Das Obergericht des Kantons Zürich hat am 29. September 2014 in einem Fall von Widerhandlung gegen das Ruhetags- und Ladenöffnungsgesetz entschieden. Der Beschuldigte wurde für schuldig befunden und mit einer Busse von Fr. 200.- bestraft. Falls die Busse nicht bezahlt wird, droht eine Ersatzfreiheitsstrafe von 2 Tagen. Die Gerichtskosten wurden auf Fr. 500.- festgesetzt, und die Kosten des Stadtrichteramtes Zürich in Höhe von Fr. 777.- wurden dem Beschuldigten auferlegt. Der Beschuldigte hatte Berufung eingelegt, die jedoch abgewiesen wurde, da das Gericht entschied, dass er fahrlässig gehandelt habe. Der Beschuldigte ist männlich.
Urteilsdetails des Kantongerichts BK-07-44
Kanton: | GR |
Fallnummer: | BK-07-44 |
Instanz: | Kantonsgericht Graubünden |
Abteilung: | - |
Datum: | 14.11.2007 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Verletzung des Geheim- oder Privatbereichs durch Aufnahmegeräte |
Schlagwörter : | Untersuchung; Recht; Verfahren; Angeschuldigte; Einstellung; Beschwer; Untersuchungsrichter; Graubünden; Verfahrens; Gehör; Kanton; Angeschuldigten; Recht; Einstellungsverfügung; Entscheid; Dossier; Kantons; Verletzung; Verfügung; Akten; Kammer; Staatsanwalt; Rechtsmittel; Verfahren; Untersuchung |
Rechtsnorm: | Art. 10 StGB ;Art. 138 StPO ;Art. 139 StPO ;Art. 19 StGB ;Art. 29 BV ;Art. 54 OR ;Art. 81 BGG ; |
Referenz BGE: | 126 I 81; 132 V 368; 132 V 387; 96 IV 64; |
Kommentar: | -, Basler Kommentar Strafrecht I, Art. 52 ff., 2007 Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017 |
Entscheid des Kantongerichts BK-07-44
Kantonsgericht von Graubünden
Dretgira chantunala dal Grischun
Tribunale cantonale dei Grigioni
_____
Ref.:
Chur, 14. November 2007
Schriftlich mitgeteilt am:
BK 07 44
Entscheid
Beschwerdekammer
Vorsitz Vizepräsident
Bochsler
RichterInnen Rehli
und
Hubert
Aktuar Engler
——————
In der strafrechtlichen Beschwerde
des Z., Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Alexander R.
Lecki, Stadthausstrasse 39, Postfach 232, 8402 Winterthur,
gegen
die Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft Graubünden vom 8. August
2007, mitgeteilt am 10. August 2007, in Sachen gegen den Beschwerdeführer,
betreffend Verletzung des Geheimoder Privatbereichs durch Aufnahmegeräte
etc.
(Beschwer, rechtliches Gehör, Kostenüberbindung),
hat sich ergeben:
2
A.
Mit Verfügung vom 13. Dezember 2005 eröffnete die Staatsanwalt-
schaft Graubünden gegen Z. eine Strafuntersuchung wegen des Verdachts der
Verletzung des Geheimoder Privatbereichs durch Aufnahmegeräte und weiterer
Delikte (Proz. Nr. VV.2005.3361). Es ging dabei laut der späteren Sachverhalts-
darstellung des Untersuchungsrichters um die folgenden Vorwürfe:
„a) Am 27. August 2005 und am 10. Oktober 2005 stellte der Ange-
schuldigte mit einer Videokamera ohne deren Einwilligung Bildauf-
nahmen von A. und B. Y. her, als diese sich auf deren Grundstück
am X. 18 in W. aufhielten (Dossier 3).
b) Zwischen dem 1. November 2005 und dem 13. Dezember 2005 stell-
te der Angeschuldigte in unregelmässigen Abständen mit seiner Vi-
deokamera Bildaufnahmen von V. her, als dieser sich auf seinem
Grundstück am X. 20 in W. aufhielt. Am 13. Dezember 2005, um ca.
