Der Beschwerdeführer X._____ wurde vom Betreibungs- und Konkursamt Plessur betrieben, da er angeblich offene Mietzinse und Aufwendungen nicht bezahlt hatte. X._____ behauptete, seinen Wohnsitz nach L.1_____ verlegt zu haben, während das Amt davon ausging, dass sein Lebensmittelpunkt in O.2_____ sei. Nach Prüfung der vorgelegten Beweise und Indizien entschied das Kantonsgericht von Graubünden, dass der Betreibungsort in O.2_____ liegt und wies die Beschwerde ab. Die Gerichtskosten wurden nicht erhoben.
Urteilsdetails des Kantongerichts KSK-16-39
Kanton: | GR |
Fallnummer: | KSK-16-39 |
Instanz: | Kantonsgericht Graubünden |
Abteilung: | - |
Datum: | 16.08.2016 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Betreibungsort |
Schlagwörter : | Betreibung; Betreibungs; Wohnsitz; SchKG; Konkurs; Plessur; Konkursamt; Recht; Verfügung; Schuldbetreibung; Entscheid; Konkursamtes; Indiz; Kanton; Bundesgericht; Graubünden; Aufsichtsbehörde; Schweiz; Wohnung; Beilage; Kantonsgericht; Beschwerdeführers; Betreibungsort |
Rechtsnorm: | Art. 13 KG ;Art. 144 ZPO ;Art. 17 KG ;Art. 20a KG ;Art. 23 ZGB ;Art. 26 KG ;Art. 31 KG ;Art. 36 KG ;Art. 46 KG ;Art. 48 KG ; |
Referenz BGE: | 109 III 37; 110 III 30; 132 I 29; 133 V 309; 134 III 181; 134 V 236; 137 II 122; 138 II 300; |
Kommentar: | Geiser, Staehelin, Zivilgesetzbuch I, Art. 23 ZGB, 2014 Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017 |
Entscheid des Kantongerichts KSK-16-39
Kantonsgericht von Graubünden
Dretgira chantunala dal Grischun
Tribunale cantonale dei Grigioni
Ref.:
Chur, 16. August 2016
Schriftlich mitgeteilt am:
KSK 16 39
19. August 2016
Entscheid
Schuldbetreibungsund Konkurskammer
als Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs
Vorsitz
Brunner
RichterInnen
Michael Dürst und Hubert
Aktuar ad hoc
Guetg
In der Schuldbetreibungsund Konkursbeschwerde
des X.___, Beschwerdeführer,
gegen
die Verfügung des Betreibungsund Konkursamtes Plessur vom 10. Juni 2016,
mitgeteilt am 13. Juni 2016, in Sachen des Beschwerdeführers,
betreffend Betreibungsort,
hat sich ergeben:
I. Sachverhalt
A.
Mit Betreibungsbegehren vom 15. April 2016 liess A.___, vertreten durch
die B.___AG, gegen X.___ den Betrag in Höhe von CHF 8'768.50 nebst Zins
zu 5% seit 29. Februar 2016 für offene Mietzinse / Aufwendungen mit Betreibung
[sic], in Betreibung setzen (vgl. BKA Plessur act. 1).
B.
Gegen den in der Folge am 19. April 2016 ausgestellten Zahlungsbefehl
des Betreibungsund Konkursamtes Plessur (Betreibung Nr. ___; Zustellung an
den Adressaten am 22. April 2016) wurde kein Rechtsvorschlag erhoben (vgl.
BKA Plessur act. 2).
C.
Mit Schreiben vom 25. April 2016 erhob X.___ gegenüber dem Betrei-
bungsamt O.2___ [recte: Plessur] den Einwand der fehlenden örtlichen Zustän-
digkeit infolge seines ausländischen Wohnsitzes. Er gab an, nunmehr in
O.1___, L.1___, ansässig zu sein und in O.2___ lediglich über eine Kon-
taktadresse bei seiner Schwester an der ___strasse zu verfügen (vgl. BKA
Plessur act. 3).
D.
Auf dieses Schreiben Bezug nehmend forderte das Betreibungsund Kon-
kursamt Plessur X.___ mit Schreiben vom 27. April 2016 auf, innert 10 Tagen
weitere Beweise nachzureichen, sodass geprüft werden könne, ob er seinen
Wohnsitz tatsächlich nach L.1___ verlegt habe (BKA Plessur act. 4).
E.
