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Urteil Kantonsgericht Graubünden (GR)

Zusammenfassung des Urteils BK-05-72: Kantonsgericht Graubünden

Die Beschuldigte A. wurde für fahrlässige Körperverletzung und fahrlässige Verletzung der Verkehrsregeln verurteilt. Sie erhielt eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu Fr. 100.- sowie eine Busse von Fr. 2'000.-. Der Vollzug der Geldstrafe wurde aufgeschoben und eine Probezeit von 2 Jahren festgesetzt. Sie wurde auch verpflichtet, der Privatklägerin Schadenersatz in Höhe von Fr. 6'760.30 zu zahlen. Die Gerichtskosten wurden auf Fr. 2'000.- festgesetzt. Die Beschuldigte verlor den Berufungsantrag und muss die Kosten des Verfahrens tragen. Die Beschuldigte ist weiblich.

Urteilsdetails des Kantongerichts BK-05-72

Kanton:GR
Fallnummer:BK-05-72
Instanz:Kantonsgericht Graubünden
Abteilung:-
Kantonsgericht Graubünden Entscheid BK-05-72 vom 13.12.2005 (GR)
Datum:13.12.2005
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:aussergewöhnlicher Todesfall zum Nachteil von +A
Schlagwörter : ünden; Kantons; Einstellung; Graubünden; Beschwerdekammer; Aussage; Untersuchung; Recht; Drogen; Kantonsgericht; Beweise; Einstellungsverfügung; Kantonsgerichts; Mobiltelefon; Anhaltspunkte; Heroin; Betäubungsmittel; Untersuchung; Aussagen; Beweismittel; Beweisergebnis; Verbindungen; Einvernahme
Rechtsnorm:Art. 128 StGB ;Art. 138 StPO ;Art. 139 StPO ;Art. 305 StGB ;Art. 82 StPO ;
Referenz BGE:129 I 49;
Kommentar:
Hans, Peter, Schweizer, Kommentar zum Schweizerischen Strafgesetzbuch, Art. 128 StGB, 2003
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017

Entscheid des Kantongerichts BK-05-72

Kantonsgericht von Graubünden

Tribunale cantonale dei Grigioni

Dretgira chantunala dal Grischun
_____

Ref.:
Chur, 13. Dezember 2005
Schriftlich mitgeteilt am:
BK 05 72

Entscheid
Beschwerdekammer
Vorsitz Präsident
Brunner
Richterinnen
Heinz-Bommer und Riesen-Bienz
Aktuar ad hoc
Hitz
——————
In der strafrechtlichen Beschwerde
des J., Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Remo Cahenz-
li, Postfach 171, Städtlistrasse 12, 7130 Ilanz,

gegen

die Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft Graubünden vom 19. Oktober
2005, mitgeteilt am 20. Oktober 2005,
betreffend aussergewöhnlicher Todesfall zum Nachteil von +A.,

hat sich ergeben:



2


A.
Am Freitagabend des 8. Oktobers 2004 war +A. unter anderem
zusammen mit B. in F. im Ausgang. Um ca. 22.15 Uhr verliess +A. ihre Kolle-
ginnen und kehrte nach zehn Minuten zurück. Wie die Ermittlungen ergaben,
traf sie sich während dieser Zeit mit einem unbekannten Mann, wahrscheinlich
ein russischer Staatsangehöriger, und kaufte bei ihm Heroin für Fr. 50.--.
B.
Um ca. 24.00 Uhr kehrten +A. und B. nach G. zurück. Auf dem
Weg dorthin konnte B. beobachten, wie +A. Heroin schnupfte. Um ca. 03.15
Uhr begaben sich die beiden Kolleginnen in die Wohnung von B., wo sie
schliesslich übernachteten. Als um ca. 15.00 Uhr der Vater von B. in deren
Zimmer erschien, um die beiden Frauen zu wecken, reagierte +A. nicht. Die
sofort aufgebotenen Rettungskräfte konnten nur noch den Tod von +A. feststel-
len. Der Rechtsmediziner PD Dr. med. D. gibt im Obduktionsbericht vom 14.
Oktober 2004 als Todesursache eine kombinierte Drogenvergiftung mit Kokain,
Amphetaminen und Opiaten (Heroin) an. Eine Einwirkung Dritter durch mecha-
nische Gewalt schliesst der Rechtsmediziner aus.
C.
Mit Verfügung vom 24. November 2004 wurde die Strafuntersu-
chung, unter Vorbehalt der Wiederaufnahme, eingestellt, da der unbekannte
Mann, welcher +A. das Heroin und eventuell weitere Betäubungsmittel verkauft
hatte, nicht ermittelt werden konnte. Dagegen erhob J. am 15. Dezember 2004
Beschwerde bei der Beschwerdekammer des Kantonsgerichts von Graubün-
den, worauf die Staatsanwaltschaft Graubünden am 22. Dezember 2004 mitteil-
te, dass das Strafverfahren wieder aufgenommen werde (vgl. act. 21). Indessen
brachten auch die weiteren durchgeführten Ermittlungen keine neuen Erkennt-
nisse in Bezug auf ein allfälliges Drittverschulden am Tod von +A..
D.
Mit Schreiben vom 26. Januar 2005 (vgl. act. 24) beauftragte das
Untersuchungsrichteramt F. die Kantonspolizei Graubünden weitere Abklärun-
gen vorzunehmen. Insbesondere sei die Auswertung der Mobilfunkkarte in Be-
zug auf das offenbar am 9. Oktober 2004 um ca. 04.40 Uhr geschossene und
gespeicherte Foto zu ergänzen sowie zu prüfen, ob anhand der eingereichten
Mobilfunkabrechnungen der Firma Orange der Drogenverkäufer ermittelt wer-
den könne. Schliesslich sei B. ein weiteres Mal zu befragen und sie mit dem
Ermittlungsergebnis zu konfrontieren.