18.30 Uhr, beleuchtete er mit einem Handscheinwerfer die Einfahrt
des Carports von V. und zeichnete den Parkiervorgang mit seiner
Videokamera auf. Durch dieses Verhalten wurde V. beim Einparkie-
ren in seinen Carport geblendet und berührte mit seinem rechtsseiti-
gen Fahrzeugheck den Begrenzungspfosten des Carports (Dossier
4).
c) Am 5. März 2006 stellte der Angeschuldigte mit einer Videokamera
ohne dessen Einwilligung Bildaufnahmen von U. her, als dieser sich
auf seinem Grundstück am X. 22 in W. aufhielt (Dossier 5).
d) Am 18. April 2006, um ca. 8.30 Uhr, rief der Angeschuldigte in W. auf
dem X. dem soeben aus seinem Fahrzeug ausgestiegenen U. zu:
‚Das nächste Mal fahre ich dir ins Auto’ (Dossier 7).
e) Am 5. Mai 2006 stellte der Angeschuldigte auf dem Polizeiposten
Landquart Aufnahmen eines Gespräches zwischen ihm und T. her,
obwohl ihm dies von T. eingangs der Befragung untersagt worden
war (Dossier 6).
f) Zwischen dem 24. Juli 2006 und dem 4. August 2006 verunreinigte
der Angeschuldigte den Zufahrtsweg zur Liegenschaft von V. am X.
20 mit rotem Farbspray. Zudem schnitt er in diesem Zeitraum Äste
eines Holunderbusches ab, welcher sich auf dem Grundstück von V.
befindet (Dossier 8).
g) Am 17. August 2006 stellte der Angeschuldigte auf dem Untersu-
chungsrichteramt Chur anlässlich einer Konfrontationseinvernahme
zwischen ihm und U. Tonaufnahmen der Einvernahme, aber auch
der begleitenden Gespräche her, obwohl ihm dies vom Untersu-
chungsrichter zuvor untersagt worden war (Dossier 1 Akt. 25 und 27
ff.).“
B.
Mit Schreiben vom 17. November 2006 (Hauptlieferung) und vom
21. November 2006 (Nachlieferung) liess der Untersuchungsrichter dem Vertei-
diger des Angeschuldigten die Verfahrensakten zukommen. Gleichzeitig gab er
3
ihm Gelegenheit, sich zu den Vorwürfen zu äussern, die darin gegenüber Z. er-
hoben würden.
Rechtsanwalt Lecki nahm diese Möglichkeit wahr und beantragte in seiner
Eingabe vom 12. Januar 2007 die Einstellung des Strafverfahrens. Soweit die
angeblichen Verfehlungen überhaupt Z. zugeordnet werden könnten, sei bei al-
len zumindest ein objektives Tatbestandsmerkmal nicht erfüllt.
Nachträglich nahm der Untersuchungsrichter aus den Akten eines am 06.
November 2003 gegen Z. eröffneten Strafverfahrens (Proz. Nr. VV.2003.2834)
noch zwei Urkunden zu den Unterlagen des laufenden Prozesses, ohne dass der
Angeschuldigte und sein Verteidiger von diesem Vorgang Kenntnis erhielten.
Zum einen geht es um das Urteil der Strafkammer des Kantonsgerichtes von
Graubünden (SF 05 21) vom 23. Oktober 2006, mitgeteilt am 09. Mai 2007, mit
welchem jenes Verfahren eingestellt wurde; mangels rechtsgenüglicher Beweise
hinsichtlich des Vorwurfs des mehrfachen Ungehorsams gegen amtliche Verfü-
gungen und wegen Zurechnungsunfähigkeit gemäss Art. 10 aStGB in Bezug auf
den Vorwurf der mehrfachen falschen Anschuldigung und der mehrfachen ver-
suchten Nötigung. Zum anderen handelt es sich um das im dortigen Prozess zu
Z. ergangene psychiatrische Gutachten vom 05. Januar 2005, verfasst vom Be-
reichsleiter Forensik der Psychiatrischen Klinik S., Oberarzt R..
C.
Am 08. August 2007 erliess der Untersuchungsrichter eine vom
Staatsanwalt genehmigte Einstellungsverfügung, welche am 10. August 2007
schriftlich mitgeteilt wurde. Darin befand er:
„1. Die Strafuntersuchung gegen Z. wegen Verletzung des Geheimo-
der Privatbereichs durch Aufnahmegeräte etc. wird im Sinne der Er-
wägungen eingestellt.
2. Die Verfahrenskosten, bestehend aus:
Gebühr
CHF
2095.00
Barauslagen
CHF 456.00
Total
CHF
2551.00
werden Z. überbunden und sind gemäss beiliegender Rechnung in-
nert 30 Tagen an die Finanzverwaltung Graubünden, Postkonto 70-
187-9, zu überweisen.
3. (Rechtsmittelbelehrung)
4. Mitteilung an: .“
4
Zur Begründung machte der Untersuchungsrichter geltend, dass Z. für
sein Verhalten wegen Schuldunfähigkeit im Sinne von Art. 19 Abs. 1 StGB straf-
rechtlich nicht zur Verantwortung gezogen werden könne. Er berief sich hierzu
auf das oben erwähnte Urteil der Strafkammer des Kantonsgerichtes von Grau-
bünden und das in jenem Verfahren eingeholte psychiatrische Gutachten. Die
Kostenüberbindung schliesslich erfolge aus Billigkeitsüberlegungen.