Mit Schreiben vom 29. April 2016 reichte X.___ beim Betreibungsund
Konkursamt Plessur die eingeforderten Belege nach. Dem Schreiben waren Ko-
pien der Aufenthaltsbewilligung (LEMUMS) in O.1___ vom 24. Juli 2014, seiner
L.1___ Identitätskarte, der Gesellschaftsgründung der C.___, ein Schreiben
an die Einwohnerkontrolle vom 25. April 2016 sowie ein ärztliches Zeugnis von Dr.
D.___ vom 20. April 2016 beigelegt. Zusammengefasst hielt X.___ fest, sei-
nen Wohnsitz nach wie vor in L.1___ zu haben (vgl. BKA Plessur act. 7).
F.
A.___ liess in der Folge am 7. Juni 2016, eingegangen am 9. Juni 2016,
beim Betreibungsund Konkursamt Plessur ein Begehren um Fortsetzung der Be-
treibung Nr. ___ stellen (vgl. BKA Plessur act. 10).
G.
Mit Verfügung vom 10. Juni 2016, mitgeteilt am 13. Juni 2016, hielt das Be-
treibungsund Konkursamt Plessur fest, dass der Wohnort von X.___ O.2___
sei und damit ebenfalls der Betreibungsort in O.2___ gegeben sei. Das Betrei-
bungsund Konkursamt gelangte zu dieser Erkenntnis, weil sich X.___ haupt-
Seite 2 — 12
sächlich in O.2___ aufhalte, ganz überwiegend dort schlafe, alle persönlichen
Effekte dort habe, dort medizinische Therapie geniesse, dort seine Frau wohnhaft
sei, er dort Mietverträge begründe, versichert sei und ein Auto habe (vgl. BKA
Plessur act. 9).
H.
Gegen die genannte Verfügung erhob X.___ (nachfolgend Beschwerde-
führer) am 24. Juni 2016 (Poststempel) Beschwerde an das Kantonsgericht Grau-
bünden und beantragte:
"1. Die Verfügung des Betreibungsund Konkursamtes, mitgeteilt durch
[das] Schreiben vom 10. Juni 2016, betreffend Wohnund Betrei-
bungsort O.2___ aufzuheben.
2. Festzustellen, dass ich nicht in O.2___ ansässig bin.
3. Der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
4. Die Verrechnung [recte: Verteilung] der Kosten und Entschädigungs-
folge nach Gesetz festzulegen."
Begründend führte der Beschwerdeführer aus, dass er, seitdem er zum Ge-
schäftsführer der C.___ gewählt worden sei, seinen Wohnsitz nach O.1___
verlegt habe. Die in der Schweiz angegebene Adresse, ___strasse, O.2___,
sei die Adresse seiner Schwester, welche für ihn auch die Post entgegen nehme,
damit die Postzustellung an ihn gewährleistet sei. Die Wohnung an der
___strasse habe er lediglich gemietet, weil er mit dem Gedanken spiele, wieder
nach O.2___ zurück zu kommen. Vorerst diene die Wohnung für seine Aufent-
halte in der Schweiz. Seinen Hausarzt sowie die Krankenkasse in der Schweiz
habe er in all den Jahren seiner Abwesenheit beibehalten. Die vermehrte Anwe-
senheit in der Schweiz sei krankheitsbedingt. Er leide an einem akuten Blasentu-
mor und sei deshalb in Behandlung bei seinem Hausarzt. Er verfüge jedoch über
keinen Wohnsitz in O.2___. Zur Begründung seines Antrages, der Beschwerde
aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, führt der Beschwerdeführer aus, dass er
mangels Wohnsitz in O.2___ nicht in der Lage sei, aufgrund der kurzen SchKG-
Fristen adäquat zu reagieren (z.B. Rechtsvorschlag erheben etc.). Diesbezüglich
bringt er bezugnehmend auf das ärztliche Zeugnis weiter vor, dass sein derzeitiger
Gesundheitszustand die Erledigung laufender Geschäfte und Korrespondenzen
innert dieser kurzen Fristen nicht zulasse (vgl. act. A. 1).
I.
Mit Verfügung vom 27. Juni 2016 forderte der Vorsitzende der Schuldbe-
treibungsund Konkurskammer des Kantonsgerichtes Graubünden das Betrei-
bungsund Konkursamt Plessur zur Vernehmlassung und Aktenzustellung bis
zum 8. Juli 2016 auf (vgl. act. D.1). Mit Schreiben vom 10. Mai [recte: wohl Juli]
2016, persönlich überbracht am 12. Juli 2016, reichte das Betreibungsund Kon-
Seite 3 — 12
kursamt Plessur die ersuchte Stellungnahme ein. Aus dieser geht indessen kein
Antrag hervor. Da darin hauptsächlich auf die Ausführungen in der Verfügung des
Betreibungsund Konkursamtes Plessur vom 10. Juni 2016 (vgl. BKA Plessur act.
