30. September 2003, mitgeteilt am 1. Oktober
2003, sprach der Kreispräsident Domleschg X. schuldig der Verletzung von Ver-
kehrsregeln im Sinne von Art. 34 Abs. 1 SVG in Verbindung mit Art. 90 Ziff. 1 SVG
und bestrafte ihn mit einer Busse von Fr. 200.--. Gleichentags erkannte der Kreis-
präsident Domleschg den am Unfall Mitbeteiligten E. für schuldig der Verletzung
von Verkehrsregeln im Sinne von Art. 31 Abs. 1 SVG in Verbindung mit Art. 90
Ziff. 1 SVG und auferlegte ihm ebenfalls eine Busse in der Höhe von Fr. 200.--.
Die Kosten des Verfahrens wurden hälftig geteilt.
D.
Mit Eingabe vom 9. Oktober 2003 liess X. fristgerecht Einsprache
beim Kreisamt Domleschg erheben, welches daraufhin die Akten gestützt auf Art.
175 Abs. 1 StPO dem zuständigen Bezirksgerichtspräsidium Hinterrhein überwies.
Das Bezirksgerichtspräsidium Hinterrhein ergänzte die Untersuchung insofern, als
es einen Augenschein mit anschliessender Einvernahme der am Unfall beteiligten
Fahrzeuglenker durchführte. Mit Schlussverfügung vom 18. Februar 2004 erklärte
der untersuchende Bezirksgerichtspräsident Hinterrhein die Untersuchung als ge-
schlossen. Gleichzeitig wurde X. die Möglichkeit gegeben, innert 10 Tagen Anträ-
ge auf Ergänzung der Untersuchung zu stellen. X. verzichtete auf die Einreichung


3
ergänzender Anträge. Am 22. März 2004 erliess der Bezirksgerichtspräsident Hin-
terrhein die Anklageverfügung gegen X. wegen Verletzung von Verkehrsregeln
gemäss Art. 34 Abs. 1 SVG in Verbindung mit Art. 90 Ziff. 1 SVG und überwies
den Fall gestützt auf Art. 346 StGB und Art. 48 StPO dem Bezirksgerichtsaus-
schuss Hinterrhein zur Beurteilung. Am 24. August 2004 fand die mündliche
Hauptverhandlung statt, bei welcher auch X. und sein Rechtsvertreter anwesend
waren. Mit Urteil vom 24. August 2004, mitgeteilt am 15. September 2004, erkann-
te der Bezirksgerichtsausschuss Hinterrhein:
„1. X. ist schuldig der Verletzung von Verkehrsregeln im Sinn von Art. 34
Abs. 1 SVG in Verbindung mit Art. 90 Ziff. 1 SVG.
2.
Dafür wird X. mit einer Busse von Fr. 200.-bestraft.
3.
Die Kosten des Verfahrens, bestehend aus:
- Untersuchungskosten des Bezirksgerichts-

präsidenten Hinterrhein von
Fr. 790.00
- Verfahrenskosten des Kreises Domleschg von
Fr. 407.70
- Gerichtsgebühr von
Fr. 2'050.00
Total
Fr. 3'247.70


gehen zulasten von X.. Dieser Betrag ist zusammen mit der Busse von
Fr. 200.--, total somit Fr. 3'447.70 innert 30 Tagen seit Mitteilung des
Entscheides an das Bezirksgericht Hinterrhein, PC-Konto 70-4650-5,
zu überweisen.

4. (Rechtsmittelbelehrung).
5. (Mitteilung).“
E.
Gegen dieses Urteil liess X. mit Eingabe vom 29. September 2004
Berufung an den Kantonsgerichtsausschuss von Graubünden erheben mit folgen-
den Anträgen:
„1. Das angefochtene Urteil des Bezirksgerichtsausschusses Hinterrhein
vom 25. August 2004, mitgeteilt am 15. September 2004, sei aufzuhe-
ben.