3


E.
Mit Einstellungsverfügung vom 19. Oktober 2005, mitgeteilt am 20.
Oktober 2005, stellte die Staatsanwaltschaft Graubünden die Strafuntersuchung
betreffend den aussergewöhnlichen Todesfall zum Nachteil von +A. erneut ein.
F.
Gegen diese Einstellungsverfügung erhob J. am 10. November
2005 Beschwerde bei der Beschwerdekammer des Kantonsgerichts von Grau-
bünden. Seine Anträge lauten wie folgt:
„1.
Ziff. 1 der angefochtene Einstellungsverfügung vom 19. Oktober
2005 sei aufzuheben. Die Angelegenheit sei der Vorinstanz zur
Ergänzung der Strafuntersuchung zurückzuweisen.

2.
Unter voller Kostenund Entschädigungsfolge zu Lasten des
Kantons Graubünden.“

Zur Begründung führt J. im Wesentlichen aus, dass im Zusammenhang
mit dem Todesfall von +A. unabdingbar eine Straftat verübt worden sei und
zwar zumindest durch einen Verstoss gegen das Betäubungsmittelgesetz. Des
Weiteren komme allenfalls der Tatbestand der Unterlassung der Nothilfe im
Sinne von Art. 128 StGB sowie der Tatbestand der Begünstigung im Sinne von
Art. 305 StGB in Betracht. Die Aussage von B. in Bezug auf den Ablauf der Ge-
schehnisse in der Nacht vom 8. auf den 9. Oktober 2004 sei nicht schlüssig,
zumal sie ausgesagt habe, in den von ihnen aufgesuchten Wirtschaften wäh-
rend vier bis fünf Stunden nichts konsumiert zu haben. Auch würden die von B.
und C. gemachten Aussagen, +A. habe innert zehn Minuten gleich bei zwei
Drogendealern Drogen gekauft, als sehr unwahrscheinlich und als zwischen
diesen beiden Auskunftspersonen vorher abgesprochene Aussage erscheinen.
Sie hätten gute Gründe gehabt, vor den Strafbehörden etwas zu verheimlichen,
da die Drogen aus dem Freundeskreis dieser beiden Frauen stammen sollen.
Insbesondere sei der Schluss der Untersuchungsbehörden falsch, dass das
fragliche Foto vor dem 7. Oktober 2005 (recte: 7. Oktober 2004) geschossen
worden sei, anstatt wie behauptet am 9. Oktober 2005 um 04.40 Uhr (recte: 9.
Oktober 2004), da sowohl J. als auch sein Sohn E. die entsprechende Zeit aus
dem Mobiltelefon hätten ablesen können. Es sei nicht untersucht worden, wer
dieses Foto mit dem Mobiltelefon von +A. gemacht habe und ob dieses jeman-
dem als MMS verschickt worden sei. Die Aussage von B., dass sie und +A. um
03.30 Uhr schlafen gegangen seien, stehe somit in klarem Widerspruch zum
erwähnten Foto. Ausserdem seien verschiedene Beweismittel nicht erhoben
worden, welche geeignet gewesen wären, das Beweisergebnis massgeblich zu
beeinflussen. So wären nähere Anhaltspunkte über die angeblichen Drogen-
dealer beziehungsweise die Zusammenhänge im Kollegenkreis von B. und C.



