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Urteil Kantonsgericht (GL)

Zusammenfassung des Urteils OG.2019.00083: Kantonsgericht

Die Beschwerde gegen die Honorarkürzung der amtlichen Verteidigung wurde vom Bundesstrafgericht teilweise gutgeheissen, wobei CHF 180.- für das Replikrecht gewährt wurden. Der Beschwerdeführer A.______ wurde durch B.______ vertreten und klagte gegen die Staats- und Jugendanwaltschaft des Kantons Glarus betreffend Akteneinsicht. Die Staatsanwaltschaft verweigerte die Akteneinsicht, da wichtige Beweise noch nicht erhoben worden seien. Der Beschuldigte argumentierte, dass die Verweigerung unangemessen sei und gegen verschiedene Rechtsvorschriften verstosse. Letztendlich wurde die Beschwerde abgewiesen, da die Staatsanwaltschaft zu Recht die Akteneinsicht aufgrund des frühen Stadiums der Strafuntersuchung und der noch nicht erhobenen wichtigen Beweise verweigert hatte.

Urteilsdetails des Kantongerichts OG.2019.00083

Kanton:GL
Fallnummer:OG.2019.00083
Instanz:Kantonsgericht
Abteilung:-
Kantonsgericht Entscheid OG.2019.00083 vom 05.05.2020 (GL)
Datum:05.05.2020
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:-
Schlagwörter : Beschuldigte; Akten; Beschuldigten; Staats; Staatsanwaltschaft; Untersuchung; Beschwer; Beschwerde; Einsicht; Beweise; Akteneinsicht; Delikt; Verfügung; Person; Einvernahme; Verfahren; Verteidigung; Zeitpunkt; Eingabe; Zeugen; Recht; Bilten; Personen; Obergericht; Verteidigerin; Aussage; Birmensdorf; Haftantrag
Rechtsnorm:Art. 101 StPO ;Art. 107 StPO ;Art. 225 StPO ;Art. 29 BV ;Art. 3 StPO ;
Referenz BGE:137 IV 280; 143 IV 316;
Kommentar:

Entscheid des Kantongerichts OG.2019.00083

Anträge der Beschwerdegegnerin (gemäss Eingabe vom 10. Januar 2020, act. 6, S. 1):

__

 

Das Gericht zieht in Betracht:

 

I.

1. Die Staats- und Jugendanwaltschaft des Kantons Glarus (nachfolgend Staatsanwaltschaft) verdächtigt A.__ (vormals [...]; nachfolgend Beschuldigter), sich in der Nacht vom 19./20. Mai 2017 im Club [...] in Birmensdorf zusammen mit C.__ und D.__ (Bruder des Beschuldigten) des Angriffs (i.S.v. Art. 134 StGB) zum Nachteil von E.__ und F.__ schuldig gemacht zu haben (nachfolgend auch Delikt Birmensdorf). Der Beschuldigte wurde am 9. Oktober 2019 verhaftet und befindet sich seither in Untersuchungshaft. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass der mutmassliche Angriff vom 19./20. Mai 2017 das Tatmotiv war für einen versuchten Auftragsmord, begangen am 3. Oktober 2018 in Bilten, zum Nachteil von C.__. E.__ und F.__ werden verdächtigt, in diesen Auftragsmord involviert zu sein (act. 6, SG.2019.00105 act. 1).

 

2. Der Beschuldigte beantragte mit Schreiben vom 4. Oktober 2019 und vom 14. Oktober 2019 bei der Staatsanwaltschaft Akteneinsicht (act. 3/3, act. 3/4). Mit Verfügung vom 23. Oktober 2019 wies die Staatsanwaltschaft dieses Gesuch ab, mit der Begründung, die wichtigsten Beweise (i.S.v. Art. 101 Abs. 1 StPO) seien noch nicht erhoben worden (act. 1).

