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Urteil Kantonsgericht Graubünden (GR)

Zusammenfassung des Urteils BK-06-38: Kantonsgericht Graubünden

Die Beschwerdeführerin hat eine strafrechtliche Beschwerde gegen die Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft Graubünden eingereicht. Es geht um einen Fall von Betrug, bei dem die Beschwerdeführerin durch falsche Rechnungsstellung geschädigt wurde. Der Tatbestand der Arglist wird diskutiert, wobei der Untersuchungsrichter feststellt, dass kein Vertrauensverhältnis bestand, das eine arglistige Täuschung rechtfertigen würde. Die Beschwerdeführerin argumentiert, dass die Ermittlungen sich nur auf die Schlussrechnung vom April 2005 konzentrierten, während die relevante Vermögensdisposition bereits im Dezember 2004 stattfand. Es wird angemerkt, dass die Ungereimtheiten in der Rechnung vom Dezember 2004 nicht ausreichend geprüft wurden. Die Beschwerdeführerin fordert eine detaillierte Untersuchung dieser Unregelmässigkeiten, um den Betrugsvorwurf zu stützen. Es wird auch auf die persönlichen Beziehungen der Beteiligten hingewiesen, um das Vertrauensverhältnis zu beleuchten. Letztendlich wird die Argumentation der Beschwerdeführerin hinsichtlich der Arglist im Fall des Betrugs diskutiert und die Relevanz der verschiedenen Rechnungspositionen bewertet. Es wird festgestellt, dass das Verhalten der Beschwerdeführerin nicht als arglistig angesehen werden kann, was die Grundlage für die Einstellungsverfügung bildet.

Urteilsdetails des Kantongerichts BK-06-38

Kanton:GR
Fallnummer:BK-06-38
Instanz:Kantonsgericht Graubünden
Abteilung:-
Kantonsgericht Graubünden Entscheid BK-06-38 vom 22.11.2006 (GR)
Datum:22.11.2006
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Betrug usw
Schlagwörter : Recht; Akten; Untersuchung; Rechnung; Schlussrechnung; Verfahren; Einstellung; Staat; Verfahren; Polizei; Staatsanwalt; Franken; Über; Untersuchungsrichter; Geschädigte; Million; Rechnungen; Angeschuldigte; Millionen; önnen
Rechtsnorm:Art. 146 StGB ;Art. 158 StGB ;Art. 20 StGB ;Art. 82 StPO ;Art. 98 StPO ;
Referenz BGE:122 IV 248; 98 IV 303;
Kommentar:
Franz Hasenböhler, Sutter, Leuenberger, Schweizer, Kommentar zur Schweizerischen Zi- vilprozessordnung [ZPO], Art. 154 ZPO, 2016

Entscheid des Kantongerichts BK-06-38

Kantonsgericht von Graubünden

Dretgira chantunala dal Grischun

Tribunale cantonale dei Grigioni
_____

Ref.:
Chur, 22. November 2006
Schriftlich mitgeteilt am:
BK 06 38

Entscheid
Beschwerdekammer
Vorsitz Vizepräsident
Bochsler
Richter
Kantonsrichter Rehli und Hubert
Aktuar ad hoc
Walder
——————
In der strafrechtlichen Beschwerde
der X., Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. iur. Thomas Mül-
ler und/oder Rechtsanwalt Dr. iur. Roger Zuber, Homburger Rechtsanwälte,
Weinbergstrasse 56/58, Zürich, sowie Rechtsanwalt Dr. iur. Gieri Caviezel,
Vincenz & Partner, Vazerolgasse 2, Chur,

gegen

die Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft Graubünden vom 15. August
2006, mitgeteilt am 16. August 2006, in Sachen gegen Z., Beschwerdegegner,
vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Dieter Jann, Baumgartner Mächler
Rechtsanwälte, Sihlporte 3 / Talstrasse, Zürich,
betreffend Betrug usw.,
hat sich ergeben:



2


A. 1. Im Jahre 1995 kaufte X. über die ihr gehörende A. Holdings Ltd.
die Liegenschaften B. und C. in D.. Sie liess in den dem Kauf folgenden Jahren
verschiedene Umbauarbeiten ausführen, die aber offenbar nicht zu ihrer Zufrie-
denheit ausfielen. Ihr Lebenspartner E. erzählte seinem Freund F. von den vor
allem mit Bezug auf die Sicherheit und die technischen Einrichtungen aufgetre-
tenen Schwierigkeiten, worauf F. vorschlug, sich mit seiner Firma G. Immobilien
AG (im folgenden G.) der Probleme anzunehmen. Im August 2002 besichtigte
Z., der Geschäftsführer dieser Unternehmung, die Liegenschaften in D.. In sei-
nem Rapport vom 6. September 2002 über eine Besprechung vom 29. August
2002 in Wien zwischen ihm und F. einerseits und dem Sekretariat X. anderer-
seits, in welchem es um die Liegenschaften X.s in Wien und D. ging, hielt Z.
zusammenfassend fest, man erachte es als sehr wichtig, von den Architekten
nochmals eine Analyse der Aufgaben und der Auftragssituation zu verlangen,
da diesbezüglich die kapitalen Fehlentscheide getroffen worden seien. Mit Be-
zug auf die zur Diskussion stehenden Objekte sei eine optimale Bauherrenbera-
tung (eine der Hauptaufgaben der G. Immobilien AG), welche mit fachlichen
Grundkenntnissen der Baukunst vertraut sei, von grösster Bedeutung; eine sol-
che sei zur Zeit nur teilweise vorhanden. Offenbar wurde die G. AG im An-
schluss an diese Besprechung mündlich mit der technischen und baulichen Be-
treuung der Liegenschaften X.s beauftragt. Nach der allerdings erst am 4. März
2004 abgeschlossenen schriftlichen Vereinbarung umfasste der Auftrag sämtli-
chen Grundbesitz der Auftraggeberin in H., Wien, Bahamas, D. (nach Ab-
schluss der Bauarbeiten), Antibes, New York und St. Moritz.
2.
Am 3. Januar 2003 unterzeichneten X. und Z. einen Totalunter-
nehmervertrag, in welchem die G. mit der Komplettsanierung der zwei Liegen-
schaften in D. beauftragt wurde. Bestandteile des Vertrages bildeten der Leis-
tungsbeschrieb mit Kostenangabe, das Bauprogramm und der Kostenplan des
Totalunternehmers, die Zustandsanalyse „Quo Vadis“, die Vertragspläne und
der Kostenvoranschlag, wobei die beiden letztgenannten Dokumente bei Ver-
tragsabschluss noch nicht vorlagen. Es wurden die SIA-Norm 118 sowie die
Bestimmungen des schweizerischen Obligationenrechts für anwendbar erklärt.
Der Werkpreis nach der Zustandsanalyse „Quo Vadis“ wurde ohne VAT und
MWSt auf 10 bis 14 Millionen Franken geschätzt. Nach Vorliegen des Baupro-
jekts mit Kostenvoranschlag sollte zwischen den Parteien auf dieser Basis ein
Globalpreis festgelegt werden. Ein Kostenvoranschlag wurde von der G. am 20.
Juni 2003 erstellt; er sah gesamte Baukosten von rund 24,5 Millionen Franken
vor. Dieser der Beschwerdeführerin nach ihrer Darstellung nur mündlich vorge-



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legte Kostenvoranschlag wurde offenbar als zu hoch abgelehnt und schliesslich
auf 19 Millionen Franken gekürzt.
3.
Gestützt auf den Totalunternehmervertrag nahm die G. die Um-
bauarbeiten an die Hand. Der für die Totalsanierung der beiden Liegenschaften
vorgesehene Termin von Ende August 2004 konnte offenbar nicht eingehalten
werden, und im Herbst 2004 sollen Mitarbeiter des Sekretariats X. festgestellt
haben, dass nicht alles wunschgemäss ablief. So wollen sie insbesondere er-
fahren haben, dass die G. die Rechnungen von Subunternehmern mit der Aus-
rede nicht bezahlt hätten, X. habe keine Zahlungen mehr geleistet; es waren
sodann offenbar auch Baumängel aufgetreten. Anlässlich einer Besprechung
vom 25. November 2004 in Zürich, an welcher für die Bauherrin die Sekretärin I.
und Rechtsanwalt J. und seitens der Totalunternehmerin Z. und der örtliche
Bauleiter K. teilnahmen, wurde über die Behebung der Baumängel diskutiert.
Dabei soll Z. angedeutet haben, dass die tatsächlichen Kosten weit über dem
Kostenvoranschlag liegen würden. Über deren tatsächliche Höhe konnte
wollte er sich aber offenbar nicht äussern, hingegen soll er versucht haben, die
möglichst rasche Überweisung zusätzlicher Mittel zu erreichen. J. will jedoch
darauf hingewiesen haben, dass dies ohne Rechnungen und Kostennachweis
nicht möglich sei und weitere a-conto-Leistungen nur unter dem Vorbehalt der
Prüfung und Feststellung der Richtigkeit geleistet werden könnten. - Eine wei-
tere Besprechung fand am 13. Dezember 2004 in St. Moritz statt; es nahmen
daran neben den schon genannten Personen auch E. und F. teil. Z. soll anläss-
lich dieser Begegnung von Gesamtkosten in der Höhe von 30 bis 32 Millionen
Franken gesprochen haben. Tags darauf übermittelte Z. Schlussrechnungen
über insgesamt 35 Millionen Franken, die auf Intervention von J. am 20. De-
zember 2004 leicht modifiziert wurden. Nach der Darstellung des Rechtsvertre-
ters von X. verlangte die G. mit Nachdruck die sofortige Begleichung dieser
Rechnungen unter der Androhung, dass anderenfalls die Arbeiten nicht fertig
gestellt und die Mängel nicht behoben würden. Unter diesem Druck sei wider-
willig und vor Überprüfung der Rechnungen eine weitere Akontozahlung von
neun Millionen Franken unter dem ausdrücklichen Vorbehalt der Detailprüfung
geleistet worden. - Am 26. April 2005 präsentierte die G. nochmals eine
Schlussabrechnung, welche sich nun sogar auf über 39 Millionen Franken be-
lief.
B.
Am 18. April 2005 liess X. bei der Staatsanwaltschaft Graubünden
eine Strafanzeige gegen Z. und Unbekannt einreichen. Sie beantragte, es sei
eine Strafuntersuchung wegen Betrugs zu eröffnen und es seien die erforderli-



