Kantonsgericht von Graubünden Dretgira chantunala dal Grischun Tribunale cantonale dei Grigioni ___________________________________________________________________________________________________
Ref.:
Chur, 12. Mai 2010
Schriftlich mitgeteilt am:
KSK 10 28
Verfügung Schuldbetreibungs- und Konkurskammer Vorsitz
Präsident Brunner
Redaktion
Aktuar Conrad
In der Schuldbetreibungs- und Konkursbeschwerde
des HH., Gesuchsteller und Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwälte Dr.
iur. Ernst Inderbitzin und Roman Bruhin, SwissLegal (Zürich) AG, Alfred Ulrich-
Strasse 2, 8702 Zollikon,
gegen
den Entscheid des Bezirksgerichtspräsidiums Plessur vom 10. März 2010,
mitgeteilt am 29. März 2010, in Sachen des Gesuchstellers und
Beschwerdeführers gegen SR., Gesuchsgegner und Beschwerdegegner, vertreten
durch Rechtsanwalt Dr. iur. et lic. oec. Marco Toller, Bahnhofstrasse 7, 7001 Chur,
betreffend Aufnahme eines Güterverzeichnisses,
hat die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer nach Kenntnisnahme der
Beschwerdeschrift von HH. vom 12. April 2010, der Beschwerdeantwort von SR.
vom 15. April 2010, nach Einsicht in die Verfahrensakten sowie aufgrund der
Feststellungen und Erwägungen,
- dass der Vizepräsident des Bezirksgerichts Plessur mit Entscheid vom 10.
März 2010 das Gesuch von HH. um Aufnahme eines Güterverzeichnisses
gemäss Art. 83 Abs. 1 SchKG in Verbindung mit Art. 162 SchKG über
sämtliche Vermögenswerte von SR. abgewiesen hat;
- dass der Entscheid dem unterlegenen Gesuchsteller am 31. März 2010
zugekommen ist und eine Rechtsmittelbelehrung enthält, wonach gegen den
Entscheid innert 20 Tagen Beschwerde beim Kantonsgerichtsausschuss
Graubünden geführt werden kann;
- dass der Gesuchsteller gegen den Entscheid mit Schriftsatz vom 12. April
2010 (am 10. Tage nach Erhalt des Anfechtungsobjekts) Beschwerde an das
Kantonsgericht eingelegt hat, mit den Anträgen, es sei die Aufnahme eines
Güterverzeichnisses
über
sämtliche
Vermögensbestandteile
des
Gesuchgegners anzuordnen, eventualiter sei die Sache zur Neuentscheidung
an die Vorinstanz zurückzuweisen;
- dass der Beschwerdegegner in seinem Hauptantrag auf kosten- und
entschädigungsfälliges Nichteintreten wegen mangelnder funktioneller
Zuständigkeit des Kantonsgerichts schliesst;
- dass angesichts der darin genannten Dauer von 20 Tagen der Erstrichter bei
seiner Rechtsmittelbelehrung im Anfechtungsobjekt offenbar die zivilrechtliche
Beschwerde wegen Gesetzesverletzung gemäss Art. 232 ff. ZPO im Auge
hatte;
- dass die Rechtsmittelbelehrung in dreierlei Hinsicht unzutreffend ist, weil es 1.
den Spruchkörper des Kantonsgerichtsausschusses seit dem 1. Januar 2009
nicht mehr gibt, 2. es in Sachen Aufnahme des Güterverzeichnisses gemäss
Art. 162 SchKG kein kantonales Rechtsmittel gibt und 3. die Rechtsmittelfrist
von 20 Tagen ohnehin nicht zum Tragen kommen könnte, da in Analogie zu
den anderen gerichtlichen SchKG-Summarsachen eine Frist von 10 Tagen
gelten würde (Art. 25 Abs. 1 Vollziehungsverordnung zum Bundesgesetz über
Schuldbetreibung und Konkurs (GVVSchKG, BR 220.100), Art. 236 ZPO, Art.
174, 278, 294, 307 SchKG);
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- dass auf die Frage der funktionellen Zuständigkeit, beziehungsweise ob und
allenfalls welches kantonale Rechtsmittel gegeben ist, die ZPO allenfalls nur
dann zur Anwendung kommen könnte, wenn die für die Regelung der
Zuständigkeit und des Verfahrens primär anwendbare GVVSchKG dazu keine
Lösung böte (vgl. in diesem Sinne für die Verfahrensfragen Art. 18
GVVSchKG), was indessen für die Anordnung des Güterverzeichnisses nicht
der Fall ist;
- dass die geltende kantonale Anschlussgesetzgebung zum SchKG gegen
Summarentscheide, welche der Bezirksgerichtspräsident in Anwendung von
Art. 83 Abs. 1, Art. 162, Art. 170 oder Art. 183 SchKG trifft (Art. 15 Abs. 1 Ziff.