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ohne weiteres ausfindig zu machen gewesen. Die Einstellungsverfügung er-
weise sich als unangemessen, weshalb sie aufzuheben und die Angelegenheit
zur Ergänzung der Strafuntersuchung und Erhebung der beantragten Beweis-
mittel zurückzuweisen sei.
G.
Die Staatsanwaltschaft Graubünden beantragt in ihrer Vernehm-
lassung vom 29. November 2005 die Abweisung der Beschwerde unter Hinweis
auf die Akten und die angefochtene Einstellungsverfügung vom 19. Oktober
2005. Präzisierend hält die Staatsanwaltschaft Graubünden fest, dass die rück-
wirkende Randdatenerhebung im vorliegenden Fall mittels der IMEI Nummer
(Gerätenummer) erfolgt sei, welche als Ergebnis alle ausgehenden und einge-
henden Verbindungen liefere und zwar unabhängig von der verwendeten SIM-
Karte.
Auf die weiteren Ausführungen in der angefochtenen Einstellungsverfü-
gung und den Rechtsschriften wird, soweit erforderlich, in den folgenden Erwä-
gungen eingegangen.
Die Beschwerdekammer zieht in Erwägung :
1. a) Gegen Verfügungen und Beschwerdeentscheide des Staatsanwal-
tes sowie von ihm vorgängig genehmigte Amtshandlungen der Untersuchungs-
organe kann gemäss Art. 138 der Strafprozessordnung des Kantons Graubün-
den (StPO; BR 350.000) bei der Beschwerdekammer des Kantonsgerichts we-
gen Rechtswidrigkeit Unangemessenheit Beschwerde geführt werden. Zur
Beschwerdeführung ist berechtigt, wer durch den angefochtenen Entscheid be-
rührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an seiner Aufhebung Änderung
geltend macht. Insbesondere kann sich der Geschädigte gegen Ablehnungs-
und Einstellungsverfügungen beschweren (vgl. Art. 139 Abs. 1 StPO). Als mit
strafprozessualen Mitwirkungsrechten ausgestatteter Geschädigter wird nach
vorherrschender Auffassung anerkannt, wem durch eine strafund verfolgbare
Handlung unmittelbar ein ideeller materieller Nachteil zugefügt wurde
zu erwachsen drohte. Geschädigter im Sinne des Strafprozessrechtes ist damit
der tatbeständlich Verletzte, d.h. der Träger des durch die Strafrechtsordnung
geschützten Rechtes Rechtsgutes, gegen das sich die Straftat ihrem Be-
griff nach richtete (vgl. dazu auch PKG 1998 Nr. 45; 1989 Nr. 56). Berechtigt
zur Beschwerdeführung sind nach konstanter Praxis der Beschwerdekammer
unter anderem auch die Angehörigen eines tödlich Verunglückten (vgl. Ent-



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scheid der Beschwerdekammer des Kantonsgerichts Graubünden vom 12. No-
vember 1979 (BK 64/79); Willy Padrutt, Kommentar zur Strafprozessordnung
des Kantons Graubünden, 2. Aufl., F. 1996, Ziff. 3.1. zu Art. 139 StPO, S. 353).
Somit ist die Beschwerdelegitimation von J. als Vater und Angehöriger im Zu-
sammenhang mit dem aussergewöhnlichen Todesfall seiner Tochter +A. sinn-
gemäss gegeben.
b)
Gemäss Art. 139 Abs. 2 StPO ist die Beschwerde innert zwanzig
Tagen, seit der Betroffene vom angefochtenen Entscheid Kenntnis erhalten hat,
schriftlich einzureichen. Da die vorliegende Beschwerde fristgerecht erhoben
wurde und den Formerfordernissen entspricht, ist darauf einzutreten.
2. a) Im Rechtsmittelverfahren kann die Beschwerdekammer des Kan-
tonsgerichts von Graubünden gemäss Art. 138 StPO angefochtene Einstel-
lungsverfügungen nicht nur auf Rechtswidrigkeit, sondern auch auf Angemes-
senheit überprüfen. Obwohl ihr das Gesetz ausdrücklich eine Ermessenskon-
trolle einräumt, setzt die Beschwerdekammer ihr Ermessen nur dort an die Stel-
le desjenigen der Vorinstanz, wo sich deren Verfügung nicht mit triftigen Grün-
den vertreten lässt. Ebenso muss bei der Beurteilung der Rechtmässigkeit
Angemessenheit einer Einstellungsverfügung berücksichtigt werden, dass an
den Nachweis der Täterschaft hohe Anforderungen zu stellen sind. Eine Ein-
stellungsverfügung ist dann angemessen und hält der umschriebenen Ermes-
senskontrolle stand, wenn aufgrund des Untersuchungsergebnisses nicht ge-
nügend Anhaltspunkte für das Vorliegen einer strafund verfolgbaren Handlung
gegeben sind und somit ein Freispruch erwartet werden müsste, und wenn kei-
ne neuen Beweismittel ersichtlich sind, die das Beweisergebnis entscheidrele-
vant beeinflussen könnten. Aufzuheben ist eine Einstellungsverfügung hinge-
gen, wenn in objektiver und subjektiver Hinsicht Anhaltspunkte vorliegen, die
einen Schuldspruch als wahrscheinlich erscheinen lassen (vgl. PKG 1997 Nr.
36; 1975 Nr. 58; Willy Padrutt, a.a.O., Ziff. 2.1. zu Art. 138 StPO, S. 347).
b)
Die eben dargelegten Kriterien sind inhaltlicher und nicht formaler
Natur. Sie können deshalb nicht rein schematisch gehandhabt werden. Not-
wendig ist eine sachlich begründbare Auseinandersetzung mit dem Untersu-
chungsresultat in zweifacher Hinsicht. Zum einen sind die vorliegenden Bewei-
se zu werten. Nur wenn eine Gesamtwürdigung der Beweise zur nachvollzieh-
baren Schlussfolgerung führt, dass eine Verurteilung unwahrscheinlich ist, er-
scheint eine Einstellung der Untersuchung gerechtfertigt. Als zweites kumulativ



