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Urteil Kantonsgericht Graubünden (GR)

Zusammenfassung des Urteils BK-03-49: Kantonsgericht Graubünden

Das Obergericht des Kantons Zürich, II. Strafkammer, hat am 26. August 2016 im Fall A. entschieden. Der Beschuldigte wurde vom Vorwurf des Vergehens gegen das Bundesgesetz über die obligatorische Arbeitslosenversicherung und die Insolvenzentschädigung freigesprochen. Die Kosten des Verfahrens werden von der Gerichtskasse übernommen. Der Beschuldigte wird eine Prozessentschädigung von Fr. 9'500.- zugesprochen.

Urteilsdetails des Kantongerichts BK-03-49

Kanton:GR
Fallnummer:BK-03-49
Instanz:Kantonsgericht Graubünden
Abteilung:-
Kantonsgericht Graubünden Entscheid BK-03-49 vom 24.11.2003 (GR)
Datum:24.11.2003
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Sportunfall z.N. von A
Schlagwörter : Bergführer; Karabiner; Unfall; Graubünden; Schlucht; Kanton; Beschwerdekammer; Staatsanwaltschaft; Zeuge; Kantons; Verfügung; Bandschlinge; Start; Einstellungsverfügung; Teilnehmer; Verfahren; Karabiners; Kantonsgericht; Instruktion; Metallringe; Zeugen; Querlage
Rechtsnorm:Art. 125 StPO ;Art. 138 StPO ;Art. 160 StPO ;
Referenz BGE:-
Kommentar:
-

Entscheid des Kantongerichts BK-03-49

Kantonsgericht von Graubünden
Tribunale cantonale dei Grigioni
Dretgira chantunala dal Grischun
_____
Ref.:
Chur, 24. November 2003
Schriftlich mitgeteilt am:
BK 03 49

Entscheid
Beschwerdekammer
Vizepräsident Bochsler, Kantonsrichterin Heinz-Bommer und Kantonsrichter
Rehli, Aktuarin Mosca.
——————
In der strafrechtlichen Beschwerde
des A., Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. iur. Hansjakob
Zellweger, Postfach 1022, Kirchstrasse 1, 8580 Amriswil,

gegen

die Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft Graubünden vom 15. Sep-
tember 2003, mitgeteilt am 19. September 2003, in Sachen des Beschwerde-
führers,
betreffend Sportunfall z.N. von A.,

hat sich ergeben:


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A. Unter dem Namen „D.“ verbrachte eine grössere Gruppe deutscher
Gäste ihre Ferien in C.. Das Ferienprogramm beinhaltete verschiedene Aktivitä-
ten wie Vorträge, Seminare und Rahmenprogramme. Die Organisation und die
Koordination der Rahmenprogramme wurde durch die „D.“ der „E.“ übertragen.
Ein Teil dieser Programme bestand aus einer Überquerung der Schlucht K. un-
terhalb der L. bei C. mit dem „Flying-Fox“. Dabei wird eine Person mittels Klet-
tergurt, Karabinern und Flachbandschlinge an einer Rolle, die auf einem über
die Schlucht gespannten Seil liegt, von einer zur anderen Seite befördert. Mit
der Durchführung dieser Schluchtübersetzung war die Bergsteigerschule C.
beauftragt, welche für diesen Auftrag drei ausgebildete und patentierte Bergfüh-
rer anstellte. F., einer dieser Bergführer, übernahm am Startplatz die Aufgabe,
die Klettergurte jeweils auf die die Schlucht überquerende Person anzupassen
und den Teilnehmer sodann am Übersetzungsseil richtig einzuhängen. Nach-
dem am Morgen des 21. Januar 2000 bereits eine Gruppe von 12 Personen die
Schlucht überquert hatte, kam um 13.30 Uhr eine zweite Gruppe an die Reihe.
Die ersten beiden Teilnehmer hatten die Schlucht problemlos überquert, als
sich A. an den Startplatz begab. Der Bergführer passte in der Folge den Kombi-
Klettergurt an und befestigte ihn mittels Twist-Lock-Karabiner und Flachband-
schlinge an der Seilrolle. Anschliessend begab sich A. nach Anweisung des
Bergführers in Startposition und begann mit dem Übersetzen. Dabei hielt er sich
mit beiden Händen an der Verbindungsschlinge fest. Nach ungefähr sieben Me-
tern stürzte A. direkt in die Schlucht, wo er nach 20 Meter freiem Fall auf der mit
wenig Schnee bedeckten Eisfläche des gefrorenen Flusses aufprallte, diese
durchbrach und schliesslich im Wasser zum Liegen kam. Bei diesem Sturz erlitt
der Verunfallte eine mehrfache Fraktur der rechten Mittelhand, eine Fraktur im
Ellbogen sowie eine Fraktur des Mittelfusses rechts und eine Rissquetschung
an der rechten Wange.

