E-MailWeiterleiten
LinkedInLinkedIn

Urteil Kantonsgericht (GL)

Zusammenfassung des Urteils OG.2020.00032: Kantonsgericht

Das Obergericht des Kantons Glarus hat am 3. Juli 2020 über ein Ausstandsbegehren gegen Staatsanwalt B. entschieden. Der Gesuchsteller forderte den Staatsanwalt auf, sich aus dem Verfahren zurückzuziehen, da er eine Voreingenommenheit vermutete. Das Gericht wies das Begehren ab, da es als verspätet eingereicht galt. Selbst wenn das Begehren rechtzeitig gewesen wäre, hätte es abgelehnt werden müssen, da keine schwerwiegenden Verstösse des Staatsanwalts vorlagen. Die Gerichtskosten wurden auf CHF 400.- festgelegt, die der Gesuchsteller tragen muss.

Urteilsdetails des Kantongerichts OG.2020.00032

Kanton:GL
Fallnummer:OG.2020.00032
Instanz:Kantonsgericht
Abteilung:-
Kantonsgericht Entscheid OG.2020.00032 vom 03.07.2020 (GL)
Datum:03.07.2020
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:Ausstand
Schlagwörter : Staat; Gesuch; Gesuchsteller; Staatsanwalt; Ausstand; Befehl; Kanton; Verfahren; Gesuchstellers; Gericht; Ausstandsbegehren; Kantonsgericht; Einsprache; Staatsanwalts; Staatsanwaltschaft; ­gen; Beweise; Abklärung; Obergericht; Eingabe; Hauptverfahrens; Ausstandsgr; Beurteilung
Rechtsnorm:-
Referenz BGE:141 IV 178;
Kommentar:
Schmid, Jositsch, Riklin, Praxis, 3. Aufl., Zürich, 2018

Entscheid des Kantongerichts OG.2020.00032

__

 

Das Gericht zieht in Betracht:

 

1.

Folgender Sachverhalt lässt sich aus dem Ausstandsbegehren vom 12. Juni 2020 sowie den beiden vom betroffenen Staatsanwalt verfassten Stellungnahmen vom 15. Juni 2020 entnehmen (siehe act. 1 S. 2 f. Ziff. 3 sowie act. 2 und act. 3/1):

 

Die hiesige Staatsanwaltschaft führte gegen den Gesuchsteller eine Strafuntersu­chung wegen Übertretung des Bundesgesetzes betreffend die Lotterien und gewerbsmässigen Wetten (SR 935.51; in Kraft bis Ende 2018). Dabei erliess sie am 14. Mai 2020 einen Strafbefehl, wogegen der Beschuldigte am 25. Mai 2020 Ein­sprache erhob. Darauf­hin überwies der fallführende Staatsanwalt B.__ am 29. Mai 2020 die Akten dem Kantonsgericht zur Durchführung des Hauptverfahrens und gilt hier­bei der (beanstandete) Strafbefehl als Anklageschrift (siehe dazu Art. 356 Abs. 1 StPO). Am 3. Juni 2020 kontaktierte das Kantonsgericht die (damalige) Rechtsver­treterin des Gesuchstellers zwecks Vereinbarung eines Termins für die Hauptver­handlung.

 

2.

2.1. Mit Eingabe vom 12. Juni 2020 gelangte die (damalige) Rechtsvertreterin des Gesuchstellers an die Staatsanwaltschaft und verlangte darin den Ausstand von Staatsanwalt B.__ (act. 1).

 

2.2 Mit Schreiben vom 15. Juni 2020 überwies Staatsanwalt B.__ das Ausstandsgesuch zur Behandlung an das Obergericht und beantragt dabei dessen Abweisung, soweit überhaupt darauf einzutreten sei (act. 2).

 

2.3 Der Gesuchsteller ist inzwischen nicht mehr anwaltlich vertreten (act. 5).

 

3.

Das Obergericht als Beschwerdeinstanz in Strafsachen ist zuständig zur Behand­lung von Ausstandsbegehren gegen die Staatsanwaltschaft (Art. 59 Abs. 1 lit. b StPO i.V.m Art. 16 Abs. 1 lit. a GOG/GL [GS III A/2]).

 

4.

4.1 Will eine Partei den Ausstand einer in einer Strafbehörde tätigen Person verlan­gen, so hat sie der Verfahrensleitung ohne Verzug ein entsprechendes Gesuch zu stellen, sobald sie vom Ausstandsgrund Kenntnis hat; die den Ausstand begründen­den Tatsachen sind glaubhaft zu machen (Art. 58 Abs. 1 StPO).