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chen Zwangsmassnahmen durchzuführen. So seien insbesondere Hausdurch-
suchungen an den Wohnsitzen der Angeschuldigten und in den Geschäfts-
räumlichkeiten der G. Immobilien AG durchzuführen, Buchhaltungssowie Pro-
jektund Planungsunterlagen zu beschlagnahmen und Massnahmen zur Ver-
meidung von Absprachen zwischen den Angeschuldigten zu treffen. Es wurde
ausgeführt, da die Rechnungen vom 13. Dezember 2004 für das Sekretariat X.
nicht nachvollziehbar gewesen seien, sei bei der G. am 7. und 8. Februar 2005
durch den Buchhalter des Sekretariats, L., eine Buchprüfung durchgeführt wor-
den. Schon am ersten Tag, als der Buchprüfer von der G. im Gegensatz zum
Folgetag noch Informationen erhalten habe, seien zahlreiche Unregelmässig-
keiten zum Nachteil von Frau X. festgestellt worden. Viele der Rechnungen vom
13. Dezember 2004 hätten sich nicht mit den Belegen gedeckt. Dies scheine
auch Z. anerkannt zu haben, wenn er sich gegenüber L. plötzlich dahin geäus-
sert habe, es handle sich bei den vorgelegten Rechnungen bloss um Pauschal-
annahmen über voraussichtliche Kosten. Von J. anlässlich einer Besprechung
vom 11. Februar 2005 auf diese Unregelmässigkeiten angesprochen, habe F.
lediglich angemerkt, diese würden überprüft; das Ergebnis dieser Prüfung sei
Frau X. aber nie mitgeteilt worden. Nebst den Vorwürfen bezüglich der Rech-
nung vom 13. Dezember 2004 wurden in der Strafanzeige verschiedene weitere
Unregelmässigkeiten gerügt. So seien unberechtigte und überhöhte Mietkosten
für ein Aussenlager und überhöhte Rechnungen für S. verrechnet und unbe-
rechtigte private Kosten von M. in Rechnung gestellt und ein Range Rover für £
45'000 angeschafft und Frau X. belastet worden. Ferner habe man Privatflüge
mit der N. AG, welcher F. als Präsident und Z. als Geschäftsführer vorstehe,
und anderen Fluggesellschaften durchgeführt und dafür Frau X. Flugkosten von
Fr. 690'910.-belastet. Schliesslich seien die gesamten Kosten der G. AG UK
Limited von der G. bezahlt und vollständig dem Konto von Frau X. belastet und
Nebenkosten bei Zusatzaufträgen mit einer Pauschale von 15 % der Baukosten
X. in Rechnung gestellt worden. Indem die G. im Bewusstsein des bestehenden
Vertrauensverhältnisses und des Umstandes, dass Frau X. angesichts der zeit-
lichen Dringlichkeit eine Vermögensdisposition vornehmen würde, ohne die
Schlussrechnungen vorgängig zu überprüfen, falsche Rechnungen ausgestellt
habe, hätten die Beschuldigten X. arglistig getäuscht und offensichtlich ver-
sucht, sich auf deren Kosten zu bereichern. Im Irrtum über den Umfang ihrer
Zahlungspflicht habe Frau X. der G. Ende Dezember 2004 neun Millionen Fran-
ken überwiesen und sich damit an ihrem Vermögen geschädigt. Damit sei der
Tatbestand des Betruges gemäss Art. 146 StGB erfüllt, woran die Tatsache,



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dass die Zahlung unter dem Vorbehalt der Prüfung und der Genehmigung der
Rechnungen erfolgt sei, nichts ändere.
C. 1. Am 25. Mai 2005 eröffnete die Staatsanwaltschaft Graubünden
gegen Z. eine Strafuntersuchung wegen Betrugs usw. Die Kantonspolizei
Graubünden führte darauf am 2. Juni 2005 am Geschäftssitz der G. in St. Mo-
ritz eine Hausdurchsuchung durch und stellte zahlreiche Buchhaltungs-, Pro-
jektund Planungsunterlagen des Projekts „Komplettsanierung B. und C., D.
GB“ sowie den auf dem Laptop des Angeschuldigten enthaltenen E-Mail-
Verkehr sicher. Der Angeschuldigte sowie der von der G. eingesetzte Bauleiter
K. wurden polizeilich und Z. zusätzlich untersuchungsrichterlich befragt. Die
Kantonspolizei liess sodann im Rahmen einer Analyse überprüfen, ob die
Schlusskosten ausgewiesen und die erfolgten Überweisungen zweckgebunden
verwendet wurden und die noch offene Forderung der G. ausschliesslich im
Zusammenhang mit dem Sanierungsprojekt B. steht.
2. Mit Klage vom 11. Juli 2005 machte die Anzeigeerstatterin beim Be-
zirksgericht Maloja eine Forderung über neun Millionen Franken nebst 5 % Zins
geltend. Die G. ihrerseits antwortete mit einer Widerklage, welche unter Be-
rücksichtigung der bereits geleisteten Zahlungen von über 28 Millionen Franken
auf eine Restforderung von rund elf Millionen Franken lautete.
D. 1. In einer Eingabe an die Staatsanwaltschaft Graubünden vom 15.
September 2005 ergänzte X. ihre Strafanzeige. Darin wurde darauf hingewie-
sen, dass die G. am 25. April 2005 eine weitere Schlussabrechung gestellt ha-
be, welche auf unglaubliche Fr. 39'545'466.55 gelautet habe, was angesichts
des vereinbarten Globalpreises von 19 Millionen Franken völlig unverständlich
und zudem unberechtigt sei. Angesichts der stetig wachsenden Mängelliste sei
ein unabhängiger Experte mit einer Begutachtung der Liegenschaften am B.
beauftragt worden. Dessen Befund sei erschütternd gewesen, habe sich doch
herausgestellt, dass die verlangten hohen Anforderungen trotz des Einsatzes
reichlicher Geldmittel nicht erfüllt worden seien. Die Liegenschaft biete weder
im baulichen noch im sicherheitstechnischen Bereich die notwendige Sicherheit
für die Bewohner und die Wertgegenstände. Ein anderer Gutachter habe fest-
gestellt, die Überwachung und mechanische Sicherung entspreche nicht an-
satzweise der zugesagten Ausführung. Die Voraussetzungen zur Sicherung
und Versicherung der grossen Anzahl zum Teil unwiederbringlichen Werte und
Kulturgüter seien nicht gegeben. Angesichts dieser Sicherheitsmängel seien die
Voraussetzungen für die Gewährleistung von Versicherungsschutz nicht erfüllt



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gewesen und Frau X. habe auf Empfehlung der Versicherung das Haus räumen
und die Kunstwerke in ein Hochsicherungslager bringen müssen.
2.
Am 14. März 2006 reichte X. eine weitere Ergänzung zur Strafan-
zeige ein. Darin wurde festgehalten, der Zweck der Eingabe sei es, gewisse
Behauptungen zu widerlegen, welche Z. und K. in den Untersuchungen ge-
macht hätten. Der Polizeirapport vom 28. September 2005 enthalte sodann
Feststellungen, welche nicht der Realität entsprächen. Zudem habe die G. im
Zivilverfahren der Geschädigten eine grosse Anzahl neuer Akten zugänglich
gemacht, welche vorher zurückbehalten worden seien. Diese für die Klägerin
neuen Dokumente enthielten weitere Hinweise auf Unregelmässigkeiten, auf
welche man die Strafverfolgungsbehörde aufmerksam machen wolle. Wenn die
G. in der Prozessantwort und Widerklage geltend mache, es sei im Gegensatz
zum ursprünglichen Totalunternehmervertrag am 13. Dezember 2004 eine offe-
ne Abrechnung vereinbart worden, so stelle sie diese Behauptung wohl deshalb
auf, weil sie nicht in der Lage sei, Zusatzaufträge von 20 Millionen Franken
nachzuweisen. Aus den neu eingereichten Unterlagen ergebe sich sodann,
dass die G. trotz der von ihr behaupteten offenen Abrechnung die von den Un-
ternehmern gewährten Rabatte und Skonti nicht der Geschädigten weitergege-
ben habe. Die Anzeigeerstatterin wies sodann in ihrer Eingabe auf eine grösse-
re Anzahl von Ungereimtheiten in der Schlussrechnung der G. hin, welche nach
ihrer Auffassung von strafrechtlicher Relevanz sind.
Am 16. März 2006 stellte Rechtsanwalt Dr. Thomas Müller namens der
Anzeigeerstatterin beim Untersuchungsrichteramt Chur den Antrag, es seien
der Buchhalter des Sekretariats X., Magister L., sowie der Rechtsberater,
Rechtsanwalt J., als Zeugen zu befragen.
E.
Mit Verfügung vom 15. August 2006 stellte der Untersuchungsrich-
ter das Strafverfahren wieder ein. Er führte aus, in strafrechtlicher Hinsicht sei
von Bedeutung, dass zahlreiche Projektpräsentationen stattgefunden hätten, an
denen die Anzeigeerstatterin teilgenommen habe und von Z. anderen Ver-
tretern der G. über den Verlauf der Sanierungsarbeiten orientiert worden sei.
Sie habe also während der ganzen Sanierungsdauer gewusst, wie die G. ihren
Verpflichtungen aus dem Totalunternehmervertrag nachgekommen sei, wes-
halb im Verhalten des Angeschuldigten keine Täuschung gesehen werden kön-
ne. Es könne diesem auch nicht nachgewiesen werden, im Voraus einen be-
stimmten Preis für die Sanierungsarbeiten angegeben zu haben, welcher sich in
der Folge als unzutreffend erwiesen hätte; Z. habe folglich die Anzeigeerstatte-



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rin nicht über den Wert der erbrachten Leistungen getäuscht. Die Überprüfung
der Schlussabrechnung vom 26. April 2005 durch die Kantonspolizei Graubün-
den habe ergeben, dass einzig die in Rechnung gestellten Kosten der O. AG,
der Einzelfirma P. sowie der Einzelfirma Q. nicht mit den Rechnungen der Sub-
unternehmer übereinstimmten. Die Anzeigeerstatterin habe zwar in ihrer Einga-
be vom 14. März 2006 mehr als 20 weitere Unregelmässigkeiten erwähnt, doch
habe im Rahmen der polizeilichen Ermittlungen der Nachweis nicht erbracht
werden können, dass die Gesamtkosten von rund 39,5 Millionen Franken nicht
zweckgebunden verwendet worden wären. Mit Bezug auf die Forderungen der
Firmen Q. und P. sei zwar eine Täuschung zu bejahen, doch liege keine Arglist
vor, so dass der objektive Tatbestand des Betruges nicht erfüllt sei. Auch der
Tatbestand der ungetreuen Geschäftsbesorgung gemäss Art. 158 StGB sei
nicht gegeben. Abs. 1 dieser Norm komme nicht zur Anwendung, weil eine
Vermögensverwaltung weder Hauptnoch Nebeninhalt des Vertrages gewesen
sei und der Angeschuldigte nicht eigenständig über wesentliche Vermögensbe-
standteile der Bauherrin habe verfügen können. Der Missbrauchstatbestand
von Abs. 2 entfalle, weil nicht nachgewiesen werden könne, dass die G.
eine der für sie handelnden natürlichen Personen gegen Verpflichtungen des
Totalunternehmervertrages verstossen hätten. Mit Bezug auf den Vorwurf, Ra-
batte und Skonti nicht weitergegeben zu haben, sei festzustellen, dass sich so-
wohl Z. wie auch K. nicht im Klaren darüber gewesen seien, ob sie die Rabatte
und Skonti hätten weiterleiten müssen, weshalb sie sich an zwei Rechtsanwälte
gewandt hätten. Wenn sie sich auf deren Auskünfte verlassen hätten, so hätten
sie die pflichtgemässe Vorsicht walten lassen; sie könnten sich daher auf
Rechtsirrtum berufen und müssten folglich straffrei blieben. Zusammenfassend
ergebe sich damit, dass weder dem Angeschuldigten noch einer anderen Per-
son ein strafbares Verhalten vorgeworfen werden könne, weshalb das Verfah-
ren einzustellen sei und die Kosten auf die Staatskasse zu nehmen seien.
F.
Gegen diese Einstellungsverfügung beschwerte sich X. am 6.
September 2006 bei der Beschwerdekammer des Kantonsgerichts von Grau-
bünden mit dem Antrag, die angefochtene Einstellungsverfügung vom 15. Au-
gust 2006 sei aufzuheben und der Untersuchungsrichter anzuweisen, der Be-
schwerdeführerin Einsicht in sämtliche Akten, insbesondere auch in die Polizei-
akten, zu gewähren; zur Klärung des Sachverhaltes seien zudem zusätzliche
Untersuchungshandlungen durchzuführen. Vorsorglicherweise werde zudem
der Verfahrensantrag gestellt, es sei nach Zustellung der gesamten Verfahren-
sakten, insbesondere auch der Polizeiakten, eine Frist von mindestens 20 Ta-