D.
Am 31. August 2007 liess Z. bei der Beschwerdekammer des Kan-
tonsgerichtes Beschwerde einreichen mit dem Begehren:
„1. Es sei die von der Staatsanwaltschaft Graubünden am 8. August
2007 unter Prozess-Nummer VV.2005.3361/ME erlassene Einstel-
lungsverfügung wegen Rechtswidrigkeit (‚Verletzung des rechtlichen
Gehörs’) aufzuheben und zur Neubeurteilung zurückzuweisen.
Eventualiter:
Es sei Dispositivziffer 2. der vorgenannten Einstellungsverfügung
aufzuheben und der Beschwerdeführer zur Zahlung der hälftigen
Verfahrenskosten von Fr. 2551.00 zu verpflichten.
2. Es seien die Kosten des Beschwerdeverfahrens auf die Staatskasse
zu nehmen, und es sei dem Beschwerdeführer für dieses eine an-
gemessene Entschädigung zu entrichten.“
E.
In ihrer Vernehmlassung hierzu vom 21. September 2007 beantrag-
te die Staatsanwaltschaft Graubünden, es sei die Beschwerde unter Kostenfolge
zulasten des Angeschuldigten abzuweisen, soweit auf das Rechtsmittel über-
haupt eingetreten werden könne.
Im weiteren Schriftenwechsel (Replik vom 11. Oktober 2007, Duplik vom
02. November 2007) hielten Z. und die Staatsanwaltschaft Graubünden an ihren
Rechtsbegehren fest.
5
Die Beschwerdekammer zieht in Erwägung:
1.
Gegen Einstellungsverfügungen der Untersuchungsrichter kann
gemäss Art. 138 StPO bei der Beschwerdekammer des Kantonsgerichts Be-
schwerde eingereicht werden. Hierzu ist nach Art. 139 Abs. 1 StPO legitimiert,
wer durch den angefochtenen Entscheid berührt (beschwert) ist und gleichzeitig
ein (aktuelles) rechtlich schützenswertes Interesse an dessen Aufhebung
Abänderung geltend machen kann (vgl. WILLY PADRUTT, Kommentar zur Straf-
prozessordnung des Kantons Graubünden, 2. Aufl., Chur 1996, S. 352 Rz. 2.1
und 2.2).
Das Erfordernis der Beschwer ergibt sich aus dem Wesen des Rechtsmit-
tels, das naturgemäss darauf gerichtet ist, eine günstigere Entscheidung herbei-
zuführen, als es die angefochtene darstellt (vgl. ROBERT HAUSER/ERHARD
SCHWERI/KARL HARTMANN, Schweizerisches Strafprozessrecht, 6. Aufl., Basel
2005, S. 473 Rz. 18; NIKLAUS SCHMID, Strafprozessrecht, Eine Einführung auf der
Grundlage des Strafprozessrechtes des Kantons Zürich und des Bundes, 4.
Aufl., Zürich 2004, S. 368 Rz. 975). Wird eine Strafuntersuchung nicht weiterge-
führt, kann sich der Angeschuldigte auf dem Rechtsmittelweg also etwa dagegen
wenden, dass ihm in der betreffenden Verfügung Verfahrenskosten überbunden
wurden er keine Umtriebsentschädigung zugesprochen erhielt. Hingegen ist
es ihm verwehrt, die Einstellung an sich anzufechten, um über eine gerichtliche
Beurteilung einen Freispruch zu erwirken. Wer durch eine Verfahrenseinstellung
keine Nachteile erleidet, soll sie nicht durch eine Rechtsmittelinstanz überprüfen
lassen können (vgl. SCHMID, a. a. O., S. 368 Rz. 976; THOMAS ZWEIDLER, Die
Praxis zur thurgauischen Strafprozessordnung, Bern 2005, S. 552 Rz. 6; THOMAS
MAURER, Das bernische Strafverfahren, 2. Aufl., Bern 2003, S. 482; NIKLAUS
SCHMID, in DONATSCH/SCHMID, Kommentar zur Strafprozessordnung des Kantons
Zürich, Loseblattsammlung, Zürich, § 395 [März 1996] N. 22).