9) verwiesen wird, ist zumindest sinngemäss auf Abweisung der Beschwerde zu
schliessen. Begründend bringt es vor, dass der Beschwerdeführer dem Betrei-
bungsund Konkursamt Plessur seinen Wohnsitz in O.1___ bislang nicht genü-
gend belegt habe. Eine Anmeldung in O.1___ sowie eine lettische Aufenthalts-
bewilligung sei nur ein Indiz für den Wohnort. Einen Mietvertrag habe er aber bis-
lang nicht vorgelegt. Wo er in O.1___ wohne, vermöge der Beschwerdeführer
denn auch nicht darzulegen (vgl. act. A. 2).
J.
Auf die Ausführungen in den eingereichten Rechtsschriften sowie in der
angefochtenen Verfügung wird, soweit erforderlich, in den nachfolgenden Erwä-
gungen eingegangen.
II. Erwägungen
1.a)
Mit Ausnahme der Fälle, in denen das SchKG den Weg der gerichtlichen
Klage vorschreibt, kann gegen jede Verfügung eines Betreibungsoder eines
Konkursamtes
bei
der
Aufsichtsbehörde
Beschwerde
geführt
werden
(Art. 17 Abs. 1 SchKG). Die betreibungsrechtliche Beschwerde stellt ein spezifisch
zwangsvollstreckungsrechtliches Institut verwaltungsrechtlicher Natur dar, bei wel-
cher es sich nicht um eine gerichtliche Angelegenheit im Sinne von
Art. 1 lit. c ZPO handelt (Urteil des Bundesgerichtes 5A_471/2013 E. 2.1). Der Be-
schwerdeführer wehrt sich gegen die Verfügung des Betreibungsund Kon-
kursamtes Plessur vom 10. Juni 2016 und bringt vor, dieses sei örtlich nicht zu-
ständig. Die mangelnde örtliche Zuständigkeit des Betreibungsamtes (in concreto
Verletzung von Art. 46 Abs.1 SchKG) ist mit Beschwerde nach Art. 17 ff. SchKG
und nicht mit Rechtsvorschlag erst im Rechtsöffnungsverfahren geltend zu
machen (Ernst F. Schmid, in: Staehelin/Bauer/Staehelin [Hrsg.], Basler Kommen-
tar zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs I, 2. Auflage, Basel
2010, N 30 zu Art. 46 SchKG).
b)
Unter Vorbehalt von Art. 20a Abs. 2 SchKG ist das Verfahren vor den kan-
tonalen Aufsichtsbehörden kantonal geregelt (Art. 20a Abs. 3 SchKG). Gemäss
Art. 17 Abs. 4 des Einführungsgesetzes zum Bundesgesetz über Schuldbetrei-
bung und Konkurs (EGzSchKG; BR 220.000) sind die Bestimmungen der Zivilpro-
zessordnung sinngemäss anwendbar. Es obliegt den Kantonen, die zuständigen
Seite 4 — 12
Aufsichtsbehörden zu bezeichnen, an welche die Beschwerde gemäss
Art. 17 SchKG zu richten ist (Art. 17 Abs. 1 SchKG in Verbindung mit
Art. 13 Abs. 1 SchKG). Im Kanton Graubünden amtet das Kantonsgericht Grau-
bünden bzw. die Schuldbetreibungsund Konkurskammer als einzige kantonale
Aufsichtsbehörde gemäss Art. 13 SchKG und als einzige Beschwerdeinstanz ge-
mäss Art. 17 SchKG (Art. 13 EGzSchKG in Verbindung mit Art. 8 Abs. 1 der Ver-
ordnung über die Organisation des Kantonsgerichts [KGV]; BR 173.100). Das
Kantonsgericht Graubünden ist demnach zur Behandlung der vorliegenden Be-
schwerde zuständig.
c)
Die Beschwerde wegen Gesetzesverletzung Unangemessenheit muss
innert zehn Tagen seit dem Tag, an welchem der Beschwerdeführer von der Ver-
fügung Kenntnis erhalten hat, angebracht werden (Art. 17 Abs. 2 SchKG). Dabei
handelt es sich um eine gesetzliche und damit nicht erstreckbare Verwirkungsfrist
(Art. 31 SchKG in Verbindung mit Art. 144 Abs. 1 ZPO). Die Verfügung des Be-
treibungsund Konkursamtes Plessur datiert vom 10. Juni 2016 (Poststempel vom
13. Juni 2016) und wurde dem Beschwerdeführer am 14. Juni 2016 zur Kenntnis
gebracht (vgl. Beilagen Aktivpartei act. B.2). Die schriftliche Beschwerde, datiert
vom 24. Juni 2016 (Poststempel gleichentags), erfolgte damit fristund formge-
recht. Die übrigen Beschwerdevoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen
Anlass. Auf die Beschwerde ist somit einzutreten.