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gen zur allfälligen Ergänzung der Beschwerde anzusetzen. Der Erste Staats-
anwalt lic.iur. Renato Fontana beantragte in seiner Stellungnahme vom 25.
September 2006, die Beschwerde sei, soweit darauf einzutreten sei, kostenfäl-
lig abzuweisen. Der Rechtsvertreter von Z. beantragte in seiner Vernehmlas-
sungen vom 2. Oktober 2006 ebenfalls die Abweisung der Beschwerde. - Auf
die Ausführungen in den Rechtsschriften zur Begründung der gestellten Anträ-
ge wird, soweit erforderlich, in den Erwägungen eingegangen.
Die Beschwerdekammer zieht in Erwägung:
I. 1. Die Beschwerdeführerin rügt vorerst, es sei ihr das rechtliche Ge-
hör verweigert worden, indem die Untersuchung eingestellt worden sei, bevor
über die von ihr am 16. März 2006 beim Untersuchungsrichter beantragte Be-
fragung von J. und Magister L. entschieden worden sei. Nur wenn Beweisan-
träge aber in einer beschwerdefähigen Verfügung abgewiesen würden, könnten
die Parteien diesen Entscheid durch zwei Instanzen, nämlich den Staatsanwalt
und die Beschwerdekammer, prüfen lassen. Die angefochtene Verfügung sei
daher schon aus diesem Grunde aufzuheben und der Untersuchungsrichter
anzuweisen, eine beschwerdefähige Verfügung zu erlassen.
Der Staatsanwalt widersetzt sich diesem Ansinnen zu Recht. In der Tat
geht die von der Beschwerdeführerin vertretene Auffassung von einem falschen
Verständnis der Bündner Strafprozessordnung aus. Wenn in der Beschwerde
davon die Rede ist, nur wenn eine beschwerdefähige Verfügung erlassen wer-
de, könnten die Parteien einen Entscheid des Untersuchungsrichters durch
zwei Instanzen überprüfen lassen, wird vorausgesetzt, dass X. als Anzeigeer-
statterin und Geschädigte bereits im Untersuchungsverfahren als Partei auftre-
ten konnte. Dies ist nach den zutreffenden Ausführungen in der Vernehmlas-
sung der Staatsanwaltschaft nicht der Fall. Eine Schlussverfügung gemäss Art.
97 StPO ergeht nur dann, wenn die Untersuchungsbehörde auf Grund ihrer Er-
hebungen nicht schon zu einem früheren Zeitpunkt zum Schluss gelangt ist,
dass das Vorliegen eines Straftatbestandes nicht genügend dargetan, die Ver-
folgungsverjährung eingetreten der Angeschuldigte gestorben ist (Art. 82
StPO), also nur dann, wenn nach erfolgter Untersuchung im ordentlichen Ver-
fahren die Staatsanwaltschaft über die Anklageerhebung Einstellung ent-
scheidet (Art. 98 StPO). Die Schlussverfügung wird in diesem Fall dem Ange-
schuldigten, dem Verteidiger und dem Geschädigten zugestellt und es wird
ihnen eine Frist von zehn Tagen angesetzt, innert der sie Anträge auf Ergän-
zung der Untersuchung stellen können. Wird die Untersuchung hingegen be-



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reits vom Untersuchungsrichter mit Genehmigung des Staatsanwaltes gestützt
auf Art. 82 StPO eingestellt, so können Geschädigte ihre Rechte allein im Rah-
men der Beschwerde gemäss Art. 138 f. StPO wahren. Diese sich aus der Sys-
tematik der Strafprozessordnung eindeutig ergebende Regelung stellt gefestigte
Rechtsprechung der Beschwerdekammer des Kantonsgerichts dar (vgl. PKG
2001 Nr. 27, 1997 Nr. 36, 1994 Nr. 43; Padrutt, Kommentar zur Strafprozess-
ordnung des Kantons Graubünden, 2. Auflage, Chur 1996, S. 163). Sie stellt
klar, dass dem Geschädigten im Untersuchungsverfahren keine Parteistellung
zukommt und er sich folglich auch nicht auf eine Verletzung des rechtlichen
Gehörs berufen kann, wenn über einen von ihm eingebrachten Beweisantrag
nicht entschieden wird. Diese Praxis steht im Einklang mit der Rechtsprechung
des Bundesgerichtes. Dieses hat klar festgehalten, dass der Strafanspruch, um
den es in einem Strafverfahren gehe, ausschliesslich dem Staat zustehe, und
zwar unabhängig davon, ob der Geschädigte als Privatstrafkläger auftrete
die eingeklagte Handlung auf seinen Antrag hin verfolgt werde. Dessen unge-
achtet sei der Geschädigte aber befugt, mit staatsrechtlicher Beschwerde die
Verletzung von Verfahrensrechten geltend zu machen, deren Missachtung eine
formelle Rechtsverweigerung darstelle. Das erforderliche rechtlich geschützte
Interesse ergebe sich dabei aus der Berechtigung, am Verfahren teilzunehmen.
Sei der Geschädigte in diesem Sinne nach kantonalem Recht Partei, könne er
die Verletzung jener Parteirechte rügen, die ihm nach dem kantonalen Verfah-
rensrecht unmittelbar aufgrund der Bundesverfassung zustünden (BGE
128 I 220). Dass sich die Rechtsstellung von Geschädigten, die nicht als Opfer
im Sinne des Opferhilfegesetzes zu betrachten sind, allein nach kantonalem
Recht beurteilt, entspricht auch der Lehrmeinung (Bommer, Offensive Verletz-
tenrechte im Strafprozess, Bern 2006, S. 14). - Steht nach dem oben Gesagten
fest, dass der Geschädigte nach der bündnerischen Strafprozessordnung im
Untersuchungsverfahren nicht Partei ist, sofern ihm nicht als Opfer im Sinne
des Opferhilfegesetzes Parteistellung zukommt (was hier nicht der Fall ist),
sondern dass er erst im Beschwerdeverfahren Parteirechte wahrnehmen kann,
so erweist sich die Rüge der Beschwerdeführerin bezüglich der Nichtbehand-
lung ihrer Beweisanträge durch den Untersuchungsrichter als unbegründet. Da-
bei kann man sich durchaus fragen, ob die von der Strafprozessordnung vorge-
gebene Regelung die zweckmässigste Lösung darstellt, ob es in prozess-
ökonomischer Hinsicht nicht vernünftiger wäre, dem Geschädigten schon im
Untersuchungsverfahren Parteistellung zuzugestehen, anstatt erst im Be-
schwerdeverfahren über die Berechtigung von Beweisanträgen zu entscheiden
und damit das Verfahren praktisch wieder ins Anfangsstadium zurücksetzen zu



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müssen, wenn sich ein Beweisergänzungsbegehren als berechtigt erweisen
sollte. Das sind allerdings Überlegungen, die man de lege ferenda anstellen
mag, die jedoch im vorliegenden Verfahren angesichts der klaren Rechtslage
nicht berücksichtigt werden können.
2.
Obwohl im Rechtsbegehren der Beschwerde nicht ausdrücklich
die Befragung der im Untersuchungsverfahren aufgerufenen Zeugen J. und L.
beantragt wird, lässt sich der Begründung der Beschwerde doch sinngemäss
entnehmen, dass die Anzeigeerstatterin nach wie vor an der Einvernahme die-
ser beiden Personen festhält. Die Beschwerdekammer teilt indessen die in der
Einstellungsverfügung zum Ausdruck gebrachte Auffassung, wonach ange-
sichts des umfangreichen Aktenmaterials auf die Befragung dieser Zeugen ver-
zichtet werden kann. Nach den Ausführungen in der Beschwerde sollte insbe-
sondere J. vor allem zur Frage sachdienliche Aussagen machen können, ob auf
Grund der gesamten Umstände vor der Vermögensdisposition vom 28. Dezem-
ber 2004 eine Prüfung der Schlussrechnung möglich beziehungsweise zu er-
warten war. Gerade zu den Ereignissen im Vorfeld der Rechnungsstellung vom
Dezember 2004 hat sich die Beschwerdeführerin in ihrer Strafanzeige und der
Ergänzung zu dieser ausgiebig geäussert und J. als Zeugen zur Bestätigung
ihrer Ausführungen genannt. Die zum Zeugnis aufgerufene Person hat in einem
Aktenvermerk zu einer Besprechung vom 25. November 2004 ihre Sicht der
Dinge ausführlich dargelegt, dabei aber auch erwähnt, dass er sich erst seit
Oktober 2004 mit dem Projekt befasst habe und sich bezüglich dessen Entwick-
lung auf die Darstellung von Z. und K. stützen müsse. Damit konnte der bean-
tragte Zeuge also über das bis zu diesem Zeitpunkt Geschehene keine eigenen
Wahrnehmungen wiedergeben und er wäre dazu auch in einer Zeugenbefra-
gung nicht in der Lage. Über seine Feststellungen seit Oktober 2004 hat J. den
oben erwähnten sowie einen Aktenvermerk vom 15. Dezember 2004 verfasst,
und nach der Buchprüfung durch L. erstellte er eine weitere Aktennotiz. In den
verschiedenen Eingaben des Rechtsvertreters der Anzeigeerstatterin finden
sich zahlreiche Verweise auf diese Aktenvermerke und es werden viele Fest-
stellungen gemacht, welche durch J. bestätigt werden sollten. Es ist daher un-
schwer vorstellbar, welche Aussagen dieser im Falle einer Zeugenbefragung
machen würde, so dass mit Fug darauf verzichtet werden kann, eine förmliche
Einvernahme durchzuführen. Gleich verhält es sich auch mit Bezug auf den
zum Zeugnis aufgerufenen Magister L.. Dieser hat das Ergebnis seiner Buch-
einschau in seinem schriftlichen Bericht vom 10. Februar 2005 festgehalten, so
dass nicht ersichtlich ist, welche zusätzlichen Erkenntnisse von einer Befragung