 

3. Mit Beschwerde vom 4. November 2019 erhob der Beschuldigte gegen die vorgenannte Verfügung der Staatsanwaltschaft Beschwerde beim Obergericht des Kantons Glarus mit den eingangs wiedergegebenen Anträgen (act. 2).

 

4. Die Beschwerdeantwort der Staatsanwaltschaft vom 10. Januar 2020 (act. 6) wurde dem Beschuldigten zur Kenntnisnahme zugestellt (act. 7). Mit Eingabe vom 20. Januar 2020 reichte der Beschuldigte dem Obergericht unaufgefordert einen „Nachtrag zur Beschwerde“ ein (act. 8). Die Staatsanwaltschaft nahm dazu mit Eingabe vom 7. Februar 2020 freiwillig Stellung (act. 12). Diese Eingabe wurde dem Beschuldigten zur Kenntnisnahme zugestellt (act. 14). Mit Eingabe vom 25. März 2020 gelangte der Beschuldigte erneut unaufgefordert ans Obergericht (act. 15); diese Eingabe wurde der Staatsanwaltschaft zugestellt (act. 16).

 

5. Die Akten der bisherigen Haftverfahren SG.2019.00105, SG.2019.00123 SG.2019.00130, OG.2019.00098, SG.2020.00023, OG.2020.00012, SG.2020.00037 und OG.2020.00023 wurden beigezogen (act. 16).

 

II.

1. Die angefochtene Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 23. Oktober 2019 ist der Beschwerde zugänglich (Art. 393 Abs. 1 lit. a StPO i.V.m. Art. 20 Abs. 1 lit. b StPO). Die Beschwerdefrist von zehn Tagen (Art. 396 Abs. 1 StPO i.V.m. Art. 90 StPO) ist vorliegend eingehalten (act. 3/2, act. 2). Zur Beschwerde legitimiert ist jede Partei, die ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung Änderung eines Entscheids hat (Art. 382 Abs. 1 StPO). Das Rechtsschutzinteresse bzw. die Beschwer muss im Zeitpunkt des Entscheids über die Beschwerde aktuell sein. Der Beschwerdeführer als Beschuldigter in der Strafuntersuchung betreffend das Delikt Birmensdorf hat ein rechtlich geschütztes Interesse, Einsicht in die Akten dieser Strafuntersuchung zu nehmen. Die übrigen Prozessvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen Anlass. Auf die Beschwerde ist einzutreten.

 

2. Mit Beschwerde kann eine Rechtsverletzung und/oder eine unvollständige unrichtige Feststellung des Sachverhalts sowie Unangemessenheit gerügt werden (Art. 393 Abs. 2 StPO).

 

III.

1.

1.1. Der Beschuldigte macht in seiner Beschwerde geltend, die Staatsanwaltschaft habe mit ihrer Verfügung gegen Art. 6 Ziff. 1 und 3 EMRK, Art. 29 Abs. 2 BV, Art. 32 Abs. 2 BV, Art. 3 StPO, Art. 107 StPO, Art. 101 StPO und gegen Art. 225 Abs. 2 StPO verstossen. Weiter ist der Beschuldigte der Auffassung, die angefochtene Verfügung der Staatsanwaltschaft sei unangemessen (act. 2 S. 3, 13).

 

1.1.1. Der Beschuldigte führt in seiner Beschwerde hinsichtlich der geltend gemachten Rechtsverletzungen Folgendes aus (act. 2 S. 5 ff.):