2. Der Berufungskläger sei von der Anklage der Verletzung von Verkehrs-
regeln im Sinne von Art. 34 Abs. 1 SVG in Verbindung mit Art. 90 Ziff. 1
SVG von Schuld und Strafe freizusprechen.

3. Die Kosten des erstinstanzlichen Gerichtsverfahrens seien dem Bezirk
Hinterrhein aufzuerlegen, der den Berufungskläger angemessen aus-
seramtlich zu entschädigen habe.

4. Unter Kostenund Entschädigungsfolge zuzüglich die gesetzliche
Mehrwertsteuer für das Berufungsverfahren.“
Zur Begründung macht X. geltend, dass die Strasse, wie sich aus den Ak-
ten ergebe, im Bereich der Unfallstelle eine leichte Rechtskurve beschreibe und


4
beidseits von einer hohen Mauer begrenzt werde. Um in der Kurve nicht auf die
linke Strassenseite zu gelangen, habe er sich zwangsläufig mit dem Vorderteil des
Fahrzeuges möglichst an den rechten Strassenrand halten müssen. Dadurch habe
sich nicht vermeiden lassen, dass der Abstand des hinteren Teils des Fahrzeuges
zur Mauer relativ gross gewesen sei. Er beantrage die Durchführung eines Au-
genscheins an Ort und Stelle, an dem der Unfallhergang mit dem genau gleichen
Fahrzeugtyp, den er am fraglichen Tag lenkte, zu rekonstruieren sei. Nur so könne
sein Anspruch auf rechtliches Gehör gewahrt werden.
F.
Mit Schreiben vom 6. Oktober 2004 verzichtete die Staatsanwalt-
schaft Graubünden auf die Einreichung einer Vernehmlassung. Auch die Vo-
rinstanz erklärte mit Schreiben vom 25. Oktober 2004 den Verzicht auf Einrei-
chung einer Vernehmlassung.
Auf die weiteren Ausführungen im angefochtenen Urteil sowie in den
Rechtsschriften wird, soweit erforderlich, in den nachfolgenden Erwägungen ein-
gegangen.
Der Kantonsgerichtsausschuss zieht in Erwägung :
1.
Gegen Urteile und Beschlüsse der Bezirksgerichte und ihrer Aus-
schüsse können der Verurteilte und der Staatsanwalt beim Kantonsgerichtsaus-
schuss Berufung erheben (Art. 141 Abs. 1 StPO). Diese ist innert zwanzig Tagen
seit der schriftlichen Eröffnung des Entscheides in dreifacher Ausfertigung, unter
Beilage des angefochtenen Entscheides einzureichen. Sie ist zu begründen und
hat darzutun, welche Mängel des erstinstanzlichen Entscheides gerügt werden
und ob das ganze Urteil lediglich Teile davon angefochten werden (Art. 142
Abs. 1 StPO). Diesen Anforderungen genügt die vorliegende Berufung, weshalb
auf sie einzutreten ist.
2. Der
Kantonsgerichtspräsident
kann eine mündliche Verhandlung von
sich aus auf Antrag der Parteien anordnen, wenn die persönliche Befragung
des Angeklagten für die Beurteilung der Streitsache wesentlich ist (Art. 144 Abs. 1
StPO). Findet keine mündliche Verhandlung statt, so trifft der Kantonsgerichtsaus-
schuss seinen Entscheid ohne Parteivortritt auf Grund der Akten (Art. 144 Abs. 3
StPO). Der Angeschuldigte in einem Strafverfahren hat aber unabhängig von der
kantonalen Verfahrensordnung gestützt auf Art. 6 Ziff. 1 EMRK Anspruch darauf,
dass seine Sache in billiger Weise öffentlich gehört wird. Das Gebot der Verfah-