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zu erwarten wären. Der Entscheid der Staatsanwaltschaft, auf die Einvernahme
der beiden Zeugen zu verzichten, ist daher nicht zu beanstanden.
3.
Die Beschwerdeführerin rügt, es sei ihr zwar auf schriftliches und
mündliches Ersuchen hin vollständige Einsicht in die Untersuchungsakten ge-
währt worden, hingegen habe sie selbst nach Eröffnung der Einstellungsverfü-
gung die Polizeiakten nicht erhalten. Es wird ausgeführt, es sei zwar richtig,
dass sich die angefochtene Verfügung ausschliesslich auf die untersuchungs-
richterlichen Akten und insbesondere auf den Polizeirapport stütze. Grundlage
dieses Rapportes bildeten jedoch die Polizeiakten, weshalb man zur Bestrei-
tung der Schlussfolgerung des Polizeiberichts, es lägen lediglich vier Unge-
reimtheiten vor, auf die Einsicht in die Polizeiakten angewiesen sei. Der verfas-
sungsrechtliche Anspruch auf rechtliches Gehör hätte es geboten, die Akten
bereits vor Erlass der Einstellungsverfügung vollumfänglich für alle Parteien zu
öffnen. Der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin übersieht zwar nicht, dass
der Geschädigte nach der Praxis der Beschwerdekammer vor dem Erlass der
Einstellungsverfügung keinen Anspruch auf rechtliches Gehör hatte, hält diese
Rechtsprechung allerdings als fragwürdig. Zu dieser Problematik kann auf das
bereits oben über die Parteistellung des Geschädigten Gesagte verwiesen wer-
den. Im vorliegenden Beschwerdeverfahren stehen der Anzeigeerstatterin nun
allerdings Parteirechte zu, so dass auf die Rüge einzugehen ist.
Der Staatsanwalt führt in seiner Vernehmlassung aus, der Beschwerde-
führerin sei im Untersuchungsverfahren umfassend Einsicht in die Untersu-
chungsakten gewährt worden. Neben diesen gebe es keine weiteren Akten,
welche Grundlage des Polizeirapportes bildeten, was der damalige polizeiliche
Sachbearbeiter R. telefonisch bestätigt habe. Dass die Beschwerdeführerin kei-
ne Einsicht in die vollständigen Akten erhalten habe, sei daher eine Unterstel-
lung. Diese Feststellung ist in dieser absoluten Form nicht richtig. Nach der vom
Untersuchungsrichter über das mit R. geführte Telefonat angefertigten Aktenno-
tiz wurden zwar sämtliche Akten, die bei der Erstellung des Polizeirapportes
Verwendung fanden, an den Untersuchungsrichter weitergegeben. Der Unter-
suchungsrichter zitierte jedoch weiter, die übrigen, sich noch bei der Polizei be-
findlichen Akten, welche bei der G. AG sichergestellt worden seien, seien für
die Erstellung des Polizeirapportes nicht relevant gewesen. Nach dieser Tele-
fonnotiz trifft es also nicht zu, dass die Beschwerdeführerin in die vollständigen
Akten Einsicht erhalten hat, es liegen bei der Polizei vielmehr noch Akten vor,
welche nicht an den Untersuchungsrichter weitergeleitet wurden und in die folg-
lich auch nicht Einsicht genommen werden konnte. Es ist allerdings verfehlt,



12


diese Akten als Polizeiakten zu bezeichnen und sie als solche den Untersu-
chungsakten gegenüberzustellen. Die Polizei ist ein Hilfsorgan der Untersu-
chungsbehörden, sie hat keinen selbständigen, von der übrigen Strafverfolgung
unabhängigen Wirkungskreis. Die Ermittlungstätigkeit der Polizei stellt kein be-
sonderes Prozessstadium dar, sie ist vielmehr in die eingliederige Untersu-
chungsphase integriert (Padrutt, a.a.O., S. 91). Daraus folgt, dass es keine
Zweiteilung in untersuchungsrichterliche Akten einerseits und polizeiliche Akten
andererseits gibt; die letzteren sind vielmehr Bestandteil der untersuchungsrich-
terlichen Akten, und was letztlich Eingang in die offiziellen Verfahrensakten fin-
det gilt als durch Entscheid des Untersuchungsrichters zur Prozedur genomme-
nes Aktenmaterial. Dabei liegt es in der Kompetenz des Untersuchungsrichters
und es ist auch dessen Pflicht, gerade in sehr umfangreichen Verfahren eine
Auswahl zu treffen und von vornherein als unwesentlich erkennbare Akten aus-
zuscheiden. Im vorliegenden Fall hat der Untersuchungsrichter einen entspre-
chenden Entscheid gefällt und jene Akten als sogenannte offizielle Verfahrens-
akten aufgenommen, welche im Erhebungsbericht verarbeitet wurden und auch
Grundlage der angefochtenen Verfügung bildeten. Entgegen der in der Be-
schwerde der Geschädigten zum Ausdruck kommenden Auffassung besteht
nun kein generelles, sich auf sämtliche Akten beziehendes Einsichtsrecht. Dies
gilt für Angeschuldigte und muss umso mehr auch für Geschädigte Geltung ha-
ben. Wie Padrutt festhält (a.a.O. S. 134), stehen der Einsicht nur die zur Proze-
dur gehörenden, als Urteilsgrundlage in Betracht fallenden offiziellen Verfah-
rensakten offen. Entsprechendes hat auch das Bundesgericht im Urteil 103 Ia
492 entschieden und dabei auf einen Entscheid des Regierungsrates des Kan-
tons Zürich vom 21. April 1955 verwiesen (ZBl 1956 S. 23 ff.), wo allerdings in
einem zweistufigen (Verwaltungsund Gerichtsverfahren) Übertretungsstrafver-
fahren ebenfalls das Akteneinsichtsrecht streitig war und von einem Rekur-
renten verlangt wurde, dass nicht bloss eine Auswahl, sondern sämtliche erho-
benen Akten zu überweisen und dementsprechend zur Einsicht zu öffnen seien.
Der Regierungsrat stellte dazu fest, das Prozessthema verschiebe sich damit
letztlich dahin, ob die Verwaltungsbehörde die Aktenstücke, welche sie dem
Gericht zur Beurteilung überweise, frei auswählen könne ob sie verpflichtet
sei, alle in der Angelegenheit ergangenen Akten zu überweisen und führte so-
dann aus, der Gebüsste, der die gerichtliche Beurteilung eines in einem Verwal-
tungsverfahren getroffenen Entscheides verlange, habe die Gewähr, dass der
Richter über die ihm vorgeworfene Übertretung in voller Unabhängigkeit aus-
schliesslich gestützt auf das von der Verwaltungsbehörde unterbreitete, dem
Gebüssten bekannte Belastungsmaterial und in Wahrung aller Parteirechte ur-



13


teile. Bei dieser Sachlage müsse es aber der Verwaltungsbehörde grundsätz-
lich freistehen, von welchen Akten sie in ihrer Rolle als Anklägerin Gebrauch
machen und auf welche Unterlagen sie dabei aus irgendwelchen Gründen ver-
zichten wolle. Dem Gebüssten erwüchsen aus einem solchen Verzicht keine
Nachteile, bürge das Gericht doch dafür, dass ihn in diesem Falle die zurück-
behaltenen Akten nicht belasteten, sondern dass er nur aufgrund der überwie-
senen Akten beurteilt würde. Darüber hinaus stehe es ihm frei, seinerseits ent-
lastende Beweismittel zu nennen und dem Richter deren Abnahme zu beantra-
gen. - Ist die diesem Entscheid zugrunde liegende Sachlage auch insofern eine
andere als im zu beurteilenden Fall, als ein zweiteiliges Verfahren vorlag, wäh-
rend wir es heute mit einem als Einheit zu betrachtenden Untersuchungsverfah-
ren zu tun haben, so ist doch die grundsätzliche Aussage von Interesse, wo-
nach das Akteneinsichtsrecht nur in die als Grundlage eines Urteils (die vorlie-
gend zur Diskussion stehende Einstellungsverfügung ist in dieser Beziehung
einem solchen gleichzusetzen) in Betracht fallenden, also die offiziellen Verfah-
rensakten zu gewähren ist. Gilt diese Einschränkung für einen Angeklagten, so
muss sie erst recht für einen Geschädigten gelten, da dessen Mitwirkungsund
Einsichtsrecht nicht weiter gehen kann als dasjenige eines Angeklagten. Hat
nun aber ein Geschädigter nur in die offiziellen Verfahrensakten Einsicht, so hat
er in der Beschwerde darzutun, inwiefern allein gestützt auf diese Akten für die
Beurteilung betreffend Einstellung Anklage noch kein entscheidungsreifes
Beweisergebnis vorliegt beziehungsweise was für Beweise hierfür noch zu er-
heben sind. Er kann seine Begründungspflicht nicht dadurch umgehen, dass er
allgemein geltend macht, es könnten bei den ihm nicht zur Einsicht offen geleg-
ten Akten sonst irgendwo noch Dokumente vorhanden sein, welche seinen
Standpunkt zusätzlich zu stützen vermöchten. Nur wenn ein Beschwerdeführer
noch konkret zu erhebende Beweise nennt, diese von der Beschwerdekammer
als erheblich erklärt werden und sich bei der Ergänzung der Untersuchung
durch die Untersuchungsbehörde herausstellt, dass diese Beweise im polizeili-
chen Ermittlungsverfahren bereits erhoben, jedoch nicht zu den Verfahrensak-
ten genommen wurden, sind diese zusätzlichen Beweismittel zu den offiziellen
Verfahrensakten beziehungsweise zur Prozedur zu nehmen, und es hat der
Geschädigte als Folge davon das Recht, auch in diese Akten Einsicht zu neh-
men.
II.
Unter dem Titel unzulässige beziehungsweise verfrühte Einstel-
lung des Verfahrens macht die Beschwerdeführerin geltend, der strafrechtlich
relevante Sachverhalt sei nicht hinreichend abgeklärt worden. Eine Einstel-



