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Urteil Kantonsgericht Graubünden (GR)

Zusammenfassung des Urteils BK-03-44: Kantonsgericht Graubünden

Ein Snowboardunfall führte zu schweren Verletzungen von A. X., der zum ersten Mal snowboardete. Nachdem er die offizielle Piste verliess, stürzte er über einen steilen Hang. Sein Vater stellte Strafanzeige gegen den Pistenchef, was zu einer Einstellung des Verfahrens führte. A. X. legte Beschwerde ein, doch die Beschwerdekammer entschied, dass der Pistenchef keine Verantwortung trug. Die Kosten des Verfahrens von CHF 800 trägt A. X.

Urteilsdetails des Kantongerichts BK-03-44

Kanton:GR
Fallnummer:BK-03-44
Instanz:Kantonsgericht Graubünden
Abteilung:-
Kantonsgericht Graubünden Entscheid BK-03-44 vom 24.11.2003 (GR)
Datum:24.11.2003
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:fahrlässige Körperverletzung
Schlagwörter : Piste; Pisten; Pistenrand; Schnee; Richtlinien; Unfall; Recht; Meter; Snowboard; Skipiste; SKUS-Richtlinien; Verkehrssicherung; Fahrt; Pistenchef; Graubünden; Böschung; Verkehrssicherungspflicht; Absturz; Staatsanwaltschaft; Stiffler; Gelände; Gefahr; „F“
Rechtsnorm:Art. 160 StPO ;
Referenz BGE:101 IV 396; 115 IV 189;
Kommentar:
-

Entscheid des Kantongerichts BK-03-44

Kantonsgericht von Graubünden
Tribunale cantonale dei Grigioni
Dretgira chantunala dal Grischun
_____
Ref.:
Chur, 24. November 2003
Schriftlich mitgeteilt am:
BK 03 44

Entscheid
Beschwerdekammer
Vorsitz Vizepräsident
Bochsler
RichterInnen
Heinz-Bommer und Rehli
Aktuarin Duff
Walser
——————
In der strafrechtlichen Beschwerde
des A. X., Beschwerdeführer, vertreten durch C. X., wiedervertreten durch
Rechtsanwalt lic. iur. Ilario Bondolfi, Postfach 74, Reichsgasse 71, 7002 Chur,

gegen

die Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft Graubünden vom 3. Septem-
ber 2003, mitgeteilt am 8. September 2003, in Sachen gegen B., Beschwerde-
gegner, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. iur. Christian Rathgeb, Postfach 101,
Bahnhofstrasse 7, 7001 Chur,
betreffend fahrlässige Körperverletzung,

hat sich ergeben:



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A. Am 28. Dezember 2002 ereignete sich oberhalb der Talstation im Ski-
gebiet von D. ein Snowboardunfall, bei dem A. X. schwere Körperverletzungen
erlitt. Nachdem A. X., der zum ersten Mal mit einem Snowboard unterwegs war,
unter Anweisung seines Freundes längere Zeit bei der Bergstation E. geübt hat-
te, fuhren die beiden bei leichtem Schneefall vermischt mit Regen auf der roten,
mit Kunstschnee bedeckten Piste „F.“ Richtung D. zu Tale. Die Skipiste „F.“ ver-
läuft zunächst parallel zu den Sesselliftmasten und schliesslich im unteren Ab-
schnitt talwärts gesehen in einer Rechtskurve, welche entlang einer steilen Ge-
ländekante führt. Oberhalb der dortigen Böschung war in der Rechtskurve ein
Sicherheitsnetz angebracht, welches über den linken Pistenrand hinausreichte.
In diesem Bereich der Piste „F.“ war weder der Pistenrand mit Markierungs-
stangen gekennzeichnet noch eine Mittelmarkierung auf der Skipiste ange-
bracht. A. X. fuhr stets voraus, machte jeweils zwei bis drei Kurven und hielt
dann an. Sein Freund, der bereits seit acht Jahren Snowboard fährt, folgte ihm.
Auf dieser Fahrt gelangte A. X. oberhalb des Sesselliftmasts Nr. 3 nach einer
Linkskurve über den linken Pistenrand hinaus. Anstatt dem Verlauf der offiziel-
len Piste zu folgen, welche in diesem Bereich eine Rechtskurve aufweist, fuhr
A. X. rund 12 Meter vom Pistenrand entfernt im Neuschnee zwischen dem Seil-
bahnmasten Nr. 3 und dem am unteren Pistenrand über dem Steilhang ange-
brachten Fangnetz geradeaus weiter, wo er über die steile, mit grossen Natur-
steinen durchsetzte Böschung bis auf die Wiese unterhalb der Verbindungs-
strasse D.-G. hinunter stürzte und schwer verletzt liegen blieb.
B. C. X., der Vater von A. X., stellte am 10. Januar 2003 Strafantrag we-
gen Körperverletzung gegen den für die Pistensicherung im Skigebiet D. ver-
antwortlichen Pistenchef B.. In der Folge eröffnete die Staatsanwaltschaft
Graubünden eine Strafuntersuchung gegen B. wegen fahrlässiger Körperverlet-
zung.
C. Mit Verfügung vom 3. September 2003, mitgeteilt am 8. September
2003, stellte die Staatsanwaltschaft Graubünden die Strafuntersuchung gegen
B. ein.
D. Dagegen liess A. X. mit Eingabe vom 30. September 2003 Beschwer-
de bei der Beschwerdekammer des Kantonsgerichts von Graubünden erheben.
Er beantragt die Aufhebung der angefochtenen Verfügung sowie die Wieder-
aufnahme des gegen B. eingestellten Strafverfahrens.



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Die Staatsanwaltschaft Graubünden beantragt in ihrer Stellungnahme
vom 20. Oktober 2003 die kostenfällige Abweisung der Beschwerde unter Hin-
weis auf die Akten und die angefochtene Einstellungsverfügung. B. liess sich
am 12. November 2003 vernehmen. Er beantragt ebenfalls die Abweisung der
Beschwerde unter Kostenund Entschädigungsfolge zu Lasten des Beschwer-
deführers.
Auf die Begründung der Anträge in den Rechtsschriften sowie auf die
Erwägungen in der angefochtenen Verfügung wird, soweit erforderlich, im fol-
genden eingegangen.
Die Beschwerdekammer zieht in Erwägung :
1. Wer eine Skiabfahrt eröffnet unterhält Schneesportler dahin
transportiert, ist verpflichtet, die zumutbaren Vorsichtsund Schutzmassnah-
men zu treffen, damit den Schneesportlern aus alpinen und weiteren Gefahren,
die nicht einer Skiabfahrt als solcher eigen sind, kein Schaden erwächst. Inhalt
und Umfang der Verkehrssicherungspflicht werden einerseits durch die von der
Schweizerischen Kommission für Unfallverhütung auf Schneesportabfahrten
(SKUS) geschaffenen Richtlinien für Anlage, Betrieb und Unterhalt von
Schneesportabfahrten, die sogenannten SKUS-Richtlinien, und andrerseits
durch die von der Kommission für Rechtsfragen auf Schneesportabfahrten der
Seilbahnen Schweiz (SBS) geschaffenen Richtlinien mit Erläuterungen zur Ver-
kehrssicherungspflicht für Schneesportabfahrten, die sogenannten SBS-
Richtlinien, bestimmt. Die SKUS-Richtlinien gelten gemäss bundesgerichtlicher
Rechtsprechung heute als Massstab für die bei Anlage, Betrieb und Unterhalt
von Schneesportanlagen erforderliche Sorgfalt. Sie sind für die Unternehmen
und damit für die verantwortlichen Pistenchefs verbindlich und setzen den
Standard, den die Schneesportler erwarten dürfen (vgl. H. K. Stiffler, Schweize-
risches Schneesportrecht, 3. Aufl., Bern 2002, N 294, 296, 298 mit Hinweisen
zur Rechtsprechung).
2. A. X. stürzte im freien Schneesportgelände über eine steile Böschung
hinunter. Vorweg stellt sich daher die Frage, ob und in welchem Umfang für
Gefahren, die sich ausserhalb der offiziellen Skipiste befinden, eine Verkehrssi-
cherungspflicht besteht. Zu sichern sind gemäss den SKUS-Richtlinien die vom
Verkehrssicherungspflichtigen markierten und dem Publikum zur Verfügung
gestellten Schneesportabfahrten, nicht das ganze Schneesportgebiet schlecht-