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rensöffentlichkeit unter dem Vorbehalt von Art. 107 StPO gilt dem Grundsatz nach
nicht nur für das erstinstanzliche Strafverfahren, sondern erstreckt sich auf die
Gesamtheit eines Strafverfahrens inklusive des gesamten Rechtsmittelweges,
somit auch auf das Berufungsverfahren gemäss Art. 141 ff. StPO. Der Betroffene
kann auf die Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung von sich aus
verzichten. Voraussetzung eines wirksamen Verzichts ist, dass er ausdrücklich
erklärt wird sich aus dem Stillschweigen des Betroffenen eindeutig ergibt.
Der durch einen Anwalt vertretene Berufungskläger hat im vorliegenden Fall
nicht die Durchführung einer eigentlichen mündlichen Berufungsverhandlung ver-
langt, woraus auf einen wirksamen Verzicht geschlossen werden kann. Es besteht
aber auch kein Grund, dass das urteilende Gericht von sich aus (vgl. hierzu Art.
144 Abs. 1 StPO) eine mündliche Berufungsverhandlung anordnet, nachdem die
Vorinstanz öffentlich verhandelt hat, bezüglich des strittigen Sachverhalts keine
zusätzlichen Aufschlüsse von einer mündlichen Verhandlung zu erwarten sind,
eine reformatio in peius ausgeschlossen ist und sich ferner im vorliegenden Fall
keine Fragen zur Person und zum Charakter des Berufungsklägers stellen, welche
sich nicht mit genügender Hinlänglichkeit aufgrund der Akten beantworten lassen.
Zudem steht einem nichtöffentlichen Verfahren kein öffentliches Interesse entge-
gen (vgl. BGE 119 Ia 318; Art. 107 StPO; SJZ 96/2000, S. 197 f; ZR 99/2000, Nr.
36). Die streitige Strafsache kann somit gestützt auf die vorliegenden Akten sach-
gerecht entschieden werden. Ein persönliches Vortreten von X. ist daher nicht
notwendig.
3.
Der Berufungskläger beantragt die Durchführung eines Augen-
scheins, an dem der Unfallhergang mit dem genau gleichen Fahrzeugtyp, den er
am fraglichen Tag lenkte, zu rekonstruieren sei. Nur so könne sein Anspruch auf
rechtliches Gehör gewahrt werden.
a)
Es ist Aufgabe des Gerichts, die materielle Wahrheit bezüglich des
den Gegenstand des Verfahrens bildenden Sachverhalts zu ermitteln. Bei der Be-
urteilung eines Sachverhaltes hat das Gericht die vorhandenen Beweismittel frei
zu würdigen (Art .146 Abs. 1 und Art. 125 Abs. 2 StPO). Den Verfahrensbeteiligten
steht es als Ausfluss des rechtlichen Gehörs frei, Beweisanträge zu stellen. Dabei
besteht aber kein uneingeschränktes Recht auf Beweisabnahme. Vielmehr kann
auf die Erhebung weiterer Beweise dann verzichtet werden, wenn die für die Beur-
teilung der Sache erforderlichen Tatsachen bereits aufgrund der vorhandenen
Beweismittel feststehen und nicht zu erwarten ist, dass neue Beweismittel das