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notwendiges Element setzt die Einstellung der Untersuchung voraus, dass die
Verfügung überhaupt auf einem entscheidungsreifen Beweisergebnis beruht.
Dies ist dann der Fall, wenn keine konkret zu erhebenden Beweismittel erkenn-
bar sind, die das Resultat im gegenteiligen Sinn beeinflussen könnten (vgl. PKG
1995 Nr. 45; Willy Padrutt, a.a.O., Ziff. 3.3. zu Art. 82 StPO, S. 164).
c)
Das bedeutet, dass im konkreten Fall in freier Würdigung der vor-
liegenden Aussagen und Beweise zu ermitteln ist, was sich in der fraglichen
Nacht vom 8. auf den 9. Oktober 2004 in F. beziehungsweise in G. zugetragen
hat. Alsdann ist zu prüfen, ob aufgrund des durch Wertung der Beweise ermit-
telten Sachverhalts hinreichende Anhaltspunkte für das Vorliegen einer straf-
und verfolgbaren Handlung gegeben sind. Ist dies zu verneinen und sind auch
keine weiteren Beweismittel ersichtlich, welche das Beweisergebnis in die ge-
genteilige Richtung beeinflussen könnten, so ist die angefochtene Einstellungs-
verfügung vom 19. Oktober 2005 zu Recht ergangen. Schliesslich kann festge-
halten werden, dass die vorliegende Beschwerde im Zusammenhang mit der
Einstellung der Strafuntersuchung bezüglich des aussergewöhnlichen Todes-
falls von +A. steht. Ein allfälliger Verstoss gegen das Betäubungsmittelgesetz
durch B. ist vorliegend nicht von der Beschwerdekammer des Kantonsgerichts
zu beurteilen.
3. a) Der Untersuchungsrichter hält in der angefochtenen Einstellungs-
verfügung vom 19. Oktober 2005 fest, dass eine rückwirkende Randdatenerhe-
bung veranlasst worden sei, bei der sämtliche einund ausgehenden Verbin-
dungen in der Zeit vom 7. bis und mit 9. Oktober 2004 des von +A. benutzten
Mobiltelefons erhoben worden seien. Dadurch würden alle Verbindungen unab-
hängig von der verwendeten SIM-Karte erfasst. Die erhobenen Daten hätten es
der Kantonspolizei jedoch nicht erlaubt, den unbekannten Mann, welcher +A.
das Heroin und eventuell weitere Betäubungsmittel verkauft habe, zu ermitteln.
Des Weiteren habe J. in seiner Beschwerde vom 15. Dezember 2004 (vgl. act.
19) die Glaubwürdigkeit von B. in Zweifel gezogen, da sie ausgesagt habe, zu-
sammen mit +A. bereits um 03.30 Uhr schlafen gegangen zu sein. Dies stehe
im Widerspruch zu der Feststellung des Vaters von +A., da mit dem erwähnten
Mobiltelefon am 9. Oktober 2004 um 04.40 Uhr ein Foto aufgenommen worden
sei. Die Auswertung der erhobenen Randdaten habe jedoch ergeben, dass die-
se Aussage nicht zutreffen könne. Zwar hätte nicht mehr genau festgestellt
werden können, wann das fragliche Foto (vgl. act. 28) effektiv aufgenommen
und versandt worden sei, da die Systemzeit des Mobiltelefons zurückgesetzt



