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Urteil Kantonsgericht Graubünden (GR)

Zusammenfassung des Urteils BK-07-45: Kantonsgericht Graubünden

In dem Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, II. Strafkammer, vom 23. September 2014 wurde der Beschuldigte A. wegen qualifizierter Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz schuldig gesprochen und zu 24 Monaten Freiheitsstrafe verurteilt. Dabei wurden 663 Tage durch Untersuchungs- und Sicherheitshaft sowie vorzeitigen Strafvollzug angerechnet. Der Vollzug der Freiheitsstrafe wurde nicht aufgeschoben. Die Kosten des Berufungsverfahrens wurden dem Beschuldigten zu 2/3 auferlegt, jedoch erlassen, und die Kosten der amtlichen Verteidigung wurden auf die Gerichtskasse genommen. Die Entscheidgebühr wurde auf Fr. 3'000.00 festgesetzt, und die Kosten der amtlichen Verteidigung betrugen Fr. 9'500.00. Der amtliche Verteidiger wurde für das erstinstanzliche Verfahren mit Fr. 23'563.10 entschädigt. Das Urteil ist rechtskräftig und es besteht die Möglichkeit, bundesrechtliche Beschwerde in Strafsachen beim Bundesgericht einzureichen.

Urteilsdetails des Kantongerichts BK-07-45

Kanton:GR
Fallnummer:BK-07-45
Instanz:Kantonsgericht Graubünden
Abteilung:-
Kantonsgericht Graubünden Entscheid BK-07-45 vom 24.10.2007 (GR)
Datum:24.10.2007
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Verletzung von Verkehrsvorschriften
Schlagwörter : Lastwagen; Beschwerdegegner; Fahrzeug; Parkhaus; Kollision; Sachverhalt; Fahrzeuge; Einstellung; Verkehr; Aussage; Graubünden; Beschwerdekammer; Rückspiegel; Zeitpunkt; Lastwagens; Beurteilung; Beschwerdegegners; Kantons; Entscheid; Mandatsverfahren; Aussagen; Einfahrt; Kantonsgericht; Einstellungsverfügung; Strasse
Rechtsnorm:Art. 138 StPO ;Art. 139 StPO ;Art. 160 StPO ;Art. 17 VRV ;Art. 36 SVG ;Art. 82 StPO ;
Referenz BGE:106 IV 58; 107 IV 55;
Kommentar:
Schweizer, Lieber, Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, Zürich, Art. 134; Art. 130 OR, 2010

Entscheid des Kantongerichts BK-07-45

Kantonsgericht von Graubünden

Dretgira chantunala dal Grischun

Tribunale cantonale dei Grigioni
_____

Ref.:
Chur, 24. Oktober 2007
Schriftlich mitgeteilt am:
BK 07 45

Entscheid
Beschwerdekammer
Vorsitz Vizepräsident
Bochsler
RichterInnen Rehli und Hubert
Aktuar ad hoc
Thöny
——————
In der strafrechtlichen Beschwerde
der X., Beschwerdeführerin,

gegen

die Einstellungsverfügung des Kreispräsidiums B. vom 08. August 2007, mitge-
teilt am 16. August 2007, in Sachen gegen Y., Beschwerdegegner, vertreten
durch Rechtsanwalt lic. iur. Diego Quinter, Postfach 553, Goldgasse 11, 7002
Chur,

betreffend Verletzung von Verkehrsvorschriften,

hat sich ergeben:



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A.
Am 23. April 2007 kam es auf der Höhe Ein-/Ausfahrt Parkhaus A.
in B. zu einer Kollision zwischen einem Lastund einem Personenwagen. Y.
fuhr mit seinem Lastwagen SG G. von der C. herkommend über die D. Richtung
E.. Weil Y. infolge Bauarbeiten nicht wie geplant in die F. abbiegen konnte, ent-
schied er sich, seinen Lastwagen beim Parkhaus A. zu wenden. Nachdem er
festgestellt hatte, dass ihm auf der Gegenfahrtrichtung kein Fahrzeug entge-
genkam, wechselte er auf die linke Fahrspur und fuhr daraufhin rückwärts die
Einfahrtbahn zum Parkhaus A. hinab. Zur gleichen Zeit verliess X. mit dem Per-
sonenwagen GR H. das Parkhaus über die Ausfahrt mit der Absicht, nach
rechts in die D. einzubiegen. Beide Fahrzeuge hielten schliesslich bei der Ein-
mündung zur D. an. Als in der Folge beide Fahrzeuge in die D. einbogen, kam
es zu einer frontal/seitlichen Kollision, wobei geringer Sachschaden entstand.
Anlässlich der polizeilichen Einvernahme schilderten die Parteien den
Unfallhergang in unterschiedlicher Weise.
Y. gab zu Protokoll, er habe zum Wendemanöver diejenige Fahrbahn
benutzt, welche jene Fahrzeuge benützten, die ins Parkhaus fahren wollten. Er
habe in den rechten Rückspiegel geschaut und festgestellt, dass kein Fahrzeug
gekommen sei. Daraufhin habe er den rechten Blinker gestellt und sei losgefah-
ren. Als er sich mit der linken Seite der Fahrerkabine bereits auf der Strasse
befunden habe, habe er die Kollision wahrgenommen. Nachdem er nach rechts
abgebogen sei, habe er wegen des Abbiegewinkels nichts mehr im Rückspiegel
wahrnehmen können. Er sei der Ansicht, X. habe ihr Fahrzeug noch schnell vor
seinen Lastwagen drücken wollen.
X. sagte aus, sie habe den Lastwagen rückwärts die Parkhauseinfahrt
hinunterfahren gesehen, als sie die Linkskurve der Parkhausausfahrt befahren
habe. Zu diesem Zeitpunkt habe der Lastwagenfahrer keinen Blinker gestellt
gehabt und sie habe dessen „Piepsen“ (Rückwärtsfahrsignal) wahrnehmen
können, weshalb sie bis zur Einmündung in die D. am Lastwagen vorbeigefah-
ren sei. Bei der Einmündung habe sie sich etwa bis zur Mitte ihres Personen-
wagens vor dem Lastwagen befunden. Nur so sei es ihr möglich gewesen, den
Verkehr auf der D. einsehen und in diese einfahren zu können. Kurz nachdem
sie langsam angefahren sei, habe sie bemerkt, dass auch der Lastwagen ziem-
lich abrupt losgefahren sei. Als sie bemerkt habe, dass dieser in ihre Fahrbahn
fuhr, habe sie versucht, nach rechts einzulenken und sie habe zusätzlich ge-
hupt. Trotzdem sei es daraufhin zur frontal/seitlichen Kollision gekommen.