6
Ergebnis der freien Würdigung der vorhandenen Beweismittel zu erschüttern ver-
mögen. Vorweggenommene antizipierte Beweiswürdigung ist also in einem
beschränkten Umfange zulässig; insbesondere kann der Richter das Beweisver-
fahren schliessen, wenn er aufgrund bereits abgenommener Beweise seine Über-
zeugung gebildet hat und er ohne Willkür in vorweggenommener Beweiswürdi-
gung annehmen kann, dass diese seine Überzeugung durch weitere Beweiserhe-
bungen nicht geändert würde (Niklaus Schmid, Strafprozessrecht, 3. Auflage, Zü-
rich, 1997, N 291 mit Hinweisen; Robert Hauser/Erhard Schweri, Schweizerisches
Strafprozessrecht, 4. Auflage, Basel 1999, § 54 N 1, § 55 N 10 mit Hinweisen; un-
veröffentlichtes Urteil 1P.245/2000 des Schweizerischen Bundesgerichts vom
21. Juni 2000; BGE 121 I 308 = Pra 85 Nr. 143 mit weiteren Hinweisen; PKG 1993
Nr. 27).
b)
Die Örtlichkeit und der Stand der beiden am Unfall beteiligten Fahr-
zeuge, nachdem sie angehalten worden waren, wurde von der Kantonspolizei
Graubünden mittels Fotos gesichert. Auf der Fotodokumentation (act. 5) ist der
fragliche Engpass in der sogenannten Schlosskurve sowie die an die Strasse an-
grenzende Mauer deutlich erkennbar. Die Fotodokumentation gibt zudem ein hin-
reichendes Bild des Endstandes der beiden Fahrzeuge. Zudem wurden die Unfal-
lörtlichkeit sowie die Abstände der beiden Fahrzeuge zu der angrenzenden Mauer
genau ausgemessen und skizziert (act. 2). Ein Augenschein und eine Rekonstruk-
tion des Unfallherganges vermögen somit keine urteilsrelevanten Aufschlüsse
mehr zu erbringen. Dies umso mehr, wenn zu Gunsten von X. von seiner Version
ausgegangen wird, wonach er angehalten habe und der Personenwagen in den
stillstehenden Lieferwagen geprallt sei; so entspricht diese Lage ganz offensicht-
lich derjenigen, wie sie auf dem Fotoblatt und in der Skizze festgehalten worden
ist. Eine Nachstellung der Situation, wie sie der Berufungskläger fordert, würde
aber erst Recht dann keine neuen Erkenntnisse erwarten lassen, wenn man da-
von ausgehen würde, es sei nicht ganz klar, ob der Lieferwagen von X. zum Zeit-
punkt der Kollision bereits ganz stillstand noch geringfügig in Bewegung war.
Des Weiteren ist darauf hinzuweisen, dass die Vorinstanz am 24. August 2004 in
Anwesenheit des am Unfall beteiligten Berufungsklägers einen Augenschein
durchführte und diesen nochmals zum Unfallhergang befragte. Eine neuerliche
Besichtigung der Unfallörtlichkeit ist auch in Anbetracht dessen nicht erforderlich.
Auch liegt keine Verletzung des rechtlichen Gehörs wie es der Berufungskläger
geltend macht vor. Der Beweisantrag auf Durchführung eines Augenscheins mit
Nachstellung der Situation ist, da er keine urteilsrelevanten Aufschlüsse mehr zu
erteilen vermag, abzuweisen. Mit den Aussagen der Beteiligten, dem Abstellen auf