Ob eine Beschwer gegeben ist, beurteilt sich nach dem Dispositiv des an-
gefochtenen Erkenntnisses. Die dessen Begründung dienenden nicht genehmen
Erwägungen allein lassen einen Angeklagten Angeschuldigten also noch
nicht als beschwert erscheinen und berechtigen ihn nicht zur Ergreifung eines
Rechtsmittels (vgl. HAUSER/SCHWERI/HARTMANN, a. a. O., S. 473 Rz. 22; SCHMID,
a. a. O. [Strafprozessrecht], S. 368 Rz. 977; MAURER, a. a. O., S. 483). Abwei-
chendes gilt freilich dann, wenn ein Angeklagter schuldig gesprochen, ihm also -
6
und sei es auch nur in den Erwägungen ein tatbestandsmässiges, rechtswidri-
ges und schuldhaftes Verhalten vorgeworfen wird, es aber wegen eines Strafbe-
freiungsgrundes (nach den Art. 52 ff. StGB etwa) nicht zur Aussprechung einer
Sanktion kommt. In solchen Fällen muss einem Verurteilten der Rechtsmittelweg
offen stehen, um verlangen zu können, dass der (allenfalls einzig aus den Erwä-
gungen hervorgehende) Schuldspruch aufgehoben wird und dass in den zur An-
klage gebrachten Punkten ein Freispruch ergeht (vgl. BGE 96 IV 64 E. 1 S. 66
ff.; FRANZ RIKLIN, Basler Kommentar, Strafrecht I, 2. Aufl., Basel 2007, vor Art. 52
ff. StGB N. 38). In vergleichbarer Weise beschwert ist ein Angeschuldigter, wenn
wegen Vorliegens eines Strafbefreiungsgrundes eine Untersuchung gar nicht
erst angehoben wieder eingestellt wird und dies (in unzulässiger Weise) mit
einer Schuldfeststellung verknüpft wird, und sei es wiederum auch nur in den
Erwägungen. Der derart Betroffene muss sich gegen solche nachteiligen Fest-
stellungen in einer Ablehnungsoder Einstellungsverfügung zur Wehr setzen
können (vgl. HAUSER/SCHWERI/HARTMANN, a. a. O., S. 473 f. Rz. 22a; RIKLIN, a. a.
O., vor Art. 52 ff. StGB Rz. 39).
Laut dem Dispositiv der angefochtenen Verfügung der Staatsanwaltschaft
Graubünden vom 08. August 2007 wurde die gegen Z. wegen des Verdachts der
Verletzung des Geheimoder Privatbereichs durch Aufnahmegeräte und weiterer
Delikte (Nötigung, Ungehorsam, Drohung, Sachbeschädigung) geführte Strafun-
tersuchung schlicht eingestellt (Ziff. 1). Der an sich überflüssige Zusatz, dies er-
folge im Sinne der Erwägungen, besagt lediglich, dass dort die Begründung für
die Verfahrenseinstellung gegeben werde. Irgendwelche Nachteile für den An-
geschuldigten sind damit offenkundig nicht verbunden, und es wird solches von
ihm denn auch gar nicht behauptet. In den Erwägungen selber finden sich eben-
so wenig Ausführungen, welche als eigentliche Schuldfeststellung eingestuft
werden müssten und es nahe legen würden, den Angeschuldigten als beschwert
und damit zur Ergreifung eines Rechtsmittels legitimiert anzusehen. So listet der
Untersuchungsrichter in seiner Einstellungsverfügung die Lebenssachverhalte
auf, welche den Verdacht strafbarer Handlungen zu erregen vermocht und hin-
reichenden Anlass zur Eröffnung einer Strafuntersuchung gegeben hätten. In
Zusammenhang mit der Frage, ob dem Angeschuldigten trotz Einstellung Ver-
fahrenskosten überbunden werden dürften, finden sich zudem Ausführungen
darüber, inwieweit durch die ihm zur Last gelegten Verhaltensweisen bezogen
auf mögliche Delikte objektive und subjektive Tatbestandsvoraussetzungen er-
füllt worden seien. Hierin liegt allerdings noch kein Schuldspruch; ganz im Ge-
7
genteil, wird doch die Einstellung der Untersuchung ausdrücklich damit begrün-
det, dass Z. wegen Schuldunfähigkeit (Art. 19 Abs. 1 StGB) nicht strafbar sei. Da
gegen ihn auch keine anderen Sanktionen (Massnahmen) ergriffen wurden, be-
sitzt er nach dem bereits Gesagten mangels Beschwer kein rechtlich schützens-
wertes Interesse an der Aufhebung der Verfahrenseinstellung an sich (Ziff. 1 der
angefochtenen Verfügung), und dies wie gesehen selbst dann, wenn er mit der
vom Untersuchungsrichter gegebenen Begründung nicht durchwegs einverstan-
den gewesen sein sollte (vgl. HAUSER/SCHWERI/HARTMANN, a. a. O., S. 473 Rz.
