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Urteil Kantonsgericht Graubünden (GR)

Zusammenfassung des Urteils BK-06-47: Kantonsgericht Graubünden

Der Fall betrifft eine Beschuldigte, die während der Fahrt in einem Auto eine Zeitung gelesen hat. Das Stadtrichteramt Zürich verhängte eine Geldstrafe von 200 CHF und legte die Gerichtskosten auf 600 CHF fest. Die Beschuldigte hat Berufung eingelegt, um freigesprochen zu werden und die Kosten der Verteidigung erstattet zu bekommen. Das Obergericht des Kantons Zürich bestätigte jedoch die Verurteilung und die Strafe. Die Kosten des Berufungsverfahrens in Höhe von 1'000 CHF wurden der Beschuldigten auferlegt.

Urteilsdetails des Kantongerichts BK-06-47

Kanton:GR
Fallnummer:BK-06-47
Instanz:Kantonsgericht Graubünden
Abteilung:-
Kantonsgericht Graubünden Entscheid BK-06-47 vom 21.11.2006 (GR)
Datum:21.11.2006
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:einfache Körperverletzung
Schlagwörter : Beweis; Angriff; Graubünden; Kollege; Faust; Beweise; Angeschuldigte; Einstellung; Notwehr; Verletzte; Kantons; Geschädigte; Aussage; Kollegen; Zeuge; Untersuchung; Faustschläge; Gesicht; Jugendanwalt; Aussagen; Angeschuldigten; Staatsanwalt; Beschwerdekammer; Einstellungsverfügung; Staatsanwaltschaft
Rechtsnorm:Art. 138 StPO ;Art. 139 StPO ;Art. 160 StPO ;Art. 20 VVG ;Art. 33 StGB ;Art. 82 StPO ;
Referenz BGE:-
Kommentar:
Schweizer, Trechsel, , 2. Aufl., Zürich, Art. 33 StGB, 1997
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017

Entscheid des Kantongerichts BK-06-47

Kantonsgericht von Graubünden

Tribunale cantonale dei Grigioni

Dretgira chantunala dal Grischun
_____

Ref.:
Chur, 21. November 2006
Schriftlich mitgeteilt am:
BK 06 47

Entscheid
Beschwerdekammer
Vorsitz Präsident
Brunner
RichterInnen
Tomaschett und Vital
Aktuar Crameri
——————
In der strafrechtlichen Beschwerde
des F., Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. iur. Rudolf Kunz,
Ottoplatz 19, 7000 Chur,

gegen

die Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft Graubünden vom 6. Septem-
ber 2006, mitgeteilt am 7. September 2006, in Sachen gegen C., Beschwerde-
gegner,
betreffend einfache Körperverletzung,

hat sich ergeben:



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A.
Am 14. April 2006, um ca. 03.30 Uhr, kam es auf der A.-Strasse
55 in B. zwischen C. und dessen Kollegen D. sowie E. einerseits und F. sowie
seinem Gefährten G. andererseits zu gegenseitigen Pöbeleien, in dessen Ver-
lauf C. F. zwei Faustschläge ins Gesicht versetzte. Dadurch erlitt dieser einen
offenen Unterkieferbruch und eine Rissquetschwunde am Hinterkopf. Nachdem
der Verletzte Strafantrag wegen Körperverletzung gegen C. gestellt hatte, eröff-
nete die Jugendanwaltschaft Graubünden am 12. Juni 2006 zulasten des Ver-
zeigten ein Strafverfahren wegen einfacher Körperverletzung gemäss Art. 123
StGB.
B. 1. F. führte in der polizeilichen Einvernahme und im Konfrontverhör
mit C. vor dem Jugendanwalt (act. 7 und 24) zusammengefasst Folgendes aus:
An jenem frühen Morgen habe er sich zusammen mit G. auf Höhe des
Coiffeurgeschäftes H. um einen jungen Mann gekümmert, der dort mit blutüber-
strömten Gesicht am Boden lag. Währenddessen sei eine Gruppe von Jugend-
lichen dazugekommen und habe sie angepöbelt. Da sie an der Hilfeleistung
gehindert worden seien, hätten sie die Burschen ohne Erfolg mehrmals aufge-
fordert, weiter zu gehen. Daraufhin habe sich sein Kollege vor sie gestellt und
sie in Richtung Kiosk weggedrängt. Die Jugendlichen seien jedoch wieder zu-
rückgekommen und hätten sie weiter belästigt. C. habe ihm „verpiss dich“ (act.
7) bzw. „Arschloch“ gesagt (act. 24). Er habe ihm erwidert, solche Worte könne
er nicht an ihn, sondern zuhause an seine Eltern richten. Er (C.) sei daraufhin
um ihn herumgelaufen und habe ihm völlig unvermittelt zwei heftige Faust-
schläge ins Gesicht versetzt. Er sei nach hinten gegen die dortige Hausmauer
gefallen.
2.
G. bestätigte vor der Polizei im Wesentlichen die Aussagen des
Antragstellers. Er und sein Gefährte seien von den Jugendlichen belästigt wor-
den, worauf er ihnen wiederholt erfolglos gesagt habe, sie sollten sich entfer-
nen. Er habe dann gesehen, wie einer der Burschen auf seinen Kollegen zuge-
gangen sei, ihm ein paar Faustschläge verabreicht und ihn danach mit grosser
Wucht nach hinten gestossen habe (act. 8). In der Konfront-einvernahme mit
dem Angeschuldigten will G. als Zeuge hingegen nicht gehört haben, dass jener
seinem Gefährten gesagt habe, er solle sich verpissen. Auch habe er nicht mit-
verfolgt, wie sein Kollege geschlagen worden sei; daher habe er auch nicht ge-
sehen, ob sein Gefährte den Beschuldigten zuerst geschupst geohrfeigt
habe. Das Ganze habe sich hinter seinem Rücken abgespielt; er selbst habe



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sich damit beschäftigt, die Kollegen des Angeschuldigten zu beruhigen. Er habe
seinen Gefährten erst später am Boden liegen sehen. Im Übrigen treffe es aber
zu, dass die Jugendlichen sie provoziert hätten (act. 29).
3.
C. gestand gegenüber der Polizei und dem Jugendanwalt, dass er
sich zusammen mit seinen beiden Kollegen auf dem Heimweg in Richtung I.
befunden habe. Beim Coiffeurgeschäft H. hätten sie eine kleine Menschenan-
sammlung gesehen. Jemand sei dort mit blutüberströmten Gesicht gestanden.
Auf dem Fussgängerstreifen seien ihnen drei Jugendlichen entgegengelaufen
und hätten sie gefragt, weshalb sie so blöd lachen würden. Er (C.) habe erwi-
dert, dass dies ihnen egal sein könne. Die Entgegenkommenden hätten keine
Ruhe gegeben und sie weiterhin angepöbelt. F. sei ihm besonders nahe getre-
ten, worauf er ihm mehrmals gesagt habe, er solle sich entfernen. Ob das Wort
„verpissen“ gebraucht worden sei, wisse er nicht. Gleichzeitig habe der Kontra-
hent mit den Händen gegen seine Brust gestossen und ihm dann zwei leichte
Ohrfeigen verpasst. Dies habe ihn dermassen in Rage gebracht, dass er dem
Widersacher einen zwei Faustschläge ins Gesicht verabreicht habe. Mit
der zweiten Faust habe er ihn am Kinn getroffen, worauf der Angegriffene nach
hinten und mit dem Kopf gegen die Schaufensterscheibe geprallt sei. Er habe
sich nur verteidigen wollen (act. 10 und 12). In der Konfronteinvernahme mit
dem Verletzten gab er neu zu Protokoll, dem Kontrahenten „verpiss dich“ ge-
sagt zu haben. Im Weiteren habe er aus Furcht, er würde von den anderen zu-
sammengeschlagen, auf ihn mit der Faust einschlagen müssen (act. 24).
4.
Diese Geschehnisse wurden in den wesentlichen Punkten auch
von D. und E. als Zeugen geschildert. Jener führte ausserdem aus, C. sei ziem-
lich betrunken gewesen und vor allem er und F. hätten sich gegenseitig ange-
pöbelt (act. 16). E. bezeugte dazu, dass er und seine zwei Kollegen ziemlich
angetrunken gewesen seien (act. 18).
C.
Mit Verfügung vom 6. September 2006, am folgenden Tag mitge-
teilt, stellte die Staatsanwaltschaft Graubünden die Strafuntersuchung ein.
D. Mit
strafrechtlicher
Beschwerde vom 27. September 2006 an die
Beschwerdekammer des Kantonsgerichtes von Graubünden stellt F. den An-
trag, die Einstellungsverfügung sei unter gerichtlicher und aussergerichtlicher
Kostenfolge zu Lasten des Kantons Graubünden aufzuheben.