2.a)
In prozessualer Hinsicht beantragt der Beschwerdeführer, seiner Be-
schwerde die aufschiebende Wirkung zu erteilen. Der betreibungsrechtlichen Be-
schwerde nach Art. 17 SchKG kommt von Gesetzes wegen keine aufschiebende
Wirkung zu (Art. 26 SchKG). Die Anordnung Verweigerung der aufschieben-
den Wirkung stellt einen Ermessensentscheid der Aufsichtsbehörde bzw. ihres
Präsidenten dar (Urteil des Bundesgerichts 5A_406/2009 vom 22. Juni 2011 E.
7.2; Urteil des Bundesgerichts 5A_968/2015 vom 7. März 2016 E. 3.1). Grund-
sätzlich ist die aufschiebende Wirkung erst auf den Zeitpunkt zu gewähren, in dem
nicht reversible Vorkehren zu treffen sind, wie z.B. die Verwertung und die Vertei-
lung (Urteil des Bundesgerichts 5A_466/2014 vom 22. Juli 2014 E. 2.1; Urteil des
Bundesgerichts 5A_968/2015 vom 7. März 2016 E. 3.1). Praktische Gründe gebie-
ten es den Zwangsvollstreckungsorganen im Allgemeinen, mit dem Vollzug eines
Entscheids zuzuwarten, bis die Beschwerdefrist abgelaufen bis ein Entscheid
über die aufschiebende Wirkung gefällt worden ist, es sei denn, es liege Gefahr im
Verzug vor (BGE 109 III 37 E. 2.c; Jolanta Kren Kostkiewicz, Schuldbetreibungs-
und Konkursgesetz, Kommentar, 19. Auflage, Zürich 2016, N 7 zu Art. 36 SchKG;
Flavio Cometta/Urs Peter Möckli, in: Staehelin/Bauer/Staehelin [Hrsg.], Basler
Seite 5 — 12
Kommentar zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs I, 2. Auflage,
Basel 2010 N 10 zu Art. 36). Die aufschiebende Wirkung kann auf Antrag von
Amtes wegen gewährt werden (Flavio Cometta/Urs Peter Möckli, a.a.O., N 11 zu
Art. 36).
b)
Praxisgemäss verfolgen die hiesigen Betreibungsund Konkursämter ent-
sprechend der obgenannten Rechtsprechung die laufenden Betreibungen wäh-
rend eines hängigen Beschwerdeverfahrens nicht weiter. Der Vollzug des Ent-
scheides wird ausgesetzt, bis ein Entscheid über die Beschwerde bzw. über die
Erteilung der aufschiebenden Wirkung vorliegt. Dies setzt jedoch voraus, dass das
in Frage stehende Organ die Herrschaft über die Vollstreckung seines Entschei-
des hat. Dies wäre insbesondere dann nicht der Fall, wenn das Betreibungsamt
die Pfändung aufhebt, da mit diesem Entscheid dem Schuldner ipso facto sein
Verfügungsrecht wieder verliehen würde (BGE 134 III 181 E. 3.2). Da im vorlie-
genden Verfahren noch keine Pfändung erfolgt ist, kommt dem Betreibungsund
Konkursamt Plessur nach wie vor die Herrschaft über die Vollstreckung seines
Entscheides zu. Aus Gesagtem folgt, dass dem Beschwerdeführer kein Nachteil
erwächst, wenn die aufschiebende Wirkung nicht erteilt wird. Entsprechend ist
seinem diesbezüglichen Antrag nicht stattzugeben. Die Ausführungen des Be-
schwerdeführers, wonach es ihm mangels Wohnsitz in O.2___ und infolge sei-
nes Gesundheitszustandes nicht möglich sei, die kurzen Fristen gemäss SchKG
einzuhalten (z.B. Rechtsvorschlag erheben etc.), gehen deshalb fehl. Die Erteilung
der aufschiebenden Wirkung soll nicht dazu dienen, dem Beschwerdeführer mehr
Zeit einzuräumen, sondern lediglich einen drohenden und nicht wieder rückgängig
zu machenden Nachteil verhindern. Mit der Zustellung des Entscheids in der Sa-
che selbst wird der Antrag um Gewährung der aufschiebenden Wirkung ohnehin
obsolet.
3.
