Der Beschuldigte wird vom Vorwurf der Drohung im Sinne von Art. 180 StGB freigesprochen, da die Äusserungen des Beschuldigten nicht als schwere Drohung angesehen werden können und auch nicht zweifelsfrei feststeht, dass die Privatklägerin dadurch in Angst oder Schrecken versetzt wurde. In Bezug auf die Tätlichkeiten im Sinne von Art. 126 StGB wird der Beschuldigte ebenfalls freigesprochen, da das Schubsen der Privatklägerin nicht als über das gesellschaftlich tolerierte Mass hinausgehend angesehen wird. Die Kosten des Verfahrens werden auf die Gerichtskasse genommen. Der Beschuldigte erhält eine Prozessentschädigung von Fr. 4'200.- für die anwaltliche Verteidigung sowie eine Genugtuung von Fr. 400.- für die zwei Tage in Untersuchungshaft. Das Urteil des Bezirksgerichts Winterthur vom 21. Juli 2016 wird in Rechtskraft bestätigt.
Urteilsdetails des Kantongerichts AB-02-26
Kanton: | GR |
Fallnummer: | AB-02-26 |
Instanz: | Kantonsgericht Graubünden |
Abteilung: | - |
Datum: | 17.12.2002 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Ernennung eines unabhängigen Gerichtes |
Schlagwörter : | Kreis; Richter; Gericht; Bezirksgericht; Umstände; Richterin; Kanton; Recht; Justizaufsichtskammer; Kantons; Gerichtes; Kreispräsident; Verfahren; Kantonsgericht; Graubünden; Gesuch; Einsetzung; Angehörigen; Richterinnen; Behörde; Präsident; Streitsache |
Rechtsnorm: | Art. 30 BV ;Art. 58 BV ; |
Referenz BGE: | 105 Ia 163; 116 Ia 40; |
Kommentar: | - |
Entscheid des Kantongerichts AB-02-26
Kantonsgericht von Graubünden
Tribunale cantonale dei Grigioni
Dretgira chantunala dal Grischun
Ref.:
Chur, 17. Dezember 2002
Schriftlich mitgeteilt am:
AB 02 26
Beschluss
Justizaufsichtskammer
Präsident Schmid, Vizepräsidenten Bochsler und Schlenker, Kantonsrichter Reh-
li und Sutter-Ambühl, Aktuar Engler.
——————
Zum Gesuch
der R. B . , F., Z., Gesuchstellerin,
gegen
das B e z i r k s g e r i c h t X , Gesuchsgegner,
betreffend Ernennung eines unabhängigen Gerichtes
(in der Forderungsstreitsache der Gesuchstellerin gegen den Kreis Y),
hat sich ergeben:
2
A.
Vor Bezirksgericht X ist eine Forderungsklage anhängig, mit wel-
cher R. B. vom Kreis Y Schadenersatz in der Höhe von 18 Millionen Franken
fordert. In ihrer Prozesseingabe vom 28. Oktober 2002 machte die Klägerin unter
anderem geltend, dass die angerufene Instanz kaum in der Lage sein dürfte, sich
unvoreingenommen der Streitsache anzunehmen, dies deshalb nicht, weil sie im
gleichen Gebäude wie das Kreisamt untergebracht sei, weil sich der Bezirksge-
richtspräsident und der Kreispräsident sowohl beruflich wie ausserberuflich na-
hestehen dürften und weil eine im Y ansässige Gerichtsbehörde sich nie werde
dazu durchringen können, in einem Zivilprozess den Kreis Y zur Verantwortung
zu ziehen, schon gar nicht, wenn das Verfahren von einer Auswärtigen ange-
strengt werde.
B.
Mit Schreiben vom 11. November 2002 übermittelte der Präsident
des Bezirksgerichtes X die Rechtsschrift dem Kantonsgericht, damit deren Jus-
tizaufsichtskammer vorerst über das Begehren um Einsetzung eines unbefange-
nen Gerichtes befinde. Gleichzeitig erklärte er, dass auf eine Stellungnahme
hierzu verzichtet werde.
C.
Der Kreispräsident Y sah ebenfalls von einer näheren Vernehmlas-
sung ab.
