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Urteil Kantonsgericht Graubünden (GR)

Zusammenfassung des Urteils BK-03-37: Kantonsgericht Graubünden

Die Beschwerdeführerinnen A. und B. haben Beschwerde gegen die Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft Graubünden vom 31. Juli 2003 eingereicht, die das Strafverfahren gegen C. wegen Betrugs beendete. Es wurde festgestellt, dass C. nach einem Verkehrsunfall an verschiedenen Verletzungen litt, die von mehreren Ärzten diagnostiziert wurden. Die Beschwerdeführerinnen zweifelten an der Arbeitsunfähigkeit von C. und beauftragten eine Überwachung, die zeigte, dass C. bestimmte Tätigkeiten ausführte, die im Widerspruch zu seinen Angaben standen. Trotzdem wurde die Strafuntersuchung eingestellt, da keine ausreichenden Beweise für Betrug vorlagen. Die Beschwerdeführerinnen legten Beschwerde ein, die jedoch abgewiesen wurde, und sie wurden zur Zahlung der Verfahrenskosten verpflichtet.

Urteilsdetails des Kantongerichts BK-03-37

Kanton:GR
Fallnummer:BK-03-37
Instanz:Kantonsgericht Graubünden
Abteilung:-
Kantonsgericht Graubünden Entscheid BK-03-37 vom 24.11.2003 (GR)
Datum:24.11.2003
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Betrug
Schlagwörter : Beschwerdegegner; Arbeit; Unfall; Versicherung; Graubünden; Beschwerdekammer; Beschwerdeführerinnen; Betrug; Halswirbelsäule; Staatsanwalt; Ordner; Recht; Staatsanwaltschaft; Arbeitsunfähigkeit; Verhalten; Kantons; Küche; Ärzte; Verfügung; Anklage; Stunden; Einstellungsverfügung; Aufgr; ätigt
Rechtsnorm:Art. 138 StPO ;Art. 146 StGB ;Art. 160 StPO ;
Referenz BGE:118 Ia 16;
Kommentar:
Schweizer, Trechsel, , 2. Aufl., Zürich, Art. 146 StGB, 1997
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017

Entscheid des Kantongerichts BK-03-37

Kantonsgericht von Graubünden
Tribunale cantonale dei Grigioni
Dretgira chantunala dal Grischun
_____
Ref.:
Chur, 24. November 2003
Schriftlich mitgeteilt am:
BK 03 37

Entscheid
Beschwerdekammer
Vizepräsident Bochsler, Kantonsrichterin Heinz-Bommer und Kantonsrichter
Rehli, Aktuarin Mosca.
——————
In der strafrechtlichen Beschwerde
der A . , und der B . , Beschwerdeführerinnen, beide vertreten durch Rechtsan-
walt lic. iur. Ilario Bondolfi, Postfach 74, Reichsgasse 71, 7002 Chur,

gegen

die Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft Graubünden vom 31. Juli
2003, mitgeteilt am 4. August 2003, in Sachen gegen C., Beschwerdegegner,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. iur. Hans Peter Beck, Via Tegiatscha 24, 7500
St. Moritz,
betreffend Betrug,

hat sich ergeben:



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A. C. war am 9. April 1997 an einem Verkehrsunfall beteiligt, bei wel-
chem ein vortrittsbelasteter Personenwagen mit der linken Seite seines Fahr-
zeuges kollidierte. Aufgrund dieses Unfalles wurde C. zwischen dem 9. und 10.
April sowie 15. und 18. April 1997 in der Klinik Gut, St. Moritz, hospitalisiert. Der
behandelnde Arzt, Dr. med. D., diagnostizierte eine Hüftkontusion links, eine
Gehirnerschütterung sowie eine Weichteil-Kontusion der rechten Gesichtshälf-
te. Diese Diagnose wurde am 7. Mai 1997 von Dr. med. E., Spezialarzt FMG für
Neurologie, beziehungsweise am 28. Mai 1997 von Dr. med. F., FMH für Innere
Medizin, bestätigt; zusätzlich stellten diese Ärzte postcommotionelle Beschwer-
den mit Schwindelsymptomen, orthostatischem Trümmel, Hirnleistungsschwä-
che, posttraumatischen migräneformen Kopfschmerzen sowie eine depressive
Verstimmung fest. In den Berichten vom 4. und 10. Juli 1997 äusserten Dr.
med. D. beziehungsweise Dr. med. F., bei welchem C. in der Folge regelmässig
zur Kontrolle erschien, den Verdacht, das bei letzterem ein Schleudertrauma
der Halswirbelsäule besteht. Im Auftrag der Versicherungsgesellschaft A. wurde
C. zwischen dem 26. November und 5. Dezember 1997 durch die Klinik G., Dr.
med. H. beziehungsweise Dr. phil. I. FSP, begutachtet. Die Gutachter diagnos-
tizierten bei C. ein Distorsionstrauma der Halswirbelsäule sowie Kontursionen
im Schädelbereich rechts beziehungsweise Beckenbereich links. Die weitere
Behandlung erfolgte durch Dr. med. J., R., der dieselbe Diagnose stellte. Zwi-
schen dem 7. und 29. Januar 1999 hielt sich C. zur Behandlung im K. auf. Der
behandelnde Arzt, Dr. med. L., Leitender Arzt Innere Medizin FMH, stellte ge-
mäss Bericht vom 2. Februar 1999 die bekannten Defizite fest. Wiederum im
Auftrag der Versicherungsgesellschaft A. wurde dann am 26./27. April 1999
durch die Rehaklinik M. eine Evaluation der funktionellen Leistungsfähigkeit von
C. vorgenommen. Das durch Dr. med. N., Leitender Arzt Ergono-
mie/Eingliederung, unterzeichnete Gutachten kommt zum Schluss, dass dem
Angeschuldigten aufgrund seines Schwindelgefühls und Kopfschmerzen bezie-
hungsweise der Funktionseinschränkungen der rechten Hand infolge der
Schmerzausstrahlung von der Halswirbelsäule die Arbeit als Chefkoch nicht
zugemutet werden könne. Auch Dr. med. O., Innere Medizin FMH, der C. unter
anderem am 26. Oktober 1999 untersuchte, bestätigt die bekannte Diagnose.
Aufgrund der festgestellten Beschwerden wurde durch die behandelnden
Ärzte die Arbeitsunfähigkeit von C. jeweils zwischen 50% und 100% festge-
setzt.



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C. ist über seine Arbeitgeber P. GmbH beziehungsweise Hotel Q., R., bei
der Versicherungsgesellschaft A. gegen Unfall versichert. Das Schadensereig-
nis (Verkehrsunfall vom 9. April 1997) wurde am 19. April 1997 der Versiche-
rung angezeigt. Die A. hat in der Folge als vorleistungspflichtige Unfallversiche-
rung Versicherungsleistungen (Heilungskosten und Taggelder) in der Höhe von
rund Fr. 163'000.-an die P. GmbH beziehungsweise die behandelnden Ärzte
ausbezahlt sie mit offenen Prämien verrechnet. Die Versicherungsgesell-
schaft B. wiederum hat als Versicherung des Unfallverursachers der Schweize-
rischen A. Regresszahlungen von Fr. 145'000.-geleistet.
B. Aufgrund des Unfallherganges hatten die beiden betroffenen Versi-
cherungen Zweifel an den von C. geltend gemachten Verletzungen. Die B. be-
auftragte deshalb in Absprache mit der A. die S. AG, welche C. an fünf Tagen
im Jahr 2000 überwachte. Auf den dabei hergestellten Videobildern ist unter
anderem zu sehen, wie C. ein Fahrzeug lenkt, Girlanden aufhängt und Kaffee-
tassen aus Kopfhöhe herunterholt. In der untersuchungsrichterlichen Einver-
nahme bestätigte C. diese Tätigkeiten ausgeführt zu haben.
C. Am 16. Februar 2001 erstattete die A. beziehungsweise am 19. Feb-
ruar 2001 die B. Strafanzeige gegen C. und allfällig weitere Verantwortliche we-
gen Betrugs sowie möglichen Steuerund Konkursdelikten. Mit Verfügung vom
12. April 2001 eröffnete die Staatsanwaltschaft Graubünden eine Strafuntersu-
chung gegen C. wegen Betrugs.
D. Mit Verfügung vom 31. Juli 2003, mitgeteilt am 4. August 2003, stellte
die Staatsanwaltschaft Graubünden die Strafuntersuchung gegen C. ein. Zur
Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, neun verschiedene Fachärzte
und Gutachter hätten übereinstimmend attestiert, C. leide an ein Distorsions-
trauma der Halswirbelsäule und die damit zusammenhängenden Krankheits-
symtome. Aufgrund dieser Befunde sei die Arbeitsunfähigkeit jeweils ärztlich
festgesetzt worden. Verschiedentlich sei zwar festgestellt worden, dass C. in
scheinbar unbeobachteten Momenten eine deutlich bessere Beweglichkeit der
Halswirbelsäule im Vergleich zu seinen Angaben und Verhalten bei klinischer
Befundung zeige. In Berücksichtigung dieser Umstände attestierten die Gutach-
ter eine Arbeitsunfähigkeit von 25 % beziehungsweise 50 %. Somit seien die
Voraussetzungen für die Leistungserbringung durch die Versicherungen erfüllt