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B.
Mit Kompetenzentscheid vom 07. Juni 2007 und dem Hinweis,
dass vorliegend die Übertretungstatbestände im Sinne von Art. 36 Abs. 4 des
Strassenverkehrsgesetzes (SVG; SR 741.01) und Art. 17 Abs. 1 Verkehrsregel-
verordnung (VRV; SR 741.11) in Verbindung mit Art. 90 Ziff. 1 SVG für Y. in
Betracht zu ziehen seien, überwies die Staatsanwaltschaft Graubünden die Sa-
che zur Verfolgung im Strafmandatsverfahren an das Kreispräsidium B.. Mit
Verfügung vom 08. August 2007 stellte der Kreispräsident B. das Strafman-
datsverfahren ein. Zur Begründung führte er aus, aufgrund des Aktenmaterials
und der sich diametral widersprechenden Aussagen lasse sich der rechtlich
relevante Sachverhalt nicht klar ermitteln. Es bleibe insbesondere offen, wo sich
die beiden unfallbeteiligten Fahrzeuge unmittelbar vor der Kollision befunden
hätten und welches zuerst losgefahren sei. Das Beweisergebnis sei zu dürftig,
um dem angeschuldigten Lastwagenchauffeur der involvierten Motorfahr-
zeuglenkerin ein strafrechtliches Verschulden nachweisen zu können. Es brau-
che für einen Schuldspruch mehr als nur Vermutungen und relative Wahr-
scheinlichkeiten, weshalb Y. unter diesen Umständen keine Verletzung von
Verkehrsregeln rechtsgenüglich nachgewiesen werden könne.
C.
Mit strafrechtlicher Beschwerde vom 06. September 2007 an die
Beschwerdekammer des Kantonsgerichtes Graubünden stellte X. sinngemäss
den Antrag, die Einstellungsverfügung sei aufzuheben und das Verfahren ge-
gen Y. weiterzuführen. Zur Begründung führte sie aus, aus dem polizeilichen
Fotodossier gehe klar hervor, dass es für sie unmöglich gewesen wäre, sich
zwischen der Standposition des Lastwagens und der Strassenlampe „durchzu-
drücken“. Wäre der Lastwagenchauffeur abgebogen, bevor sie die ganze Ram-
pe hochgefahren sei, hätte dieser ihr Fahrzeug im Rückspiegel erkennen müs-
sen. Indem sie sich aber im Zeitpunkt des Anfahrens des Lastwagens unmittel-
bar neben diesem befunden habe, habe er sie im Rückspiegel nicht sehen kön-
nen. Zudem habe die jeweilige Beschleunigung der Fahrzeuge keine Relevanz,
zumal auch ein Personenwagen je nach Situation langsamer anfahren könne,
als ein Lastwagen. Durch die Herbeiführung einer hektischen Situation habe Y.
klarerweise die Vortrittsregeln missachtet.
D.
Mit Schreiben vom 11. September 2007 verzichtete das Kreisprä-
sidium B. auf die Einreichung einer Vernehmlassung.
E.
Mit Schreiben vom 12. Oktober 2007 liess Y. seine Stellungnahme
bei der Beschwerdekammer des Kantonsgerichts Graubünden einreichen, wo-



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rin er die Abweisung der Beschwerde unter gerichtlicher und aussergerichtlicher
Kostenund Entschädigungsfolge zu Lasten der Beschwerdeführerin beantra-
gen liess. Zur Begründung seiner Anträge führte er aus, die innere Geschlos-
senheit und Folgerichtigkeit in seiner Darstellung des Geschehensablaufs bzw.
die Lückenhaftigkeit und die Nichtnachvollziehbarkeit der Depositionen der Be-
schwerdeführerin liessen unzweifelhaft erkennen, dass der Vorderrichter richtig
geurteilt habe. Die Beschwerdeführerin habe durch ihr waghalsiges Manöver
eine Kollision in Kauf genommen, weshalb den Beschwerdegegner mit Sicher-
heit kein Verschulden treffe.
Auf die weiteren Ausführungen in den Rechtsschriften zur Begründung
der gestellten Anträge wird, soweit erforderlich, in den Erwägungen eingegan-
gen.


Die Beschwerdekammer zieht in Erwägung :
1.
Gemäss Art. 176a der Strafprozessordnung (StPO; BR 350.000)
kann sowohl gegen Untersuchungshandlungen als auch gegen Ablehnungs-
und Einstellungsverfügungen des Kreispräsidenten und des Bezirksgerichtsprä-
sidenten bei der Beschwerdekammer des Kantonsgerichts Beschwerde im Sin-
ne von Art. 138 und 139 StPO geführt werden. Zur Beschwerdeführung ist nach
Art. 139 Abs. 1 StPO legitimiert, wer durch den angefochtenen Entscheid be-
rührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an seiner Aufhebung geltend macht.
Insbesondere kann sich der Geschädigte gegen Ablehnungsund Einstellungs-
verfügungen beschweren. Die vorliegende Beschwerde ist fristund formge-
recht eingereicht worden. Da im Übrigen auch die weiteren Sachurteilsvoraus-
setzungen unbestrittenermassen gegeben sind, ist auf die Beschwerde einzu-
treten.
2.
Das Strafmandatsverfahren darf nur dann eingestellt werden,
wenn das Vorliegen eines Straftatbestandes objektiv und subjektiv nicht genü-
gend dargetan ist, dem Angeschuldigten also kein Straftatbestand zur Last ge-
legt werden kann (Art. 17 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 82 Abs. 1 StPO). Ge-
mäss Art. 138 StPO kann eine angefochtene Einstellungsverfügung nicht nur
auf Rechtswidrigkeit, sondern auch auf Unangemessenheit überprüft werden.
Bei der Überprüfung der Angemessenheit eines Entscheides soll aber die Be-