14


lungsverfügung müsse auf einem entscheidungsreifen Beweisergebnis beruhen
und alle erkennbaren Beweismittel, welche das Resultat beeinflussen könnten,
seien vorgängig abzunehmen; unzulässig seien insbesondere Einstellungen
einzig gestützt auf die Polizeiakten. Wenn die Beschwerdeführerin zur Stützung
der letzten Bemerkung auf Padrutt verweist (a.a.O. S. 164 f.), so tut sie dies mit
Bezug auf die zuletzt erwähnte Bemerkung unvollständig. Der Autor schreibt an
der in der Beschwerde erwähnten Stelle, der Untersuchungsrichter dürfe in der
Regel nicht bloss auf Grund der Polizeiakten einstellen, ohne selbst tätig ge-
worden zu sein. Um allfälligen Einwänden bezüglich des in diesem Verfahren
von der Polizei erstellten Erhebungsberichts zuvorzukommen, ist vorweg klar-
zustellen, dass die Polizei ihre Erhebungen als Hilfsorgan des Untersuchungs-
richters vorgenommen hat, und damit alle im Zusammenhang mit diesem Be-
richt produzierten Akten nicht als Polizeiakten, sondern als offizielle Untersu-
chungsakten zu betrachten sind.
1. a) Die Beschwerdeführerin rügt, dass die Ermittlungen sich aus-
schliesslich auf die Prüfung der Schlussrechnung vom 26. April 2005 gerichtet
hätten, obwohl sie unter anderem einen Betrug verzeigt habe, der spätestens
mit ihrer Vermögensdisposition vom 28. Dezember 2004, welche sie aufgrund
der durch die unrichtige Schlussrechnung vom 13. Dezember 2004 erfolgten
arglistigen Täuschung vorgenommen habe, vollendet gewesen sei. Sie habe in
ihren Eingaben anhand verschiedener konkreter Beispiele dargelegt, dass die-
se Schlussrechnung Leistungen enthalten habe, die nicht erbracht worden sei-
en beziehungsweise in keinem Zusammenhang mit dem Projekt B. stünden.
Die im Jahre 2005 erstellten Rechnungen könnten auch wenn sie in anderer
Hinsicht strafrechtliche Bedenken weckten auf ein allfälliges bereits im Jahre
2004 vollendetes Delikt keinen Einfluss haben. Eine Täuschung habe vor der
Vermögensdisposition nur durch die Schlussrechnung vom 13. Dezember 2004
erfolgen können; ob die Schlussrechnung vom 26. April 2005 beziehungsweise
die im Polizeirapport erwähnte Kostenzusammenstellung korrekt gewesen sei,
sei bezüglich des erhobenen Betrugsvorwurfs nicht relevant. Die beispielhaft
aufgeführten Ungereimtheiten in der Schlussrechnung vom 13. Dezember 2004
seien im Strafverfahren bislang nicht geprüft worden. Dass diese nicht haltlos
seien, belege etwa die unberechtigte Rechnungsstellung von S. das Bei-
spiel des für 45'000 £ gekauften Range Rovers, für dessen Verkauf ihr nur
20'000 £ gutgeschrieben worden seien. Auch die exorbitanten Reisespesen von
Herrn und Frau M. liessen sich nicht mit dem Projekt C. erklären. Die fragliche
Schlussrechnung sei in der überarbeiteten Fassung erst am 20. Dezember



15


2004 versandt worden und bis am 30. Dezember 2004 zahlbar gewesen, wobei
für den Fall der Nichtzahlung ein Baustopp gedroht habe, was unbedingt habe
verhindert werden müssen. Eine seriöse Prüfung sei aber innert der wenigen
Tage nicht möglich gewesen. Entsprechend seien in der Einstellungsverfügung
auch die Ausführungen zum subjektiven Tatbestand unter einem falschen
Blickwinkel, nämlich bezogen auf die Schlussrechnung vom 26. April 2005, er-
folgt.
b)
Es trifft zu, dass sich die Staatsanwaltschaft in der angefochtenen
Einstellungsverfügung lediglich mit der Schlussabrechnung vom 26. April 2005
befasste und dabei in Anlehnung an die Ermittlungen der Kantonspolizei Grau-
bünden zum Schluss kam, dass die in Rechnung gestellten Kosten einzig in
den Fällen von drei Subunternehmern Fragen aufwerfen würden. Der Untersu-
chungsrichter gelangte dabei zum Schluss, dass nur in den zwei unbedeuten-
den Fällen der Subunternehmer Q. und P. das Vorliegen einer Täuschung zu
bejahen sei und sich damit die Frage stelle, ob der Tatbestand des Betruges
erfüllt sei. Diese Feststellung ist in der Tat insofern nicht ausreichend, als X.
bereits aufgrund der Schlussrechnung vom 13. Dezember 2004 eine Vermö-
gensdisposition vornahm, durch welche sie sich nach ihrer Auffassung geschä-
digt hat. Der Vertreter der Beschwerdeführerin rügt daher grundsätzlich zu
Recht, die beispielhaft aufgeführten Ungereimtheiten in der Schlussrechnung
vom 13. Dezember 2004 seien im Strafverfahren bislang nicht geprüft worden
und die entsprechenden Vorwürfe stünden nach wie vor im Raum. Dass diese
nicht haltlos seien, belege etwa die unberechtigte Rechnungstellung von S. o-
der der Vorwurf im Zusammenhang mit dem Kauf und dem Wiederverkauf ei-
nes Range Rovers. Durch das letztgenannte Geschäft sei M. bereichert worden
und es bestehe der Verdacht, dass man das Ehepaar M. auch durch verschie-
dene weitere Gefälligkeiten begünstigt und die entsprechenden Kosten der Be-
schwerdeführerin belastet habe.
Im Zusammenhang mit dieser Rüge ist die grundsätzliche Klarstellung zu
machen, dass sich ein Beschwerdeführer nicht darauf beschränken kann, eine
beanstandete Verfügung mit allgemeinen Bemerkungen zu rügen, er hat viel-
mehr im Einzelnen zu sagen, welche Punkte angefochten werden und worin die
Rechtswidrigkeit Unangemessenheit erblickt wird. Bloss pauschale Hin-
weise genügen nicht, und es kann auf solche Rügen mangels Substantiierung
nicht eingetreten werden. Es ist nach gefestigter Praxis nicht Aufgabe der Be-
schwerdekammer, in den Akten zu forschen, ob konkrete Anhaltspunkte für ei-
ne willkürliche Beweiswürdigung durch die Staatsanwaltschaft vorliegen (PKG



16


2004 Nr. 19). Im vorliegenden Fall brauchte und konnte sich der Untersu-
chungsrichter angesichts der Fülle der Einzelfälle nicht mit jedem einzelnen
Sachverhalt auseinandersetzen, er durfte sich vielmehr wie dies in der Ein-
stellungsverfügung unter VI mit Bezug auf die Schlussrechnungen vom 26. April
2005 geschehen ist - damit begnügen, zusammenfassend zum Ausdruck zu
bringen, weshalb es nach seiner Auffassung bei einzelnen Sachverhaltsgrup-
pen an der Tatbestandsmässigkeit fehle. Es war dann Sache der Anzeigeerstat-
terin, in ihrer Beschwerde konkret darzulegen, in welchen Fällen sie sich von
ihren Partnern getäuscht betrachtet und durch welche zusätzlichen Beweiser-
hebungen sich der entsprechende Verdacht erhärten lasse. Die Beschwerde-
führerin musste somit mit Bezug auf alle Rechnungspositionen, durch welche
sie sich getäuscht fühlt, detailliert darlegen, inwiefern diese Unkorrektheiten
enthalten, die strafrechtlich relevant sein und welchen Straftatbestand sie erfül-
len könnten. Sie müsste sodann substantiiert rügen, welche der so umschrie-
benen Vorkommnisse durch die Einstellungsverfügung nicht hinreichend abge-
handelt worden sind. Diesen Anforderungen genügt die Beschwerde mit den
oben erwähnten allgemeinen Ausführungen nicht, und zwar auch nicht mit Be-
zug auf die beiden beispielhaft angeführten Rechnungspositionen. Wenn etwa
der Fall der S. angeführt und auf die Aussage von K. verwiesen wird, wonach
die entsprechende Rechnung zugegebenermassen inhaltlich falsch sei, so wird
nicht gesagt, worin der strafrechtliche Gehalt dieser in der Rechnung vom 13.
Dezember 2004 offenbar falsch ausgewiesenen (in der Abrechnung vom 26.
April 2005 aber korrigierten) Position liegen soll. Auch mit den Ausführungen
zum Verkauf des Range Rovers genügt die Beschwerdeführerin ihrer Substanti-
ierungspflicht nicht. Nach der Schilderung in der Strafanzeige müsste man an-
nehmen, schon der Kauf dieses Fahrzeugs in November 2003 für 45'000 £
werde als strafrechtlich relevant betrachtet, weil die Anschaffung eines so teu-
ren Autos im Zusammenhang mit dem Bauprojekt in D. nicht gerechtfertigt ge-
wesen sei, wobei allerdings kein Hinweis darauf gemacht wird, worin das straf-
bare Verhalten bestanden haben soll und welcher Straftatbestand in Frage
kommen könnte. In der Ergänzung zur Strafanzeige wird hingegen vor allem
beanstandet, dass dieses Fahrzeug im Dezember 2004 für den offensichtlichen
Freundschaftspreis von nur 20'000 £ verkauft worden sei. Auch in der Be-
schwerde wird im Zusammenhang mit der Prüfung der Rechnung vom 13. De-
zember 2004 der Verkauf des Range Rover zu dem erwähnten, angeblich zu
tiefen Preis (der Zeitwert habe beim Verkauf mindestens 26'456 £ betragen) an
M. angeprangert. Nun wurde der Personenwagen nach den Angaben von Mari-
on M. aber erst Ende 2004 verkauft, so dass die angeblich zu billige Veräusse-



17


rung des Autos in der Schlussrechnung per 13. Dezember 2004 noch gar nicht
zum Ausdruck gekommen sein konnte. Da aber diese Rechnung nach der Dar-
stellung der Anzeigeerstatterin Grund für die angeblich vermögensschädigende
Akontozahlung von neun Millionen Franken gewesen war, konnte der Verkauf
des Autos, so erstaunlich dieses Geschäft auch erscheinen mag, für einen all-
fälligen Schaden nicht kausal gewesen sein. Im konkreten Fall sind nun aller-
dings die von der Beschwerdeführerin mit Bezug auf diese beiden, aber auch
bezüglich anderer von ihr erwähnter Beispiele angestellten Überlegungen von
untergeordneter Bedeutung, weil es nach Auffassung der Beschwerdekammer
am Tatbestandsmerkmal der Arglist gebricht und ein Schuldspruch wegen Be-
trugs aus diesem Grunde im Falle einer Anklageerhebung nicht zu erwarten
wäre.
c)
Der Untersuchungsrichter setzte sich in der Einstellungsverfügung
eingehend mit dem Tatbestandselement der Arglist auseinander. Seine grund-
sätzlichen Ausführungen zu dieser Frage gelten selbstverständlich sowohl für
die Rechnung vom April 2005 als auch für jene vom Dezember 2004 und auch
einige seiner auf den vorliegenden Fall bezogenen Überlegungen haben durch-
aus auch mit Bezug auf die Schlussrechnung vom 13. Dezember 2004 ihre Gül-
tigkeit. Der Untersuchungsrichter geht davon aus, dass dem Angeschuldigten
nicht vorgeworfen werden könne, ein Lügengebäude errichtet täuschende
Machenschaften angewendet zu haben; so etwas behaupte übrigens auch die
Anzeigeerstatterin nicht. Diese sei hingegen der Auffassung, das Vorgehen der
G. sei als arglistige Täuschung anzusehen, weil ihre Vertreter aufgrund des
Vertrauensverhältnisses und der zeitlichen Dringlichkeit gewusst hätten, dass
die Bauherrin eine Vermögensdisposition vornehmen würde, ohne die Schluss-
abrechnungen zu prüfen. Tatsächlich liess X. in ihrer Strafanzeige ausführen,
sie habe vollständiges Vertrauen in F. und Z. gehabt, weil sie gut befreundet
gewesen seien. Auch I. sei als ehemalige Sekretärin von F. mit diesem be-
freundet gewesen und habe daher völliges Vertrauen in diesen und die G. ge-
habt. Auf Grund dieser Situation sei die G. offensichtlich davon ausgegangen,
die Schlussrechnungen würden ohne vorgängige Prüfung beglichen.
Es ist in Lehre und Rechtsprechung unbestritten, dass auch eine einfa-
che Lüge als arglistig anzusehen ist, wenn der Täter das Opfer von der Über-
prüfung seiner unwahren Angaben abhält wenn er aufgrund der Umstände
voraussieht, dass dieses wegen eines besonderen Vertrauensverhältnisses
seine Angaben nicht überprüfen würde. Auf der anderen Seite entfällt die Arg-
list, wenn das Opfer sich mit einem Minimum an Aufmerksamkeit hätte schüt-