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gewesen. Die Anwendung von Art. 146 Abs. 1 StGB falle ausser Betracht, da
es am objektiven Tatbestandsmerkmal der Täuschung fehle.
E. Dagegen liessen die A. und die B. Beschwerde bei der Beschwerde-
kammer des Kantonsgerichtes von Graubünden erheben. Sie beantragen:
„1. Die angefochtene Verfügung sei aufzuheben.
2. Das gegen C. eingestellte Strafverfahren sei wiederaufzunehmen
und es sei gegen C. Anklage zu erheben.
3. Unter Kostenund Entschädigungsfolge.“
C. liess mit Vernehmlassung vom 27. Oktober 2003 die kostenfällige
Abweisung der Beschwerde beantragen, soweit darauf eingetreten werden
könne. Die Staatsanwaltschaft Graubünden beantragte mit Stellungnahme vom
10. September 2003 die Abweisung der Beschwerde. Eventuell sei auf die Be-
schwerde der B. nicht einzutreten.
Die Beschwerdekammer zieht in Erwägung :
1. Gegen untersuchungsrichterliche Verfügungen, die vom Staatsanwalt
genehmigt wurden, kann gemäss Art. 138 StPO bei der Beschwerdekammer
des Kantonsgerichtes Beschwerde eingelegt werden. Zur Beschwerdeführung
ist dabei berechtigt, wer durch den angefochtenen Entscheid berührt ist und ein
schutzwürdiges Interesse an seiner Aufhebung geltend macht (Art. 139 Abs. 1
StPO). Diese Voraussetzungen sind vor allem bei den Geschädigten erfüllt, die
sich gegen eine Ablehnungsoder Einstellungsverfügung wehren wollen; sie
werden denn auch vom Gesetz ausdrücklich zur Beschwerde hiegegen befugt
erklärt (Art. 139 Abs. 1 Satz 2 StPO). Gemeint sind die unmittelbar geschädig-
ten Personen, üblicherweise die Trägerschaft jenes Rechtsgutes, dessen (an-
gebliche) Verletzung Gefährdung Gegenstand einer Strafverfolgung bilden
soll (BGE 118 Ia 16; PKG 1987 Nr. 48 S. 147). Beschwerdeführerinnen sind im
vorliegenden Fall die A. und die B. Die A. hat als vorleistungspflichtige Unfall-
versicherung Versicherungsleistungen in der Höhe von Fr. 163'641.75 entrich-
tet. Die B. hat als Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers der A. Re-
gresszahlungen von Fr. 145'000.-geleistet. Die durch den angeblichen Betrug
in ihrem Vermögen geschädigte A. ist als unmittelbar Geschädigte legitimiert,
Beschwerde zu erheben. Auf ihr rechtzeitig eingereichtes Rechtsmittel ist dem-
nach einzutreten. Ob die B., die gegenüber der A. regresspflichtig war, über-