 

Gemäss dem klaren Gesetzeswortlaut hat die gesuchstellende Partei ihr Aus­standsbegehren ungesäumt («ohne Verzug») vorzubringen und ist daher nach gefes­tigter Rechtsprechung der Ausstand in den nächsten Tagen nach Kenntnis­nahme zu verlangen; andernfalls verwirkt der Anspruch. Ein Gesuch, das sechs bis sieben Tage nach Kenntnis des Ausstandsgrunds eingereicht wird, gilt als rechtzei­tig. Unzulässig ist demgegenüber ein Zuwarten während zwei Wochen (zum Gan­zen: BGer 1B_18/2020 Urteil vom 3. März 2020, E. 3.1. mit Hinweisen).

 

4.2 Der Gesuchsteller wirft dem fallführenden Staatsanwalt eine mangelhafte Verfahrensführung vor, da er trotz einlässlich begründeter Einsprache gegen den Strafbefehl keine weiteren möglicherweise entlastenden Abklä­rungen mehr unter­nommen und stattdessen die Sache sogleich dem Kantonsgericht zur Beurteilung überwiesen habe; diese Unterlassung erwecke den Anschein von Voreingenom­menheit, weshalb der fallführende Staatsanwalt in den Ausstand zu treten habe (act. 1 S. 6 f. Ziff. 4).

 

4.3 Das auf der eben dargelegten Begründung basierende Ausstandsbegehren ist verspätet:

 

Seit Dienstag, 3. Juni 2020, als das Kantonsgericht bei der damaligen Rechtsvertre­terin des Gesuchstellers wegen eines Termins für die Hauptverhandlung nachfragte (sie­he act. 1 S. 2 Ziff. 3), wusste der Gesuchsteller, dass der fallführende Staatsan­walt keine Notwendigkeit mehr für weitere Beweisabnahmen sah und stattdessen die Sache dem Gericht zur Beurteilung überwiesen hatte. Es dauerte in der Folge dann aber bis Freitag, 12. Juni 2020, ehe der Gesuchsteller gegen den zuständigen Staatsanwalt wegen der nicht mehr durchgeführten zusätzlichen Beweiserhebungen ein Ausstandsbegehren erhob. Es vergingen somit neun Tage, bis der Gesuchstel­ler nach Kenntnis des vermeintlichen Ausstandsgrundes reagierte.

 

Diese Zeitspanne ist mit Blick auf die zuvor aufgezeigte Rechtsprechung (oben E. 4.1) zu lange und hat daher der Gesuchsteller sein Ausstandsbegehren verspätet eingereicht, weshalb darauf nicht einzutreten ist.

 

5.

Aber selbst wenn auf das Gesuch einzutreten wäre, müsste dieses aus nachfolgen­den Überlegungen abgewiesen werden:

 

5.1 Der Gesuchsteller macht geltend, dass es Aufgabe des fallzuständigen Staats­anwaltes B.__ gewesen wäre, zusätzliche Beweise zu erheben, nachdem er (der Gesuchsteller) gegen den Strafbefehl vom 14. Mai 2020 Einspra­che erhoben habe. Diese Unterlassung – so der Standpunkt des Gesuchstellers – lasse den Staatsanwalt als befangen erscheinen (act. 1 S. 6 f. Ziff. 4).

 

5.2

5.2.1 Fehlerhafte Verfügungen und Verfahrenshandlungen des Staatsanwalts begründen für sich keinen Anschein der Voreingenommenheit. Anders verhält es sich jedoch, wenn besonders krasse wiederholte Irrtümer vorliegen, die eine schwere Verletzung der Amtspflichten darstellen; in diesem Fall ist auf Voreinge­nommenheit zu schliessen und hat der betreffende Staatsanwalt die betreffen­de Staatsanwältin gestützt auf Art. 56 lit. f StPO in den Ausstand zu treten (siehe dazu BGE 141 IV 178 E. 3.2.3 S. 180 mit Hinweisen).

 

5.2.2 Wird gegen einen Strafbefehl Einsprache erhoben, so nimmt die Staatsan­waltschaft die weiteren Beweise ab, die zur Beurteilung der Einsprache erforderlich sind (Art. 355 Abs. 1 StPO). Hält danach die Staatsanwaltschaft an ihrem Strafbe­fehl fest, so überweist sie die Akten unverzüglich dem erstinstanzlichen Gericht zur Durchführung des Hauptverfahrens (Art. 355 Abs. 3 lit. a und Art. 356 Abs. 1 StPO). Der Sinn von Art. 355 Abs. 1 StPO [weitere Beweisabnahme nach Einsprache] geht dahin, dass das vor Erlass des Strafbefehls zumeist nur lückenhaft durchgeführte Vorverfahren und vor allem die erforderlichen Beweisabnahmen nachgeholt werden; dazu gehört primär eine Einvernahme der beschuldigten Person, es sei denn, jene vor dem Strafbefehl sei umfassend (Schmid/Jositsch, StPO Praxiskommentar, 3. Aufl., Zürich/St. Gallen 2018, Art. 355 N 1; siehe auch BSK StPO-Riklin, Art. 355 N 1).