Mit der Beschwerde nach Art. 17 SchKG können die Gesetzesverletzung
(Abs. 1), die Unangemessenheit (Abs. 1) sowie Rechtsverzögerung Rechts-
verweigerung (Abs. 3) gerügt werden. Gesetzesverletzung bedeutet Rechtsverlet-
zung, worunter auch Ermessensmissbrauch und Ermessensüberschreitung fällt
(BGE 110 III 30 E. 2). Als gesetzlich zwingende Ordnung sieht das schweizerische
SchKG vor, dass ein Zwangsvollstreckungsverfahren auf Geldleistung in der
Schweiz nur möglich ist, wenn ein Betreibungsort gegeben ist (Ernst F. Schmid,
a.a.O., N 6 zu Art. 46 SchKG). Die Aufsichtsbehörde hat in jedem Stadium des
Verfahrens darüber zu wachen, dass die Zuständigkeitsordnung eingehalten wird
(Ernst F. Schmid, a.a.O., N 29 zu Art. 46 SchKG).
Seite 6 — 12
a)
Art. 46 SchKG regelt den ordentlichen Betreibungsort. Gemäss dessen
Abs. 1 ist der (natürliche) Schuldner an seinem (Schweizer) Wohnsitz zu betrei-
ben. Der Beschwerdeführer macht geltend, dass er Wohnsitz in O.1___ habe
und der ordentliche Betreibungsort folglich nicht O.2___ sei. Demgegenüber ist
das Betreibungsund Konkursamt Plessur der Überzeugung, dass der Beschwer-
deführer seinen Wohnsitz in O.2___ hat. Strittig ist vorliegend somit nicht die
Rechtsfrage, wo der Schuldner zu betreiben ist, sondern die Frage, wo er tatsäch-
lich seinen Wohnsitz im Sinne von Art. 46 Abs. 1 SchKG hat. Auf die für vorlie-
genden Fall nicht einschlägigen besonderen Betreibungsstände von Art. 48-52
SchKG wird daher nicht näher eingegangen.
a/aa) Das SchKG definiert den Wohnsitz nicht selbst. Abzustellen ist auf den zivil-
rechtlichen Wohnsitz, das heisst auf die einschlägigen Bestimmungen von Art. 23-
26 ZGB; dies zumindest solange nicht eine Betreibung nach Art. 48 SchKG in
Frage steht. Der Begriff des Wohnsitzes der handlungsfähigen Person wird im
ZGB und im IPRG gleich umschrieben (Art. 23 Abs. 1 ZGB, Art. 20 Abs. 1 lit. a
IPRG). Zur Bestimmung des Wohnsitzes und damit des ordentlichen Betreibungs-
standes einer natürlichen Person ist somit der Ort festzustellen, wo sich diese in
objektiver und für Dritte erkennbarer Weise mit der Absicht dauernden Verbleibens
aufhält und den sie zum Mittelpunkt ihrer persönlichen Lebensbeziehungen und
Interessen gemacht hat. Im Normalfall befindet sich der Wohnsitz am Wohnort, wo
man schläft, die Freizeit verbringt und wo sich die persönlichen Effekten befinden,
nicht aber am Arbeitsort (Daniel Staehelin, in: Honsell/Vogt/Geiser [Hrsg.], Basler
Kommentar, Zivilgesetzbuch I, Art. 1-456 ZGB, 5. Auflage, Basel 2014, N 6 zu
Art. 23 ZGB). Bei verheirateten Personen bestimmt sich der Wohnsitz gesondert
für jeden Ehegatten gemäss Art. 23 ff. ZGB (BGE 138 II 300). Üblicherweise be-
findet sich der Wohnsitz beider Ehegatten am Ort der ehelichen Wohnung (BGE
115 II 121). Angesichts des Zwecks des Wohnsitzes als Anknüpfungspunkt für
Drittpersonen und Behörden ist bei der Wohnsitzbestimmung nicht auf den inne-
ren Willen des Betreffenden abzustellen, sondern worauf die von aussen erkenn-
baren Umstände objektiv schliessen lassen (BGE 137 II 122). Einen eindeutigen,
massgeblichen Beweis des Wohnsitzes in dem Sinne, dass eine bestimmte Tat-
sache alle anderen einschlägigen Anhaltspunkte verdränge, gibt es ebensowenig
wie eine bestimmte Rangfolge unter allen möglichen Indizien für die Wohnsitzbe-
stimmung. Entscheidend ist der objektive Gesamteindruck. Unmassgebend für
den zivilrechtlichen Wohnsitz ist, wo eine Person gemeldet ist und ihre Schriften
hinterlegt hat (BGE 133 V 309, BGE 132 I 29). Ebensowenig vermögen weder ei-
ne fremdenpolizeiliche Niederlassungsnoch eine Aufenthaltsbewilligung mass-
Seite 7 — 12
gebende Punkte darzustellen. Diese können jedoch allesamt als Indizien für die
Absicht dauernden Verbleibens berücksichtigt werden (BGE 134 V 236; BGE 125
III 101; Daniel Staehelin, a.a.O., N 23 zu Art. 23 ZGB).