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haupt als direkt Geschädigte und somit als beschwerdelegitimiert zu betrachten
ist, kann an dieser Stelle offen bleiben, zumal auf die Sache auf jeden Fall ein-
zutreten ist.
2. Die Beschwerdeführerinnen beantragen neben der Aufhebung der
Einstellungsverfügung und der Wiederaufnahme der Strafuntersuchung, es sei
gegen den Beschwerdegegner Anklage zu erheben. Diesbezüglich gilt es zu
berücksichtigen, dass die Beschwerdekammer die Staatsanwaltschaft nicht an-
weisen kann, Anklage zu erheben. Die Staatsanwaltschaft hat vielmehr im
Falle der Aufhebung der angefochtenen Verfügung - nach ergänzter Untersu-
chung in eigener Kompetenz erneut zu entscheiden, ob anzuklagen einzu-
stellen ist (vgl. W. Padrutt, Kommentar zur StPO des Kantons Graubünden, 2.
Aufl., Chur 1996, S. 347 Ziff. 2.1). Demnach ist auf das Begehren um Anklage-
erhebung nicht einzutreten.
3. Gemäss Art. 138 StPO kann die Beschwerdekammer angefochtene
Einstellungsverfügungen nicht nur auf Rechtswidrigkeit, sondern auch auf Un-
angemessenheit überprüfen. Bei der Überprüfung der Unangemessenheit eines
Entscheides soll aber die Beschwerdekammer ihr Ermessen nur dort an die
Stelle desjenigen der Vorinstanz setzen, wo sich deren Verfügung nicht mit trif-
tigen Gründen rechtfertigen lässt (vgl. PKG 1975 Nr. 58). Ebenso muss bei der
Beurteilung der Rechtmässigkeit Angemessenheit einer Einstellungsverfü-
gung berücksichtigt werden, dass an den Nachweis der Täterschaft hohe An-
forderungen zu stellen sind. Eine Einstellungsverfügung ist demzufolge dann
angemessen und hält der umschriebenen Prüfung stand, wenn aufgrund des in
Gesamtwürdigung der Beweise ermittelten Untersuchungsergebnisses objektiv
subjektiv nicht genügend Anhaltspunkte für das Vorliegen einer strafund
verfolgbaren Handlung gegeben sind und somit ein Freispruch erwartet werden
müsste, und wenn keine neuen Beweismittel ersichtlich sind, die das ermittelte
Beweisergebnis im gegenteiligen Sinne zu beeinflussen vermöchten. Anklage
ist nur dann zu erheben, wenn in objektiver und subjektiver Hinsicht Anhalts-
punkte vorliegen, die einen Schuldspruch als wahrscheinlich erscheinen lassen
(vgl. zum Ganzen W. Padrutt, a.a.O., S. 164 f. Ziff. 3.3, S. 111 Ziff. 6).
4. Gemäss Art. 146 Abs. 1 StGB macht sich des Betrugs schuldig, wer in
der Absicht, sich einen andern unrechtmässig zu bereichern, jemanden
durch Vorspiegeln Unterdrückung von Tatsachen arglistig irreführt ihn
in einem Irrtum arglistig bestärkt und so den Irrenden zu einem Verhalten be-