6 GVVSchKG), von sich aus, das heisst unabhängig vom Bundesrecht, keinen
Weiterzug vorsieht (Art. 17 Abs. 1 Ziff. 2-4 GVVSchKG);
- dass sich eine funktionelle Zuständigkeit des Kantonsgerichts sodann auch
nicht aus der Generalklausel von Art. 17 Abs. 1 Ziff. 1 GVVSchKG, wonach
die Beschwerde in den Verfahren gemäss Artikel 15 dieser Verordnung
gegeben ist, in denen das Bundesrecht einen Weiterzug vorsieht, ableiten
lässt, da das Vollstreckungsrecht des Bundes selbst bei Art. 162 SchKG, im
Unterschied zu anderen Fällen richterlicher Summarsachen (Art. 174, 185,
194, 278, 294, 307, 334, 340, 347 SchKG), keinen Weiterzug vorschreibt;
- dass folglich aus Art. 17 Abs. 1 Ziff. 1 GVVSchKG e contrario zu schliessen
ist, dass kein kantonales Rechtsmittel gegeben ist (vgl. dazu den [nicht
veröffentlichten] Beschluss des Kantonsgerichtsausschuss SKG 00 10 vom
07.03.2000, in Sachen T. AG vs. M. K. AG);
- dass bei diesem Resultat eine Stellungnahme zum Argument des
Beschwerdegegners, ein Rechtsmittel in SchKG-Sachen könne sich a priori
nie aus der ZPO ergeben, unterbleiben kann;
- dass an der vorgenannten Sichtweise auch der Umstand nichts ändert, dass
Verfahren auf dem Gebiet des SchKG für die Belange der Bundesrechtsmittel
gemäss Art. 72 Abs. 2 lit. a BGG nunmehr als "Zivilsachen" gelten;
- dass diese Rechtsgebietszuordnung insbesondere nicht dazu führt, dass für
die (funktionelle) Zuständigkeitsfrage die Rechtsmittelordnung der kantonalen
ZPO anwendbar wird, da eine besondere Zuständigkeitsregelung in der
GVVSchKG der Zivilprozessordnung vorgeht (Art. 1 Abs. 1 ZPO), die
GVVSchKG die Zuständigkeitsfrage regelt und dabei kein Zweifel daran
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besteht, dass Art. 17 Abs. 1 GVVSchKG abschliessend ist (Ingress) und nach
seinem Wortlaut (Ziffer 1, Umkehrschluss) und seiner Systematik (Ziffern 1-4)
die
Beschwerde
gegen
Entscheide
betreffend
Anordnung
des
Güterverzeichnisses an das Kantonsgericht im Sinne eines qualifizierten
Schweigens ausschliessen will;
- dass sich entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers mit Einführung
des Bundesgerichtsgesetzes (BGG) auf den 1. Januar 2007 die
Rechtsmittelordnung in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen in dem hier
interessierenden Punkt nicht "grundlegend geändert" hat;
- dass an der derzeitigen Rechtsbeständigkeit von Art. 17 Abs. 1 GVVSchKG im
Besonderen auch Art. 75 Abs. 2 (Ingress) BGG, wonach die Kantone als letzte
kantonale Instanzen obere, als Rechtsmittelinstanzen entscheidende Gerichte
einzusetzen haben, nichts ändert, da die Übergangsbestimmung von Art. 130
Abs. 2 BGG vorsieht: Die Kantone erlassen auf den Zeitpunkt des
Inkrafttretens
einer
schweizerischen
Zivilprozessordnung
Ausführungsbestimmungen über die Zuständigkeit, die Organisation und das
Verfahren der Vorinstanzen in Zivilsachen im Sinne der Artikel 75 Absatz 2
und 111 Absatz 3, einschliesslich der Bestimmungen, die zur Gewährleistung
der Rechtsweggarantie nach Artikel 29a der Bundesverfassung erforderlich
sind. Ist sechs Jahre nach Inkrafttreten dieses Gesetzes noch keine
schweizerische Zivilprozessordnung in Kraft, so legt der Bundesrat die Frist
zum Erlass der Ausführungsbestimmungen nach Anhörung der Kantone fest;
- dass den Kantonen zur notwendigen Anpassung somit eine Übergangsfrist
zusteht (BGE 134 III 141 E. 2), bis zu deren Ablauf sie an ihren bisherigen
Regelungen festhalten können, selbst wenn mit diesen dem Erfordernis der
"double instance" nach Art. 75 Abs. 1 i.V.m. Art. 111 Abs. 3 BGG nicht
Genüge getan wird;
- dass Art. 130 Abs. 2 BGG nicht nur für Kantone gilt, welche über gar kein
zweistufiges Gerichtsverfahren verfügen, sondern auch für solche, welche das
Prinzip der "double instance" auf bestimmte Verfahren ausweiten müssen