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die Version von X. und der die Örtlichkeit und die Abstände der Fahrzeuge zur
Mauer wiedergebenden Fotodokumentation und Unfallskizze erachtet der Kan-
tonsgerichtsausschuss von Graubünden den rechtlich relevanten Sachverhalt als
hinreichend geklärt.
4.
Für das Berufungsverfahren ist zu beachten, dass dem Kantonsge-
richtsausschuss als Berufungsinstanz zwar eine umfassende, uneingeschränkte
Kognition zukommt (Art. 146 Abs. 1 StPO), er jedoch das vorinstanzliche Urteil
grundsätzlich nur im Rahmen der in der Berufung gestellten Anträge überprüft.
Wenn die Aktenlage die Beurteilung zulässt, keine Verletzung des rechtlichen Ge-
hörs vorliegt, der Mangel geheilt ist, entscheidet der Kantonsgerichtsaus-
schuss in der Sache selber (Art. 146 Abs. 2 StPO e contrario). Die Rückweisung
an die Vorinstanz bildet die Ausnahme (Padrutt, Kommentar zur Strafprozessord-
nung des Kantons Graubünden, 2. Auflage 1996, S. 375 f.) Eine solche wurde vor-
liegend weder beantragt noch ist sie angezeigt.
5.
Der Berufungskläger macht geltend, dass der Schlussfolgerung der
Vorinstanz, er hätte mit seinem Lieferwagen noch mehr rechts fahren können, als
er dies getan habe, nicht zugestimmt werden könne. Aus der polizeilichen Skizze
sei ersichtlich, dass die Strasse im Bereich der Unfallstelle eine leichte Rechtskur-
ve beschreibe. Sie sei rund 5 m breit und werde von beiden Seiten von einer ho-
hen Mauer begrenzt. Entlang dieser Mauer seien Pflastersteine angebracht, so
dass die Fahrbahn noch zusätzlich eingeengt werde. Als er am fraglichen Tag in
die Kurve eingefahren sei, habe er das entgegenkommende Fahrzeug gesehen
und erkannt, dass es zum Kreuzen knapp werden könnte. Daraufhin habe er sei-
nen Lieferwagen zum Stillstand gebracht. Der entgegenkommende E. sei dagegen
weitergefahren und habe die linke Ecke des Aufbaus des Lieferwagens gestreift.
Dadurch sei er mit der rechten Mauer in Berührung geraten, weshalb sein Fahr-
zeug zwischen dem Lieferwagen und der Mauer eingeklemmt worden sei. Die Po-
lizei habe die Unfallstelle ausgemessen und festgestellt, dass das Fahrzeug des
Berufungsklägers hinten einen Abstand von der Mauer von 1.10 m und vorne ei-
nen solchen von 0.58 m gehabt hatte. Der vordere rechte Rückspiegel sei nur
noch rund 30 cm von der Mauer entfernt gewesen. Die Vorinstanz sei gestützt da-
rauf zum Schluss gekommen, dass der Berufungskläger den letzten Teil vor der
Unfallstelle nicht rechts gefahren sei, sondern in der Fahrbahnmitte gar auf
der linken Strassenhälfte, indem er etwa die vorherige Kurve stark geschnitten
habe. Der Berufungskläger wendet dagegen ein, dass diese Ansicht reine Speku-
lation sei. Da die Mauer im Bereich der Höhe der Führerkabine einen Knick auf-