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schwerdekammer ihr Ermessen nur dort an die Stelle desjenigen der Vorinstanz
setzen, wo sich deren Verfügung nicht mit triftigen Gründen vertreten lässt. Eine
Einstellungsverfügung ist dann angemessen und hält der umschriebenen Prü-
fung stand, wenn aufgrund des Untersuchungsergebnisses objektiv und subjek-
tiv nicht genügend Anhaltspunkte für das Vorliegen einer strafund verfolgbaren
Handlung gegeben sind und somit ein Freispruch erwartet werden müsste, und
wenn keine neuen Beweismittel ersichtlich sind, die das Beweisergebnis zu be-
einflussen vermöchten (PKG 1997 Nr. 36).
3.
Aufgrund des eingangs geschilderten Sachverhalts stellt sich im
vorliegenden Fall die Frage, ob hinreichende Anhaltspunkte dafür bestehen,
dass sich Y. der einfachen Verletzung von Verkehrsregeln gemäss Art. 36 Abs.
4 SVG und Art. 17 Abs. 1 VRV in Verbindung mit Art. 90 Ziff. 1 SVG schuldig
gemacht hat.
Gemäss Art. 36 Abs. 4 SVG darf der Führer, der sein Fahrzeug in den
Verkehr einfügen, wenden rückwärts fahren will, andere Strassenbenützer
nicht behindern; diese haben Vortritt. Der Fahrzeugführer hat sich vor dem
Wegfahren zu vergewissern, dass er keine Kinder andere Strassenbenüt-
zer gefährdet. Bei Fahrzeugen mit beschränkter Sicht nach hinten ist zum
Rückwärtsfahren eine Hilfsperson beizuziehen, wenn nicht jede Gefahr ausge-
schlossen ist (Art. 17 Abs. 1 VRV). Nach Art. 90 Ziff. 1 SVG wird, wer Verkehrs-
regeln dieses Gesetzes Vollziehungsvorschriften des Bundesrates verletzt,
mit Haft mit Busse bestraft. Somit ist zu prüfen, ob die Vorinstanz das
Strafmandatsverfahren zu Recht eingestellt hat, mit anderen Worten, ob
der für eine Beurteilung massgebende Sachverhalt für eine Beurteilung der
Schuldfrage des Beschwerdegegners hinreichend erstellt ist.
4.
Mit Verfügung vom 08. August 2007 stellte der Kreispräsident B.
das Strafmandatsverfahren gegen Y. ein. Zur Begründung wurde ausgeführt,
aufgrund des Aktenmaterials und der sich diametral widersprechenden Aussa-
gen lasse sich der rechtlich relevante Sachverhalt nicht klar ermitteln. Es bleibe
insbesondere offen, wo sich die beiden unfallbeteiligten Fahrzeuge unmittelbar
vor der Kollision befunden hätten und welches zuerst losgefahren sei.
Für die Beurteilung der Schuldfrage des Beschwerdegegners muss zu-
nächst berücksichtigt werden, dass dieser ohne Not ein gefährliches Wende-
manöver bei der Einfahrt des Parkhauses A. durchführte. Dabei befand er sich