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worden sei. Es stehe aber fest, dass das fragliche Foto zweimal als MMS ver-
sandt worden sei. Da aufgrund der rückwirkend erhobenen Randdaten des Mo-
biltelefons feststehe, dass im Zeitraum vom 7. bis 10. Oktober 2004 kein MMS
versandt worden sei, müsse infolgedessen das fragliche Foto vor dem 7. Okto-
ber 2004 aufgenommen worden sein. Bei dieser Sachlage sei die am 12. Okto-
ber 2004 eröffnete Strafuntersuchung zur Abklärung des aussergewöhnlichen
Todesfalls zum Nachteil von +A. bis zur Feststellung der Identität des Drogen-
verkäufers beziehungsweise bis zum Vorliegen neuer Erkenntnisse erneut ein-
zustellen.
b)
Der Beschwerdeführer führt in seiner Beschwerde vom 10. No-
vember 2005 aus, dass sich die Sachverhaltsfeststellungen ausschliesslich auf
die polizeilichen Einvernahmen von B. und C. und den Bericht des Kantonsspi-
tals F. vom 14. Oktober 2004 abstützen würden. Im Obduktionsbericht von Dr.
med. D. vom 14. Oktober 2004 (vgl. act. 6) wird festgehalten, dass +A. durch
eine kombinierte Drogenvergiftung mit Kokain, Amphetaminen und Opiaten zu
Tode gekommen sei. Des Weiteren würden keine Hinweise auf eine Einwirkung
Dritter durch Applikation mechanischer Gewalt bestehen. Obwohl das Gericht
grundsätzlich nicht an den Befund des Sachverständigen Dr. med. D. gebunden
ist, darf sich der Richter nur aus triftigen Gründen von den Schlussfolgerungen
einer Expertise entfernen und in Fachfragen nicht ohne triftige Gründe vom
Gutachten abweichen. Eine abweichende Meinung muss zudem begründet
werden (vgl. BGE 129 I 49, E. 4; 102 IV 226). Die Beschwerdekammer des
Kantonsgerichts Graubünden sieht vorliegend keinen Grund, um vom Ergebnis
der von Dr. med. D. vorgenommenen Obduktion abzuweichen. Der Obdukti-
onsbericht vom 14. Oktober 2004 führt die Gründe für die Todesursache von
+A. klar aus und stellt ein gewichtiges Beweismittel dar. Insbesondere die Fest-
stellung der Ausschliessung mechanischer Gewalt Dritter zeigt eindeutig, dass
+A. durch die von ihr in der Nacht vom 8. auf den 9. Oktober 2004 konsumier-
ten Betäubungsmittel zu Tode gekommen ist. Ein Einwirken von Drittpersonen
mittels mechanischer Gewalt ist somit auszuschliessen. Auch ergeben sich aus
den Akten, wie im folgenden noch zu zeigen sein wird, keine Anhaltspunkte da-
für, dass eine Drittperson anderweitig etwas mit dem Tode von +A. zu tun hätte.
Der Beschwerdeführer zieht die Glaubwürdigkeit von B. und C. in Zweifel. An-
lässlich ihrer polizeilichen Einvernahme vom 10. Oktober 2004 (vgl. act. 12) gab
B. zu Protokoll, dass sie und +A. um ca. 22.00 Uhr in F. C. vor dem H. getroffen
hätten. Während des Gesprächs habe +A. um ca. 22.15 Uhr ihre beiden Kolle-