Zum Zeitpunkt der Beschwerde vom 4. November 2019 seien ihm von der Staatsanwaltschaft die folgenden Akten mit dem Haftantrag zur Verfügung gestellt worden: Protokoll seiner Einvernahme vom 9. Oktober 2019, seine administrativen Akten sowie der Spitalbericht von E.__ und einen Auszug aus einer Einvernahme mit E.__. Sämtliche weiteren Untersuchungsakten würden vorenthalten, wobei die folgenden Aktenstücke vermutlich vorhanden seien: Die Protokolle der früheren Einvernahmen mit E.__; die Protokolle der Zeugen- und Konfrontationseinvernahmen, welche in Anwesenheit der Verteidigung durchgeführt worden seien; ärztliche Unterlagen sowie die Akten der Unfallversicherung von E.__; Akten betreffend Hausdurchsuchung und Befragung Personal des Hotels [...]; Aktenverzeichnisse; Protokolle der Befragungen von Mitbeschuldigten; Auswertung der Videokamera des Tatorts und der Mobiltelefone der Beteiligten.

 

1.1.2. Weiter bemängelt der Beschuldigte, die Staatsanwaltschaft habe in der angefochtenen Verfügung lediglich knapp festgehalten, die Akteneinsicht werde verweigert, weil die wichtigsten Beweise noch nicht erhoben worden seien, was eine Verletzung der aus dem rechtlichen Gehör fliessenden Begründungspflicht darstelle. Er, die beiden Mitbeschuldigten, E.__ und zwei weitere Zeugen seien bereits (teils mehrfach) einvernommen worden. Es sei unklar, welche weiteren Beweise noch erhoben werden müssten und wieso diese zu den wichtigsten Beweisen gehörten. Er habe von Anfang an ausgesagt, dass er am betreffenden Abend nicht am Tatort gewesen sei, und es sei daher nicht ersichtlich, inwiefern er seine Aussagen nach Kenntnis der Akten anpassen könne. Die Strafuntersuchung laufe bereits seit geraumer Zeit. E.__ habe in der Konfrontationseinvernahme vom 21. Oktober 2019 zwei Zeugen erwähnt und diese hätten mit ihren Aussagen ihn (den Beschuldigten) entlastet und die Version von E.__ widerlegt. Die Staatsanwaltschaft könne vorbringen, F.__ sei noch zu befragen. F.__ sei aber flüchtig und es gehe nicht an, dass ihm (dem Beschuldigten) sämtliche Akten (Hervorhebung hinzugefügt) vorenthalten würden mit der Begründung, der flüchtige F.__ müsse noch befragt werden. Der Beschuldigte ist der Auffassung, dass die wichtigsten Beweise erhoben worden seien (act. 2 S. 11 ff.).

 

1.1.3. Nach dem Dafürhalten des Beschuldigten gebe es keine sachlichen Gründe, ihm die Einsicht in die Akten zu verweigern, weshalb die Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 23. Oktober 2019 auch unangemessen sei. Willkürlich scheine die Verweigerung der Akteneinsicht bezüglich der Protokolle der Einvernahmen mit Personen, mit denen er bereits konfrontiert worden sei, und auch betreffend die weiteren Aktenstücke wie z.B. die ärztlichen Unterlagen von E.__, die wichtig seien für die Beurteilung der Glaubwürdigkeit von E.__. Weiter bestehe der Verdacht, dass Entlastendes zurückbehalten werde, um seine weitere Inhaftierung zu erwirken (act. 2 S. 13 f.).

 

1.2. Die Staatsanwaltschaft führt in ihrer Beschwerdeantwort aus, dass die wichtigsten Beweise (i.S.v. Art. 101 StPO) noch nicht erhoben worden seien. Der Verteidigung werde Akteneinsicht gewährt, sobald es der Verfahrensstand erlaube. Es handle sich vorliegend um eine umfangreiche Strafuntersuchung mit zahlreichen involvierten Personen, welche im Zusammenhang mit zwei Taten teilweise als beschuldigte Personen und als Geschädigte fungierten. Die entscheidenden Beweise seien sehr umfangreich, weshalb die Strafverfolgungsbehörden darauf angewiesen seien, diese zu erheben und die beschuldigten Personen zu befragen, bevor sie vom Inhalt der entsprechenden Aktenteile Kenntnis erhielten. Sodann sei bei mehreren Beschuldigten die Kollusionsgefahr vom Zwangsmassnahmengericht und vom Obergericht des Kantons Glarus bejaht worden. Aufgrund der zwischenzeitlich getätigten Ermittlungen bestünden konkrete Anhaltspunkte, dass für einzelne Personen durch die Mitwirkung im Verfahren eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben die Gefahr, sie einem anderen schweren Nachteil auszusetzen, bestehe. Aus diesem Grunde seien Schutzmassnahmen i.S.v. Art. 149 StPO angeordnet worden und es sei auch deshalb notwendig, das Akteneinsichtsrecht derzeit zu beschränken. In der Zwischenzeit sei F.__ verhaftet worden (act. 6).