B. Nach erfolgter Anzeige eröffnete die Staatsanwaltschaft Graubünden
mit Verfügung vom 2. März 2000 eine Strafuntersuchung wegen des Sportunfal-
les zum Nachteil von A..
C. Mit Verfügung vom 25. August 2000 stellte die Staatsanwaltschaft
Graubünden die Strafuntersuchung ein. Zur Begründung wurde im Wesentli-
chen angeführt, der für den Startplatz verantwortliche Bergführer habe die dem
damaligen Stand des Wissens und der Technik entsprechenden Sicherheits-
massnahmen angewendet. Es könne niemandem eine Vernachlässigung von
Sorgfaltspflichten angelastet werden. Der Gutachter sei nach reiflicher Prüfung


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sämtlicher zur Verfügung stehenden Akten zum Schluss gelangt, dass der Un-
fall auf eine Verkettung unglücklicher Umstände zurückzuführen sei, die in die-
ser Art für den Bergführer nicht voraussehbar gewesen seien. Insbesondere sei
davon auszugehen, dass zum Unfallzeitpunkt noch keine allgemein verbindli-
chen Empfehlungen existierten, welche für diese Art von Aktivität vollständige
Redundanz verlangten.
D. Gegen diese Einstellungsverfügung erhob A. am 18. September 2000
Beschwerde bei der Beschwerdekammer des Kantonsgerichtes von Graubün-
den mit dem Begehren, die angefochtene Verfügung sei aufzuheben und die
Sache sei an die Staatsanwaltschaft zur Weiterführung des Strafverfahrens zu-
rückzuweisen.
E. Die Beschwerdekammer des Kantonsgerichtes von Graubünden hiess
die Beschwerde mit Entscheid vom 15. November 2000 gut und wies die Sache
im Sinne der Erwägungen an die Staatsanwaltschaft Graubünden zurück. Die
Kosten des Beschwerdeverfahrens von Fr. 500.-wurden dem Kanton Grau-
bünden auferlegt, welcher den Beschwerdeführer ausseramtlich mit Fr. 600.--
zu entschädigen hatte. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der
Sachverhalt sei nicht einwandfrei abgeklärt worden. So bestünden widersprüch-
liche Aussagen in Bezug auf die Instruktion durch den Bergführer F.. Insbeson-
dere sei aber dem Gutachter H. eine entscheidende Frage nicht gestellt wor-
den, nämlich die Frage, wie der Karabiner fachgemäss in die beiden Metallringe
eingehängt werden müsse. Auch F. sei nicht befragt worden, wie er den Kara-
biner und die Bandschlinge befestigt habe.
F. In der Folge wurde die Untersuchung ergänzt. So wurde F. als Aus-
kunftsperson einvernommen. Sowohl G., der die Schlucht K. am fraglichen Tag
ebenfalls überqueren wollte, als auch A. wurden rechtshilfeweise als Zeugen
befragt. Schliesslich wurde H. beauftragt, sein Gutachten zu ergänzen.
G. Mit Verfügung vom 5. Februar 2002 stellte die Staatsanwaltschaft
Graubünden die Strafuntersuchung erneut ein, zumal durch die Untersuchung
nicht habe nachgewiesen werden können, dass F. beim Einhängen des Twist-
lock-Karabiners in die Gurtenringe des von A. getragenen Gurts einen Fehler
begangen habe. Die verwendete Sicherung habe der damals bekannten Praxis
und dem üblichen Stand der Ausbildung des Bergführers entsprochen. Gemäss
Ergänzungsgutachten vom 13. November 2001 sei der Unfall vor allem darauf