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weise, habe er seinen Lieferwagen, um nicht auf die linke Strassenseite zu gelan-
gen, zwangsläufig mit dem Vorderteil möglichst an den rechten Strassenrand hal-
ten müssen. Dadurch habe sich aber nicht vermeiden lassen, dass der Abstand
des hinteren Teils des Fahrzeugs zur Mauer relativ gross gewesen sei. Dies sei
aber nicht seiner Fahrweise zuzuschreiben, sondern einzig und allein dem Verlauf
der Strasse. Aufgrund dessen sei er von Schuld und Strafe freizusprechen.
a)
Bei der Würdigung der Beweismittel entscheidet das Gericht gemäss
Art. 125 Abs. 2 StPO in Verbindung mit Art. 146 Abs. 1 StPO auch im Berufungs-
verfahren nach freier Überzeugung. Die Beweislast für die dem Angeklagten vor-
geworfenen Taten liegt dabei grundsätzlich beim Staat (Padrutt, a.a.O., S. 306).
An diesen Beweis sind hohe Anforderungen zu stellen. Verlangt wird mehr als ei-
ne blosse Wahrscheinlichkeit, nicht aber ein absoluter Beweis der Täterschaft.
Nach der aus Art. 32 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 2 EMRK fliessenden Beweiswürdi-
gungsregel „in dubio pro reo“ darf sich der Strafrichter jedoch nicht von der Exis-
tenz eines für den Angeklagten ungünstigen Sachverhaltes überzeugt erklären,
wenn bei objektiver Betrachtung Zweifel an den tatsächlichen Voraussetzungen
für ein verurteilendes Erkenntnis bestehen (BGE 124 IV 87 f.). Bloss theoretische
und abstrakte Zweifel sind indessen nicht massgebend, weil solche immer möglich
sind und absolute Gewissheit nicht verlangt werden kann. Es muss sich vielmehr
um erhebliche und nicht zu unterdrückende Zweifel handeln, das heisst um sol-
che, die sich nach der objektiven Rechtslage aufdrängen (BGE 120 Ia 37). Aufga-
be des Richters ist es, ohne Bindung an Beweisregeln die an sich möglichen Zwei-
fel zu überwinden und sich mit Überzeugung für einen bestimmten Sachverhalt zu
entscheiden, wobei die Bildung der Überzeugung objektivierund nachvollziehbar
sein muss. Die Schuld des Angeklagten muss sich auf vorgelegte Beweise und
Indizien stützen, die vernünftige Zweifel in ausschliesslicher Weise zu beseitigen
vermögen (vgl. PKG 1987 Nr. 12; Padrutt, a.a.O., S. 307). Es ist anhand sämtli-
cher sich aus den Akten ergebenden Umstände zu untersuchen, ob die Darstel-
lung der Anklage jene des Angeklagten den Richter zu überzeugen vermag.
Erst wenn eine solche Überzeugung weder in der einen noch in der anderen Rich-
tung zu gewinnen ist, muss gemäss dem Grundsatz „in dubio pro reo“ der für den
Angeklagten günstigere Sachverhalt angenommen werden und es hat ein Frei-
spruch zu erfolgen (Padrutt, a.a.O., S. 307).
b)
Nach Art. 34 Abs. 1 SVG müssen Fahrzeuge rechts, auf breiten
Strassen innerhalb der rechten Fahrbahnhälfte fahren (Satz 1); sie haben sich
möglichst an den rechten Strassenrand zu halten, namentlich bei langsamer Fahrt


9
und auf unübersichtlichen Strecken (Satz 2). Das Rechtsfahrgebot gilt allerdings
nicht absolut. Dessen Einhaltung ist nach den Verkehrsund Sichtverhältnissen
der konkreten Situation zu beurteilen. Der Fahrzeugführer kann auf gewölbten o-
der sonst schwer zu befahrenden Strassen und in Linkskurven von der Regel ab-
weichen, wenn die Strecke übersichtlich ist und weder der Gegenverkehr noch
nachfolgende Fahrzeuge behindert werden. Der Fahrzeuglenker muss sich aber
immer an die Vorschrift des Rechtsfahrens halten, wenn wegen besonderer Ver-
hältnisse jede Abweichung von der Regel den Verkehr unmittelbar gefährden
müsste. Wo mit entgegenkommenden Fahrzeugen zu rechnen ist, die nicht auf
Distanz wahrgenommen werden können, muss zum Vornherein der zum Kreuzen
notwendige Zwischenraum in der Mitte der Strasse freigelassen werden (vgl. BGE
129 IV 44 mit weiteren Hinweisen).
Wie sich aus der Unfallskizze der Kantonspolizei Graubünden (act. 2)
ergibt, betrug der Abstand des vorderen Teils des Lieferwagens von X. zur linken
Mauer im Zeitpunkt der Kollision 0.58 m, während das Heck des Fahrzeugs 1.10
m von der Mauer entfernt war und damit über die Fahrbahnmitte ragte. Dies ist
deshalb möglich, weil bei einer Richtungsänderung einzig die vorderen Räder ein-
geschlagen werden, auf den hinteren Teil des Fahrzeuges jedoch nicht eingewirkt
wird, die Hinterachse somit starr bleibt. Das Heck wird folglich „nachgezogen“ und
folgt nicht genau derselben Spur wie der vordere Teil des Fahrzeuges. Beim
Durchfahren einer Kurve werden die Vorderräder eines Fahrzeuges auf einer
durch den Lenkradeinschlag vorgegebenen Leitlinie geführt, während sich die Hin-
terräder auf einer zur Kurveninnenseite nachlaufenden sogenannten Schleppkurve
bewegen. Die gelenkten Vorderräder beschreiben somit im Idealfall einen weit
ausholenden Bogen, während die starren Hinterräder auf einem kleineren Spur-
kreisdurchmesser rollen. Gerade bei Fahrzeugen mit längerem Aufbau, wie es
beim Lieferwagen von X. der Fall war, muss daher beim Befahren einer Kurve et-
was ausgeholt werden, damit die Hinterräder, die einem kleineren Spurkreis-
durchmesser folgen, auf der eigenen Fahrbahnhälfte bleiben, das Heck somit nicht
gegen die Fahrbahnmitte hin ausbricht. Der Fahrzeuglenker darf jedoch erst dann
ausholen und mit den Vorderrädern einen weiteren Bogen beschreiben, wenn der
entgegenkommende Verkehr dadurch nicht behindert wird. Keinesfalls darf er aber
beim Kreuzen mit einem anderen Fahrzeug eine Kurve so befahren, dass durch
das damit verbundene Ausschwenken des Hecks gegen die Fahrbahnmitte
gar darüber hinaus eine Gefahr für das passierende Fahrzeug entsteht, auf wel-
che der Lenker des längeren Fahrzeuges nicht mehr einwirken kann. X. gab selbst
zu, dass die Fahrbahn für den Entgegenkommenden gegen hinten immer schma-