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ginnen verlassen, da sie sich mit einem Mann treffen würde, bei welchem es
sich, gemäss Angaben von C. (vgl. act. 13, S. 2), um einen russischen Staats-
angehörigen gehandelt haben dürfte. Bei diesem Mann habe +A. für ca. Fr. 50.-
- Heroin gekauft. B. bestätigte ihre Aussagen auch anlässlich der untersu-
chungsrichterlichen Einvernahme als Zeugin vom 13. Mai 2005 (vgl. act. 44). C.
bestätigte in ihrer polizeilichen Einvernahme vom 11. Oktober 2004 (vgl. act.
13) sinngemäss die von B. gemachten Aussagen bezüglich des Ablaufs des
Abends in F. vor dem H. zwischen 22.00 Uhr und 23.00 Uhr. B. machte klare
Aussagen, die sich mit den Aussagen von C. decken. Es liegen keine Anhalts-
punkte vor, ihre Aussagen seien wahrheitswidrig auf einander abgestimmt.
Bezüglich der Identität des Mannes, der +A. die Betäubungsmittel verkauft hat,
konnten weder B. noch C. weitere Angaben machen (vgl. act. 12 und act. 13, S.
2). Auf Grund der Akten kann auch nicht festgestellt werden, dass B. C.
etwas vor den Untersuchungsbehörden zu verbergen haben beziehungsweise
jemanden gemäss Art. 305 des Schweizerischen Strafgesetzbuches (StGB; SR
311.0) begünstigen wollen, in dem eine bestimmte Person aus ihrem Freundes-
kreis der Strafverfolgung entzogen werden soll. Auch ist nicht nachvollziehbar,
inwiefern die Aussage von B., sie hätten weder in F. noch in G. im H. Getränke
konsumiert, in sich nicht schlüssig sein soll. Der Beschwerdeführer führt dazu
aus, dass es offenbar schon mehrmals vorgekommen sei, dass Besucher im H.
in G. Betäubungsmittel in die Getränke anderer Besucher geschüttet hätten. Die
Tatsache, dass B. in ihrer polizeilichen Einvernahme vom 10. Oktober 2004 zu
Protokoll gab, dass weder sie noch +A. in F. beziehungsweise G. Getränke
konsumiert hätten (vgl. act. 12, S. 3), in ihrer untersuchungsrichterlichen Ein-
vernahme vom 13. Mai 2005 jedoch aussagte, dass +A. im H. ein Glas Wasser
getrunken habe, welches ihr eine Kollegin gebracht habe (vgl. act. 44, S. 3),
vermag vorliegend noch keinen Verdacht auf eine strafbare Handlung einer drit-
ten Person zu begründen, indem diese Person gegen den Willen von +A. Be-
täubungsmittel in das von ihr konsumierte Getränk gegeben hat. Der Be-
schwerdeführer macht weiter geltend, dass im Schlafzimmer von B. kein Glas
gefunden worden sei. Der Beschwerdeführer verweist dabei auf das Fotoblatt
des kriminaltechnischen Dienstes der Kantonspolizei Graubünden (vgl. act. 4).
Auf den aufgenommenen Fotos Nr. 1 und 2 ist zwar kein Glas ersichtlich, doch
ist auf Bild Nr. 1 auch nur ein Teil des Zimmers einsehbar und auf Bild Nr. 2 nur
ein Teil eines Schrankes. Im Übrigen könnte +A. das Glas Wasser durchaus
auch in einem anderen Raum in der Wohnung getrunken haben als im Schlaf-
zimmer. So führt B. in ihrer untersuchungsrichterlichen Einvernahme aus, dass



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sie nicht mehr genau wisse, wo sie ein Glas Wasser getrunken haben (vgl. act.
44, S. 4).
Auch ist nicht ersichtlich, inwiefern weitere Abklärungen im Zusammen-
hang mit dem verlorenen und von +A. gefundenen Schlüssel von I. und dessen
Beziehung zu +A. vorliegend weitere Erkenntnisse in Bezug auf ihren Tod lie-
fern sollen. Dass +A. am 7. Oktober 2004 letztmals den Betrag von Fr. 1'500.--
bei ihrer Bank abgehoben hat, um damit unter anderem Rechnungen zu bezah-
len, wurde vom Beschwerdeführer nicht nachgewiesen. +A. hätte auch nach
dem 7. Oktober 2004 Geld bei ihrer Bank bezogen haben können. Des Weite-
ren könnten die von ihr am Abend des 8. Oktobers 2004 in F. gekauften Betäu-
bungsmittel auch mit vor dem 7. Oktober 2004 bezogenem Geld bezahlt wor-
den sein.
Der Beschwerdeführer bringt weiter vor, dass der Schluss der Untersu-
chungsbehörden falsch sei, dass das Foto nach dem 6. Oktober 2005 (recte: 6.
Oktober 2004) gemacht worden sein müsse, zumal der Beschwerdeführer sel-
ber festgestellt habe, dass das Foto am 9. Oktober 2004 um 04.40 Uhr gemacht
worden sei. Des Weiteren seien bei +A. drei SIM-Karten gefunden worden und
eine Überprüfung der mit der SIM-Karte „Ultra“ getätigten Verbindungen hätte
nicht stattgefunden (vgl. act. 01, S. 8 f.). Da die Systemzeit des Mobiltelefons
aufgrund fehlender Stützspannung zurückgestellt worden ist, konnte die genaue
Zeit allfälliger Anrufe, SMS MMS nicht mehr nachvollzogen werden. So
trägt das Bild im Verzeichnis „my Album 2“ (vgl. act. 28) den Zeitstempel vom
10. Januar 2000/17.38 Uhr (vgl. act. 25). Dieses Foto wurde zwei Mal als MMS
versandt (vgl. act. 35, S. 2). Aufgrund der falschen Datumbeziehungsweise
Zeitangaben des erwähnten Fotos und der MMS ersuchte der Untersuchungs-
richter am 10. Februar 2005 (vgl. act. 31) das Kantonsgerichtspräsidium Grau-
bünden um Erteilung der Bewilligung für eine rückwirkende Teilnehmeridentifi-
kation über den Zeitraum vom 7. bis und mit dem 9. Oktober 2004. Mit Verfü-
gung vom 14. Februar 2005 erteilte das Kantonsgerichtspräsidium die Bewilli-
gung (vgl. act. 34). Die rückwirkende Randdatenerhebung wurde auf die sog.
IMEI Gerätenummer durchgeführt. Diese Methode liefert alle ausgehenden und
eingehenden Verbindungen und zwar unabhängig von der verwendeten SIM-
Karte. Somit hätten auch Verbindungen mit dem Telekomanbieter aus Bosni-
en/Herzegowina nachgewiesen werden können. Nach Auswertung der Erhe-
bung konnte festgestellt werden, dass mit dem Mobiltelefon mit der gesuchten
IMEI Nummer am 9. Oktober 2004 keine ausgehenden Anrufe getätigt worden