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zurückzuführen, dass der Karabiner in Querlage geraten und durch die Flach-
bandschlinge geöffnet worden sei. Wenn der Verunfallte die Anweisungen des
Bergführers befolgt hätte, wäre der Karabiner nicht in Querlage geraten und der
Unfall hätte vermieden werden können.
H. Gegen diese Einstellungsverfügung liess A. am 4. März 2002 Be-
schwerde bei der Beschwerdekammer des Kantonsgerichtes von Graubünden
erklären. Er beantragte, die Einstellungsverfügung sei aufzuheben und das
Strafverfahren durch Anklageerhebung wegen fahrlässiger Körperverletzung
weiterzuführen.
I. Mit Entscheid vom 17. April 2002, mitgeteilt am 11. Juli 2002, hiess die
Beschwerdekammer des Kantonsgerichtes die Beschwerde gut und wies die
Sache im Sinne der Erwägungen an die Staatsanwaltschaft Graubünden zu-
rück. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens von Fr. 500.-wurden dem Kanton
Graubünden auferlegt, welcher den Beschwerdeführer ausseramtlich mit Fr.
600.-zu entschädigen hatte. Die Beschwerdekammer begründete ihren Ent-
scheid insbesondere damit, die Aussagen des Bergführers F. seien in Bezug
auf die Instruktion widersprüchlich. Auch in den übrigen Einvernahmen sei das
Augenmerk nicht auf diese Problematik gerichtet worden. Deshalb liege der
Schluss nahe, F. zu diesen Widersprüchen zu befragen. Je nach Beweisergeb-
nis seien dann auch weitere Teilnehmer der Schluchtüberquerung darüber zu
befragen, wie die Instruktion gelautet habe.
J. In Ergänzung der Untersuchung wurden sodann A., I., welche die
Schlucht als erste überquert hat, sowie J. als Zeugen befragt. Darüber hinaus
wurden noch zwei weitere Befragungen von Bergführer F. vorgenommen.
K. Mit Verfügung vom 15. September 2003, mitgeteilt am 19. September
2003, stellte die Staatsanwaltschaft Graubünden die Strafuntersuchung aber-
mals ein, da aufgrund der Zeugenaussagen nicht möglich sei, F. mit rechts-
genüglicher Sicherheit eine ungenügende Instruktion und ein fahrlässiges Ver-
halten im Zusammenhang mit der Durchführung des Flying-Fox nachzuweisen.
L. Dagegen liess A. am 9. Oktober 2003 Beschwerde bei der Beschwer-
dekammer des Kantonsgerichtes von Graubünden erheben. Er beantragt:
„Es sei in Aufhebung der angefochtenen Verfügung das Strafverfahren
durch Anklageerhebung wegen fahrlässiger Körperverletzung weiterzu-
führen; unter Kostenund Entschädigungsfolgen.“



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Die Staatsanwaltschaft Graubünden verzichtete mit Schreiben vom 16.
Oktober 2003 auf eine Vernehmlassung.
Auf die weiteren Erwägungen in den Rechtsschriften sowie im angefoch-
tenen Entscheid wird, soweit erforderlich, im folgenden eingegangen.


Die Beschwerdekammer zieht in Erwägung :
1. Gemäss Art. 138 StPO kann die Beschwerdekammer angefochtene
Einstellungsverfügungen nicht nur auf Rechtswidrigkeit, sondern auch auf Un-
angemessenheit überprüfen. In ständiger Rechtsprechung hat die Beschwerde-
kammer an diesem Grundsatz der freien Ermessenskontrolle festgehalten, al-
lerdings jeweils präzisierend beigefügt, ein Eingreifen in das Ermessen des Un-
tersuchungsrichters und des Staatsanwaltes rechtfertige sich nur, wenn sich
deren Verfügung nicht mit triftigen Gründen vertreten lasse. Diese Zurückhal-
tung bedeutet freilich nicht, dass sich die Beschwerdekammer auf eine reine
Willkürprüfung beschränken würde. Eine Einstellungsverfügung ist nur ange-
messen und hält der umschriebenen Kontrolle stand, wenn aufgrund des Unter-
suchungsergebnisses nicht genügend Anhaltspunkte für das Vorliegen einer
strafund verfolgbaren Handlung gegeben sind und somit bei gerichtlicher Be-
urteilung ein Freispruch erwartet werden müsste und wenn keine neuen Be-
weismittel ersichtlich sind, die das Beweisergebnis massgeblich beeinflussen
könnten. Aufzuheben ist eine Einstellungsverfügung hingegen, wenn in objekti-
ver und subjektiver Hinsicht Anhaltspunkte vorliegen, die einen Schuldspruch
als wahrscheinlich erscheinen lassen, wenn die Möglichkeiten zu einer
sinnvollen Untersuchungsergänzung gar nicht ausgeschöpft wurden (PKG 1975
Nr. 58 S. 169).
2. a) Gegenstand des vorliegenden Strafverfahrens bildet nun die Frage,
ob Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass der Tatbestand der fahrlässigen
Körperverletzung im Sinne von Art. 125 Abs. 1 StPO erfüllt wurde. Das tatbe-
standsmässige Verhalten kann in einem Tun liegen, im Herbeiführen Stei-
gern einer Gefahr, die dann in den Erfolg umgeschlagen ist. Dies darf allerdings
nur demjenigen zugerechnet werden, der voraussehen konnte, dass sein Ver-
halten geeignet sein würde, die Beeinträchtigung des Rechtsgutes (Verletzung
eines Menschen) herbeizuführen. Ausserdem muss erstellt sein, dass sich der