Die Justizaufsichtskammer zieht in Erwägung:
1.
Werden wie im vorliegenden Fall alle Angehörigen eines bestimm-
ten Gerichtes - die ordentlichen Mitglieder wie die Stellvertreter und Stellvertre-
terinnen als befangen abgelehnt, obliegt es gemäss Art. 25 Abs. 2 GVG der
Justizaufsichtskammer, in dem Masse, in welchem sie die geltend gemachten
Ausstandsgründe als stichhaltig ansieht, das betreffende Gericht durch Richte-
rinnen und Richter eines Nachbargerichtes zu ergänzen ein anderes Ge-
richt als zuständig zu erklären.
Insoweit ist also auf die Eingabe der R. B. vom 28. Oktober 2002 einzutre-
ten.
3
2.
Nach Art. 30 Abs. 1 BV (Art. 58 Abs. 1 aBV) und Art. 6 Ziff. 1 EMRK
besitzen Rechtsuchende einen Anspruch darauf, dass ihre Sache von unvorein-
genommenen, unparteiischen und unbefangenen Richterinnen und Richtern be-
urteilt wird. Damit soll garantiert werden, dass keine Umstände, die ausserhalb
des Prozesses liegen, in sachwidriger Weise zu Gunsten zu Lasten einer
Partei auf das Urteil einwirken; es soll mit anderen Worten verhindert werden,
dass Personen als Richterinnen und Richter tätig werden, die unter solchen Ein-
flüssen stehen und deshalb keine "rechten Mittler" mehr sein können. Voreinge-
nommenheit in diesem Sinne ist nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung