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sind. Ebenso sind an dem Tag weder SMS noch MMS über dieses Mobiltelefon
versandt worden (vgl. act. 35, S. 3). Auch konnte der unbekannte Mann, der
+A. das Heroin verkauft hat, anhand der Informationen der rückwirkenden Teil-
nehmeridentifikation nicht ermittelt werden (vgl. act. 47). Die Aussage des Be-
schwerdeführers, das fragliche Foto im Verzeichnis „my Album 2“ sei am 9. Ok-
tober 2004 um 04.40 Uhr gemacht worden, kann nicht zutreffen. Zwar wurde
dieses Foto zweimal als MMS versandt, doch konnte der Zeitpunkt des Versan-
des infolge der Rücksetzung der Systemzeit des Mobiltelefons nicht mehr ge-
nau festgestellt werden. Auch kann nicht mehr gesagt werden, wann genau be-
sagtes Foto aufgenommen wurde. Die vorgenommene rückwirkende Randda-
tenerhebung hat ergeben, dass am 9. Oktober 2004 keine MMS versandt wur-
den. So sind gemäss Auskunft von Swisscom Mobile im Zeitraum vom 7. bis
und mit 9. Oktober 2004 keine Eintragungen mit der gesuchten IMEI Nummer
vorhanden (vgl. act. 36). Gemäss Auskunft von Orange sind für die gesuchte
IMEI Nummer eingehende Verbindungen bis zum 8. Oktober 2004/23.34.49 Uhr
vorhanden. Ausgehende Verbindungen sind keine verzeichnet; das Gleiche gilt
für den 9. Oktober 2004 (vgl. act. 37). Auch bei Sunrise wurden in der Zeit vom
7. bis und mit 9. Oktober 2004 keine MMS versandt (vgl. act. 38). Das vom Be-
schwerdeführer beanstandete Foto konnte somit nicht am 9. Oktober 2004 um
04.40 Uhr versandt worden sein. Wie der Untersuchungsrichter zu Recht aus-
führt, muss das fragliche Foto folglich vor dem 7. Oktober 2004 aufgenommen
beziehungsweise versandt worden sein.
c)
Gemäss Art. 128 Abs. 1 StGB wird mit Gefängnis mit Busse
bestraft, wer einem Menschen, der in unmittelbarer Lebensgefahr schwebt,
nicht hilft, obwohl es ihm nach den Umständen nach zugemutet werden könnte.
In objektiver Hinsicht muss sich eine Person in unmittelbarer Lebensgefahr be-
finden. Dies ist dann der Fall, wenn deren Leben „an einem seidenen Faden“
hängt. Eine akute Gefährdung des Lebens muss dabei offenkundig sein. In sub-
jektiver Hinsicht ist Vorsatz gefordert, das heisst, das Wissen um die unmittel-
bare Lebensgefahr (vgl. Peter Aebersold, in: Marcel Alexander Niggli/Hans
Wiprächtiger (Hrsg.), Kommentar zum Schweizerischen Strafgesetzbuch, Straf-
gesetzbuch II, Art. 111-401 StGB, Basel 2003, N. 22 ff. zu Art. 128 StGB). B.
sagte anlässlich ihrer untersuchungsrichterlichen Einvernahme vom 13. Mai
2005 aus, dass ihr an +A. nichts Aussergewöhnliches aufgefallen sei, nachdem
sie zu Hause noch ein Glas Wasser getrunken haben (vgl. act. 44, S. 4). Zudem
hätte sie sich noch mit +A. unterhalten, bevor sie sich um 03.30 Uhr schlafen
legten (vgl. act. 12, S. 3). Es bestanden somit keine Anzeichen dafür, dass sich