18


zen mit einem Minimum an Vorsicht, die von ihm erwartet werden durfte,
den Irrtum hätte vermeiden können (BGE 122 IV 248). Der Untersuchungsrich-
ter führte aus, nicht jede Bekanntschaft begründe ein Vertrauensverhältnis, das
im Falle einer einfachen Lüge die Arglist als gegeben erscheinen lasse. Er stell-
te sich sodann auf den Standpunkt, die in geschäftlichen Dingen sicher nicht
ganz unerfahrene Bauherrin habe sich auf einen eigenen Rechtsberater und ein
eigenes Sekretariat mit fest angestellten, qualifizierten Mitarbeitern stützen
können. Dieser Umstand sei der G. bekannt gewesen, so dass nicht ernsthaft
behauptet werden könne, ein allfälliger Täter hätte die Nichtvornahme einer
Überprüfung voraussehen können. In der Beschwerde wird dazu lediglich ein-
gewendet, auch bei der Prüfung der Arglist habe die Staatsanwaltschaft die
Schlussrechnung vom 26. April 2005 im Auge, während richtigerweise einzig
das Verhalten der G. vor der Vermögensdisposition vom 28. Dezember 2004
massgebend sein könne. Das ist an sich richtig, hingegen haben die allgemei-
nen Ausführungen zur Frage der Arglist selbstverständlich auch mit Bezug auf
die Situation Ende Dezember 2004 ihre Gültigkeit, und auch die spezifischen
Überlegungen zur Frage des Vertrauensverhältnisses können durchaus auf die
Umstände zur Zeit der ersten Rechnungsstellung übertragen werden; jedenfalls
wird in der Beschwerde nicht begründet, weshalb bezüglich der Frage der Arg-
list Ende 2004 andere Kriterien hätten gelten sollen als Ende April 2005. Über
die persönlichen Beziehungen zwischen den Akteuren des vorliegenden Falles
geben die Angaben in der Strafanzeige Auskunft. Danach war F., der Präsident
des Verwaltungsrates und Inhaber der G. Immobilien AG, mit E., dem Lebens-
partner von X. und über diesen auch mit der Anzeigeerstatterin selbst befreun-
det. F. war es auch, der Frau X. seine frühere Angestellte I., die schon anfangs
der Neunziger Jahre für die V. Stiftung in Lugano tätig gewesen war, als neue
Mitarbeiterin für das nach Wien transferierte Sekretariat X. vorgeschlagen hatte.
Rechtsanwalt J. aus Klagenfurt ist der Rechtsberater von X., Magister L. Mitar-
beiter in deren Sekretariat. Z. ist Geschäftsführer bei der G. und K., ein ehema-
liger Mitarbeiter von F., war örtlicher Bauleiter in D.. Ein eigentliches Freund-
schaftsverhältnis bestand nach der Darstellung in der Strafanzeige also nur
zwischen E. und X. auf der einen und F. auf der anderen Seite, während es sich
bei Z. und K. um Personen handelt, welche aufgrund des Projekts B. in D. mit
der Bauherrin in Beziehung standen, und allenfalls deshalb ein gegenüber ge-
wöhnlichen Mitarbeitern etwas erhöhtes Vertrauen genossen, weil sie wegen
ihrer Beziehungen zu F. mit Frau X. in Kontakt gekommen waren. Gegenüber
diesen Personen mochte ein gewisses Wohlwollen bei der Beurteilung ihrer
Arbeit angebracht gewesen sein, hingegen müsste es als geradezu blauäugig



19


angesehen werden, wenn angesichts der ungewöhnlichen Bedeutung des Bau-
projekts Abrechnungen solcher Personen unbesehen und ohne seriöse Kontrol-
le akzeptiert worden wären und zur Auszahlung von mehreren Millionen Fran-
ken geführt hätten. Ein solches leichtsinniges Verhalten würde Arglist von vorn-
herein ausschliessen. Die freundschaftliche Verbundenheit mit F. mochte ein
erhöhtes Vertrauen in die G. rechtfertigen. Das bedeutete aber nicht, dass X.
alles, was die G. projektierte, kritiklos akzeptiert hätte, wurden von ihr doch Pro-
jekterweiterungen, welche zu massiven Mehrkosten geführt hätten, im März und
Juli 2003 als zu teuer zurückgewiesen. Sie bewies durch diese Interventionen,
dass sie bei allem Vertrauen zu ihren Vertragspartnern doch selbst über die
vorzunehmenden Investitionen zu entscheiden gewillt und in der Lage war. Den
mit der Strafanzeige und der Ergänzung zu dieser eingereichten Plänen, Zeich-
nungen und Besprechungsnotizen ist auch zu entnehmen, dass Frau X. über
den Gang der Arbeiten direkt durch die Mitarbeiter in ihrem Sekretariat
stets auf dem Laufenden gehalten wurde und so in der Lage war, Entscheidun-
gen darüber zu treffen, welche Arbeiten ausgeführt werden sollten. Bei diesen
Projektbesprechungen mussten auch die zu erwartenden Kosten ein Thema
gewesen sein, andernfalls die Bauherrin nicht gewisse Arbeiten als zu teuer
hätte ablehnen können. Es kann also nicht gesagt werden, dass die Anzeigeer-
statterin ganz generell über das Ausmass der Arbeiten und die dabei zu erwar-
tenden Kosten getäuscht worden wäre.
Dass die Bauherrin ungeachtet der bis anhin guten Beziehungen zu F. im
Oktober ihren Rechtsberater J. damit beauftragte, sich mit den Bauarbeiten in
D. zu befassen, ist ebenfalls ein klares Indiz dafür, dass ihr Vertrauen in die G.
nicht grenzenlos war. Zwar nahm sie nicht persönlich an den Besprechungen
vom 25. November 2004 mit Z. und K. in Zürich und vom 13. Dezember 2004
mit Z. und F. in St. Moritz teil, sondern liess sich durch J. und I. und beim letzte-
ren Treffen zusätzlich auch von E. vertreten. Nach seinen Aufzeichnungen hat
J. bei diesen Zusammenkünften eine klare Sprache gesprochen und Z. zu ver-
stehen gegeben, dass weitere Zahlungen ohne Rechnungen und Kostennach-
weis nicht möglich seien und allfällige Akontozahlungen nur unter dem Vorbe-
halt der Prüfung und der Richtigkeit geleistet würden. Bei der zweiten Bespre-
chung beschwerte sich E. offenbar vehement über die Nichteinhaltung von Fris-
ten, Mängel im TVund Telefonbereich sowie die miserable Betreuung und
Kommunikation. Angesichts dieser recht heftigen Auseinandersetzungen zwi-
schen dem Vertrauten von Frau X. einerseits und den Vertretern der G. ande-
rerseits kann festgestellt werden, dass seitens der Bauherrschaft trotz des



20


(noch) bestehenden Freundschaftsverhältnisses im geschäftlichen Bereich
durchaus professionell und ohne dass man sich aus Rücksicht auf diese per-
sönlichen Beziehungen mit Kritik zurückgehalten hätte, verhandelt wurde. Auch
wenn man also noch nicht an dem Punkt angelangt war, der eine weitere Zu-
sammenarbeit als nicht mehr möglich erscheinen liess - und tatsächlich sah
man, allerdings unter klaren vertraglichen Bedingungen, auch in Zukunft gewis-
se Serviceleistungen der G. für Frau X. vor -, so mussten sich doch der Ange-
schuldigte und auch F. darüber im Klaren sein, dass seitens der Auftraggeberin
nicht alles, was sie an Projekten und Rechnungen lieferten, kommentarlos ak-
zeptiert wurde, sondern ihre Klientin ungeachtet des freundschaftlichen Ver-
hältnisses die Arbeiten durch ihre Berater überprüfen liess. Z. durfte mit ande-
ren Worten entgegen der von der Beschwerdeführerin im Strafverfahren vorge-
brachten Argumentation nicht damit rechnen, dass die Rechnungen der G. oh-
ne Prüfung bezahlt würden. Wenn heute geltend gemacht wird, Frau X. habe
nur wegen der kurzen Zahlungsfrist und der Druckausübung der Subunterneh-
mer Hand zur Leistung einer weiteren Akontozahlung von neun Millionen Fran-
ken geboten, vermag dies nicht zu überzeugen. Nachdem die Bauherrin nach
den Feststellungen von E. die bisherigen Rechnungen stets bezahlt hatte und J.
aus diesem Grunde auch den Angeschuldigten schon in der Besprechung vom
25. November 2004 dringend darauf hinwies, dass es nicht geduldet werde,
dass die Nichtbezahlung von Handwerkern mit ausbleibenden Zahlungen der
Bauherrschaft begründet werde, ist es auch nicht überzeugend, wenn geltend
gemacht wird, die Subunternehmer hätten mit dem Abbruch der Arbeiten ge-
droht, falls bis Ende Jahr keine weiteren Zahlungen eingehen sollten. Einerseits
war der grosse Auftrag für die massgeblichen Unternehmer zweifellos so inte-
ressant, dass sie bei geschickter Verhandlungsführung bestimmt bereit gewe-
sen wären, für die kurze Zeit, welche die Fachleute der Bauherrin zur seriösen
Überprüfung der Schlussrechnung gebraucht hätten, zuzuwarten, und anderer-
seits wäre es der Auftraggeberin im Interesse einer gründlichen Kontrolle der
Rechnungen zuzumuten gewesen, eine gewisse Verzögerung in der Beendi-
gung der Bauarbeiten in Kauf zu nehmen. Es liegen keine konkreten Hinweise
dafür vor - und auch J. hat in seinen Aktenvermerken nichts Derartiges festge-
halten -, dass die Unternehmer zu einer derartigen Lösung nicht Hand geboten
hätten. Wenn aber Frau X., um ja keine Zeit zu verlieren, selbst auf das Risiko
hin, die Schlussrechnung nicht seriös überprüfen lassen zu können, weitere
Zahlungen leistete und es ihren Vertragspartners damit ermöglichte, teilweise
ungerechtfertigte Rechnungen zu stellen, so liegt darin eine mangelnde Vor-
sicht, welche Arglist auf Seiten des Angeschuldigten ausschliesst.