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hin (vgl. SKUS-Richtlinien, Ziff. 6 sowie Stiffler, Schweizerisches Schneesport-
recht, a.a.O., N 570 mit Hinweisen). 1975 hat das Bundesgericht erstmals da-
von gesprochen, die Verkehrssicherungspflicht könne sich auch auf eine unmit-
telbar an die Piste anstossende Nebenfläche erstrecken (vgl. BGE 101 IV 396),
wobei es in einem späteren Entscheid einräumte, dass Nebenflächen einer Ski-
piste nicht in gleicher Weise wie die Piste und der Pistenrand selbst unter die
Verkehrssicherungspflicht fallen (vgl. BGE 115 IV 189, Erw. 3.b). In seiner neu-
eren Rechtsprechung hat das Bundesgericht dazu präzisiert, für Nebenflächen
bestehe eine Sicherungspflicht insoweit, als Skifahrer vor darauf befindlichen
besonderen und aussergewöhnlichen Gefahren durch eine unmissverständliche
Signalisation zu schützen seien, die sicherstelle, dass sie wüssten, wo die offi-
ziellen gesicherten Pisten verlaufen (vgl. BGE 115 IV 189, Erw. 3.b; 122 IV 193,
Erw. 2.b). Genau dies wird dem Verkehrssicherungspflichtigen aber auch durch
Ziff. 27 der SKUS-Richtlinien vorgeschrieben, indem diese bestimmt, dass der
Pistenrand immer dann zu kennzeichnen und einschliesslich eines Randbe-
reichs von maximal zwei Metern wirksam zu sichern ist, wenn Hindernisse die
Benützer gefährden Absturzgefahr besteht. Die Probleme, die das Bun-
desgericht mit dem Begriff der Nebenfläche zu lösen versucht, lassen sich da-
her mit den SKUS-Regeln und den darin verwendeten Bezeichnungen hinrei-
chend erfassen, ohne dass auf zusätzliche Begriffe wie den der Nebenfläche
zurückgegriffen werden muss (vgl. dazu Stiffler, Schweizerisches Schneesport-
recht, a.a.O., N 577-579 mit Hinweisen; derselbe, Verkehrssicherungspflicht für
Variantenskiabfahrten, in SJZ Nr. 87 [1991], S. 79/80, Ziff. 3; Hausheer, in
ZBJV 133 [1997], S. 437/438; Padrutt, Grenzen der Sicherungspflicht für Skipis-
ten, in ZStrR 103 [1986], S. 400 ff., Ziff. 8; Schultz, in ZBJV 121/1985, S. 38 f.,
Ziff. 2).
3. Der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers beanstandet zunächst die
Markierung des Pistenverlaufs. Er stützt sich dabei auf die Tatsache, dass in
dem Bereich, wo A. X. die offizielle Piste verliess und verunfallte, weder der
Pistenrand gekennzeichnet noch eine Mittelmarkierung auf der Skipiste ange-
bracht war. Ohne entsprechende Kennzeichnung sei bei den am Unfalltag herr-
schenden Schneeund Witterungsverhältnissen der Pistenrand und damit der
Verlauf der offiziellen Piste nicht erkennbar gewesen. Um zu verhindern, dass
die Schneesportler in diesem Bereich die Piste verlassen, um sie zumin-
dest vor der drohenden Absturzgefahr zu warnen, wäre daher mindestens der
Pistenrand zu kennzeichnen und mit der Warnung zu versehen gewesen, dass
das Verlassen der Piste an dieser Stelle in ein nicht gesichertes Gebiet mit aty-