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tatbestandsmässige Erfolg durch die Anwendung pflichtgemässer Vorsicht mit
grosser Wahrscheinlichkeit hätte vermeiden lassen. Das sorgfaltswidrige Ver-
halten kann aber auch in blossem Unterlassen (Nichtabwenden der Gefahr)
bestehen, dann nämlich, wenn jemand in Verletzung einer Rechtspflicht (als
sogenannter Garant) eine Handlung unterlässt, die objektiv möglich gewesen
wäre, und dabei voraussehen konnte, dass der verpönte Erfolg durch das gebo-
tene Handeln höchstwahrscheinlich abgewendet worden wäre. Das Mass der
im Einzelfall zu beachtenden Sorgfalt lässt sich nicht allgemein bestimmen. Es
richtet sich vielmehr nach den konkreten Umständen, zu denen unter anderem
Art, Zweck und Notwendigkeit der geplanten Handlung, die mit ihr verbundenen
Gefahren sowie die zur Verfügung stehenden Handlungsmittel und Schutzvor-
kehren gehören, des weiteren aber auch nach den speziellen Kenntnissen und
Fähigkeiten des Täters (vgl. PKG 1992 Nr. 52).
b) Wie bereits in BK 00/53 und BK 02/20 ausgeführt, ist vorliegend unbe-
stritten, dass F. als von der Bergsteigerschule C. angestellter Bergführer am
Startplatz für die Sicherung und Fixierung der Gäste am Transportteil verant-
wortlich war. In dieser Funktion oblag es ihm, die Teilnehmer mit der nötigen
Sorgfalt im Kombigurt anzuschnallen und zu sichern. In seinem Gutachten vom
25. Juli 2000 hat H. dargelegt, im Unfallzeitpunkt hätten in der Schweiz keine
verbindlichen Sicherheitsbestimmungen für die Durchführung von Outdoor-
Aktivitäten wie Flying-Fox existiert. Insbesondere habe es im fraglichen Zeit-
punkt keine verbindlichen Empfehlungen gegeben, welche eine vollständige
Redundanz für diese Art von Aktivität verlangten. Mit anderen Worten habe es
dem in der Schweiz zu diesem Zeitpunkt üblichen Sicherheitsstandard entspro-
chen, keinen zweiten Karabiner und keine zweite Bandschlinge beim Anseilen
für Flying-Fox-Aktivitäten zu verwenden. Der Experte stufte im Weiteren die
Verwendung von Twistlock-Karabinern zum Anseilen bei seilgestützten Aben-
teuerübungen nicht als unsicher ein. Der Unfall dürfte nach seiner Ansicht auf
eine Querlage des Anseilkarabiners in den beiden Metallringen des Anseilgur-
tes und auf eine gleichzeitig ungünstige Lage der Bandschlinge zurückzuführen
sei. Bei den auf den Bildern 1 bis 6 sowie 9 und 10 (vgl. Gutachten, act. 2.14)
dargestellten Arten der Belastung sei das selbständige Öffnen des Twistlock-
Verschlusses und das anschliessende Aushängen der Bandschlinge aus dem
Karabiner leicht möglich, unter der Voraussetzung, dass mit der Bandschlinge
eine Bewegung ausgeführt werde. In seinem Ergänzungsgutachten vom 13.
November 2001 führt H. aus, dass bis zum Zeitpunkt des fraglichen Unfalles ein
Anseilen, vergleichsweise dem auf Gletschern und beim Toprope-Klettern (wo-