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stimmt, wodurch sich dieser selbst einen andern am Vermögen schädigt.
Täuschung im Sinne des Gesetzes ist jedes Verhalten, das darauf gerichtet ist,
bei einem anderen eine von der Wirklichkeit abweichende Vorstellung hervorzu-
rufen, sei es durch Mittel der Sprache, durch Gesten durch konkludentes
Verhalten (Trechsel, Schweizerisches Strafgesetzbuch, Kurzkommentar, 2.
Aufl., Zürich 1997, N 2 zu Art. 146 StGB).
5. a) Der Beschwerdegegner wurde seit 1997 von neun verschiedenen
Fachärzten und Gutachtern untersucht. Übereinstimmend wurde bei C. ein Dis-
torsionstrauma der Halswirbelsäule mit den damit zusammenhängenden
Krankheitssymptomen diagnostiziert. Aufgrund dieser Befunde wurde die Ar-
beitsunfähigkeit ärztlich festgesetzt. Diese schwankte zwischen 50% und 100%
(vgl. Ordner A, act. 3.17 und 4.1; Ordner B, Dossier 5). Die ärztlich attestierte
Arbeitsunfähigkeit bildete unter anderem die Grundlage für die Ausrichtung von
Versicherungsleistungen.
b) Die Beschwerdeführerinnen machen geltend, die durchgeführten Ob-
servierungen des Beschwerdegegners hätten ergeben, dass dieser uneinge-
schränkt und im vollen Umfang einer Arbeitstätigkeit im Hotel Q. in R. und in der
Casa T. in U. nachgehe. Demgegenüber habe sich der Beschwerdegegner ge-
genüber den Ärzten, den Gutachtern und den Versicherungen stets dahinge-
hend geäussert, er sei während maximal zwei bis drei Stunden täglich im Stan-
de zu arbeiten. Die ärztlichen Zeugnisse, gestützt auf welche die Versiche-
rungsleistungen erbracht worden seien, würden einzig die realitätswidrigen Pa-
tientenschilderungen und nicht den wahren Gesundheitszustand des Be-
schwerdegegners widerspiegeln. Die an der Täuschung im Sinne von Art. 146
StGB nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung gestellten Anforderungen sei-
en demnach vorliegend erfüllt.
Dieser Argumentation kann nicht gefolgt werden. V. hat vom 28. Novem-
ber 1994 bis zum 30. November 2000 als Hilfskoch im Hotel Q. in R. gearbeitet
und sodann noch zwei Monate als Koch im Restaurant Pizzeria Casa T. in U..
Anlässlich der Einvernahme vom 27. April 2001 gab er zu Protokoll, der Be-
schwerdegegner habe im Jahre 1997 - nachdem er die Arbeit wieder aufge-
nommen habe während rund eines Monates nur Anweisungen erteilt und nie
selber gekocht. Ende Sommer im Verlaufe des Herbstes desselben Jahres
habe er dann die Tätigkeit als Koch aufgenommen. Er habe täglich von 11:00
Uhr bis 14.00 Uhr und von 18:00 Uhr bis um 21:00 Uhr in der Küche gearbeitet



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und habe alle Arbeiten verrichtet, welche ein Koch vornehmen müsse. Im Jahre
2000 habe der Beschwerdegegner als Chef lieber befohlen als selbst gearbei-
tet. Während der Kochzeit habe er aber in der Küche gearbeitet. Nachdem das
Nachtessen serviert worden sei, habe C. bis zur Polizeistunde am Buffet
im Service geholfen. Dies sei regelmässig vorgekommen. Der Unfall habe sich
beim Beschwerdegegner insofern bemerkbar gemacht, als dieser plötzlich die
Küche verlassen habe und sich ins Restaurant begeben habe, wo er sich mit
Stammgästen unterhalten habe und dabei das Essen habe anbrennen lassen.
Wenn C. direkt von seinem Zimmer in die Küche gekommen sei, habe er sich
des Öftern beklagt, dass sein Kopf „kaputt“ sei. Ansonsten habe er keine Auffäl-
ligkeiten im Verhalten in der Arbeitsweise bemerkt (vgl. Ordner A, act. 5.6).
W. hat am 30. April 2001 als Auskunftsperson ausgesagt, sie habe rund vier
Jahre im Hotel/Restaurant Q. gearbeitet, und zwar von Januar 1995 bis De-
zember 1998. Ihre Aussagen stimmen im Wesentlichen mit den Aussagen von
V. überein. Auch sie bestätigte, dass C. nach dem Unfall im Jahre 1997 wie
zuvor gearbeitet habe. Bei speziellen Anlässen wie Hochzeiten Vereins-
abende habe der Beschwerdegegner von 08.00 Uhr bis nach 24.00 Uhr gear-
beitet (vgl. Ordner A, act. 5.7). X., welche zusammen mit dem Beschwerdegeg-
ner im Sommer 1997 die P. GmbH gegründet hat und den Betrieb auch führt,
wurde mehrfach als Auskunftsperson einvernommen. Im Gegensatz zu den
beiden vorzitierten Auskunftspersonen gab sie zu Protokoll, dass die Arbeitsfä-
higkeit des Beschwerdegegners nach dem Unfall eingeschränkt gewesen sei
(vgl. Ordner A, act. 5.3). Pfannen habe er nicht mehr heben können und er sei
oft müde gewesen. Mittags habe er zwei Stunden gearbeitet, am Abend auch
noch „ein paar Stunden“, falls das Restaurant voll besetzt gewesen sei. Am Mit-
tag sei jedoch die Hauptbetriebszeit. Der Beschwerdegegner selbst bestätigte
im Wesentlichen die Aussagen von X.. Anlässlich seiner Einvernahme vom 22.
Mai 2001 sagte er aus, nach dem Unfall habe er wegen der starken Kopf-
schmerzen und dem Schwindelgefühl fast keine Arbeit erledigen können. Nach
einem Jahr habe sich der Zustand leicht gebessert. Vor allem die Probleme mit
der rechten Hand hätten sich gebessert. Hingegen habe er heute noch Kopf-
schmerzen. Im Sommer 1997 habe er sich zwei bis vier Stunden im Betrieb
aufgehalten. Ein Jahr später habe er höchstens vier Stunden in der Küche ar-
beiten können. Schwere Sachen habe er nicht heben können. Auch im Jahre
1999 habe er höchstens vier Stunden in der Küche arbeiten können. Seit Mai
2000 sei er zu 50% arbeitsfähig und könne alle Arbeiten in der Küche und am
Buffet verrichten. Mit anderen Worten könne er seit diesem Zeitpunkt fünf Stun-
den am Tag arbeiten (vgl. Ordner A, act. 5.8).