 

1.3. Mit „Nachtrag zur Beschwerde“ vom 20. Januar 2020 (act. 8) orientiert der Beschuldigte das Obergericht, dass die Staatsanwaltschaft in den bisherigen Haftverfahren einzelne Aktenstücke (oder Seiten) zugänglich gemacht habe. Vorenthalten würden die Protokolle der in Anwesenheit der Verteidigung einvernommenen Zeugen (G.__ und zwei anonyme Personen). Der Beschuldigte behauptet (erneut), dass entlastende Beweise zurückbehalten würden (act. 8 S. 2 f.).

 

1.4. Die Staatsanwaltschaft äussert sich in ihrer Eingabe vom 7. Februar 2020 dahingehend, dass die Strafuntersuchung gegen den Beschuldigten erst seit rund vier Monaten laufe. Zwischenzeitlich habe F.__ den Beschuldigten identifiziert und belastet. Der Beschuldigte gehe fehl in der Annahme, dass bei einer fehlenden Wahrnehmung bzw. fehlendem Erinnerungsvermögen eines in Frage kommenden Zeugen grundsätzlich von einem Dahinfallen des Tatverdachts auszugehen sei. Es bestünden immer noch konkrete Anhaltspunkte, dass für einzelne Personen im Sinne von Art. 149 Abs. 1 StPO durch die Mitwirkung im Verfahren eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben die Gefahr, sie einem anderen schweren Nachteil auszusetzen, bestehe. Die entsprechenden Anträge (i.S.v. Art. 150 StPO) seien vom Zwangsmassnahmengericht mit Verfügung vom 31. Januar 2020 genehmigt worden. Dem Zwangsmassnahmengericht seien fortwährend die notwendigen Akten eingereicht und dem Beschuldigten zugestellt worden. Entgegen den unzutreffenden Vorwürfen und Behauptungen des Beschuldigten sei ihm weder ein Entlastungsbeweis verwehrt noch sei sein rechtliches Gehör verletzt worden (act. 12).

 

1.5. Mit Eingabe vom 25. März 2020 informiert der Beschuldigte das Obergericht, dass seit der Konfrontationseinvernahme vom 4. Februar 2020 keine Verfahrenshandlungen mehr stattgefunden hätten. Es könne nicht mehr behauptet werden, die wichtigsten Beweise seien noch nicht erhoben worden, abgesehen davon, dass die Akteneinsicht nur partiell zu beschränken gewesen wäre. Gemäss den Angaben des zuständigen Polizeisachbearbeiters seien die Ermittlungen abgeschlossen (act. 15).

 

2.

2.1. Im Strafprozess hat eine Partei grundsätzlich Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) und ein faires Verfahren (Art. 6 Ziff. 1 und 3 EMRK) und als Ausfluss davon Anspruch auf Akteneinsicht (Art. 3 Abs. 2 lit. c, Art. 101 Abs. 1 und Art. 107 Abs. 1 lit. a StPO).