21; SCHMID, a. a. O. [Strafprozessrecht], S. 368 Rz. 977; MAURER, a. a. O., S.
483 f.).
Seinerzeit hatte Z. gegenüber dem Untersuchungsrichter die Einstellung
des Verfahrens mit der Begründung beantragt, soweit die angeblichen Verfeh-
lungen ihm überhaupt zugeordnet werden könnten, sei bei allen zumindest ein
objektives Tatbestandsmerkmal nicht erfüllt. Die das Verfahren abschliessende
Verfügung wird nun aber vom Angeschuldigten jedenfalls vordergründig - nicht
etwa deshalb angefochten, weil die Einstellung der Untersuchung statt im bean-
tragten Sinne mit einer abweichenden Begründung (wegen Schuldunfähigkeit
des Verdächtigen) erfolgt ist. Z. beanstandet vielmehr, dass sein Anspruch auf
rechtliches Gehör verletzt worden sei.
2.
Der Beschwerdeführer geht also offenkundig davon aus, dass er
trotz möglicherweise fehlender Legitimation in der Sache selbst immer noch die
Verletzung von Verfahrensvorschriften rügen könne, soweit deren Missachtung
eine formelle Rechtsverweigerung darstelle. Das hierbei erforderliche rechtlich
geschützte Interesse (Art. 81 Abs. 1 BGG; Art. 139 Abs. 1 StPO) ergibt sich dies-
falls nicht aus der Berechtigung in der Sache, sondern aus der Berechtigung, am
Verfahren teilzunehmen. Letztere ist dann gegeben, wenn dem Beschwerdefüh-
rer in jenem Verfahren (hier einer Strafuntersuchung) Parteistellung zukam. Ist
dem so (wie bei einem Angeschuldigten), kann er die Verletzung jener Partei-
rechte rügen, die ihm nach dem kantonalen Verfahrensrecht unmittelbar
aufgrund der Bundesverfassung zustehen (vgl. das Urteil 1P.746/2000 des
Schweizerischen Bundesgerichts vom 11. Mai 2001 E. 2a sowie BGE 126 I 81 E.
3b S. 86).
Hierzu zählt unter anderen der in Art. 29 Abs. 2 BV verankerte Anspruch
der Parteien auf Gewährung des rechtlichen Gehörs, das einerseits der Sach-
8
aufklärung dient und andererseits ein persönlichkeitsbezogenes Mitwirkungs-
recht darstellt beim Erlass eines in die Rechtsstellung der betreffenden Person
eingreifenden Entscheides. Es umfasst insbesondere das Recht, sich vor der
Entscheidfindung zur Sache zu äussern, relevante Beweise beizubringen, mit
massgeblichen Beweisanträgen gehört zu werden sowie an der Erhebung we-
sentlicher Beweise entweder mitzuwirken sich wenigstens zum Beweiser-
gebnis zu äussern, wenn dieses geeignet ist, den Entscheid zu beeinflussen(vgl.