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pischen Gefahren führe. Da A. X. die Pistenführung nicht gekannt habe und der
Pistenrand ohne Markierung nicht zu erkennen gewesen sei, habe er ange-
nommen, dass er sich nach wie vor auf der offiziellen gesicherten Piste befinde.
Er habe die offizielle Skipiste, ohne sich dessen bewusst zu sein, verlassen und
sei geradeaus weitergefahren und verunfallt. Dass sich unterhalb des Sicher-
heitsnetzes eine mit grossen Natursteinen durchsetzte Böschung befinde, habe
A. X. nicht annehmen können. Indem B. auf die Kennzeichnung von Piste und
Pistenrand verzichtete, habe er somit die ihm als Pistenverantwortlichen oblie-
genden Sorgfaltspflichten verletzt. Die Staatsanwaltschaft habe daher das
Strafverfahren gegen B. zu Unrecht eingestellt.
Dieser Argumentation kann nicht gefolgt werden. Der Beschwerdeführer
gab gegenüber der Kantonspolizei zu Protokoll, dass er im untersten Teilab-
schnitt der Piste eine Linkskurve ausgeführt und dabei vermutlich neben die
Piste geraten sei. Er führte aus, dies sei durch den Neuschnee nicht zu erken-
nen gewesen. Dabei bestätigte er jedoch wiederholt, dass er ungewollt neben
die Piste geraten sei, weil er nach der Kurve nicht mehr reagieren und auch
nicht mehr anhalten konnte. Dies habe zum Absturz über den steilen Hang ge-
führt. Er habe die Geschwindigkeit nicht mehr kontrollieren können und sei ge-
radeaus gefahren (vgl. act. 3.6, S. 1, 2). Die Situation war also nicht derart,
dass A. X. die Route über den Pistenrand hinaus in den Neuschnee gewählt
hat, weil er irrtümlich annahm, er folge damit weiterhin der offiziellen gesicher-
ten Skipiste. Vielmehr ist die von A. X. eingeschlagene Fahrtrichtung abseits
der nach rechts verlaufenden Skipiste allein darauf zurückzuführen, dass er -
wie er selbst sagtnicht mehr reagieren anhalten und somit auch keinen
Einfluss mehr auf seine Geschwindigkeit seine Fahrtrichtung nehmen
konnte. Der Beschwerdeführer fuhr also einzig deswegen über den Pistenrand
ins ungesicherte freie Schneesportgelände und stürzte in der Folge über den
steilen Abhang hinunter, weil er schlichtweg keine Kontrolle mehr über sein
Snowboard hatte. Entgegen den Ausführungen in der Beschwerdeschrift ergibt
sich dabei aus den Aussagen seines Begleiters deutlich, dass A. X. den Pisten-
verlauf kannte. H. gab gegenüber der Kantonspolizei zu Protokoll, dass er und
sein Freund unmittelbar vor dem Unfall angehalten und die Fortsetzung der
Fahrt besprochen hätten. Auf entsprechende Frage erklärte er: “Vor der Fortset-
zung der Fahrt wussten wir, dass wir nach rechts hätten fahren sollen.“ H. bestätigte
also ausdrücklich, dass sowohl er als auch A. X. den Pistenverlauf gekannt ha-
ben (vgl. act. 3.7, S. 2). Ausserdem erklärte der Begleiter des Verunfallten an-
lässlich seiner Befragung, dass es vermutlich deshalb zum Unfall gekommen