 

2.1.1. Den Zeitpunkt der Akteneinsicht während eines laufenden Strafverfahrens legt Art. 101 Abs. 1 StPO fest. Nach dieser Norm können die Parteien bis spätestens nach der Einvernahme der beschuldigten Person und der Erhebung der übrigen wichtigsten Beweise durch die Staatsanwaltschaft die Akten des Strafverfahrens einsehen. Mit der offenen Formulierung von Art. 101 Abs. 1 StPO räumt der Gesetzgeber der Staatsanwaltschaft ein Ermessen ein, den Zeitpunkt der Einsicht in die Akten individuell festzulegen (BGE 137 IV 280 E. 2.3) und den Umfang der Akteneinsicht im Verlauf der Strafuntersuchung flexibel zu handhaben. Häufig wird zu Beginn der Strafuntersuchung die Akteneinsicht nur in beschränktem Umfang zu gewähren gar zu verweigern sein. Mit dem Fortschreiten der Strafuntersuchung ist die Akteneinsicht in der Regel zu erweitern (Schmutz, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, Art. 1-195 StPO, 2. Aufl., N 21 zu Art. 101). Die Staatsanwaltschaft hat den Zeitpunkt der Gewährung der Akteneinsicht durch eine Abwägung der Interessen der am Verfahren beteiligten Parteien festzulegen, wobei sie insbesondere das Interesse des Beschuldigten an einer wirksamen Verteidigung und dasjenige an der Ermittlung der materiellen Wahrheit, unter Berücksichtigung des Verhältnismässigkeitsprinzips, zu beachten hat (Greter/Gisler, Le moment de la consultation du dossier pénal et les restrictions temporaires à son accès, forumpoenale 5/2013, S. 303). Besonders bei umfangreichen Strafuntersuchungen drängt sich die Gewährung der Akteneinsicht erst dann auf, wenn und soweit dies ohne Gefährdung des Untersuchungszwecks möglich erscheint (Brüschweiler, in: Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, 2. Aufl., N 6 zu Art. 101 StPO). Bei zahlreichen zu untersuchenden Sachverhalten und erhobenen Beweisen kann es angezeigt sein, jene Aktenteile der Einsicht zugänglich zu machen, zu welchen die beschuldigte Person bereits einlässlich befragt werden konnte, während jene Akten, die weitere Sachverhalte und erhobene Beweise betreffen, noch unter Verschluss zu halten sind. Es muss möglich sein, den Beschuldigten hierzu zu befragen, bevor er vom Inhalt der entsprechenden Aktenteile Kenntnis erhält (Schmutz, a.a.O., N 15 und N 20 zu Art. 101).

 

2.1.2. Der Begriff des wichtigsten Beweises (Art. 101 Abs. 1 StPO) ist ein unbestimmter Rechtsbegriff. Dieser Begriff betrifft die Beweiskraft eines Beweismittels und seine Bedeutung ist auf den konkreten Fall bezogen auszulegen (Greter/Gis-ler, a.a.O., S. 302). Die wichtigsten Beweise sind die unerlässlichen Beweismittel für die Wahrheitsfindung in der konkreten Strafsache, ohne deren Erhebung der Fall nicht zur Anklage gebracht werden kann. Die wichtigsten Beweise umfassen beispielsweise die Einvernahme der Hauptbelastungszeugen, insbesondere der Opfer bei Delikten gegen die körperliche Integrität, und auch die Einvernahmen von entscheidenden Tatzeugen (Greter, Die Akteneinsicht im Schweizerischen Strafverfahren, Zürich 2012, S. 120 ff.).