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auf der Einfahrtsspur, welche sich von der Ausfahrtsspur durch eine doppelte
Sicherheitslinie abgrenzt, und lenkte daraufhin den Lastwagen nach rechts über
das Trottoir in den Einmündungsbereich der aus der Tiefgarage fahrenden Au-
tos. Die Beschwerdeführerin hingegen fuhr korrekt der Parkhausausfahrt ent-
lang bis zur Einmündung in die D.. Wo sich die Fahrzeuge unmittelbar vor der
Kollision befanden und wer zuerst losfuhr, ist für den Entscheid entgegen den
Ausführungen der Vorinstanz - nicht relevant. Wie aus Art. 36 Abs. 4 SVG in
Verbindung mit Art. 17 Abs. 1 VRV unmissverständlich hervorgeht, war die Be-
schwerdeführerin vortrittsberechtigt. Für die Beurteilung der Schuldfrage des
Beschwerdegegners ist von jenem Zeitpunkt auszugehen, als beide Fahrzeuge
zum Stillstand gekommen waren, d.h. als sich die Beschwerdeführerin bei der
Einmündung (Übergang Parkhausausfahrt/Trottoir) in die D. befand und der
Beschwerdegegner seinen Lastwagen rückwärts in der Parkhauseinfahrt zum
Stillstand brachte. Nach Angaben des Beschwerdegegners habe er in diesem
Zeitpunkt in den Rückspiegel geschaut, den Blinker gestellt und sei daraufhin
losgefahren, worauf es dann zur frontal/seitlichen Kollision mit dem Personen-
wagen der Beschwerdeführerin gekommen sei. Somit ist der massgebliche
Sachverhalt für eine Beurteilung der Schuldfrage des Beschwerdegegners hin-
reichend klar. Die Widersprüche in den Aussagen der Parteien sofern es sich
überhaupt um solche handelt sind nicht von derartiger Relevanz, als dass sich
gestützt darauf eine Einstellung des Verfahrens rechfertigen liesse. Allein der
Umstand, dass der Beschwerdegegner die Beschwerdeführerin trotz Blick in
den Rückspiegel nicht gesehen hat, führt noch keineswegs zu einem Wider-
spruch zu den Aussagen der Beschwerdeführerin. Er kann sie auch schlichtweg
übersehen haben. Die Aussagen der Beschwerdeführerin erscheinen jedenfalls
hinsichtlich des rechtsrelevanten Sachverhalts ohne weiteres nachvollziehbar.
Daran ändert auch der offenbar nicht vorhandene „Piepston“ beim Rückwärts-
fahren nichts.
5. a) Der Beschwerdegegner führt in seiner Stellungnahme aus, die
Aussagen der Beschwerdeführerin seien unglaubwürdig. Zum einen behaupte
sie, der Lastwagen des Beschwerdegegners sei auf der Einfahrtsrampe retour
gefahren währenddem sie zur D. hochgefahren sei. Zum andern wisse sie je-
doch nicht mehr, ob der Lastwagen in diesem Zeitpunkt stillgestanden sei
nicht.
Die Beschwerdeführerin hat ihre Aussage nicht derart formuliert, wie vom
Beschwerdegegner dargelegt. Sie drückt lediglich aus, sie habe den Lastwagen