a/bb) Der Betreibungsort ist derjenige Ort, an welchem von Gesetzes wegen die
Schuldbetreibung anzuheben und durchzuführen ist. Die gesetzliche Ordnung der
Betreibungsstände ist zwingend, abschliessend und vom Betreibungsamt von Am-
tes wegen zu beachten (vgl. E. 3.a) hiervor). Gleichwohl ist es Sache des Gläubi-
gers, dem Betreibungsamt die nötigen Angaben zum Wohnsitz des Schuldners
der sonstigen zuständigkeitsbegründenden Umstände zu machen. Es ist
nicht Aufgabe des Betreibungsamtes, den Wohnsitz des Schuldners ausfindig zu
machen. Es muss aber die Angaben des Gläubigers überprüfen, da die Zustän-
digkeit davon abhängt. Behauptet der Schuldner, er habe einen von den Angaben
des Gläubigers abweichenden Wohnsitz, so ist er hierfür beweispflichtig (Urteil
des Bundesgerichtes 5A_542/2014 vom 18. September 2014 E. 4.1.2; Urteil des
Bundesgerichtes 5A_403/2010 vom 8. September 2010 E. 2.2; Jolanta Kren Kost-
kiewicz, a.a.O., N 5 zu Art. 46 SchKG; vgl. auch PKG 2000 Nr. 26 E. 2.b). Das
Betreibungsamt stellt primär auf die Angaben des Gläubigers ab, es sei denn, sie
stünden mit notorischen ohne weiteres zu ermittelnden Tatsachen im Wider-
spruch (PKG 2000 Nr. 26 E. 2.b). Dieser Mitwirkungspflicht ist der Beschwerdefüh-
rer im vorliegenden Fall zumindest vordergründig nachgekommen, indem er selbst
bereits dem Betreibungsund Konkursamt Plessur verschiedene Belege beige-
bracht hat (BKA Plessur act. 3; 7), die er später mit Eingabe der vorliegenden Be-
schwerde ergänzt hat (vgl. Beilagen Aktivpartei B.3-B.8), was angesichts von
Art. 20a Abs. 2 Ziff. 2 SchKG und des Umstandes, dass die Betreibungsbehörden
die Einhaltung zwingender Gesetzesbestimmungen von Amtes wegen beachten,
unbedenklich erscheint.
b)
Um seinen L.1___ Wohnsitz zu belegen, reichte der Beschwerdeführer
insbesondere ein nicht beglaubigtes amtliches Schreiben des "E.___" ein, wel-
ches er wohl selbst übersetzte (vgl. act. B.3-B.4). Soweit dieses nicht beglaubigte
Schreiben, datiert vom 24. Juli 2014, Berücksichtigung finden kann, ist aus diesem
zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer der Behörde gegenüber mitteilte,
"Wohnsitz unter ___strasse, O.1___" zu haben. Ob damit Wohnsitz le-
diglich die Kontaktanschrift gemeint ist, kann dabei offen gelassen werden. Denn
aus dem Schreiben geht bloss hervor, dass dem Beschwerdeführer am 24. Juli
2014 eine Aufenthaltsbewilligung in der L.1___ Republik ausgestellt wurde,
welche entsprechend obiger Ausführungen ausschliesslich ein Indiz für den Le-
bensmittelpunkt darzustellen vermag. Ohnehin ist die Aussagekraft dieses Indizes
Seite 8 — 12
insoweit zu relativieren, als daraus nicht ersichtlich wird, für wie lange die Aufent-
haltsbewilligung erteilt wurde bzw. ob diese mittlerweile wieder entzogen wurde
und ob der Beschwerdeführer heute noch darüber verfügt. Gleiches gilt es in Be-
zug auf die eingereichte Kopie der L.1___ Identitätskarte (vgl. Beilagen Aktiv-
partei act. B.5) festzuhalten. Das ins Recht gelegte E-Mail des EDA vom 11. De-
zember 2014 (vgl. Beilagen Aktivpartei act. B. 7) kann ebenfalls lediglich als Indiz
für den Lebensmittelpunkt in L.1___ gedeutet werden. Aus diesem geht bloss
hervor, was im Übrigen auch in Bezug auf die vorerwähnten Beilagen festzustellen
ist, dass der Beschwerdeführer in L.1___ angemeldet ist. Ebenfalls nur als Indiz
zu werten ist die vom Beschwerdeführer ins Recht gelegte Kopie der Gesell-
schaftsgründung der C.___, zu deren Geschäftsführer er gewählt wurde (vgl.