21


d)
Die Anzeigeerstatterin machte in ihrer Strafanzeige und der Er-
gänzung zu dieser geltend, sie sei durch die unrichtige Schlussrechnung vom
13. Dezember 2004 arglistig getäuscht und aufgrund ihres Irrtums zur Zahlung
eines Betrages von über neun Millionen Franken veranlasst worden, wodurch
sie sich am Vermögen geschädigt habe. In der Beschwerde, in welcher wie
oben dargestellt gerügt wurde, dieser Vorwurf sei im bisherigen Strafverfahren
nicht geprüft worden, wird ausgeführt, der vom Angeschuldigten gegenüber X.
verübte Betrug sei damit im Jahre 2004 vollendet worden. Die im Jahre 2005
erstellte Rechnung könne auch wenn sie in anderer Hinsicht strafrechtliche
Bedenken wecke auf dieses Delikt keinen Einfluss mehr haben. Die Be-
schwerdeführerin habe vor der Vermögensdisposition nur von der Schlussrech-
nung vom 13. Dezember 2004 getäuscht werden können; ob die Schlussrech-
nung vom 26. April 2005 beziehungsweise die im Polizeirapport erwähnte Kos-
tenzusammenstellung korrekt gewesen sei, sei bezüglich des erhobenen Be-
trugsvorwurfes nicht relevant. Diese Auffassung ist zutreffend und führt dazu,
dass die in der Ergänzung der Strafanzeige als weitere Anhaltspunkte auf straf-
bare Handlungen erwähnten Vorkommnisse insofern nicht von Bedeutung sein
können, als sie zur Untermauerung des Vorwurfs des Betruges gedacht sein
sollten. Abgesehen davon, dass die Schlussrechnung vom April 2005 ja keine
Vermögensdisposition auslöste und schon von daher nicht Element eines Be-
truges bilden konnte, liesse sich der Vorwurf arglistiger Täuschung, der bereits
im Zusammenhang mit der Schlussrechnung vom Dezember 2004 verneint
wurde, erst recht nicht mit Bezug auf die Schlussrechnung vom April 2005 be-
gründen, nachdem nun mehrere Monate zur Überprüfung der im Dezember
2004 in Rechnung gestellten Aufwendungen zur Verfügung gestanden hatten
und Buchprüfungen durch Magister L. ja im Februar 2005 auch vorgenommen
worden waren. Zusammenfassend ist damit mit Bezug auf den Tatbestand des
Betruges festzustellen, dass wegen Fehlens des Tatbestandsmerkmals der
Arglist im Falle einer Anklageerhebung sich ein Schuldspruch nicht begründen
liesse und damit in diesem Punkt ein Freispruch zu erwarten wäre. Die diesbe-
zügliche Einstellung des Strafverfahrens war damit gerechtfertigt, und es bleibt
zu prüfen, ob die von der Beschwerdeführerin geschilderten Vorkommnisse in
anderer Hinsicht von strafrechtlicher Relevanz sein können.
2.
Der Untersuchungsrichter und der Vertreter der Beschwerdeführe-
rin sind sich darüber einig, dass im vorliegenden Fall der Tatbestand der unge-
treuen Geschäftsbesorgung gemäss Art. 158 StGB in der Form des sogenann-
ten Missbrauchstatbestandes gemäss Abs. 2 der genannten Norm in Frage



22


steht. Nach dieser Bestimmung macht sich strafbar, wer in der Absicht, sich
einen anderen unrechtmässig zu bereichern, die ihm durch das Gesetz,
einen behördlichen Auftrag ein Rechtsgeschäft eingeräumte Ermächti-
gung, jemanden zu vertreten, missbraucht und dadurch den Vertretenen am
Vermögen schädigt. In der Einstellungsverfügung wird festgehalten, das tatbe-
standsmässige Verhalten bestehe im Missbrauch einer Ermächtigung durch
den Täter, indem dieser gegen die von ihm vertraglich übernommenen Pflichten
verstosse. Die Untersuchungsakten gäben nur darüber Aufschluss, dass zwi-
schen der Anzeigeerstatterin und der G. der Totalunternehmervertrag vom 2.
Januar 2003 abgeschlossen worden sei, hingegen herrsche über dessen Inhalt
und allfällige weitere Vereinbarungen keine Klarheit, weshalb denn in dieser
Sache auch ein Zivilverfahren hängig sei. In der Strafuntersuchung habe nicht
nachgewiesen werden können, dass die G. eine der für sie handelnden
natürlichen Personen gegen die sich aus dem Vertrag ergebenden Pflichten
verstossen habe. - In der Beschwerde wird der Standpunkt vertreten, ohne wei-
tere Abklärungen lasse sich nicht sagen, der Straftatbestand der ungetreuen
Geschäftsbesorgung gemäss Art. 158 Abs. 2 StGB finde mit Sicherheit keine
Anwendung. Verschiedene Dokumente zeigten, dass die G. als Bauherrenver-
treterin eingesetzt und als solche zur Vertretung der Beschwerdeführerin er-
mächtigt gewesen sei. Der Hinweis in der angefochtenen Einstellungsverfü-
gung, erst das hängige Zivilverfahren vor dem Bezirksgericht Maloja werde
Klarheit über den Inhalt der vertraglichen Verpflichtungen schaffen, greife je-
doch zu kurz. Allein die Tatsache, dass sich ein Zivilgericht möglicherweise mit
ähnlichen Fragestellungen befasse, entbinde die Strafverfolgungsbehörde nicht
davon, selbständig Untersuchungen zur Klärung des Sachverhalts zu tätigen;
solche seien jedoch gänzlich unterblieben.
Die Parteien des Totalunternehmervertrages streiten sich darüber, ob
zwischen ihnen ein Globalpreis eine offene Abrechnung vereinbart worden
ist. Die Beschwerdeführerin stellt sich auf den Standpunkt, das erstere sei der
Fall und sie folgert daraus zutreffend, dass wenn dies zutrifft - der objektive
Tatbestand von Art. 158 Abs. 2 StGB nicht erfüllt sein könnte. Sollte die G. das
Bauprojekt in D. gegen Entrichtung eines Globalpreises übernommen haben,
könnte es für die Bestellerin somit gleichgültig sein, zu welchen Bedingungen
die Unternehmerin mit den engagierten Subunternehmern Verträge abge-
schlossen hat; es könnte sich der Missbrauchstatbestand also gar nicht vollen-
den, sondern es müsste gezwungenermassen bei einem untauglichen Versuch
geblieben sein. Der zur Diskussion stehende Straftatbestand könnte also nur in



23


Frage kommen, wenn entsprechend der Auffassung der G. eine offene Abrech-
nung, bei welcher der effektive Aufwand in Rechnung gestellt wird, vereinbart
worden sein sollte. Der Vorwurf übertriebener Subunternehmervergebungen,
aber auch der mehrfach erwähnte Kauf und Wiederverkauf eines Range Ro-
vers, könnte bei dieser Vertragsvariante ein typischer Anwendungsfall einer
ungetreuen Geschäftsbesorgung im Sinne von Art. 158 Abs. 2 StGB sein. In der
Beschwerde wird nun bei der Behandlung dieses Tatbestandes nicht konkret
dargelegt, womit dieses Delikt erfüllt worden sein könnte. Abgesehen davon,
dass die Beschwerdeführerin damit ihrer Begründungspflicht nicht genügt, hält
die durch die Staatsanwaltschaft verfügte Einstellung des Verfahrens auch in
diesem Punkt selbst bei Annahme einer offenen Rechnung im Ergebnis einer
Überprüfung stand. An die Begründung der angefochtenen Verfügung durch die
Vorinstanz ist die Beschwerdekammer nicht gebunden, wenn sich deren Auf-
fassung im Resultat als vertretbar erweist. Dies trifft im vorliegenden Fall zu.
Die G. schloss die Subunternehmerverträge zwar für Rechnung der Anzeigeer-
statterin, aber in eigenem Namen ab, sie trat also selbst als Bestellerin auf und
handelte somit als indirekte Stellvertreterin. Auf die indirekte Stellvertretung fin-
det nun aber nach der in der massgebenden Literatur vertretenen Auffassung
Art. 158 Abs. 2 StGB keine Anwendung (Basler Kommentar, N. 128 zu Art. 158
StGB). Damit bleibt aber für einen allfälligen Schuldspruch wegen ungetreuer
Geschäftsbesorgung kein Raum, so dass die Einstellung des Verfahrens mit
Bezug auf diesen Tatbestand zu Recht erfolgt ist.
3. a) Die Staatsanwaltschaft hat festgestellt, die polizeilichen Ermittlun-
gen hätten ergeben, dass die G. die von zwölf Subunternehmern erhaltenen
Skonti und Rabatte nicht der Anzeigeerstatterin habe zugute kommen lassen.
Die Beschwerdeführerin hatte in der Ergänzung zur Strafanzeige auf diesen
Umstand aufmerksam gemacht und der G. vorgeworfen, sie habe sich solche
Preisnachlässe in der Höhe von rund einer Million Franken in die eigene Ta-
sche gesteckt, obwohl sie behaupte, es sei eine offene Abrechnung vereinbart
worden. Wenn dies aber der Fall gewesen sein sollte, wäre dadurch der Tatbe-
stand der Veruntreuung erfüllt.
Dass in zahlreichen Fällen von Subunternehmern namhafte Rabatte und
Skonti gewährt worden waren, ist ausgewiesen. War die G. nach dem Totalun-
ternehmervertrag verpflichtet, die Renovationsarbeiten an den Gebäuden in D.
zu einem Globalpreis auszuführen, so konnte sie diese Preisnachlässe für sich
beanspruchen. Die G. behauptet nun aber, es sei eine offene Abrechnung ver-
einbart worden. Verhält es sich also so, wie sie es selbst darstellt, war sie ver-



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pflichtet, die von den Subunternehmern gewährten Rabatte und Skonti der Be-
stellerin weiterzugeben; sie durfte X. mit anderen Worten nur das in Rechnung
stellen, was sie nach Abzug aller Vergünstigungen zu bezahlen hatte. Dies ge-
schah erwiesenerund zugegebenermassen in zahlreichen Fällen nicht, viel-
mehr liess die G. Skonti und Rabatte von insgesamt fast einer Million Franken
in die eigene Tasche fliessen. Sie tat dies, nachdem sie sich angeblich bei ihren
Anwälten über die Rechmässigkeit dieses Vorgehens erkundigt hatte.
b)
Der Untersuchungsrichter ging auf Grund dieser Sachlage der
Frage nach, ob der Schuldausschliessungsgrund des Rechtsirrtums gemäss
Art. 20 StGB gegeben sein könnte und kam zum Schluss, dass dies der Fall
sei. Er führte aus, weder der Angeschuldigte noch K. seien sich darüber im Kla-
ren gewesen, ob sie die von den Subunternehmern gewährten Skonti und Ra-
batte der Bestellerin hätten weitergeben müssen, weshalb sie sich an Rechts-
anwalt T. gewandt hätten. Dieser und sein Bürokollege Rechtsanwalt U. hätten
bestätigt, dass sie in dieser Sache angefragt worden seien und eine entspre-
chende Auskunft (es wird nicht ausgeführt, wie diese lautete) erteilt hätten. Ein
im Anwaltsregister eingetragener Rechtsanwalt müsse nun aber als kompetente
Stelle im Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung angesehen werden
(Urteil des Bundesgerichts vom 29. September 1972, BGE 98 IV 303), befasse
er sich doch mit der Beratung von Personen in derartigen Lebenslagen. Nach-
dem sich der Angeschuldigte an einen patentierten Anwalt gewandt und nach
dessen Rat gehandelt habe, habe er bei der Bildung seines Unrechtsbewusst-
seins die vorgeschriebene pflichtgemässe Sorgfalt angewendet. Der Rechtsirr-
tum sei damit unvermeidbar gewesen, so dass der Angeschuldigte straffrei
bleibe und sich eine Überprüfung der Tatbestandsmässigkeit seines Vorgehens
erübrige.
Die Argumentation der Staatsanwaltschaft vermag nicht zu überzeugen.
Das Bundesgericht führte im zitierten Urteil aus, auf Rechtsirrtum könne sich
nur berufen, wer zureichende Gründe zur Annahme gehabt habe, er tue über-
haupt nichts Unrechtes. Dies sei nur der Fall, wenn dem Täter aus dem
Rechtsirrtum kein Vorwurf gemacht werden könne, weil er auf Tatsachen beru-
he, durch die sich auch ein gewissenhafter Mensch hätte in die Irre führen las-
sen. So müsste einem rechtsunkundigen Täter der Rechtfertigungsgrund aus-
nahmsweise zugebilligt werden, wenn eine Rechtsfrage zu lösen gewesen sei,
welche er wegen ihrer besonderen Natur und erhöhter Kompliziertheit nicht ha-
be erkennen können und deshalb auf die Auskünfte eines eigens dafür beige-
zogenen Rechtsberaters abgestellt habe. Voraussetzung sei aber, dass dem