 

5.2.3 Vorliegend ergibt sich aus dem Gesamtzusammenhang, dass die Staatsan­waltschaft in ihrem Strafbefehl vom 14. Mai 2020 den Gesuchsteller zu einer finan­ziellen Ersatzabgabe an den Staat in hier nicht näher bekannten Höhe verpflichtet hatte. Daraufhin machte der Gesuchsteller in seiner Einsprache geltend, der fallzu­ständige Staatsanwalt habe bei der Bemessung der Ersatzabgabe auf Angaben aus einer unzutreffenden Website abgestellt. Weil in der Folge der fallzuständige Staats­anwalt dennoch keine nochmaligen Abklärungen mehr traf, sondern die Sache sogleich dem Kantonsgericht zur Durchführung des Hauptverfahrens über­wies, schliesst nun der Gesuchsteller daraus auf eine eklatante Verletzung von Art. 6 Abs. 2 StPO, indem es der Staatsanwalt unterlassen habe, entlastende Beweise abzunehmen (siehe zum Ganzen act. 1 S. 6 f. Ziff. 4 und act. 3/1).

 

Dieser Rüge kann nicht gefolgt werden. Gemäss Art. 70 Abs. 1 StGB verfügt das Gericht die Einziehung von Vermögenswerten, die durch eine Straftat erlangt wor­den sind dazu bestimmt waren, eine Straftat zu veranlassen. Lässt sich der Umfang der einzuziehenden Vermögenswerte nicht nur mit unverhältnismässi­gem Aufwand ermitteln, so kann das Gericht ihn schätzen (Art. 70 Abs. 5 StGB). Vorliegend ist die Höhe der Provision umstritten, welche der Gesuchsteller im Zuge der ihm angelas­teten Übertretung des Bundesgesetzes betreffend die Lotterien und die gewerbsmässi­gen Wetten bezogen haben soll (act. 1 S. 6 unten). Hierüber dürfte indes eine Schätzung so anders unumgänglich sein, da bei einem wie hier in­ternationalen Wettsystem (sie­he dazu act. 3/2 und act. 3/3) verlässliche Angaben, wenn überhaupt, nur mit unver­hältnismässig hohem Aufwand zu beschaf­fen sind. Insofern bedeutet es keinen gra­vierenden Verfahrensfehler, wenn vorlie­gend der zuständige Staatsanwalt keine weiteren Abklärungen mehr unternahm, sondern den Schätzentscheid gleich dem nunmehr zuständigen Kantonsgericht überlässt. Kommt im Übrigen dazu, dass die in der Einsprache gegen den Strafbe­fehl kritisierte Verwechslung zweier Websites mit hoher Wahrscheinlichkeit sowieso ohne Rele­vanz ist, da beide Websites vom gleichen Wettanbieter betrieben werden und daher, wie der Staatsanwalt in seiner Stellungnahme plausibel argumentiert, die Preis­systeme übereinstimmen dürften (act. 3/1) und insofern von vornherein keine zusätzlichen Abklärungen mehr notwendig sind.

 

Daraus ergibt sich, dass im soeben behandelten Kontext dem fallführenden Staats­anwalt kein Pflichtversäumnis vorzuwerfen ist, welches den Anschein einer Befan­genheit erwecken würde.

 

5.2.4 Ebenso wenig bedeutet die vom Gesuchsteller in seinem Ausstandsgesuch des Weiteren erwähnte Untätigkeit des Staatsanwaltes während mehr als zwei Jah­ren eine schwere Amtspflichtverletzung, welche den hier verlangten Ausstand nach sich ziehen würde (act. 1 S. 7 f. Ziff. 5). Insoweit das Beschleunigungsgebot verletzt sein sollte, wäre diesem Umstand bei der Strafzumessung Rechnung zu tragen. Es kann dieser Aspekt aber weder für sich allein noch `in Kumulation` mit der unter­lassenen weiteren (Internet)Abklärung (siehe act. 1 S. 8 oben) zur Absetzung des fall­zuständigen Staatsanwaltes führen, zumal der Gesuchsteller auch nicht geltend macht, dass er sich bis anhin je einmal über die behauptete lange Verfahrensdauer beschwert hätte.

 

6.

Diesen Erwägungen zufolge ist das Ausstandsbegehren des Gesuchstellers gegen Staatsanwalt B.__ abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Die Kosten für das vorliegende Verfahren sind auf CHF 400.festzulegen (analog Art. 8 Abs. 2 lit. b der Zivil- und Strafprozesskostenverordnung [GS III A/5]) und sind aus­gangsgemäss dem Gesuchsteller zu überbinden (Art. 59 Abs. 4 StPO).

 

__

 

Das Gericht beschliesst:

 

 



 
Quelle: https://findinfo.gl.ch

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

Hier geht es zurück zur Suchmaschine.