10
ler geworden sei; die Stelle sei für ein Kreuzen zu eng gewesen (act. 3). Den Aus-
führungen von X., er habe sich zwangsläufig mit dem Vorderteil des Fahrzeuges
möglichst an den rechten Strassenrand halten müssen, um nicht auf die linke
Strassenseite zu gelangen, kann so nicht gefolgt werden. Wie das Fotoblatt zeigt,
befand sich das Heck des Lieferwagens zum Zeitpunkt der Kollision viel zu weit in
der Strassenmitte. Die Strasse ist zudem - unbestrittenermassen sehr eng. Paul
Gattlen wäre somit - da aufgrund der Länge des Fahrzeuges ein Ausholen auch
über seine Fahrbahnhälfte hinaus unumgänglich war verpflichtet gewesen, mit
dem Manöver so lange zuzuwarten, bis kein Gegenverkehr mehr nahte. Andern-
falls hätte er falls möglich mit dem vorderen Teil seines Fahrzeuges die Strasse
so befahren müssen, dass er mit dem hinteren Teil des Fahrzeuges nicht über
seine Fahrbahnhälfte hinaus geraten wäre. Durch sein Fehlverhalten hat X. das
Gebot des Rechtsfahrens gemäss Art. 34 Abs. 1 SVG in Verbindung mit Art. 90
Ziff. 1 SVG verletzt, weshalb er dafür schuldig zu sprechen ist. Die Frage, ob er -
wie die Vorinstanz ausgeführt hat - den letzten Teil vor der Unfallstelle in der Mitte
gar in der linken Strassenhälfte gefahren ist, indem er die vorherige Kurve
stark geschnitten hat, kann damit offen gelassen werden. Diese Erwägungen sind
auch wenn sie etwas für sich zu haben scheinen hypothetischer Natur.
Schliesslich gilt es festzustellen, dass E. für sein Fehlverhalten ebenfalls verurteilt
worden ist und dass es eine Schuldkompensation nicht gibt.
6.
Bei der Überprüfung der vorinstanzlichen Strafzumessung setzt der
Kantonsgerichtsausschuss sein Ermessen anstelle desjenigen der Vorinstanz und
wendet die Regeln über die Strafzumessung selbstständig an. Er misst die Strafe
nach dem Verschulden des Täters zu, wobei er die Beweggründe, das Vorleben
und die persönlichen Verhältnisse des Schuldigen berücksichtigt (Art. 63 StGB). In
BGE 117 IV 112 ff. hat das Bundesgericht grundsätzliche Bemerkungen zur Frage
der Strafzumessung angebracht. Demnach muss sich der Begriff des Verschul-
dens auf den gesamten Unrechtsund Schuldgehalt der konkreten Straftat bezie-
hen. Bei der Tatkomponente sind insbesondere das Ausmass des verschuldeten
Erfolgs, die Art und Weise seiner Herbeiführung, die Willensrichtung, mit welcher
der Täter gehandelt hat und die Beweggründe, die Art. 63 StGB ausdrücklich er-
wähnt, zu beachten. Die Täterkomponente erfasst demgegenüber das Vorleben,
insbesondere auch allfällige Vorstrafen, die persönlichen Verhältnisse, das Verhal-
ten nach der Tat und im Strafverfahren, wie zum Beispiel Reue, Einsicht
Strafempfindlichkeit (vgl, auch BGE 118 IV 14; BGE 124 IV 44 ff.). Innerhalb des
gesetzlichen Strafrahmens ist ohne Bindung an feste Regeln die verschuldensge-
rechte Strafe zu finden.