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sei, weil es seinem Freund nicht gelungen sei, die Kurve nach rechts zu fahren.
A. X. habe nicht mehr anhalten können, worauf es zum folgenschweren Unfall
gekommen sei (vgl. act. 3.7, S. 2) Damit brachte auch H. klar zum Ausdruck,
dass das Verlassen der Piste auf mangelndes Beherrschen des Snowboards
und damit auf ein Fehlverhalten seines Freundes zurückzuführen war.
Der Beschwerdeführer hat also seine Fahrtrichtung abseits der Piste
nicht willentlich und in der Überzeugung eingeschlagen, diese Route entspre-
che dem Verlauf der offiziellen Piste. Vielmehr ist nach dem Gesagten davon
auszugehen, dass er den Verlauf der offiziellen Skipiste kannte und von diesem
allein deshalb abwich, weil er die Kontrolle über sein Board verloren hatte und
es somit entgegen seinem Willen nicht mehr in die andere Richtung steuern
und auch nicht mehr zum Stillstand bringen konnte. Die Behauptung des
Rechtsvertreters von A. X., wonach letzterer sich an den Sesselliftmasten orien-
tiert habe und durch deren Position und Polsterung wie auch durch die Polste-
rung des EWZ-Masts irregeführt und dazu verleitet worden sei, eine gerade
Fahrspur zu wählen, erweist sich damit als unzutreffend. Die Situation war nicht
derart, dass A. X. seine Fahrt in den Abgrund nicht zu stoppen versucht hat,
weil er überzeugt war, auf einer gefahrlosen, gesicherten Piste zu sein. Viel-
mehr wird aufgrund seiner eigenen Angaben deutlich, dass er gar nicht mehr
stoppen konnte. Aus Sicht des Verunfallten spielte es somit überhaupt keine
Rolle, ob der Pistenrand gekennzeichnet erkennbar war. Der Beschwerde-
führer kannte die Pistenführung. Er vermochte jedoch seine Fahrtrichtung nicht
mehr aktiv zu beeinflussen und geriet gegen seinen Willen aufgrund eines Fahr-
fehlers abseits der Skipiste, wo er in der Folge verunfallte. Auch die Kennzeich-
nung des Pistenrandes beziehungsweise eine Mittelmarkierung der Piste
das Anbringen eines Warnsignals hätte folglich das Abweichen von der Piste
und damit seinen Absturz über den Steilhang nicht verhindern können. Selbst
wenn man von einer pflichtwidrigen Unterlassung des Pistenchefs hinsichtlich
der Kennzeichnung des Pistenrands respektive des Pistenverlaufs ausgehen
würde, hätte es folglich am adäquaten Kausalzusammenhang zwischen dieser
Unterlassung und dem Unfall des Beschwerdeführers gefehlt. Was die Markie-
rung von Piste und Pistenrand anbelangt, kann deshalb B. kein strafrechtlich
relevantes Verhalten zum Vorwurf gemacht werden.
4. Zu prüfen bleibt, ob hinsichtlich der Sicherung des Geländes Anhalts-
punkte für eine sorgfaltswidrige Unterlassung des Pistenchefs gegeben sind.
Grundlage für die Beurteilung dieser Frage bildet, wie bereits weiter oben dar-