BGE 132 V 368 E. 3.1 S. 370 f.). Elementarer Bestandteil des rechtlichen Ge-
hörs ist weiter das die Grundlage des Äusserungsund Antragsrechts eines Pro-
zessbeteiligten bildende Recht auf Akteneinsicht (vgl. HAUSER/SCHWERI/HART-
MANN, a. a. O., S. 256 Rz. 12). Die Partei, welche hiervon Gebrauch machen will,
ist grundsätzlich gehalten, ein entsprechendes Gesuch einzureichen. Dies be-
dingt allerdings, dass sie über den Beizug neuer entscheidwesentlicher Akten
unterrichtet wird, soweit sie sie nicht bereits kennt kennen muss. Dem hat
die mit der Entscheidfindung befasste Behörde besonders Rechnung zu tragen,
wenn das Dossier noch ergänzt wird, nachdem bereits Akteneinsicht gewährt
wurde (vgl. BGE 132 V 387 E. 6.2 S. 391; HAUSER/SCHWERI/HARTMANN, a. a. O.,
S. 258 Rz. 17).
Nachdem sich Rechtsanwalt Lecki am 08. November 2006 telefonisch
beim Untersuchungsrichter als Verteidiger von Z. gemeldet hatte, sandte er ihm
am 17. November 2006 die von seinem Klienten unterzeichnete Vollmacht, ver-
bunden mit der Bitte um Akteneinsicht. Der Untersuchungsrichter kam dem um-
gehend nach und überliess ihm die bislang angelegten Dossiers 1-7 des hier
interessierenden Strafverfahrens (Proz. Nr. VV.2005.3361). Gleichzeitig ersuchte
er ihn, sich bis zum 11. Dezember 2006 zu den darin enthaltenen Vorwürfen
schriftlich vernehmen zu lassen. Am 21. November 2006 liess er ihm mit der
gleichen Bitte auch noch das in der Zwischenzeit errichtete Dossier 8 zukom-
men. Nach zwei Fristerstreckungen nahm Rechtsanwalt Lecki mit Eingabe vom
12. Januar 2007 umfassend zu dem durch die Untersuchungsbehörde ermittel-
ten Sachverhalt Stellung, wobei er geltend machte, soweit die angeblichen straf-
baren Handlungen überhaupt seinem Klienten zugeordnet werden könnten, sei
bei allen zumindest ein objektives Tatbestandselement nicht erfüllt. Folgerichtig
müsse die Strafuntersuchung gegen Z. eingestellt werden. Nachträglich nahm
der Untersuchungsrichter dann noch aus den Akten eines anderen Strafverfah-
rens (Proz. Nr. VV.2003.2834) die oben in der Sachverhaltsdarstellung unter
Buchstabe B Abs. 3 genannten Urkunden zu den Unterlagen des laufenden Ver-
9
fahrens, ein Strafurteil und ein psychiatrisches Gutachten, die sich beide mit der
Zurechnungsunfähigkeit (heute Schuldunfähigkeit) von Z. befassten. Obwohl der
Untersuchungsrichter in der Folge im Rahmen der Verfahrenseinstellung ent-
scheidend und ausschliesslich auf diese beiden Dokumente abstellen sollte und
er ohne weiteres ermessen konnte, dass die Ausführungen des Verteidigers in
der Vernehmlassung vom 12. Januar 2007 dadurch hinfällig würden, sah er da-
von ab, den Angeschuldigten und seinen Anwalt über den nachträglichen Akten-
beizug zu unterrichten. Darin liegt eine Gehörsverletzung. Z. und Rechtsanwalt
Lecki kannten zwar das im anderen Strafverfahren ergangene psychiatrische
Gutachten, desgleichen erhielten sie mit der Mitteilung vom 09. Mai 2007 auch
vom dortigen Strafurteil SF 05 21 Kenntnis. Da die Frage der Schuldunfähigkeit
von Z. während der hier interessierenden Strafuntersuchung indessen von keiner
Seite aufgegriffen worden war und der Untersuchungsrichter keinerlei Andeutun-
gen gemacht hatte, dass er diesbezüglich den Ausgang des anderen Strafver-
fahrens noch abwarten werde, um dort gewonnene Erkenntnisse allenfalls ver-
werten zu können, mussten Rechtsanwalt Lecki und sein Mandant nicht damit
rechnen, dass der Prozessstoff des laufenden Verfahrens nachträglich noch er-
gänzt werden könnte, und sie hatten damit keinen Grund, ein weiteres Aktenein-
sichtsbegehren zu stellen. Dem hätte der Untersuchungsrichter Rechnung tragen
müssen.
3.
Obwohl der Anspruch auf rechtliches Gehör formeller Natur ist, gilt
er nicht absolut, ist doch, wie oben bereits gesehen, Voraussetzung eines jeden
Rechtsmittels ein aktuelles Rechtsschutzinteresse. Dem ist selbst dann so, wenn
eine formelle Rechtsverweigerung eine Gehörsverletzung gerügt wird. Un-
geachtet der formellen Natur des Anspruchs auf rechtliches Gehör kann deshalb
nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung auf eine Beschwerde, mit welcher
nur noch die Verletzung dieses Grundrechts beanstandet wird, gar nicht erst ein-
getreten werden, wenn in der Sache selber kein Rechtsschutzinteresse mehr
besteht (vgl. die Urteile 2P.44/2007 vom 02. August 2007 E. 3.3.4 und
2P.352/2005 vom 24. April 2006 E. 3.4). Andernfalls müssten bei Bejahung einer
Gehörsverletzung selbst materiell gar nicht angefochtene bzw. ausdrücklich an-
erkannte Entscheide aufgehoben werden, was einen formalistischen Leerlauf
darstellen würde und vom Sinn des Grundrechts auf rechtliches Gehör, das kei-
nen Selbstzweck verfolgt, sondern der Verwirklichung des materiellen Rechts
dient, vernünftigerweise nicht mehr erfasst würde (vgl. das eben angeführte Ur-
10
teil 2P.352/2005 des Schweizerischen Bundesgerichts vom 24. April 2006 E.
3.4).