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von das Wissen um das Anseilen für das Flying-Fox hergeleitet worden sei) wie
es F. vorgenommen habe, und zwar mit einem Komplett-Anseilgurt mit zwei
Metallringen und einem Twistlock-Karabiner, allgemein üblich gewesen sei. Un-
fälle wie der gegenständliche seien nicht bekannt gewesen. Wenn man eine
Querbelastung des Karabiners wie dies sowohl beim Begehen von Gletschern
wie auch beim Toprope-Klettern immer wieder einmal auftritt hätte vermeiden
wollen, hätte man einen Reepschnur-, Bandoder Seilring in die beiden Metall-
ringe einknüpfen und in diesen den Twistlock-Karabiner einhängen müssen. Bis
zu diesem Zeitpunkt seien aber Unfälle wie der gegenständliche nicht bekannt
gewesen. Nach diesem Unfall (und dem am Kanzianiberg) könne davon ausge-
gangen werden, dass sich die Lehrmeinung geändert habe und nunmehr Re-
dundanz gefordert sei.
c) Der Beschwerdeführer macht geltend, der Karabiner sei nicht ge-
schlossen gewesen; dies sei die allerwahrscheinlichste Variante des Versagens
der ganzen Aufhängung. Bei näherer Prüfung des fraglichen Twist-Lock-
Karabiners falle auf, dass das grüne Verschlussteil so beweglich sei, dass es
bei offenem Zustand des Karabiners und einer kleinen Drehberührung in die-
sem Zeitpunkt anschliessend gar nicht mehr zu einem Schliessen des Karabi-
ners kommen könne. Sowohl der Beschwerdeführer selbst als auch G. hätten
als Zeugen ausgesagt, der Bergführer F. hätte keine Kontrolle des Karabiners
vorgenommen. Selbst aber wenn man die unwahrscheinlichere Ursachenvari-
ante der Querlage des Karabiners in Betracht ziehen würde, wäre es nach An-
sicht des Beschwerdeführers die Pflicht des Bergführers gewesen, den Karabi-
ner so in Längsrichtung anzubringen, dass sich dieser keinesfalls drehen kön-
ne. Dem Gutachten könne entnommen werden, dass wenn der Karabinerha-
ken nicht ordnungsgemäss eingehängt werde - das Risiko des Öffnens gege-
ben sei, wobei auch ein Bergführer dieses Risiko hätte erkennen müssen.
Dieser Argumentation kann nicht gefolgt werden. Nach Ansicht des Ex-
perten H. ist der Unfall auf eine Querlage des Anseilkarabiners in den beiden
Metallringen des Anseilgurtes und auf eine gleichzeitig ungünstige Lage der
Bandschlinge zurückzuführen (vgl. act. 2.14, S. 4). Die Meinung des Beschwer-
deführers, wonach die Unfallursache darin liege, dass der Karabiner schon an-
fänglich nicht geschlossen gewesen sei, wird vom Experten somit nicht geteilt.
Wie bereits in BK 02/20 ausgeführt, entsprach im Weiteren die Art und Weise
wie der Bergführer den Beschwerdeführer angeseilt hat dem zu diesem Zeit-
punkt üblichen Sicherheitsstandart. Nach Darstellung des Experten konnte man