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gelegt, Ziff. 27 der SKUS-Richtlinien. Danach ist der Pistenrand immer dann
einschliesslich eines Randbereichs von maximal zwei Metern wirksam zu si-
chern, wenn Hindernisse die Benützer gefährden Absturzgefahr besteht.
Eigentliche Sturzräume sind nicht zu schaffen. Konkretisierend hält Ziff. 39 der
SKUS-Richtlinien dazu fest, dass die Abfahrtsbenützer durch solide Geländer,
Auffangnetze und ähnliche Einrichtungen vor Absturzgefahr zu sichern sind,
soweit nicht durch die Anlage der Pisten und Abfahrtsrouten und durch die Sig-
nalisation eine Absturzgefahr vermieden werden kann (vgl. auch SBS-
Richtlinien, N 148).
a) Die Skipiste „F.“ führt zunächst den Sesselliftmasten entlang, bevor
sie unterhalb des Masts Nr. 3 talwärts gesehen in einer Kurve längs der Kante
eines steilen Abhangs nach rechts verläuft. Die dortige Böschung war am Un-
falltag bis über den Pistenrand hinaus mit einem Sicherheitsnetz versehen. Der
ungesicherte Bereich zwischen dem Ende des Fangnetzes und dem Sessellift-
mast wies eine Breite von sechs Metern auf. Gemäss Polizeirapport führte die
Fahrspur von A. X. 12 Meter vom Pistenrand entfernt geradeaus auf die steile
Böschung zu. Der Beschwerdeführer fuhr eineinhalb Meter neben dem Sicher-
heitsnetz vorbei und stürzte mindestens 12 Meter neben dem linken Pistenrand
über den Steilhang hinunter. Der Unfallort befand sich also nicht mehr im unmit-
telbaren Grenzbereich zum Pistenrand, der noch von den Pistensicherungs-
pflichten erfasst wird. Im freien Schneesportgelände gehört eine solche Gefah-
renquelle zum Risikobereich des Skifahrers (vgl. Hausheer, a.a.O., S. 438).
Gemäss den oben erwähnten SKUS-Richtlinien besteht lediglich die Pflicht, den
Pistenrand einschliesslich des unmittelbaren Grenzbereichs von zwei Metern
wirksam zu sichern. In Übereinstimmung dazu gehen auch die SBS-Richtlinien
und die herrschende Lehre davon aus, dass es sich beim unmittelbaren Grenz-
bereich einer Piste, auf den sich die Verkehrssicherungspflicht erstreckt, um ein
eng begrenztes Gebiet von etwa Schwungbreite rund zwei Metern neben
dem Pistenrand handelt (vgl. Stiffler, Schweizerisches Schneesportrecht,
a.a.O., N 574; derselbe, in SJZ Nr. 87 [1991], a.a.O., S. 79/80, FN 13; Haus-
heer, a.a.O., S. 437/438; Padrutt, a.a.O., S. 401/402; Schultz, a,a,O., S. 39/40
sowie SBS-Richtlinien, N 22). Dieser unmittelbare Grenzbereich war im konkre-
ten Fall mit dem am unteren Pistenrand über dem Steilhang angebrachten
Fangnetz wirksam gesichert. Es steht aufgrund der Akten fest und wird vom
Beschwerdeführer nicht bestritten, dass das Sicherheitsnetz im Sinne der oben
erwähnten Richtlinien mindestens zwei Meter über den linken Pistenrand hin-
aus reichte (vgl. act. 3.3; 3.8, S. 2, act. 3.14, S. 2, Bild 3; act. 3.15, S. 3, 4, 5).



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Die Anlage des Sicherheitsnetzes entsprach demnach im Unfallbereich vollum-
fänglich den geltenden Sorgfaltsmassstäben. Entsprechend wurde auch seitens
der Experten der SBS anlässlich der Abnahme für die Anerkennung des Pisten-
und Rettungsdienstes der Bergbahnen D. AG in bezug auf den fraglichen Be-
reich nichts bemängelt. In ihrem Bericht vom 24. Januar 2003 halten die Exper-
ten lediglich fest (vgl. act. 3.12, Ziff. 5.16), dass auf der Piste „F.“ beim Sessel-
bahnmasten Nr. 3 das Sicherheitsnetz nach rechts zu verlängern sei (Absturz-
gefahr). Wie B. anlässlich seiner Befragung zutreffend ausführte (vgl. act. 3.15),
sind Pisten immer von oben nach unten, also in Fahrtrichtung zu betrachten.
Die Beanstandung der Experten der SBS betraf mithin nicht den Unfallbereich.
Der Unfall von A. X. ereignete sich talwärts gesehen auf der linken Seite des
Sicherheitsnetzes. Überdies kann, auch wenn das Fangnetz gemäss Augen-
scheinprotokoll des Untersuchungsrichters nach dem Unfall bergwärts gesehen
nach rechts verlängert worden ist, daraus nicht abgeleitet werden, dass das
Gelände ohne eine solche Verlängerung des Netzes nicht wirksam gesichert
war. Entscheidend für die Frage nach dem Vorliegen einer Sorgfaltspflichtver-
letzung des Pistenchefs ist die Situation zum Unfallzeitpunkt. Diesbezüglich
steht jedoch nach dem oben Gesagten fest, dass die Anforderungen der gel-
tenden Richtlinien erfüllt waren. Im Übrigen mag es zutreffen, dass es -wie der
Beschwerdeführer behauptetnicht zum Unfall gekommen wäre, wenn das
Fangnetz bis zum zweiten EWZ-Masten gespannt gewesen wäre. Im Hinblick
auf eine Verlängerung des Netzes kann eine sorgfaltswidrige Unterlassung al-
lerdings nur dann bejaht werden, wenn aufgrund der konkreten Umstände auch
eine Pflicht zur Vornahme einer solchen Sicherungsvorkehrung gegeben war.
Davon kann aber im konkreten Fall gerade nicht ausgegangen werden.
b) Das Auffangnetz war in der Kurve oberhalb der Geländekante mindes-
tens zwei Meter über den linken Pistenrand hinaus gespannt. Die Netzanlage
entsprach also vollumfänglich dem gemäss SKUS-Richtlinien geltenden Stan-
dard für die bei Anlage, Betrieb und Unterhalt von Schneesportanlagen erfor-
derliche Sorgfalt. Eine über dieses Richtmass hinausgehende Verlängerung
des Netzes nach links war unter den gegebenen Umständen nicht geboten. Die
Piste weist zwar unterhalb des Sesselliftmasts Nr. 3 eine Richtungsänderung
auf und verläuft dort talwärts gesehen in einer Rechtskurve von den Sessellift-
masten weg. Wie sich aus den Akten ergibt, war jedoch das Gelände in dem
Bereich, wo der Beschwerdeführer über den Pistenrand hinausgeriet, nicht nur
relativ flach und weit, sondern zudem gleichmässig abfallend und gut über-
schaubar. Die Piste war in diesem Abschnitt weder vereist noch in sonst einer