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Rechtsberater der Sachverhalt zur Prüfung vorgelegt worden sei, der vom Täter
nachher verwirklicht und der im Gutachten unter allen rechtlichen Gesichts-
punkten geprüft worden sei. Eine solche Konstellation liegt im vorliegenden Fall
offensichtlich nicht vor. Einmal weist der Rechtsvertreter der Beschwerdeführe-
rin zu Recht darauf hin, dass es sich bei Z. und K. um ausgebildete und erfah-
rene Berufsleute in leitender Stellung handle, bei denen die Erstellung von
Schlussrechnungen zum beruflichen Alltag gehöre und die beide hätte wissen
müssen, dass bei der von ihnen behaupteten offenen Abrechnung die Zurück-
behaltung von Rabatten in der zur Diskussion stehenden Grössenordnung min-
destens an der Grenze des Zulässigen liege. Gerade weil sie dies offenbar
selbst erkannt hatten, wandten sie sich denn wohl auch an einen Juristen. Der
auf diese Sache angesprochene Rechtsanwalt Dr. T. erinnert sich nun zwar,
dass er von einem Vertreter der G., vermutlich K., in der ersten Hälfte April
2005 angerufen und unter anderem gefragt worden war, ob die G. bei der Er-
stellung der Schlussabrechnung Skontound Rabattabzüge berücksichtigen
müsse. Er habe darauf geantwortet, dass die Gesellschaft nach Gesetz und
Werkvertrag nicht verpflichtet sei, irgendwelche Preisnachlässe zu gewähren.
Die Beantwortung der Frage sei allerdings spontan und „abstrakt“ in Unkennt-
nis der vollständigen Akten erfolgt. Die Tragweite der Frage sei vielleicht etwas
unterschätzt worden, jedenfalls habe er keine Aktennotiz über das Gespräch
erstellt. Aus dieser Erklärung erhellt, dass von einer gründlichen Begutachtung
der sich stellenden Problematik durch Dr. T. keine Rede sein kann. Die Frage
der Behandlung der Preisnachlässe wurde offensichtlich neben anderen Dingen
im Rahmen eines gewöhnlichen Telefongesprächs aufgeworfen und von
Rechtsanwalt T. ohne Studium der einschlägigen Akten beantwortet. Es ist
nicht einmal bekannt, ob der Anwalt bei der Beantwortung der Frage von der
Vereinbarung eines Globalpreises ausging in diesem Falle wäre seine Ant-
wort zutreffend gewesen -, ob ihm der Vertreter der G. erklärt hatte, es
werde nach Aufwand abgerechnet. Fest steht in jedem Fall, dass eine telefoni-
sche Auskunft, welche ohne Kenntnis der genauen Umstände erteilt wird, nie-
mals den Anforderungen zu genügen vermag, welche das Bundesgericht im
erwähnten Entscheid an die Zubilligung eines Rechtsirrtums gestellt hat. Von
der Situation, wie sie dem Urteil des Bundesgerichtes zugrunde lag, wo durch
ein eigentliches Gutachten über eine schwierige Rechtsfrage Auskunft verlangt
worden war, und wo das Bundesgericht dem Fragesteller trotzdem keinen
Rechtsirrtum zubilligte, weil er nicht genau den Sachverhalt verwirklichte, den er
dem Gutachter vorgelegt hatte, ist der vorliegende Fall, wo die Erkundigung in
einem gewöhnlichen Telefongespräch bestand, weit entfernt. Von einer Sitzung,



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an welcher nach der Behauptung von K. über diese Angelegenheit diskutiert
worden sein soll, ist weder Z. etwas bekannt noch weiss man davon bei der
Anwaltskanzlei W., Y., T. etwas, man gab dem Untersuchungsrichter lediglich
bekannt, man habe eine mündliche Auskunft erteilt. Am 23. November 2005
bestätigte dieses Anwaltsbüro dem Rechtsvertreter des Angeschuldigten das
eingangs erwähnte Telefongespräch; von einer gründlichen Prüfung der Ange-
legenheit ist nirgends die Rede. Aufgrund einer so oberflächlichen Abklärung
einer für die Rechnungstellung wesentlichen Frage kann den für die G. verant-
wortlichen, fachkundigen Personen nun aber unmöglich ein Rechtsirrtum zuge-
standen werden. Die gegenteilige Betrachtungsweise der Staatsanwaltschaft ist
unhaltbar, und es ist der Beschwerdeführerin zuzustimmen, dass weder in tat-
sächlicher noch in rechtlicher Hinsicht ein klarer Fall eines Rechtsirrtums vor-
liegt, welcher die Einstellung des Verfahrens zu rechtfertigen vermöchte.
c)
Die Staatsanwaltschaft hat das Verfahren aufgrund der unzutref-
fenden Annahme eines Rechtsirrtums eingestellt, ohne die Erfüllung des ohne
weitere Begründung unterstellten Tatbestandes der Veruntreuung im Einzelnen
zu prüfen. Nachdem sich die Einstellung des Strafverfahrens mit Bezug auf die
von der G. nicht an die Bestellerin weitergegebenen Skonti und Rabatte als un-
gerechtfertigt erwiesen hat, wird sich die Staatsanwaltschaft mit der Frage zu
befassen haben, ob sich Anhaltspunkte für das Vorliegen eines deliktischen
Verhaltens finden lassen und welcher Straftatbestand mit Bezug auf diese Vor-
kommnisse allenfalls in Frage kommen könnte. Falls etwa X. dem Angeschul-
digten Geld zur Zahlung von Rechnungen übergeben haben sollte und aus die-
sen Mitteln nur ein Teil zur Bezahlung von Forderungen von Subunternehmern
verwendet, der Rest aber behalten worden sein sollte, wäre ein strafbares Ver-
halten im Sinne der vom Untersuchungsrichter offenbar ins Auge gefassten
Veruntreuung allenfalls eines anderen Deliktes denkbar. Der Sachverhalt
liegt allerdings anders als in dem in den Rechtsschriften erwähnten Bundesge-
richtsentscheid 106 IV 257, wo es um das Zurückbehalten von Rückvergütun-
gen ging; dieses Urteil kann also im vorliegenden Fall kaum herangezogen
werden. Ob durch das Einbehalten von Skonti und Rabatten in der angedeute-
ten allenfalls in anderer Weise die Anzeigeerstatterin in rechtswidriger
Weise an ihrem Vermögen geschädigt wurde, wird die Staatsanwaltschaft zu
überprüfen haben. Es ist nicht Sache der Beschwerdekammer, in den Akten
nach Anhaltspunkten für deliktisches Verhalten zu suchen; die Sache ist viel-
mehr zur Vornahme dieser Abklärungen an die Vorinstanz zurückzuweisen.



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III.
Ist die Beschwerde, soweit darauf eingetreten kann, teilweise gut-
zuheissen und die angefochtene Verfügung aufzuheben, soweit das Verfahren
auch mit Bezug auf die Skonti und Rabatte eingestellt wurde, sind die Kosten
der Beschwerdekammer dem Ausgang des Verfahrens entsprechend auf die
Beschwerdeführerin und den Kanton Graubünden zu verteilen. Da X. mit ihrer
Beschwerde nur in einem untergeordneten Punkt durchgedrungen ist, erscheint
es angebracht, ihr fünf Sechstel und dem Kanton Graubünden einen Sechstel
der Kosten aufzuerlegen. Dem Begehren der Beschwerdeführerin um Zuspre-
chung einer Entschädigung kann abgesehen davon, dass die Anzeigeerstat-
terin nur in einem untergeordneten Punkt erfolgreich war mangels gesetzlicher
Grundlage praxisgemäss nicht entsprochen werden. Die Strafprozessordnung
sieht in Art. 161 Abs. 1 vor, dass einem Angeschuldigten bei Freispruch
Einstellung des Verfahrens auf sein Begehren hin eine Entschädigung für erlit-
tene Nachteile zuzusprechen ist, und für das Rechtsmittelverfahren sieht Art.
160 Abs. 4 StPO vor, dass dem Verteidiger eine aussergerichtliche Entschädi-
gung zugesprochen werden kann. Eine Entschädigung steht also unter diesen
Voraussetzungen nach der gesetzlichen Regelung nur dem Verteidiger bezie-
hungsweise dem Angeschuldigten Angeklagten zu; von einer Entschädi-
gung an einen Geschädigten dessen Rechtsvertreter ist hingegen im Ge-
setz nirgends die Rede.




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Demnach erkennt die Beschwerdekammer:
1.
Die Beschwerde wird, soweit darauf einzutreten ist, teilweise gutgeheis-
sen und die angefochtene Einstellungsverfügung insoweit aufgehoben,
als das Strafverfahren auch im Zusammenhang mit Skonti und Rabatten
eingestellt wurde.
2.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens von 3'000 Franken gehen zu fünf
Sechsteln, das heisst 2'500 Franken, zu Lasten der Beschwerdeführerin
und zu einem Sechstel, das heisst 500 Franken, zu Lasten des Kantons
Graubünden.
3.
Gegen diese Entscheidung kann gemäss Art. 78 des Bundesgerichtsge-
setzes (BGG) Beschwerde in Strafsachen an das Schweizerische Bun-
desgericht geführt werden. Diese ist dem Bundesgericht schriftlich, innert
30 Tagen seit Eröffnung der vollständigen Ausfertigung der Entscheidung
in der gemäss Art. 42 f. BGG vorgeschriebenen Weise einzureichen. Für
die Zulässigkeit, die Beschwerdelegitimation, die weiteren Vorausset-
zungen und das Verfahren der Beschwerde gelten die Art. 29 ff., 78 ff.
und 90 ff. BGG.
4. Mitteilung
an:
__
Für die Beschwerdekammer des Kantonsgerichts von Graubünden
Der Vizepräsident:
Der Aktuar ad hoc:


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