(Urteile Bundesgericht 5A_604/2008, 5A_681/2008 vom 15. Juli 2009, E. 4.3,
mit Hinweis auf die vergleichbare Konstellation in BGE 134 III 141, E. 2);
- dass die Rüge einer Verletzung des Grundsatzes des Vorrangs des
Bundesrechts somit unbegründet ist, da der Bundesgesetzgeber mit Art. 130
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BGG in Kauf nimmt, dass die Vorgaben des BGG nicht voll verwirklicht sind
(Urteile Bundesgericht 5A_604/2008, 5A_681/2008 vom 15. Juli 2009, E. 4.3);
- dass die Schonfristen von Art. 130 Abs. 2 BGG nicht abgelaufen sind und bis
dahin die aktuellen kantonalen Verfahrensordnungen grundsätzlich ihre
Gültigkeit
behalten
(Christoph
Auer,
Die
Reorganisation
der
Bundesrechtspflege - Neuerungen und Auswirkungen in der Praxis, Der
Rechtsweg in Zivilsachen, Schriftenreihe des Instituts für Rechtswissenschaft
und Rechtspraxis der Universität St. Gallen, Bd. 40, St. Gallen 2006, S. 69 f.;
derselbe in ZBl 107 (2006), S. 132 ff.);
- dass, wenn untere kantonale Gerichte bis zum Ablauf der Schonfristen von
Art. 130 Abs. 2 BGG letztinstanzlich als Aufsichtsbehörden in
Schuldbetreibungs- und Konkurssachen entscheiden dürfen (so Denise Brühl-
Moser, Bundesgerichtsgesetz, Basler Kommentar 2008, N 14 zu Art. 130, mit
Hinweis
auf
Seiler/von
Werdt/Güngerich,
Bundesgerichtsgesetz,
Handkommentar, Bern 2007, N 13 zu Art. 130), Entsprechendes auch für die
gerichtlichen Summarsachen des SchKG gelten muss;
- dass sich die vom Beschwerdeführer vertretene Auffassung, die im Licht von
Art. 72 Abs. 2 lit. a BGG und Art. 75 Abs. 2 BGG bundesrechtskonforme
Auslegung von Art. 17 Abs. 1 GVVSchKG schreibe den Kantonen bereits
heute einen obligatorischen innerkantonalen Weiterzug vor, sich auch nicht
auf die von ihm zitierten Kommentare Spühler/Dolge/Vogt (Kurzkommentar
zum Bundesgerichtsgesetz, Zürich/St. Gallen 2006, N 3 zu Art. 72) und
Klett/Escher, Bundesgerichtsgesetz, Basler Kommentar 2008, N 5 ff. zu Art.
72) stützen lässt;
- dass aus den genannten Kommentarstellen bloss zu folgern ist, dass sie in
Auslegung von Art. 72 BGG die Frage bejahen, dass gegen Entscheidungen
betreffend die Anordnung des Güterverzeichnisses die Beschwerde in
Zivilsachen ans Bundesgericht gegeben sei;
- dass Letzteres - sei es streitwertabhängig nach Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG, sei
es streitwertunabhängig nach Art. 74 Abs. 2 lit. d BGG (da Art. 162 SchKG
insofern eine sachliche Zuständigkeit festlegt, als es den Entscheid
ausdrücklich dem "für die Eröffnung des Konkurses zuständigen Gericht
(Konkursgericht)" zuweist) - nicht in Abrede zu stellen ist (den Fall der
Anordnung des Güterverzeichnisses ausdrücklich erwähnend: Hans Peter
Walter, Neue Zivilrechtspflege, in Neue Bundesrechtpflege, Auswirkungen der
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Totalrevision auf den kantonalen und eidgenössischen Rechtsschutz, Berner
Tage für die juristische Praxis, Bern 2007, S. 124 f.);
- dass damit indessen nicht die Frage beantwortet ist, ob von Bundesrechts
wegen das kantonale Recht in der Materie der Anordnung des
vollstreckungsrechtlichen Güterverzeichnisses derzeit einen innerkantonalen
Rechtsmittelzug vorsehen müsse;
- dass das Prinzip des "double instance" für die Kantone, wie bereits dargelegt,
noch nicht zwingend gilt (Art. 130 Abs. 2 BGG);
- dass es sich beim Anfechtungsobjekt somit nach geltendem, mit dem
Bundesrecht vereinbaren bündnerischem Verfahrensrecht um eine kantonal
letztinstanzliche Entscheidung im Sinne von Art. 75 Abs. 1 BGG handelt;
- dass der Beschwerdeführer zu Recht nicht geltend macht, wenn es
vorderhand
noch
zulässig
sei,
nur
eine
einzige
kantonale
Rechtsprechungsinstanz einzusetzen, müsse es sich wenigstens um ein
oberes Gericht handeln, da nämlich die Schonfrist für alle 3 Elemente von Art.