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Form schwierig befahrbar besonders gefährlich. Das Gelände bot dem-
nach den Pistenbenützern an der fraglichen Stelle keine besonderen Schwie-
rigkeiten. Der Pistenchef musste folglich nicht damit rechnen, dass die Pisten-
benützer gegen ihren Willen -sei es zufolge eines Sturzes eines Fahrfeh-
lers- über den Pistenrand hinaus rund 12 Meter weit auf die ungesicherte offene
Fläche geraten und in der Folge die Böschung hinunter stürzen könnten. Stellte
aber der Unfallbereich keine besondere Gefahr für Leib und Leben der Pisten-
benützer dar, so bestand unter den gegebenen Umständen auch keine Pflicht,
den Pistenrand über die nach den gängigen Richtlinien erforderlichen Mass-
nahmen hinaus speziell zu sichern. Entsprechend kann es dem Pistenchef nicht
zum Vorwurf gemacht werden, wenn er den unmittelbaren Grenzbereich der
Piste von mindestens zwei Metern mit einem Netz gesichert, dieses jedoch
nicht weiter bis zum Sesselliftmasten Nr. 3 zum EWZ-Masten gespannt
hat. Zweck der Sicherung des Randbereichs ist es, dem Pistenbenützer ein ge-
fahrloses Abschwingen und Stehenbleiben unmittelbar am Pistenrand zu er-
möglichen. Ein Sturzraum für einen Pistenbenutzer, der durch einen Fahrfehler
unkontrolliert über den Pistenrand hinausgerät -stürzt, muss nicht gewähr-
leistet sein. Das Vermeiden einer Überschreitung des Pistenrandes ist dem Pis-
tenbenutzer grundsätzlich möglich und zumutbar, vor allem durch Einhaltung
eines entsprechenden Sicherheitsabstands und einer entsprechenden Fahrwei-
se (vgl. Ziff. 27 der SKUS-Richtlinien, letzter Satz sowie Stiffler, a.a.O. N 575,
FN 285). Für jede Eventualität kann und muss der Pistenbetreiber das Gelände
nicht absichern. Der Pistenbenutzer fährt grundsätzlich auf eigene Gefahr. Wer
Ski Snowboard fährt, tut dies aufgrund seines eigenen Entschlusses und
ist damit auch selbst dafür verantwortlich, dass er sich richtig vorbereitet, aus-
rüstet und mit der Technik der gewählten Sportart vertraut macht. Dieses Prin-
zip der Eigenverantwortlichkeit setzt der Haftung des Verkehrssicherungspflich-
tigen eine bedeutende Schranke. Jeder Pistenbenutzer muss selbst entschei-
den, was er auf Grund seines Könnens und seiner Verfassung unter den gege-
benen Umständen unternehmen darf und ohne Gefahr bewältigen kann. Für
unaufmerksames gar sorgloses, den Umständen nicht angepasstes Ski-
fahren Snowboarden hat der Verkehrssicherungspflichtige nicht einzu-
stehen (vgl. Stiffler, a.a.O., N 24, 556; Padrutt, a.a.O., S. 387, 388). A. X. stand
am Unfalltag zum ersten Mal auf dem Snowboard. Wie er bei der polizeilichen
Befragung selbst bestätigte, konnte er noch nicht gut Snowboard fahren (vgl.
act. 3.6, S. 1). Dennoch entschied er sich als Anfänger die rote, mittelschwere
Piste „F.“ hinunterzufahren. Zwar darf jeder Schneesportler grundsätzlich Pisten
aller Schwierigkeitsgrade benutzen, auch wenn die Einhaltung der Regeln auf