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vom Bergführer im Unfallzeitpunkt nicht erwarten, dass er - um eine Querlage
des Karabiners zu vermeiden einen Reepschnur-, Bandoder Seilring in die
beiden Metallringe einknüpft und in diesen den Twistlock-Karabiner einhängt
eine vollständige Redundanz anwendet. Der Bergführer musste demnach
zum fraglichen Zeitpunkt nicht speziell darauf achten wie er den Karabiner in
die beiden Metallringe einhängt, da bis anhin Unfälle dieser Art nicht bekannt
waren (vgl. dazu BK 02/20, S.7).
d) Der Beschwerdeführer rügt, die Instruktion des Bergführers habe le-
diglich dahingehend gelautet, kräftig abzustossen. Wie die Hände gehalten
würden, sei für F. nicht relevant gewesen. Er habe gewusst, dass die meisten
Teilnehmer automatisch an der Flachbandschlinge halten würden, was die ers-
ten beiden Teilnehmer der Überquerung auch gemacht hätten. Der Bergführer
habe danach nicht eingegriffen.
Diese Rüge kann nicht gehört werden. Der Beschwerdeführer selbst sag-
te am Tag nach dem Unfall aus, der Bergführer habe ihn dahingehend instru-
iert, er solle springen und sich zuerst am Verbindungsband halten und später
dann loslassen (act. 2.5). Anlässlich der rogatorischen Einvernahme vom 24.
August 2001 bemerkte A. als Zeuge, F. habe befohlen, „springt raus“. Die Ge-
schwindigkeit, die erreicht werden sollte, sei nötig, um das andere Ende der
Schlucht zu erreichen. Der Bergführer habe sodann bemerkt, der Spass sei
grösser, wenn die Teilnehmer die Arme ausstrecken würden, jedoch sollte bei
Angst festgehalten werden (act. B 14, S. 3). Am 18. Februar 2003, somit rund
drei Jahre nach dem Unfall, äusserte sich A. im Wesentlichen im gleichen Sinne
(act. B 31, S. 3). G. erklärte am Tag des Unfalls, sie seien als Gruppe nicht
speziell instruiert eingewiesen worden. Welche Anweisungen der Bergfüh-
rer jedem Einzelnen gegeben habe, wisse er nicht, zumal er erst nach A. die
Schlucht hätte überquerten sollen (act. 2.4). Als Zeuge befragt, bemerkte G. in
diesem Zusammenhang hingegen, es sei gruppenweise vor Beginn der Über-
querung instruiert worden. Es sei nicht angeordnet worden, sondern nur emp-
fohlen worden, sich nicht an der Bandschlinge festzuhalten, sondern in ihr zu
sitzen. Die Hände sollten frei vom Körper weggestreckt werden (act. B 11, S. 2).
I. war die erste Teilnehmerin, welche die Schlucht am fraglichen Tag überquert
hat. Dabei verletzte sie sich an den Fingern. Am 13. Mai 2003 wurde sie erst-
mals als Zeugin befragt. Sie gab zu Protokoll, der Bergführer habe sinngemäss
gesagt, sie solle zur Kante gehen und dann an der Kante mit Kraft abdrücken.
Sie habe dabei wahrgenommen, dass das Seil durchgehangen habe, weshalb


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sie sich instinktiv beim Springen am Seil festgehalten habe. Rund drei Jahre
nach dem Unfall könne sie nicht mehr sagen, ob sie spezielle Anweisungen
bezüglich der Handhaltung bekommen habe. Sie könne aber ausschliessen,
dass man sie auf die Gefahr hingewiesen habe, welche bestehe, wenn man
sich am Seil im Bereich der Haken festhalte. Ansonsten hätte sie sich nicht so
verhalten und gefährliche Verletzungen riskiert (act. B 35). J. berichtete als
Zeuge (Einvernahme vom 13. Juni 2003), am Startplatz habe er eine Kurzan-
weisung erhalten, welche folgende drei Punkte beinhaltet habe:(a) der Überset-
zende sollte sich von einem auf dem Boden befindlichen Brett abstossen, um
Schwung zu bekommen, (b) der Übersetzende sollte sich mit beiden Händen an
dem Seil festhalten, jedoch nicht zu weit oben wegen evtl. Verletzungsgefahr,
(c) beim Landen sollten die Füsse nicht zu früh aufgesetzt werden (act. B 38, S.
2). F. erklärte am 5. November 2002, es sei immer so instruiert worden, dass
man sich nach ein zwei Schritten nach hinten in die Gurten fallen lassen
soll. An diesem Posten sei es gar nicht möglich, mit Anlauf zu starten, da sich
der Start auf einem Schalbrett von rund 60 bis 80 cm Breite befunden habe. Er
habe gesagt „in den Gurt setzen und weg von der Bandschlinge“ (act. B 27).
Am 10. Juli 2003 wurde F. erneut einvernommen. Er wurde darauf aufmerksam
gemacht, dass widersprüchliche Aussagen bezüglich der Haltung der Hände
gemacht worden seien. F. beteuerte, er habe ganz klar gesagt, es bestehe Ver-
letzungsgefahr, wenn man sich beim Start an der Schlinge festhalte. Die Leute
würden sich aber instinktiv an der Schlinge festhalten, wenn sie sich in die Gur-
ten fallen lassen würden (act. B 39).
Die wiedergegebenen Zeugenaussagen weisen grosse Widersprüche
auf. Während J. behauptete, der Bergführer habe die Weisung erteilt, wegen
der Verletzungsgefahr am unteren Teil der Schlinge festzuhalten, berichtete G.,
es sei empfohlen worden, sich nicht an der Bandschlinge festzuhalten. I. konnte
sich nicht mehr daran erinnern, ob spezielle Anweisungen bezüglich der Hand-
haltung gegeben worden sind. Der Beschwerdeführer wiederum führte am Tag
nach dem Unfall aus, F. habe instruiert, er solle zuerst am Verbindungsband
halten und dann loslassen. Bei späteren Befragungen gab der Beschwerdefüh-
rer an, der Bergführer habe bemerkt, der Spass sei grösser, wenn die Teilneh-
mer die Arme strecken würden, jedoch sollte bei Angst festgehalten werden. F.
seinerseits beteuerte hingegen, er habe ganz klar gesagt, es bestehe Verlet-
zungsgefahr, wenn man sich beim Start an der Schlinge festhalte. Die Aussa-
gen sind nach dem Gesagten in Bezug auf die Instruktion nicht klar. Aufgrund
des vorliegenden Beweisergebnisses kann nicht mit rechtsgenüglicher Sicher-