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beim Verlassen des Parkhauses rückwärts fahren gesehen. Hingegen könne
sie sich nicht mehr genau daran erinnern, ob er weiterhin rückwärts gefahren
bereits stillgestanden sei, als sie sich zur Hälfte vor dem Lastwagen be-
funden und angehalten habe. Es ist schlichtweg nicht ersichtlich, worin in dieser
Aussage ein rechtlich relevanter Widerspruch bestehen soll.
b) Der Beschwerdegegner führt aus, der Sachverhalt könne sich
nicht gemäss den Schilderungen der Beschwerdeführerin zugetragen haben, da
der Lastwagen des Beschwerdegegners im Unfallzeitpunkt die volle rechte Aus-
fahrtsrampe besetzt habe, was angesichts der Deposition der Beschwerdefüh-
rerin über den Standort ihres Personenwagens im Unfallzeitpunkt gar nicht
möglich gewesen wäre.
Auch dieser Einwand hält einer näheren Prüfung nicht stand. Die Poli-
zeifotos zeigen die Endlage des Lastwagens und nicht die Ausgangslage bei
der Wegfahrt von der Einfahrtsrampe in die D.. Zudem ist nicht aktenkundig,
dass die Beschwerdeführerin ihr Fahrzeug genau dort angehalten hatte, zumal
ein solch weites Vorfahren auf das Trottoir für einen Blick auf die D. und F. gar
nicht nötig ist. Schliesslich gab die Beschwerdeführerin an, dass sie ihr Fahr-
zeug immer weiter nach rechts lenken musste, es dann aber zur Kollision kam.
Dies ist offensichtlich darauf zurückzuführen, dass der Lastwagenchauffeur ihre
Fahrbahnhälfte immer mehr abschnitt.
c) Weiter macht der Beschwerdegegner geltend, die Beschwerdefüh-
rerin erinnere sich an ein “Piepsen“ des Lastwagens, obwohl dieser gar nicht
mit einem solchen Rückwärtsfahrsignal ausgestattet sei.
Wie oben ausgeführt (E. 4 Abs. 2, S. 6), ist die Frage, ob das Rückwärts-
fahrsignal am Lastwagen effektiv existierte resp. ob sich der Beschwerdegegner
im Zeitpunkt, als die Beschwerdeführerin am Lastwagen vorbeifuhr, sich noch in
Rückwärtsbewegung befand, für die Beurteilung der Schuldfrage des Be-
schwerdegegners nicht entscheidend. Ebenso wenig ist ein allfälliger Irrtum der
Beschwerdeführerin betreffend Piepston geeignet, an der Glaubhaftigkeit ihrer
Aussagen hinsichtlich des für die Beurteilung massgebenden Sachverhalts zu
zweifeln.
d) Der Beschwerdegegner macht sodann geltend, auch sei aus den
Polizeifotos ersichtlich, dass sich die Beschwerdeführerin im Zeitpunkt der Kol-
lision angesichts der erheblich verzögerten Beschleunigung eines Lastwagens



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im Vergleich mit einem Personenwagen nicht erst wenig mehr vor der Mitte des
Lastwagens befunden haben könne.
Auch dieser Rückschluss ist nicht zwingend. Vielmehr hängt dies davon
ab, wer zuerst vorwärts gefahren ist und mit welcher Beschleunigung. Dazu
bestehen in den Akten keine rechtsgenüglichen Anhaltspunkte. Abgesehen da-
von kommt auch dieser Frage keine entscheidende Bedeutung zu, da der Last-
wagenchauffeur so anders vortrittsbelastet war.

e) Zudem bringt der Beschwerdegegner vor, er hätte seinen Lastwa-
gen nicht so weit in die Fahrbahn resp. ins Trottoir vorziehen können, wenn die
Beschwerdeführerin den Verkehr auf der D. wirklich habe einsehen wollen.