Z. liess nach Abschluss der Untersuchung durch seinen Anwalt beantra-
gen, es sei das gegen ihn geführte Verfahren einzustellen, wobei zur Begrün-
dung vorgebracht wurde, soweit die angeblichen strafbaren Handlungen über-
haupt dem Angeschuldigten zugeordnet werden könnten, fehle es durchwegs
bereits an der Erfüllung des objektiven Tatbestandes. In der Folge erging an-
tragsgemäss eine Einstellungsverfügung, allerdings mit einer abweichenden Be-
gründung, berufen sich doch der Untersuchungsrichter und der Staatsanwalt zur
Rechtfertigung, dass man die Angelegenheit auf sich beruhen lasse, auf die Zu-
rechnungsunfähigkeit (Schuldunfähigkeit) von Z.. Sich gegen die Einstellung an
sich zur Wehr zu setzen, hatte der Angeschuldigte mangels Beschwer keinerlei
Anlass, und er behauptet Gegenteiliges denn auch selber nicht. Hingegen hätte
er versucht sein können, auf dem Rechtsmittelweg zu verlangen, es sei die an-
gefochtene Verfügung dahin abzuändern, dass die Untersuchung nicht wegen
Schuldunfähigkeit des angeblichen Täters, sondern aus den vom Verteidiger
aufgezeigten Überlegungen eingestellt werde. Zumindest vordergründig sah der
Beschwerdeführer indessen hiervon ab, stellte er doch und dies mit gutem Grund
kein entsprechendes Begehren. Darauf hätte denn auch gar nicht eingetreten
werden können, besitzt er doch nach dem oben in Erwägung 1 Gesagten kein
schützenswertes Interesse, eine ihn nicht benachteiligende Verfahrenseinstel-
lung durch eine obere Instanz überprüfen zu lassen. Stattdessen beschränkte
sich Z. auf den oben in Erwägung 2 näher dargelegten Einwand, es sei ihm das
rechtliche Gehör verweigert worden; dadurch nämlich, dass massgeblich auf
nachträglich beigezogene Urkunden abgestellt worden sei, zu denen er sich
nicht habe äussern können. Würde dem damit verbundenen Rückweisungsan-
trag entsprochen, wäre das aufzuheben, was der Betroffene ausdrücklich und
mit Erfolg angestrebt hat, die Einstellung der gegen ihn geführten Untersuchung.
Daran ist nichts Schützenswertes. Berücksichtigt man überdies, dass die in Ver-
letzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör beschafften Urkunden die Grund-
lage bildeten für die Annahme der Schuldunfähigkeit und dass Z. in seiner Ein-
gabe vom 11. Oktober 2007 beiläufig bemerkte, er wolle nicht auf Dauer als zu-
rechnungsunfähig abgestempelt werden, geht es letztlich doch darum, die ihn
störende Begründung in der Einstellungsverfügung durch eine ihm genehmere
ersetzt zu erhalten, was zu fordern er indessen wie gesehen eben gerade nicht
11
legitimiert ist. Die Rüge der Gehörsverletzung wird damit zum reinen Selbst-
zweck.
Soweit mit der Beschwerde die Aufhebung der Einstellungsverfügung so-
wie die Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zur Behebung der beanstan-
deten Verfahrensmängel und zur Neubeurteilung verlangt wird, kann darauf also
nicht eingetreten werden.
4.
Im Einklang mit den Überlegungen, welche bereits in dem im Straf-
verfahren Proz. Nr. VV.2003.2834 ergangenen Urteil SF 05 21 angestellt wur-
den, hielt der Untersuchungsrichter in der angefochtenen Verfügung zutreffend
fest, dass in Anlehnung an die Regelung von Art. 54 Abs. 1 OR einem Ange-
schuldigten aus Billigkeitsgründen selbst dann Verfahrenskosten (ganz teil-
weise) überbunden werden dürften, wenn die Untersuchung wegen fehlender
Zurechnungsfähigkeit des Verdächtigen nicht mehr weiterverfolgt wurde. Ebenso
wenig zu beanstanden ist die weitere Annahme des Untersuchungsrichters, dass
es sich bei der vorliegenden Streitsache um einen solchen Anwendungsfall
handle. Z. selber geht denn auch von nichts anderem aus. Er wehrt sich einzig
dagegen, dass in der Einstellungsverfügung sämtliche Untersuchungskosten auf
ihn abgewälzt wurden; er erkennt aber für den Fall, dass es nicht zu einer Rück-
weisung komme, ausdrücklich an, dass es zulässig sei, ihn die Hälfte der insge-
samt Fr. 2551.00 tragen zu lassen.