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heit behauptet werden, F. habe eine fehlerhafte Weisung erteilt. Mit anderen
Worten sind nicht genügend Anhaltspunkte für das Vorliegen eines tatbe-
standsmässigen Verhaltens von F. vorhanden. Ebensowenig sind weitere Be-
weismittel ersichtlich, welche an diesem Untersuchungsergebnis etwas zu än-
dern vermöchten. Seit dem fraglichen Unfall sind rund vier Jahre vergangen,
weshalb weitere Befragungen der nämlichen Zeugen die Befragung von
zusätzlichen Personen nicht zur Klärung der bestehenden Widersprüche beitra-
gen könnten. Bei diesem Beweisergebnis müsste im Falle einer Anklage mit
einem Freispruch gerechnet werden. Die Staatsanwaltschaft Graubünden hat
somit zu Recht die Strafuntersuchung gegen F. wegen fahrlässiger Körperver-
letzung eingestellt. Im Übrigen ist die Staatsanwaltschaft jedoch darauf auf-
merksam zu machen, dass die Einstellungsverfügungen sorgfältig zu begrün-
den sind (vgl. Padrutt, Kommentar zur Strafprozessordnung des Kantons Grau-
bünden, 2. Aufl., Chur 1996, S. 165). Im vorliegenden Fall fehlt eine detaillierte
Auseinandersetzung mit den Zeugenaussagen.
Selbst aber wenn F. die Instruktion erteilt hätte, man dürfe sich an der
Schlinge festhalten, ist dies nicht relevant. Denn wie H. in seinem Gutachten
vom 25. Juli 2000 (act. 2.14, S. 4) festgehalten hat, muss damit gerechnet wer-
den, dass bei Angst reflexartig festgehalten werde. Entscheidend ist vielmehr
die Tatsache, dass F. nach dem damaligen Sicherheitsstandart nicht wissen
musste, dass - um eine Querlage des Karabiners zu vermeiden man einen
Reepschnur-, Bandoder Seilring in die beiden Metallringe einknüpfen und in
diesen den Twistlock-Karabiner hätte einhängen müssen. Nach dem gegen-
ständlichen Unfall hat sich die Lehrmeinung geändert und die Forderung nach
vollständiger Redundanz beim Flying-Fox dürfte sich durchsetzen (vgl. Ergän-
zungsgutachten vom 13. November 2001, act. B 19).
3. Muss nach dem Gesagten die Beschwerde abgewiesen werden, so
gehen die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu Lasten des Beschwerdefüh-
rers (Art. 160 Abs. 1 StPO).


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Demnach erkennt die Beschwerdekammer :
1. Die
Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens von Fr. 500.-gehen zu Lasten
des Beschwerdeführers.
3. Mitteilung
an:
__
Für die Beschwerdekammer des Kantonsgerichts von Graubünden
Der Vizepräsident:
Die Aktuarin:


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