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Die Staatsanwaltschaft Graubünden beantragt die Abweisung der Be-
schwerde. C. hat sich nicht vernehmen lassen.
Auf die Begründung der Rechtsbegehren wird, soweit erforderlich, in den
Erwägungen eingegangen
Die Beschwerdekammer zieht in Erwägung :
1.
Gemäss Art. 138 StPO kann gegen die vom Staatsanwalt geneh-
migten Amtshandlungen von Untersuchungsorganen bei der Beschwerdekam-
mer des Kantonsgerichtes Beschwerde geführt werden. Zur Beschwerdefüh-
rung ist berechtigt, wer durch den angefochtenen Entscheid berührt ist und ein
schutzwürdiges Interesse an seiner Aufhebung Änderung geltend macht.
Insbesondere kann sich der Geschädigte gegen Einstellungsverfügungen be-
schweren (Art. 139 Abs. 1 StPO). Die Beschwerde ist innert 20 Tagen seit der
Betroffene vom angefochtenen Entscheid Kenntnis erhalten hat schriftlich ein-
zureichen (Art. 139 Abs. 2 StPO). Sie ist kurz zu begründen und soweit der Be-
schwerdeführer über Beweismittel verfügt, sind diese beizulegen (Art. 20 VVG).
F. ist Geschädigter, so dass seine Beschwerdelegitimation gegeben ist.
Da auch die übrigen Voraussetzungen erfüllt sind (Art. 139 Abs. 2 StPO, 20
VVG), ist auf die Beschwerde einzutreten.
2. a) Gemäss Art. 82 Abs. 1 StPO erlässt der Untersuchungsrichter ei-
ne begründete Einstellungsverfügung, wenn er auf Grund seiner Erhebungen
zum Schluss gelangt, dass das Vorliegen eines Straftatbestandes objektiv
subjektiv nicht genügend dargetan ist. Voraussetzung der Einstellung einer
Strafuntersuchung ist somit, dass für das Vorliegen eines Straftatbestandes ein
rechtsgenüglicher Beweis fehlt, dem Verzeigten also kein Straftatbestand zur
Last gelegt werden kann. Mit dem Resultat der Untersuchung hat sich der Un-
tersuchungsrichter in zweifacher Hinsicht auseinanderzusetzen. Zum einen hat
er die erhobenen Beweise zu werten, d.h. ihr Aussagegehalt auf seine Glaub-
haftigkeit zu überprüfen. Nur wenn eine Gesamtwürdigung der Beweise zur
nachvollziehbaren Schlussfolgerung führt, dass eine Verurteilung unwahr-
scheinlich ist, somit ein Freispruch erwartet werden müsste, erscheint die Ein-
stellung gerechtfertigt. Als zweites kumulativ notwendiges Element setzt die
Einstellung voraus, dass die Verfügung überhaupt auf einem entscheidungsrei-
fen Beweisergebnis beruht, also keine konkret zu erhebenden Beweismittel