Im Vergleich zu den dem Strafurteil SF 05 21 zugrunde liegenden Steuer-
faktoren ist nach den jetzt zur Verfügung stehenden Unterlagen sowohl beim
Reineinkommen wie beim Reinvermögen ein gewisser Anstieg zu verzeichnen,
wobei freilich wie bereits damals zu berücksichtigen ist, dass die Ehefrau des
Angeschuldigten als Lehrerin arbeitet und dass sie an der Liegenschaft X. 16 in
W. zur Hälfte Miteigentum besitzt. Die von der Steuerverwaltung genannten Wer-
te dürfen deshalb nicht einfach voll dem Angeschuldigten zugerechnet werden.
Auf der anderen Seite lässt sich immerhin sagen, dass sich seine finanzielle La-
ge nicht verschlechtert hat und dass somit kein Grund besteht, den seinerzeit als
angemessen angesehenen Verteilschlüssel von einem Zweitel zu einem Zweitel
grundsätzlich zu Ungunsten des Staates zu verändern. Gleichzeitig ist aber fest-
zuhalten, dass die wirtschaftlichen Verhältnisse von Z. auch nicht derart gut sind,
dass es aus Gründen der Billigkeit angezeigt wäre, ihn stärker als mit der Hälfte
der angefallenen Kosten zu belasten. Vorbehalten bleibt bei all dem eine Korrek-
12
tur zu Gunsten des Angeschuldigten, wenn er in aussergewöhnlich teuren Ver-
fahren durch den nach dem genannten Verteilschlüssel (½:½) abwälzbaren Be-
trag unverhältnismässig hart getroffen würde. Dem ist hier indessen bei Gesamt-
kosten von Fr. 2551.00 klarerweise nicht so.
Der vorinstanzliche Kostenspruch ist also dahin abzuändern, dass Z. und
der Kanton Graubünden je Fr. 1275.50 der Untersuchungskosten von Fr.
2551.00 zu übernehmen haben.
5.
Z. vermochte gegenüber den in der angefochtenen Verfügung ge-
troffenen Anordnungen lediglich im Kostenpunkt eine Anpassung zu erreichen.
In der mit weit mehr Aufwand verbundenen Hauptstreitfrage, ob die Einstellungs-
verfügung aufzuheben und die Sache wegen Verletzung des Akteneinsichts-
rechts zur Neubeurteilung an die Staatsanwaltschaft zurückzuweisen sei, unter-
lag er hingegen vollständig. Es erscheint deshalb angezeigt, von den Kosten des
Beschwerdeverfahrens in der Höhe von Fr. 1000.00 (Art. 3 lit. c der entspre-
chenden Verordnung) vier Fünftel Z. und einen Fünftel dem Kanton Graubünden
zu überbinden.
Bei dieser Ausgangslage ist der Kanton Graubünden überdies zu ver-
pflichten, Z. für das Beschwerdeverfahren eine reduzierte Umtriebsentschädi-
gung zu bezahlen. Sie wird unter Berücksichtigung des Grades des Obsiegens
und Unterliegens sowie des mutmasslichen notwendigen Aufwandes auf Fr.
200.00 festgelegt.
13
Demnach erkennt die Beschwerdekammer:
1.
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen und es wird die Ziff. 2 der
angefochtenen Einstellungsverfügung aufgehoben.
2.
Die Kosten der Strafuntersuchung von Fr. 2551.00 (Gebühr Fr. 2095.00,
Barauslagen Fr. 456.00) gehen je zur Hälfte zu Lasten von Z. und des
Kantons Graubünden.
3.
Im Übrigen wird auf die Beschwerde nicht eingetreten.
4.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens von Fr. 1000.00 gehen zu vier
Fünfteln zu Lasten von Z. und zu einem Fünftel zu Lasten des Kantons
Graubünden, welcher überdies verpflichtet wird, dem Beschwerdeführer
für das Verfahren vor der Beschwerdekammer eine reduzierte Umtriebs-
entschädigung von Fr. 200.00 zu bezahlen.
5.
Gegen diese Entscheidung kann gemäss Art. 78 des Bundesgerichtsge-
setzes (BGG) Beschwerde in Strafsachen an das Schweizerische Bun-
desgericht geführt werden. Diese ist dem Bundesgericht schriftlich, innert
30 Tagen seit Eröffnung der vollständigen Ausfertigung der Entscheidung
in der gemäss Art. 42 f. BGG vorgeschriebenen Weise einzureichen. Für
die Zulässigkeit, die Beschwerdelegitimation, die weiteren Voraussetzun-
gen und das Verfahren der Beschwerde gelten die Art. 29 ff., 78 ff. und 90
ff. BGG.
6. Mitteilung
an:
__
Für die Beschwerdekammer des Kantonsgerichts von Graubünden
Der Vizepräsident
Der Aktuar
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
Hier geht es zurück zur Suchmaschine.