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Urteil Kantonsgericht Graubünden (GR)

Zusammenfassung des Urteils BK-02-49: Kantonsgericht Graubünden

Die Beschuldigte wurde vom Vorwurf des Betrugs und der Sachbeschädigung freigesprochen. Die Gemeinden Herrliberg und Meilen erhielten keine Parteirechte einer Privatklägerschaft. Obwohl die Gemeinden Berufung anmeldeten, reichten sie keine Berufungserklärung ein, weshalb auf ihre Berufung nicht eingetreten wurde. Die Gerichtsgebühr beträgt 600 CHF, und die Kosten des Berufungsverfahrens wurden den Gemeinden je zur Hälfte auferlegt. Die Beschuldigte verzichtete auf eine Prozessentschädigung. Die Staatsanwaltschaft zog ihre Berufung zurück.

Urteilsdetails des Kantongerichts BK-02-49

Kanton:GR
Fallnummer:BK-02-49
Instanz:Kantonsgericht Graubünden
Abteilung:-
Kantonsgericht Graubünden Entscheid BK-02-49 vom 02.10.2002 (GR)
Datum:02.10.2002
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Ehrverletzung
Schlagwörter : Oberengadin; Einvernahme; Kreispräsident; Recht; Beklagten; Verfahren; Rechtsvertreter; Kantons; Verfahren; Gehör; Kantonsgericht; Graubünden; Beschwerdekammer; Einstellungsverfügung; Kreispräsidenten; Ehrverletzung; Sinne; Angeschuldigte; Entscheid; Klage; Kreisamt; Klage; Rechtsvertreterin; Angeschuldigter; Ergänzungsfragen; Aussagen; Kantonsgerichts; Gehörs
Rechtsnorm:Art. 106 ZPO ;Art. 168 StPO ;
Referenz BGE:-
Kommentar:
-

Entscheid des Kantongerichts BK-02-49

Kantonsgericht von Graubünden
Tribunale cantonale dei Grigioni


Dretgira chantunala dal Grischun

Ref.:
Chur, 02. Oktober 2002
Schriftlich mitgeteilt am:
BK 02 49

Entscheid
Beschwerdekammer
Vizepräsident Bochsler, Kantonsrichter Heinz-Bommer und Rehli, Aktuar ad hoc
Koprio.
——————
In der strafrechtlichen Beschwerde
der R. M . , Klägerin und Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt lic.
iur. Luis W. Pajarola, Postfach 542, Aquasanastrasse 8, 7002 Chur,

gegen

die Einstellungsverfügung des Kreispräsidenten Oberengadin vom 12. Juli
2002, mitgeteilt am 17. Juli 2002, in Sachen gegen E. P . , Beklagter und Be-
schwerdegegner, vertreten durch Rechtsanwältin lic. iur. Charlotte Schucan-
Albrecht, Chesa Planta, 7524 Zuoz,
betreffend Ehrverletzung,

hat sich ergeben:



2


A.
Mit Eingabe vom 9. Oktober 2001 reichte R. M. Strafklage gegen
E. P. wegen Ehrverletzung beim Kreisamt Oberengadin ein. Die Klägerin mach-
te im Wesentlichen geltend, der Beklagte sei wegen seiner Äusserungen, sie
habe während der unterdessen geschiedenen Ehe Geld verschwinden lassen,
Verhältnisse mit anderen Männern gehabt und sie benötige eine psychiatrische
Behandlung, zu bestrafen.
B.
Die Sühneverhandlung vor dem Kreisamt Oberengadin vom 14.
November 2001 verlief ergebnislos.
C.
Die Klägerin verzichtete auf eine Klageergänzung innert der durch
Verfügung vom 15. November 2001 angesetzten Frist. Der Beklagte beantragte
in seiner Stellungnahme vom 21. Januar 2002, die Strafuntersuchung sei ein-
zustellen, eventualiter sei er zum Entlastungsbeweis zuzulassen. Des Weiteren
beantragte der Beklagte im Sinne eines zusätzlichen Eventualbegehrens, die
Klage sei abzuweisen und er sei freizusprechen. Mit prozessleitender Verfü-
gung des Kreispräsidenten Oberengadin vom 23. Januar 2002, mitgeteilt am
24. Januar 2002, wurde der Schriftenwechsel geschlossen und festgestellt,
dass im Rahmen des Beweisverfahrens die Zeugen der Klägerschaft, M. M.-M.
und R. P. einvernommen würden, während die Einvernahme des Beklagten auf
einen späteren Zeitpunkt festgesetzt werde. Am 25. März 2002 verfügte der
Kreispräsident den Schluss der Untersuchung. Mit Schreiben vom 15. April
2002 beantragte die Rechtsvertreterin des Beklagten E. P. dessen formelle Ein-
vernahme als Angeschuldigter. Am 19. April 2002 wurde E. P. auf den 5. Juni
2002 zur Einvernahme vor das Kreisamt Oberengadin geladen. Diese Vorla-
dung ging im Doppel an seine Rechtsvertreterin, welche alsdann der Einver-
nahme von E. P. beiwohnte und ihm Ergänzungsfragen stellen konnte.
D.
Mit Verfügung vom 12. Juli 2002, mitgeteilt am 17. Juli 2002,
stellte das Kreispräsident Oberengadin das Strafverfahren gegen den Ange-
schuldigten E. P. wegen Widerhandlung gegen die Ehre im Sinne von Art.
173ff. StGB ein. Zur Begründung stützte sich der Kreispräsident Oberengadin
unter anderem auch auf die Aussagen des Beklagten ab.
E.
Gegen diese Einstellungsverfügung liess R. M. bei der Beschwer-
dekammer des Kantonsgerichts von Graubünden Beschwerde erheben mit dem
Begehren, der vorinstanzliche Entscheid sei aufzuheben und die Vorinstanz sei
anzuweisen, das Verfahren fortzusetzen und allenfalls Anklage zu erheben. In



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der Begründung wird unter anderem geltend gemacht, dass der Angeschuldigte
E. P. im Sinne eines Beweisergänzungsantrages vor dem Kreispräsidenten
Oberengadin einvernommen worden sei, ohne dass die klägerische Partei von
dieser beweisergänzenden Einvernahme Kenntnis erhalten habe und zur Teil-
nahme eingeladen worden sei. Der Beklagte habe die Aussagen ohne Anwe-
senheit der klägerischen Partei machen können. Damit sei die Gewährung des
rechtlichen Gehörs verletzt worden. Der Beschwerdegegner E. P. liess sich
nicht innert Frist vernehmen, während der Kreispräsident Oberengadin unter
Hinweis auf die Einstellungsverfügung vom 12. Juli 2002 auf eine Stellungnah-
me verzichtete.
Auf die Ausführungen in den Rechtsschriften und im angefochtenen Ent-
scheid wird, soweit erforderlich, in den nachfolgenden Erwägungen eingegan-
gen.
Die Beschwerdekammer zieht in Erwägung :
1.
Gemäss Art. 168 Abs. 3 StPO in Verbindung mit Art. 138 und 139
StPO kann die Klägerin gegen Einstellungsverfügungen des Kreispräsidenten in
Ehrverletzungsverfahren bei der Beschwerdekammer des Kantonsgerichts Be-
schwerde führen. Auf die fristund formgerechte Beschwerde ist einzutreten.
2.
Die Beschwerdeführerin macht die Verletzung des rechtlichen Ge-
hörs durch die Vorinstanz geltend, da weder ihr Rechtsvertreter noch sie selber
zur Einvernahme des Beklagten eingeladen worden seien und sie deswegen
daran nicht hätten teilnehmen können.
3.
Das Ehrverletzungsverfahren ist ein besonderes Verfahren und
richtet sich nach den Bestimmungen der Art. 162ff. StPO. Ergänzend finden die
Bestimmungen über das ordentliche Verfahren und subsidiär jene der ZPO An-
wendung (Padrutt, Kommentar zur StPO, Chur 1996, Ziff. 2 S. 418). Den Ver-
gehen gegen die Ehre ist eigen, dass sie nur auf Antrag des Verletzten verfolgt
werden, und dass der Prozess grundsätzlich in einem dem zivilprozessualen
Zweiparteienverfahren angenäherten Verfahren geführt wird. Wesentliche Ele-
mente im Sinne eines Privatstrafklageverfahrens sind etwa die Einleitung des
Verfahrens durch schriftliche Klage des Verletzten, der Ablauf der Hauptver-
handlung, an welcher die Parteien ihre Sache selbst beziehungsweise durch
ihre privat bestellten Anwälte zu vertreten haben, sowie die Möglichkeit beider