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mehr erkennbar sind, die das Resultat im gegenteiligen Sinn beeinflussen könn-
ten (Padrutt, Kommentar zur StPO, 2. Aufl., Chur 1996, Ziff. 3.3 zu Art. 82).
b)
In der angefochtenen Einstellungsverfügung hält der Jugendan-
walt fest, es sei nicht nachgewiesen, dass der Angeschuldigte dem Kontrahen-
ten völlig unvermittelt und grundlos zwei Faustschläge ins Gesicht versetzt ha-
be. Seine Aussagen, wonach er vom Widersacher zuerst geschubst und geohr-
feigt worden sei, liessen sich daher nicht rechtsgenüglich widerlegen. Zu seinen
Gunsten müsse deshalb davon ausgegangen werden, dass er sich lediglich
gegen den tätlichen Angriff des Gegners zur Wehr gesetzt habe. Er sei mit an-
deren Worten berechtigt gewesen, den Angriff in einer den Umständen ange-
messenen Weise abzuwehren. Seine Gegenwehr stelle somit eine Notwehr-
handlung im Sinne von Art. 33 Abs. 1 StGB dar und bleibe als solche straflos.
c)
In der polizeilichen und untersuchungsrichterlichen Einvernahme
des Angeschuldigten findet sich eine Unstimmigkeit zu seiner Aussage im Kon-
frontverhör: Hatte er vorher erklärt, von den Kontrahenten angepöbelt worden
zu sein, wobei der Verletzte ihm besonders nahe getreten sei, gab er später zu,
ihm „verpiss dich“ gesagt zu haben. In der Konfronteinvernahme gestand er
somit, dass Urheber der Pöbelei nicht ausschliesslich der Geschädigte war (act.
10, 12 und 24). Dies bestätigte D., indem er bezeugte, vor allem der Beschul-
digte und der Verletzte hätten sich gegenseitig angepöbelt und jeder habe das
letzte Wort haben und nicht einlenken wollen (act. 16). Sodann verstrickte sich
der Angeschuldigte mit seinen Aussagen in Widersprüche. Hatte er in den Ver-
nehmungen angegeben, dem Geschädigten zwei Faustschläge verpasst zu
haben, weil er durch den Schubs und die zwei leichten Ohrfeigen in Wut gera-
ten sei (1. Einvernahme) weil er sich von ihm habe wehren müssen (2.
Einvernahme), erklärte er im Konfrontverhör, er habe dies tun müssen aus
Furcht, er würde von den anderen zusammengeschlagen (act. 10, 12 und 24).
Ob der Verletzte der Beschuldigte mit der Pöbelei anfing ist neben-
sächlich. Wesentlich ist dagegen, dass sich beide gegenseitig anpöbelten. Al-
lerdings sagte der Geschädigte aus, anfänglich habe G. den Angeschuldigten
und seine zwei Kollegen weggedrängt, jedoch seien sie wieder zu ihm zurück-
gekehrt (act. 7). Wahrscheinlich eskalierte dann die Auseinandersetzung; der
Verletzte bestritt aber den Beschuldigten geschubst und geohrfeigt zu haben
(act. 24), was in Widerspruch zu den Aussagen der Zeugen D. und E. steht
(act. 16 und 18).