11
Gemäss Art. 90 Ziff. 1 SVG wird die Verletzung von Verkehrsregeln mit Haft
Busse bestraft. Der Betrag einer allfälligen Busse wird vom Richter je nach
den Verhältnissen des Täters so bestimmt, dass dieser durch die Einbusse die
Strafe erleidet, die seinem Verschulden angemessen ist, wobei für die Verhältnis-
se des Täters namentlich sein Einkommen, sein Vermögen, sein Familienstand
und seine Familienpflichten, sein Beruf und Erwerb, sein Alter und seine Gesund-
heit von Bedeutung sind (vgl. Art. 48 Ziff. 2 StGB). Das Verschulden des Beru-
fungsklägers wiegt nicht schwer, es ist aber zu berücksichtigen, dass er durch sein
Fehlverhalten eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer geschaffen hat, wel-
che sich unmittelbar auch realisierte. Auch ist X. im ADMAS-Register bereits mit
einem Eintrag verzeichnet. Unter Berücksichtigung der konkreten Umstände sowie
sämtlicher Strafzumessungsgründe erscheint dem Kantonsgerichtsausschuss von
Graubünden die von der Vorinstanz ausgesprochene Busse in der Höhe von Fr.
200.-als dem Verschulden des Berufungsklägers angemessen.
7.
Das vorinstanzliche Urteil erweist sich somit als rechtmässig und die
Berufung ist abzuweisen. Es hat daher auch beim vorinstanzlichen Kostenspruch
zu bleiben (Art. 158 StPO). Die Kosten des Berufungsverfahrens sind bei diesem
Ausgang des Verfahrens gemäss Art. 160 Abs. 1 StPO vollumfänglich dem Beru-
fungskläger aufzuerlegen.


12
Demnach erkennt der Kantonsgerichtsausschuss :
1.
Die Berufung wird abgewiesen.
2.
Die Kosten des Berufungsvefahrens von Fr. 1'000.-gehen zu Lasten des
Berufungsklägers.
3.
Gegen dieses Urteil kann, sofern Verletzung eidgenössischen Rechts gel-
tend gemacht werden will, Nichtigkeitsbeschwerde an den Kassationshof
des schweizerischen Bundesgerichts geführt werden. Diese ist dem Bun-
desgericht innert 30 Tagen seit Zustellung der vollständigen Ausfertigung
des Entscheides in der in Art. 273 des Bundesgesetzes über die Bundes-
strafrechtspflege (BStP) vorgeschriebenen Weise einzureichen. Für die Be-
schwerdelegitimation und die weiteren Voraussetzungen der Nichtigkeits-
beschwerde gelten die Art. 268 ff. BStP.
4. Mitteilung
an:
__
Für den Kantonsgerichtsausschuss von Graubünden
Der Vizepräsident:
Die Aktuarin ad hoc:


Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

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