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einer schwarzen roten Piste für einen Anfänger schwieriger sein mag als
auf einer blauen (vgl. Stiffler, a.a.O., Rz 78). Wesentlich ist dabei jedoch, dass
er wissen muss, welche Schwierigkeiten er aufgrund seines Könnens gefahrlos
bewältigen kann. Gerade in bezug darauf hat sich aber der Beschwerdeführer
offenbar verschätzt. Wie die Staatsanwaltschaft zutreffend darlegt, führte näm-
lich im konkreten Fall das eigene Fehlverhalten und die für einen Anfänger un-
geeignete Pistenwahl zum Unfall des Beschwerdeführers. Als A. X. im unters-
ten Teilabschnitt der Piste eine Rechtskurve ausführen wollte, geriet er neben
die Piste, weil er gemäss eigenen Angaben nicht mehr reagieren und auch nicht
mehr anhalten konnte. Er habe die Geschwindigkeit nicht mehr kontrollieren
können und sei geradeaus gefahren (vgl. act. 3.6, S. 1, 2). H. bestätigte diese
Schilderung, indem er ausführte, dass sein Kollege nicht mehr anhalten konnte
beziehungsweise, dass es diesem nicht gelungen sei, die Kurve nach rechts
auszuführen (vgl. act. 3.7, S. 2). Die Ursache für den Unfall liegt also allein da-
rin, dass der Beschwerdeführer die Beherrschung über sein Snowboard verlo-
ren hat. Er hat in Verkennung seiner Fähigkeiten als Anfänger eine mittelschwe-
re Piste gewählt und dort nahe des linken Pistenrands eine Rechtskurve aus-
führen wollen, was ihm jedoch aufgrund seines mangelnden Fahrkönnens nicht
gelang. In der Folge ist er unkontrolliert geradeaus weitergefahren und über die
Böschung hinuntergestürzt, wo er schwer verletzt liegen blieb. Dieses Fehlver-
halten kann nicht dem Pistenchef angelastet werden. Es liegt im eigenen Un-
vermögen des Beschwerdeführers, das er selbst zu verantworten hat.

5. Liegen nach dem Gesagten somit keine Anhaltspunkte für eine straf-
rechtlich relevante Unterlassung des für die Verkehrssicherung verantwortlichen
Pistenchefs vor, so hat die Staatsanwaltschaft Graubünden das Strafverfahren
gegen B. wegen fahrlässiger Körperverletzung zu Recht eingestellt. Die Be-
schwerde von A. X. erweist sich demnach als unbegründet und ist abzuweisen.
6. Bei diesem Ausgang gehen die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu
Lasten des Beschwerdeführers (Art. 160 Abs. 1 StPO). Von einer ausseramt-
lichen Entschädigung zu Gunsten des Beschwerdegegners ist mangels gesetz-
licher Grundlage abzusehen.



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Demnach erkennt die Beschwerdekammer :
1. Die
Beschwerde
wird abgewiesen.
2.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens von Fr. 800.-gehen zu Lasten
des Beschwerdeführers.
3. Mitteilung
an:
__
Für die Beschwerdekammer des Kantonsgerichts von Graubünden
Der Vizepräsident
Die Aktuarin


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