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d)
Aus den Aussagen des Angeschuldigten ergibt sich somit nicht mit
Klarheit, aus welchem Grund er dem Geschädigten die heftigen Faustschläge
versetzte. Ob eine Notwehrsituation überhaupt vorlag, ist zweifelhaft. Eine rela-
tiv harmlose Schlägerei in Anwesenheit neutraler Personen begründet keine
Notwehrlage, schon gar nicht blosses Stossen (Trechsel, Schweizerisches
Strafgesetzbuch, Kurzkommentar, 2. Aufl., Zürich 1997, Art. 33 N 6; PKG 1953
Nr. 20). Überdies wird das Notwehrrecht nur durch einen gegenwärtigen
unmittelbar drohenden und bevorstehenden Angriff ausgelöst. Gegenwärtig ist
der Angriff bis zu seiner Beendigung. Der begonnene, schon in Verletzung
übergegangene Angriff bleibt solange gegenwärtig, als die Zufügung einer neu-
en die Vergrösserung der bereits eingetretenen Verletzung durch das Ver-
halten des Angreifers unmittelbar bevorsteht. Nach Beendigung des Angriffs ist
Art. 33 Abs. 1 StGB nicht mehr anwendbar. Unmittelbar drohend und bevorste-
hend ist der Angriff, wenn Anzeichen einer Gefahr vorliegen, die eine Verteidi-
gung nahe legen, was etwa gegeben ist, wenn der Angreifer eine drohende Hal-
tung einnimmt, sich zum Kampf vorbereitet Bewegungen macht, die in die-
sem Sinn gedeutet werden können. Unzulässig sind Handlungen, die darauf
gerichtet sind, einem zwar möglichen aber noch unsicheren Angriff vorzubeu-
gen (Trechsel, a.a.O., Art. 33 StGB N 6 und 7; PKG 1969 Nr. 12). Mit den un-
terschiedlichen Aussagen des Beschuldigten setzte sich der Jugendanwalt nicht
genügend auseinander. Dabei erscheinen sie nach der jetzigen Aktenlage nicht
als plausibel. Denn abgesehen davon, dass eine relativ harmlose Schlägerei -
zwei leichte Ohrfeigen keine Notwehrsituation begründet, kann angenommen
werden, dass der tätliche Angriff des Geschädigten abgeschlossen war und
dass keine Anzeichen der Gefahr eines Angriffes seines Kollegen - Begleiter
des Verletzten war nur G. vorlagen, als der Angeschuldigte mit den Fäusten
heftig zuschlug. Jedenfalls ist nicht das Gegenteil nachgewiesen. Zweifel be-
stehen auch im Falle der Annahme einer Notwehrlage ob die Abwehr über-
haupt verhältnismässig war. Abwehr ist die Reaktion auf einen Angriff, in der
Regel ist sie eine Verteidigungshandlung und sie muss den Grundsatz der Ver-
hältnismässigkeit wahren. Sie muss dem Angriff angemessen sein und verhält-
nismässig ist, was es braucht, um den Angriff zurückzuschlagen (Trechsel,
a.a.O., Art. 33 StGB N 9 und 10). Im konkreten Falle fragt es sich, ob der Angriff
nicht mit anderen, weniger gefährlichen Mitteln als mit zwei heftigen Faust-
schlägen hätte abgewendet werden können. Überschreitet der Abwehrende die
Grenzen der Notwehr, liegt Notwehrexzess vor. Darüber kann aber nur der
Straf-, nicht der Untersuchungsrichter entscheiden (Art. 33 Abs. 2 StGB).