Diese Argumentation ist ebenfalls nicht nachvollziehbar, denn die Be-
schwerdeführerin musste für die Sicht in die D. und in die F. ihren Personenwa-
gen keinesfalls soweit vorziehen, wie die Endlage des Lastwagens gewesen ist.
f) Der Beschwerdegegner vertritt schliesslich die Auffassung, er ha-
be korrekt gehandelt, indem er vor seiner Wegfahrt den rechten Rückspiegel
konsultierte und den rechten Blinker betätigt habe, bevor er nach rechts abge-
bogen sei. Aus seiner Sicht habe sich der Unfall ereignet, weil die Beschwerde-
führerin noch schnell vor seinem Lastwagen habe durchfahren wollen.
Auch mit dieser Argumentation dringt der Beschwerdegegner nicht
durch. Das Bundesgericht hatte in BGE 107 IV 55 einen Sachverhalt zu beurtei-
len, wonach ein Trolleybuschauffeur, nachdem er bei einer Bushaltestelle an-
gehalten hatte, einen sich beim Anfahren unmittelbar in sichttotem Winkel vor
dem Bus befindenden Rentner angefahren hatte. Der Chauffeur wurde dabei
wegen mangelnder Vorsicht und Aufmerksamkeit verurteilt. Das Bundesgericht
kam zum Schluss, dass, wo die Sicht nach vorne beschränkt und am Fahrzeug
keine Spiegel angebracht seien, welche vom Führersitz aus Einsicht in die vor-
ne liegenden sichttoten Winkel ermöglichen, der Chauffeur sich gegebenenfalls
kurz vom Sitz erheben, sich vorbeugen sich seitlich etwas verschieben
müsse, um genügende Sicht zu gewinnen. Dies muss im vorliegenden Fall um-
so mehr gelten, als sich der Beschwerdegegner durch sein gefährliches Wen-
demanöver selbst in diese Situation gebracht hat und er als Vortrittsbelasteter
zu erhöhter Vorsicht verpflichtet gewesen wäre. Dabei vermag es ihn auch nicht
zu entlasten, dass sich die Beschwerdeführerin allenfalls im sogenannten „toten
Winkel“ befand, als er losfuhr. Als Vortrittsbelasteter lag es am Beschwerde-



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gegner, alle Vorsichtsmassnahmen zu seinem riskanten Manöver zu treffen,
nötigenfalls durch Beizug einer Hilfsperson (BGE 106 IV 58). Im Übrigen liegen
schlichtweg keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Beschwerdeführerin in ei-
nem Zuge von der Tiefgarage über die Einfahrtsrampe in die D. fuhr und ihren
Vortritt erzwingen wollte. Mit der vom Kreispräsidenten angeführten Begrün-
dung lässt sich somit eine Einstellung des Strafmandatsverfahrens nicht recht-
fertigen.
6.
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass der Kreisprä-
sident B. das Strafmandatsverfahren gegen Y. zu Unrecht eingestellt hat, da
der rechtlich relevante Sachverhalt hinreichend klar erstellt ist. Die angefochte-
ne Verfügung ist daher aufzuheben und die Sache zur weiteren Behandlung an
das Kreispräsidium B. zurückzuweisen.
7.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens gehen die Kosten des Be-
schwerdeverfahrens zu Lasten des Kantons Graubünden (Art. 160 Abs. 3
StPO). Von der Zusprechung einer aussergerichtlichen Entschädigung an die
obsiegende Beschwerdeführerin gemäss Art. 160 Abs. 4 StPO ist indes abzu-
sehen, da letztere nicht anwaltlich vertreten ist.




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Demnach erkennt die Beschwerdekammer :
1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen, die angefochtene Einstellungsverfü-
gung aufgehoben und die Sache im Sinne der Erwägungen an das Krei-
spräsidium B. zurückgewiesen.
2.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens gehen zu Lasten des Kantons
Graubünden.
3.
Gegen diese Entscheidung kann gemäss Art. 78 des Bundesgerichtsge-
setzes (BGG) Beschwerde in Strafsachen an das Schweizerische Bun-
desgericht geführt werden. Diese ist dem Bundesgericht schriftlich, innert
30 Tagen seit Eröffnung der vollständigen Ausfertigung der Entscheidung
in der gemäss Art. 42 f. BGG vorgeschriebenen Weise einzureichen. Für
die Zulässigkeit, die Beschwerdelegitimation, die weiteren Vorausset-
zungen und das Verfahren der Beschwerde gelten die Art. 29 ff., 78 ff.
und 90 ff. BGG.
4. Mitteilung
an:
__
Für die Beschwerdekammer des Kantonsgerichts von Graubünden
Der Vizepräsident:
Der Aktuar ad hoc:


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