- und im Übrigen auch jener der Justizaufsichtskammer des Kantonsgerichtes
von Graubünden zu Art. 18 GVG (vgl. PKG 1980 Nr. 15 S. 59 sowie statt vieler
die Beschlüsse vom 15.06.98 [AB 98 2] und vom 07.05.02 [AB 02 4]) - dann an-
zunehmen, wenn Umstände vorliegen, die geeignet sind, Misstrauen in die Un-
parteilichkeit eines Richters einer Richterin zu erwecken. Solche Umstände
können entweder in einem bestimmten persönlichen Verhalten der betreffenden
Person in gewissen funktionellen und organisatorischen Gegebenheiten
begründet sein. In beiden Fällen wird aber nicht verlangt, dass Richterinnen und
Richter deswegen tatsächlich befangen seien. Es genügt, wenn Umstände vor-
liegen, die den Anschein der Befangenheit und die Gefahr der Voreingenom-
menheit zu begründen vermögen. Bei der Beurteilung des Anscheins der Befan-
genheit und der Gewichtung solcher Umstände kann nicht auf das subjektive
Empfinden einer Partei abgestellt werden; das Misstrauen in die Unvoreinge-
nommenheit muss vielmehr in objektiver Weise begründet erscheinen (vgl. BGE
127 I 198, 124 I 123, 119 Ia 57, 117 Ia 184, 116 Ia 33 f.; RHINOW/KOLLER/KISS,
Öffentliches Prozessrecht und Justizverfassungsrecht des Bundes, Basel und
Frankfurt am Main 1996, S. 35, Rz. 148 ff; LEUCH/MARBACH/KELLERHALS/STERCHI,
Die Zivilprozessordnung für den Kanton Bern, 5. Aufl., Bern 2000, S. 68 f.; Bar-
bara MERZ, Die Praxis zur thurgauischen Zivilprozessordnung, Bern 2000, S. 76
f. und S. 81 f.). Dabei darf freilich nicht unbesehen angenommen werden, dass
eine Gerichtsperson befangen wirke. Es soll nicht dazu kommen, dass ein miss-
liebiger Richter eine nicht genehme Richterin wegen alltäglicher Beziehun-
gen und Einflüsse am Einsitz gehindert wird, und es soll andererseits Richterin-
nen und Richtern nicht leichthin ermöglicht werden, sich unangenehmer Fälle zu
entledigen (vgl. BGE 105 Ia 163; PKG 1980 Nr. 15 S. 59 f.). Der Ausstand muss
also die Ausnahme bleiben, bestünde doch sonst die Gefahr, dass die gesetzli-
che Zuständigkeitsordnung bis zu einem gewissen Grade illusorisch würde. Es
kann nicht angehen, durch allzu hohe Anforderungen an die Unparteilichkeit von
4
Gerichtspersonen den damit in einem gewissen Spannungsverhältnis stehenden
Anspruch auf die gesetzlich primär vorgesehene richterliche Behörde auszuhöh-
len (vgl. BGE 116 Ia 40, Alfred KÖLZ, Kommentar zur Bundesverfassung der
Schweizerischen Eidgenossenschaft, Band III, Basel/Z./Bern 1996, Art. 58 aBV
N. 21).
3.
Dass die einzelnen Angehörigen des Bezirksgerichtes X (ordentli-
che Mitglieder und Stellvertreter) ihrer Person gegenüber Vorbehalte hätten, ihr
gar feindschaftlich gesinnt seien (Art. 18 lit. b GVG) und deshalb zu einer unvor-
eingenommenen Entscheidung nicht mehr fähig seien, macht R. B. nicht nur
nicht geltend, sondern wird von ihr auf Seite 3 ihrer Eingabe vom 28. Oktober
2002 sogar ausdrücklich verneint. - Insoweit besteht also von vornherein kein
Grund, mit der Behandlung der hier interessierenden Streitsache ein anderes
Gericht zu betrauen.
Richtig ist, dass sich das Kreisamt Y und damit die Verwaltung der von R.
B. ins Recht gefassten beklagten Partei im gleichen Gebäude befindet, in wel-
chem auch das in der strittigen Angelegenheit an sich zuständige Bezirksgericht
X untergebracht ist, in der C. R. in S.. Nicht von vornherein ausgeschlossen wer-
den kann weiter, dass sich der Bezirksgerichtspräsident x, Dr. H. J., und der für
den Kreis Y handelnde Kreispräsident R. F. aufgrund der örtlichen Begebenhei-
ten ihrer Arbeitsplätze persönlich kennen. Hingegen kann entgegen den Mut-
massungen von R. B. keine Rede davon sein, dass die beiden Amtsträger eng
zusammenarbeiten würden, weisen doch die Geschäftsbereiche der von ihnen
präsidierten Behörden nicht genügend Berührungspunkte auf, um eine derartige
Annahme zu rechtfertigen. Ebenso wenig finden sich Hinweise dafür, dass der
Bezirksgerichtspräsident X ausserhalb seiner amtlichen Tätigkeit derart enge
Kontakte zum Kreispräsidenten Y unterhalte, dass von einem eigentlichen
Freundschaftsverhältnis (Art. 18 lit. b GVG) gesprochen werden müsste, welches
Befürchtungen aufkommen liesse, dass der Ausgang des Prozesses von sach-
fremden Umständen beeinflusst werde. Im beruflichen und privaten Alltag gibt es
also nichts, was im Verhältnis zwischen dem Bezirksgerichtspräsidenten von
den übrigen Angehörigen des Bezirksgerichtes X ganz zu schweigen - und dem
Kreispräsidenten Y auf eine besondere, die üblichen gesellschaftsadäquaten
Beziehungen übersteigende Nähe hindeuten würde, welche die Gleichbehand-
lung der Parteien gefährden könnte und objektiv begründete Zweifel an der nöti-
5
gen Distanz und Unvoreingenommenheit bei der Beurteilung der Streitsache er-
wecken müsste (vgl. Regina KIENER, Richterliche Unabhängigkeit, Bern 2001, S.
97). - Auch insoweit fehlt es somit an einer genügenden Handhabe, um das der
Gesuchstellerin nicht genehme Bezirksgericht X durch eine andere richterliche
Behörde zu ersetzen.