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Im Zusammenhang mit der hier interessierenden Frage, ob der Be-
schwerdegegner mehr als die medizinisch attestierte Arbeitsfähigkeit geleistet
hat, gilt es zu berücksichtigen, dass die bei einem Schleudertrauma auftreten-
den Beschwerden äusserlich nicht in Erscheinung treten. Es lässt sich deshalb
nicht mit Sicherheit sagen, in welchem Ausmass die Arbeitsproduktivität des
Beschwerdegegners, trotz der häufigen Präsenz im Betrieb, abgenommen hat.
Dennoch ist aufgrund der oben wiedergegebenen Aussagen von V. und W. da-
von auszugehen, dass der Beschwerdegegner an gewissen Tagen mehr als die
medizinisch attestierte Arbeitsfähigkeit geleistet hat. Die Aussagen von V. und
W. sind schlüssig und stimmen im Wesentlichen überein. Kommt hinzu, dass
beide Auskunftspersonen im Gegensatz zum Beschwerdegegner und X. kein
Interesse am Ausgang des Verfahrens haben. Wie noch zu zeigen sein wird,
bestehen jedoch auch wenn der Beschwerdegegner mehr als die medizinisch
attestierte Arbeitsfähigkeit geleistet hat - nicht genügend Anhaltspunkte für das
Vorliegen des Betrugtatbestandes.
c) Wie bereits ausgeführt, wurde der Beschwerdegegner im Verlaufe der
Krankheitsgeschichte mehrfach medizinisch begutachtet. Dem Neuropsycholo-
gischen Untersuchungsbericht der Klinik G. vom 11. Dezember 1997 kann unter
anderem entnommen werden, dass das Verhalten am Wiener-Testgerät sehr
auffällig sei. Obwohl C. angebe Kopfschmerzen und Schwindel zu haben,
schlage er mit der Hand jeweils so stark auf das Gerät, dass beim Aufschlagen
der ganze Körper aufgrund des Rückstosses zittere (vgl. Ordner B, act. 5.15).
Der Bericht der Rehaklinik M. datiert vom 29. April 1999. Darin wurde festgehal-
ten, dass das arbeitsbezogene relevante Problem vor allem Schwindelgefühl
und Kopfschmerz sei. Dies bei Bewegungen des Nackens und insbesondere
bei Vorneigung/Beugung der Kopfes. Zudem bestehe eine Funktionseinschrän-
kung der rechten Hand infolge Schmerzausstrahlung von der Halswirbelsäule.
Bei einigen Tests und scheinbar unbeobachteten Momenten zeige der Be-
schwerdegegner jedoch eine deutlich bessere Beweglichkeit der Halswirbelsäu-
le im Vergleich zu seinen Angaben und dem Verhalten bei klinischer Befundung
(vgl. Ordner B, act. 5.25).
Insbesondere die zuletzt zitierten Gutachten zeigen, dass den Gutach-
tern durchaus bekannt war, dass die Beweglichkeit der Halswirbelsäule in ge-
wissen Augenblicken besser war, als es der Beschwerdegegner angab. Trotz-
dem attestierten sie ihm eine Arbeitsunfähigkeit schwankend zwischen 50%
und 100%. Wenn aber die Ärzte wussten, dass die Beweglichkeit der Halswir-