75 Abs. 2 BGG (Gericht, obere Stufe, Rechtsmittelinstanz) gilt;
- dass interessehalber darauf hinzuweisen ist, dass gemäss der zeitgleich mit
der Schweizerischen Zivilprozessordnung auf den 1. Januar 2011 in Kraft zu
setzenden kantonalen Anschlussgesetzgebung dazu, sich künftig die
gerichtlichen Zuständigkeiten und das Verfahren nach der Schweizerischen
Zivilprozessordnung
und
dem
kantonalen
Einführungsgesetz
zur
Schweizerischen Zivilprozessordnung (EGZPO) richten und gleichzeitig die
sich heute aus Art. 17 Abs. 1 GVVSchKG ergebenden kantonalen
Rechtsmittelbeschränkungen entfallen werden (Botschaft der Regierung an
den Grossen Rat Nr. 13/2009-2010 vom 23. März 2010, S. 839, 955, 970; Art.
15 revGVVSchKG, Art. 7 EGZPO in Verbindung mit Art. 251, 309, 319 der
Schweizerischen ZPO);
- dass eine falsche Rechtsmittelbelehrung a priori ungeeignet ist, einen
gesetzlich nicht vorgesehenen Rechtsmittelweg zu eröffnen und zum anderen
der bereits in erster Instanz anwaltlich vertretene Beschwerdeführer aus der
falschen Rechtsmittelbelehrung des Erstrichters auch sonst nichts für sich
ableiten kann;
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- dass zusammenfassend auf die Beschwerde von HH. wegen fehlender
funktioneller Zuständigkeit des Kantonsgerichts nicht einzutreten ist;
- dass das Verfahren kostenpflichtig ist und die Kosten auf Fr. 300.—
festzusetzen sind (Art. 53 in Verbindung mit Art. 61 Abs. 1 GebVSchKG);
- dass in betreibungsrechtlichen Summarsachen das Gericht der obsiegenden
Partei auf Verlangen für Zeitversäumnisse und Auslagen auf Kosten der
unterliegenden Partei eine angemessene Entschädigung zusprechen kann
(Art. 62 Abs. 1 GebVSchKG);
- dass der Beschwerdegegner ein entsprechendes Entschädigungsbegehren
gestellt, dieses jedoch nicht beziffert hat, sodass die Entschädigung nach
pflichtgemässen Ermessen durch Schätzung des mutmasslich getätigten und
für eine sachgerechte Vertretung notwendigen Aufwandes auf 1'000 Franken
festzusetzen ist;
- dass die vorliegende Entscheidung in Anwendung von Art. 12 Abs. 3 GOG in
einzelrichterlicher Kompetenz zu fällen ist;
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erkannt 1.
Auf die Beschwerde von HH. wird nicht eingetreten.
2.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens von Fr. 300.— gehen zu Lasten von
HH..
3.
HH. ist verpflichtet, SR. eine Verfahrensentschädigung von 1'000 Franken
(MWST eingeschlossen) zu bezahlen.
4.
Gegen diese, einen Streitwert von mindestens 30'000 Franken betreffende
Entscheidung kann gemäss Art. 72, Art. 74 Abs. 1 lit. b des
Bundesgerichtsgesetzes (BGG) Beschwerde in Zivilsachen an das
Schweizerische Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, geführt werden. Die
Beschwerde ist dem Bundesgericht schriftlich, innert 30 Tagen seit
Eröffnung der vollständigen Ausfertigung der Entscheidung in der gemäss
Art. 42 f. BGG vorgeschriebenen Weise einzureichen. Für die Zulässigkeit,
die Beschwerdelegitimation, die weiteren Voraussetzungen und das
Verfahren der Beschwerde gelten die Art. 29 ff., 72 ff. und Art. 90 ff. BGG.
5.
Mitteilung an:
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