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e)
Wie bereits erwähnt, setzt die Einstellung einer Untersuchung zu-
sätzlich voraus, dass die Verfügung auf einem entscheidungsreifen Beweiser-
gebnis beruht. Dies ist dann der Fall, wenn keine konkret zu erhebenden Be-
weismittel mehr zu erkennen sind, die das Resultat beeinflussen könnten. Erst
die fehlende Möglichkeit einer Ergänzung der Untersuchung rechtfertigt die Ein-
stellung des Verfahrens. Solange aber noch konkret zu erhebende Beweismittel
erkennbar sind, liegt ein entscheidungsreifes Beweisergebnis nicht vor. Bei um-
strittener Sachlage, wie im konkreten Falle, ist vielmehr zu prüfen, ob die Ab-
nahme weiterer Beweismittel möglich wäre und ob diese zur Erhellung des
massgeblichen Sachverhaltes geeignet wären.
Sowohl in der polizeilichen Vernehmung als auch im Konfrontverhör er-
wähnte der Geschädigte, J. habe vermutlich die Schlägerei wahrgenommen. Er
sei mit seinem Personenwagen auf der A.-Strasse unterwegs gewesen, habe
ihm geholfen und ihn ins Kantonsspital gefahren (act. 7 und 24). Zwar bezeugte
E., dass dieser weitere Kollege des Verletzten den Hergang der tätlichen Aus-
einandersetzung nicht mitbekommen habe, aber es ist nicht nachvollziebar,
wieso er unmittelbar nach der Schlägerei auf den Angeschuldigten habe losge-
hen wollen, wenn er nicht Zeuge des Vorfalls gewesen ist (act. 18). J. wurde
weder von der Polizei noch vom Jugendanwalt als Zeuge befragt. Nachdem der
Sachverhalt nicht restlos abgeklärt werden konnte, fragt es sich, ob es nicht
zweckdienlich gewesen wäre, auch diesen Zeugen einzuvernehmen.
f)
Demnach ist festzuhalten, dass sich einerseits gestützt auf das
bereits vorliegende Beweisergebnis ein strafrechtlich relevantes Verhalten des
Beschwerdegegners keineswegs ausschliessen lässt und anderseits auch noch
ein weiteres Beweismittel vorhanden ist, welches das Beweisergebnis möglich-
erweise noch zu beeinflussen vermag. Der Jugendanwalt wird somit zu prüfen
haben, ob diese Zeugenbefragung zu tätigen ist. Sollte er davon absehen und
das vorliegende Beweisergebnis bestätigen, dürfte sich eine erneute Einstel-
lung des Verfahrens kaum rechtfertigen.
g)
Entgegen der Meinung des Beschwerdeführers, ist die Frage, ob
die ihm zugefügte Körperverletzung als einfach schwer zu qualifizieren ist,
nicht zu entscheiden, da in diesem Verfahren das Problem der vom Beschuldig-
ten geltend gemachten Notwehrlage in Vordergrund steht und die Schwere der
Körperverletzung es nicht zu beeinflussen vermag. Die Frage kann somit offen
bleiben.



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h)
Ebenso ist im Untersuchungsverfahren nicht von Bedeutung, ob
der Angeschuldigte vorbestraft ist nicht. Liegen direkte Beweise vor, sind
sie zu würdigen und es ist unstatthaft, diese mit Indizien, d.h. mit indirekten Be-
weisen zu ersetzen. Zum Indizienbeweis darf nur dann gegriffen werden, wenn
direkte Beweise fehlen.
i)
Die Beschwerde ist daher gutzuheissen, die angefochtene Einstel-
lungsverfügung aufzuheben und die Sache im Sinne der Erwägungen an die
Staatsanwaltschaft zurückzuweisen.
3.
Bei diesem Ausgang gehen die Kosten des Beschwerdeverfah-
rens zu Lasten des Kantons Graubünden, der dem durch einen Rechtsanwalt
vertretenen Beschwerdeführer eine angemessene aussergerichtliche Entschä-
digung auszurichten hat (Art. 160 Abs. 3 und 4 StPO).



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Demnach erkennt die Beschwerdekammer :
1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen, die angefochtene Einstellungsverfü-
gung aufgehoben und die Sache im Sinne der Erwägungen an die
Staatsanwaltschaft Graubünden zurückgewiesen.
2.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens gehen zu Lasten des Kantons
Graubünden, der zudem den Beschwerdeführer aussergerichtlich mit Fr.
1'200.-zu entschädigen hat.
3. Mitteilung
an:
__
Für die Beschwerdekammer des Kantonsgerichts von Graubünden
Der Präsident
Der Aktuar


Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

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