Überdies scheint R. B. der Meinung zu sein, dass eine im Y ansässige
Gerichtsinstanz wie das Bezirksgericht X nicht ohne Not einer Partei Recht ge-
ben werde, wenn der Kreis Y von der Klage betroffen sei. Zweifel, ob bei dieser
Konstellation der Ausgang des Verfahrens tatsächlich noch offen sei, könnten
objektiv betrachtet allenfalls dann begründet sein, wenn Mitglieder der erken-
nenden Behörde einem Organ der beklagten Partei angehören würden (Art. 18
lit. a GVG), in welcher Eigenschaft sie verpflichtet wären, deren Interessen
bestmöglich zu wahren, wenn sie sonstwie zum Kreis Y in einem besonde-
ren Pflichtoder Abhängigkeitsverhältnis stehen würden (Art. 18 lit. c GVG) und
deshalb je nach Ausgang des Verfahrens persönlich mit Nachteilen rechnen
müssten (vgl. KIENER, a. a. O., S. 107). Anhaltspunkte, die hierfür sprechen wür-
den, sind allerdings nicht ersichtlich, und es vermochte denn auch die Gesuch-
stellerin nichts dergleichen aufzuzeigen. Als mögliche Berührungsfläche bleibt
bei dieser Sachlage einzig der Umstand, dass die meisten Angehörigen des Be-
zirksgerichtes X im Kreis Y wohnen. Dies allein schafft indessen noch nicht eine
derartige Nähe zu der einen Partei, dass eine unbefangene Entscheidfindung
ernstlich in Frage gestellt werden müsste (vgl. MERZ, a. a. O., S. 79 f.;
LEUCH/MARBACH/KELLERHALS/STERCHI, a. a. O., S. 69). Sollte R. B. mit ihrer
Schadenersatzklage ganz teilweise durchdringen und sollte auf Seiten des
Beklagten hierfür keine keine genügende Versicherungsdeckung bestehen,
könnte dies in ungewisser Zukunft zwar zu einer Verschlechterung seiner Fi-
nanzlage und damit zu einer Belastung des Steuerzahlers führen. Gerade in be-
völkerungsmässig eher grossen Gebietskörperschaften - und dazu gehört nach
bündnerischen Verhältnissen der Kreis Y wird eine solche Gefahr allerdings,
soweit sie überhaupt wahrgenommen wird, als wenig konkret empfunden, so
dass sie die ihr ausgesetzten Richterinnen und Richter noch nicht in Versuchung
bringt, das beklagte Gemeinwesen unbesehen der Rechtslage gegenüber der
Klägerin zu bevorzugen. - Auch unter diesem Gesichtspunkt kann somit dem
Begehren um Einsetzung eines anderen Gerichtes nicht entsprochen werden.
6
Die Andeutung schliesslich, bei den erstund zweitinstanzlichen Gerich-
ten des Kantons Graubünden würden auswärtige Rechtsuchende im Vergleich
zu den einheimischen benachteiligt, ist eine böswillige Unterstellung.
4.
In Fällen, in denen über die Einsetzung eines unbefangenen Ge-
richtes, über bestrittene Ausstandseinsprachen andere Justizaufsichtsange-
legenheiten zu befinden ist, werden in aller Regel keine Gerichtsgebühren erho-
ben. Umstände, die in der vorliegenden Angelegenheit eine abweichende Lö-
sung nahelegen würden, sind nicht ersichtlich, so dass davon abgesehen wer-
den kann, den Betroffenen Verfahrenskosten zu überbinden.
Auf der anderen Seite besteht aber ebenso wenig Grund zur Zusprechung
aussergerichtlicher Entschädigungen. R. B. besitzt schon deshalb keinen derar-
tigen Anspruch, weil sie mit ihrem Begehren auf Einsetzung eines unbefangenen
Gerichtes nicht durchzudringen vermochte, während den übrigen Beteiligten, die
sich gar nicht erst vernehmen liessen, durch das laufende Verfahren kein nen-
nenswerter Aufwand erwachsen ist.
7
Demnach beschliesst die Justizaufsichtskammer:
1.
Das Gesuch wird abgewiesen.
2.
Für diesen Beschluss werden weder Kosten erhoben noch aussergericht-
liche Entschädigungen zugesprochen.
3. Mitteilung
an:
- R. B., F., Z.
- Bezirksgericht X
- Kreisamt Y.
__
Für die Justizaufsichtskammer
des Kantonsgerichts von Graubünden
Der Präsident
Der Aktuar
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