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Parteien, gegen das erstinstanzliche Urteil Berufung beim Kantonsgericht ein-
zulegen.
4.
Die Einvernahme des Beklagten als Angeschuldigter ist im Privat-
strafklageverfahren nicht unbedingt erforderlich, wenn er unabhängig einer per-
sönlichen Einvernahme genügend Gelegenheit erhält, seine Darstellung des
Sachverhalts zu vertreten (PKG 1988 Nr. 56; Padrutt, a.a.O., Ziff. 5.2 S. 420).
Da vorliegend der Beklagte die Möglichkeit hatte, sich in einer schriftliche Stel-
lungnahme zur Sache zu äussern und dies auch in genügender Weise getan
hat, wäre eine mündliche Befragung zur Sache nicht mehr nötig gewesen. Da
nun aber der Kreispräsident Oberengadin eine Einvernahme des Beklagten
durchgeführt hat, stellt sich die Frage, ob er hierbei das rechtliche Gehör der
Klägerin rechtsgenüglich gewährt hat.
5.
Handelt es sich beim Ehrverletzungsverfahren um ein gemischtes
Verfahren mit zivilprozessualen Elementen, haben die Parteien aufgrund ihrer
besonderen Stellung Anspruch auf gleiche Behandlung und auf gleiches rechtli-
ches Gehör („Waffengleichheit“, Art. 106 ZPO). Dies gilt insbesondere (auch)
dann, wenn ein Beklagter als Angeschuldigter mündlich befragt wird. In solchen
Fällen steht dem Kläger beziehungsweise dessen Rechtsvertreter ebenso wie
dem Rechtsvertreter des Beklagten das Recht zu, an dessen Einvernahme teil-
zunehmen und an ihn Ergänzungsfragen zu stellen.
Aufgrund der Akten steht fest, dass der Kreispräsident Oberengadin nur
die Rechtsvertreterin des Beklagten zu dessen Einvernahme als Angeschuldig-
ter vorlud. Hingegen unterliess er es, die Klägerin beziehungsweise ihren
Rechtsvertreter von der rogatorischen Befragung des Beklagten in Kenntnis zu
setzten. Sie, beziehungsweise ihr Rechtsvertreter hatten demnach weder die
Möglichkeit, bei der Einvernahme anwesend zu sein noch Ergänzungsfragen zu
stellen. Da der Klägerin die Teilname an der Einvernahme des Beklagten vor
dem Kreispräsidenten Oberengadin verunmöglicht wurde, ist nach dem Gesag-
ten ihre Rüge betreffend Verletzung des rechtlichen Gehörs begründet. In die-
sem Zusammenhang sei noch darauf hingewiesen, dass das rechtliche Gehör
formeller Natur ist und dessen Verletzung daher unabhängig der Erfolgsaus-
sichten in der Sache selbst zur Aufhebung des angefochtenen Entscheides
führt. Vorliegend erweist sich die Gehörsverletzung umso gravierender, als sich
der Kreispräsident in seiner Einstellungsverfügung im Wesentlichen auf die
Aussagen des Beklagten in der rogatorischen Einvernahme abstützte.



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6.
Die Beschwerde ist somit gutzuheissen. Bei diesem Ausgang ge-
hen die Kosten des Verfahrens zu Lasten des Kantons Graubünden (Art. 160
Abs. 3 StPO), der zudem die anwaltlich vertretene Beschwerdeführerin ausser-
amtlich angemessen zu entschädigen hat.



6


Demnach erkennt die Beschwerdekammer :
1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen, die angefochtene Einstellungsverfü-
gung aufgehoben und die Sache im Sinne der Erwägungen an den Kreis-
präsidenten Oberengadin zurückgewiesen.
2.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens von Fr. 600.-gehen zu Lasten
des Kantons Graubünden, der zudem die Beschwerdeführerin ausser-
amtlich mit Fr. 400.-zu entschädigen hat.
3. Mitteilung
an:
__
Für die Beschwerdekammer des Kantonsgerichts von Graubünden
Der Vizepräsident
Der Aktuar ad hoc


Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

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