BKA Plessur act. 7). Diesbezüglich sei anzumerken, dass der Schuldbetreibungs-
und Konkurskammer des Kantonsgerichts Graubünden nicht bekannt ist, ob der
Beschwerdeführer nach wie vor für dieses Unternehmen tätig ist. Zumindest wird
diesbezüglich seitens des Beschwerdeführers weder ein Arbeitsvertrag noch eine
anderweitige Bestätigung eingereicht.
Aus Gesagtem folgt, dass der Beschwerdeführer vor dem Betreibungsund Kon-
kursamt Plessur sowie im vorliegenden Beschwerdeverfahren lediglich wenige
Indizien älteren Datums benennt, welche auf seinen behaupteten Lebensmittel-
punkt in O.1___ hindeuteten.
c)
Das Betreibungsund Konkursamt Plessur schloss gestützt auf ihre Fest-
stellungen, dass die Ehefrau des Beschwerdeführers in der auf seinen Namen
gemieteten Wohnung an der ___strasse wohnt, dieser ein in Graubünden ein-
gelöstes Automobil besitzt, bei einer schweizerischen Krankenkasse versichert ist
und trotz angeblichem Wohnsitz in L.1___ keinen Mietvertrag einzureichen
vermag (vgl. Beilagen Aktivpartei act. B. 1; act. A. 2), darauf, dass sich sein Le-
bensmittelpunkt in O.2___ befinde. Wie die nachfolgenden Ausführungen darle-
gen, ist die Sichtweise des Betreibungsund Konkursamtes Plessur zu schützen.
d)
Der Beschwerdeführer legt nicht genügend glaubhaft dar (vgl. E. 3.b)), dass
er seinen Wohnsitz bzw. Lebensmittelpunkt nach O.1___ verlegt hat. Vielmehr
sprechen die zur Begründung des Lebensmittelpunktes nach aussen in Erschei-
nung tretenden objektivierbaren Elemente (vgl. E. 3.a/a und E. 3.c) hiervor) für
einen Lebensmittelpunkt in O.2___. Es erscheint nicht plausibel, weshalb die
aus China stammende Ehefrau des Beschwerdeführers nach Jahren des gemein-
samen Zusammenlebens in Shanghai plötzlich alleine und getrennt vom Be-
schwerdeführer in einer Wohnung in O.2___ leben sollte, insbesondere in einer
Seite 9 — 12
Wohnung, die der Beschwerdeführer in seinem Namen mietet (vgl. Beilage Aktiv-
partei act. B.1; BKA Plessur act. 5; 6). Vielmehr ist anzunehmen, dass sich der
Beschwerdeführer ebenfalls für gewöhnlich unter der Adresse ___strasse auf-
hält und dies nicht bloss vorübergehend krankheitsbedingt. Diese Annahme recht-
fertigt sich insbesondere aufgrund der Tatsache, dass gegen den Beschwerdefüh-
rer zwölf Betreibungen unterschiedlicher Gläubiger eingeleitet wurden, welchen er
wohl die vorgenannte Adresse angegeben hatte. Wäre es nämlich so, wie der Be-
schwerdeführer in seiner Beschwerde ausführt, dass er, um Irrtümer zu verhin-
dern, weder seine lettische noch seine schweizerische Adresse auf den Briefköp-
fen angibt, dann hätten die Gläubiger mangels Kenntnis einer Zustelladresse auch
keine Betreibung einleiten können. Ebenso hat sich der Beschwerdeführer ge-
mäss Abklärungen des Betreibungsund Konkursamtes gegenüber dem jetzigen
Vermieter dahingehend geäussert, bereits vorgängig Wohnsitz in O.2___ ge-
habt zu haben (vgl. Beilagen Aktivpartei B. 1).