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belsäule in unbeobachteten Momenten besser war, kann nicht behauptet wer-
den, erstere seien vom Beschwerdegegner getäuscht worden. Die Arztzeugnis-
se entsprachen somit dem jeweiligen medizinischen Befund. Entsprechend sind
die Ärzte auch nicht als willensloses Werkzeug benutzt worden, um eine höhere
Arbeitsunfähigkeit zu attestieren, als sie medizinisch ausgewiesen war. Die Ärz-
te fallen somit entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerinnen als
Tatmittler einer strafbaren Handlung ausser Betracht.
d) Wenn die Arztzeugnisse nach dem Gesagten dem medizinischen Be-
fund entsprochen haben, der Beschwerdegegner zeitweise jedoch mehr als die
ärztlich attestierte Arbeitsfähigkeit geleistet hat, stellt sich als nächstes die Fra-
ge, ob der Beschwerdegegner verpflichtet gewesen wäre, diesen Umstand der
Unfallversicherung mitzuteilen. Aus den Akten ergibt es sich nicht, dass den
Beschwerdegegner eine solche Aufklärungspflicht trifft. Selbst aber wenn eine
Aufklärungspflicht nachgewiesen werden könnte, wird dieser Sacherhalt von
der Praxis nicht als Betrugstatbestand anerkannt (vgl. Gunther Arzt, Basler
Kommentar, Strafgesetzbuch II, Basel 2003, N 46 zu Art. 146 StGB). Im Übri-
gen wurde dies von den Beschwerdeführerinnen auch nicht geltend gemacht.
Eine andere Frage ist, ob der Beschwerdegegner im Sinne einer zivilrechtlichen
Schadensminderungspflicht gehalten gewesen wäre, seine über die ärztlich
attestierte Arbeitsunfähigkeit beziehungsweise -fähigkeit hinausgehende Tätig-
keit den Beschwerdeführerinnen anzuzeigen. Darüber ist jedoch im vorliegen-
den Verfahren nicht zu befinden.
e) Im Resultat kann somit festgehalten werden, dass keine Anhaltspunk-
te dafür ersichtlich sind, dass der Beschwerdegegner wissentlich und willentlich
die Versicherungen im Sinne von Art. 146 StGB betrogen hat. Ferner sind auch
keine neuen Beweismittel ersichtlich, welche dieses Beweisergebnis massge-
blich beeinflussen könnten. Im Falle einer Anklage müsste folglich ein Frei-
spruch erwartet werden. Die Staatsanwaltschaft Graubünden hat somit zu
Recht die Strafuntersuchung wegen Betrugs eingestellt.
6. Erweisen sich die Beschwerden dem Gesagten nach als unbegründet,
so gehen die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu Lasten der Beschwerdefüh-
rerinnen (Art. 160 Abs. 1 StPO). Von einer ausseramtlichen Entschädigung zu
Gunsten des Beschwerdegegners ist mangels einer gesetzlichen Grundlage
abzusehen.



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Demnach erkennt die Beschwerdekammer :
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens von Fr. 1'200 -gehen unter soli-
darischer Haftbarkeit zu Lasten der Beschwerdeführerinnen.
3. Mitteilung
an:
__
Für die Beschwerdekammer des Kantonsgerichts von Graubünden
Der Vizepräsident:
Die Aktuarin:


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