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+A. am frühen Morgen des 9. Oktobers 2004 in unmittelbarer Lebensgefahr be-
funden hat und B. Anzeichen für eine solche Lebensgefahr hätte erkennen
müssen. Eine Unterlassung der Nothilfe gemäss Art. 128 Abs. 1 StGB durch B.
ist nicht ersichtlich.
d) Vorliegend
bestehen
somit keine hinreichenden Anhaltspunkte für
das Vorliegen einer strafund verfolgbaren Handlung bekannter Personen im
Zusammenhang mit dem Tod von +A.. Dafür müssten klare Indizien vorhanden
sein. Auch konnte die Identität des unbekannten Drogenverkäufers bis jetzt
nicht festgestellt werden. Wie bereits erwähnt, setzt die Einstellung einer Unter-
suchung zusätzlich voraus, dass die Verfügung auf einem entscheidungsreifen
Beweisergebnis beruht. Dies ist dann der Fall, wenn keine konkret zu erheben-
den Beweismittel mehr zu erkennen sind, die das Resultat beeinflussen könn-
ten. Erst die fehlende Möglichkeit einer Ergänzung der Untersuchung rechtfer-
tigt die Einstellung des Verfahrens. Solange noch konkret zu erhebende Be-
weismittel erkennbar sind, liegt ein entscheidungsreifes Beweisergebnis nicht
vor. In diesem Zusammenhang kann festgehalten werden, dass die Vorbringen
beziehungsweise Spekulationen des Beschwerdeführers insgesamt als zu un-
realistisch erscheinen. Die vorliegenden Akten ergeben ein plausibles Bild über
den Ablauf der Nacht vom 8. auf den 9. Oktober 2004 und die Todesursache
von +A.. Es liegen keine Anhaltspunkte vor, die auf etwas Verdächtiges hinwei-
sen würden. Dies umso mehr, als auch der Obduktionsbericht vom 14. Oktober
2004 eine Fremdeinwirkung im Zusammenhang mit dem Tod von +A. klar aus-
schliesst. Es sind keine Abklärungen ersichtlich, welche durchzuführen wären,
damit noch mehr Klarheit herrscht. Es ist nicht Aufgabe der Untersuchungsbe-
hörden, jeglichen Spekulationen nachzugehen; für eine sinnvolle Untersu-
chungsergänzung müssen gewisse Anhaltspunkte vorliegen, was vorliegend
gerade nicht der Fall ist. Eine Abnahme weiterer Beweismittel ist somit nicht
nötig, da solche kaum zur Erhellung des massgeblichen Sachverhaltes führen
würden das Beweisergebnis massgeblich beeinflussen könnten. Schliess-
lich wurde die Strafuntersuchung unter dem Vorbehalt der Wiederaufnahme
eingestellt. Bei neuen Erkenntnissen der Feststellung der Identität des un-
bekannten Drogenverkäufers kann die Untersuchung wieder aufgenommen
werden.
Sind nach dem Gesagten keine weiteren konkret zu erhebenden Be-
weismittel ersichtlich, die zur Klärung des Sachverhaltes beitragen könnten, so
hat die Staatsanwaltschaft Graubünden die am 12. Oktober 2004 eröffnete



12


Strafuntersuchung zur Abklärung des aussergewöhnlichen Todesfalls zum
Nachteil von +A. bis zur Feststellung der Identität des Drogenverkäufers bezie-
hungsweise bis zum Vorliegen neuer Erkenntnisse zu Recht eingestellt. Die
Beschwerde erweist sich daher als unbegründet und ist abzuweisen.
4.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens gehen die Kosten des Be-
schwerdeverfahrens zu Lasten des Beschwerdeführers (vgl. Art. 160 Abs. 1
StPO).



13


Demnach erkennt die Beschwerdekammer :
1. Die
Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens von Fr. 500.-gehen zu Lasten
des Beschwerdeführers.
3. Mitteilung
an:
__
Für die Beschwerdekammer des Kantonsgerichts von Graubünden
Der Präsident:
Der Aktuar ad hoc:


Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

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