Ferner sprechen die Fakten, dass der Beschwerdeführer seit 36 Jahren über ei-
nen Hausarzt in O.2___ verfügt, dass er bei einer schweizerischen Kranken-
kasse krankenversichert ist und dass er über ein in Graubünden eingelöstes Au-
tomobil verfügt, für einen starken Bezug zur Schweiz und insbesondere zu
O.2___. Die Vorbringen des Beschwerdeführers, er habe Wohnsitz in O.1___
begründet, haben unter Würdigung der Gesamtumstände vielmehr als reine
Schutzbehauptungen zu gelten, um sich der hiesigen Zwangsvollstreckung zu
entziehen. Ob der Grund dieses Verhaltens auch in steuerlichen Aspekten zu fin-
den ist was in der Stellungnahme des Betreibungsund Konkursamtes Plessur
zumindest vermutungsweise angedeutet wird -, bildet nicht Gegenstand des vor-
liegenden Verfahrens und kann offen gelassen werden. Obwohl es ihm ein Leich-
tes wäre, die genannten Vorbehalte zu zerstreuen und den tatsächlich gelebten
Lebensmittelpunkt zu belegen, indem er einen aktuellen L.1___ Mietvertrag,
einen Arbeitsvertrag lettische Steuererklärungen bzw. Steuerveranlagungen
einreichen würde, hat er dies bislang nicht gemacht. Vielmehr legt er Kopien amt-
licher Dokumente aus dem Jahre 2014 ins Recht, welche aufgrund ihres Alters
und der seither geänderten Situation des Beschwerdeführers (Wohnung in
O.2___ etc.) kaum Aussagekraft mehr besitzen. Indem der Beschwerdeführer
die vorerwähnten Dokumente nicht einreicht, obwohl ihn eine gewisse Mitwir-
kungspflicht trifft (vgl. E. 3.a/b) hiervor), spricht dieses Verhalten gegen die Glaub-
haftigkeit seiner Ausführungen.
Vor diesem Hintergrund gilt es festzustellen, dass die vorgenannten Lebensum-
stände nach aussen für einen Lebensmittelpunkt des Beschwerdeführers in
Seite 10 — 12
O.2___ sprechen. Dementsprechend weist der Beschwerdeführer seinen Be-
treibungsort entsprechend Art. 46 SchKG in O.2___ auf, womit das Betrei-
bungsund Konkursamt Plessur örtlich zuständig ist. Vor diesem Hintergrund er-
weist sich die vorliegende Beschwerde als unbegründet.
4.
Zusammenfassend ist somit festzuhalten, dass der Beschwerdeführer sei-
nen Wohnsitz in O.1___ nicht zu beweisen vermochte. Die von ihm beigebrach-
ten Unterlagen aus dem Jahre 2014 können lediglich als Indizien dienen. Die ge-
nannten Lebensumstände insbesondere krankenversichert bei einer schweizeri-
schen Krankenkasse, eine unter seinem Namen gemietete Wohnung in O.2___,
in welcher seine Ehefrau wohnt sowie ein in Graubünden eingelöstes Auto zei-
gen jedoch, dass sich der Beschwerdeführer in O.2___ mit der Absicht dauern-
den Verbleibens aufhält. Damit steht O.2___ als Wohnsitz und Betreibungsort
fest. Infolgedessen ist das Betreibungsund Konkursamt Plessur örtlich zuständig.
Vor diesem Hintergrund erweist sich die vorliegende Beschwerde als unbegründet
und ist abzuweisen.
5.
Für das Verfahren vor den kantonalen Aufsichtsbehörden werden, ausser
bei Vorliegen einer böswilligen mutwilligen Prozessführung, keine Kosten
erhoben (Art. 20a Abs. 2 Ziff. 5 SchKG in Verbindung mit Art. 61 Abs. 2 lit. a der
Gebührenverordnung zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs;
SR 281.35 [GebVSchKG]). Dem Beschwerdeführer kann auf den vorliegenden
Fall bezogen nicht vorgehalten werden, sich in Missachtung von Treu und Glau-
ben und ohne Rechtsschutzinteresse und trotz eindeutiger Sachund Rechtslage
Beschwerde geführt zu haben. Es liegt in casu weder eine böswillige noch eine
mutwillige Prozessführung vor. Es werden somit keine Kosten erhoben.
Seite 11 — 12
III. Demnach wird erkannt:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Für das Beschwerdeverfahren werden keine Kosten erhoben.
3.
Gegen diese Entscheidung kann gemäss Art. 74 Abs. 2 lit. c BGG Be-
schwerde in Zivilsachen an das Schweizerische Bundesgericht, 1000
Lausanne 14, geführt werden. Die Beschwerde ist dem Bundesgericht
schriftlich, innert 10 Tagen seit Eröffnung der vollständigen Ausfertigung der
Entscheidung in der gemäss Art. 42 f. BGG vorgeschriebenen Weise einzu-
reichen. Für die Zulässigkeit, die Beschwerdelegitimation, die weiteren Vo-
raussetzungen und das Verfahren der Beschwerde gelten die Art. 29 ff.,
72 ff. und Art. 90 ff. BGG.
4.
Mitteilung an:
Seite 12 — 12
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
Hier geht es zurück zur Suchmaschine.