 

2.2. Nach Art. 225 Abs. 2 StPO gewährt das Zwangsmassnahmengericht der beschuldigten Person und der Verteidigung auf Verlangen vorgängig zur Verhandlung Einsicht in die ihm vorliegenden Akten. Gestützt auf diese Bestimmung kann die Staatsanwaltschaft nur die für den Haftantrag wesentlichen Akten beilegen und gewisse Akten zurückbehalten. Dieses Vorgehen ist insbesondere dann angezeigt, um zu verhindern, dass die beschuldigte Person über dieses Einsichtsrecht von Artikel 225 Absatz 2 Einzelheiten der Untersuchung erfährt, welche ihr aus taktischen Gründen noch nicht bekannt sein sollten (Botschaft zur Vereinheitlichung des Strafprozessrechts vom 21. Dezember 2005, BBl 2006 1183 f., 1230; nachfolgend Botschaft). Eine aus untersuchungstaktischen Gründen getroffene Selektion der dem Zwangsmassnahmengericht eingereichten Haftakten birgt allerdings das Risiko, dass eine zu knappe Dokumentation zur Abweisung des Haftantrags führen kann (Schmutz, a.a.O., N 17 zu Art. 101).

 

3.

3.1. Mit Beschwerde vom 4. November 2019 beantragt der Beschuldigte vollumfängliche Einsicht in die Strafuntersuchungsakten (act. 2 S. 2 Ziff. 1). Die Staatsanwaltschaft stellte dem Beschuldigten und dem Zwangsmassnahmengericht zusammen mit ihrem Haftantrag vom 11. Oktober 2019 u.a. auch die Seiten 8-11 aus einer Einvernahme mit E.__ zur Verfügung. Aus dem Beilagenverzeichnis des Haftantrages geht hervor, dass die Einvernahme mit E.__, in welcher dieser den Beschuldigten sehr schwer belastete, vermutlich am 19. September 2019 durchgeführt wurde (SG.2019.00105 act. 1, act. 2). Entsprechend ist anzunehmen, dass die Strafuntersuchung betreffend das Delikt Birmensdorf zum Zeitpunkt des Haftantrages resp. der Beschwerdeerhebung, entgegen der Behauptung des Beschuldigten (act. 2 S. 12), noch ganz am Anfang stand. Insoweit der Beschuldigte in seiner Beschwerde vollumfängliche Einsicht in die Akten der Strafuntersuchung betreffend das Delikt Birmensdorf fordert, ist dieses Begehren aufgrund des Umstandes, dass sich diese Strafuntersuchung zum damaligen Zeitpunkt noch ganz am Anfang befand, abzuweisen. Zu der vom Beschuldigten explizit in seiner Beschwerde geforderten Einsicht in einzelne Akten betreffend das Delikt Birmensdorf ist Folgendes festzuhalten:

 

3.1.1. Der Beschuldigte will Einsicht in die früheren Einvernahmen mit den Mitbeschuldigten (C.__ und D.__). Diese seien bereits mit ihm (dem Beschuldigten) konfrontiert worden und hätten ihn entlastet (act. 2 S. 6).

Der Beschuldigte wurde anlässlich der Hafteröffnung vom 9. Oktober 2019 mit dem Tatvorwurf konfrontiert und auch darüber informiert, dass sein Bruder, D.__, ausgesagt habe, er (D.__) sei an jenem Abend vom 19./20. Mai 2017 zusammen mit C.__ im Club [...] gewesen (SG.2019.00105 act. 2/2).

Weiter wurde der Beschuldigte anlässlich der Hafteröffnung auch zu C.__ und D.__ befragt. Hätte die Staatsanwaltschaft dem Beschuldigten bereits damals kurz darauf (mit dem Haftantrag) Einsicht in die Einvernahmen mit D.__ und C.__ gewährt, hätte der Beschuldigte seine Aussagen mit den Aussagen dieser mitbeschuldigten Personen (von denen einer sein Bruder ist) abstimmen können. Ein solches mutmassliches Verhalten des Beschuldigten wäre dem Zweck der damals noch in den Anfängen steckenden Strafuntersuchung komplett zuwidergelaufen. Die Staatsanwaltschaft kann, wie bereits dargelegt, aus ermittlungstaktischen Gründen zu Beginn der Strafuntersuchung die Akten für den Haftrichter beschränken (Botschaft, 1230). Das Vorgehen der Staatsanwaltschaft, ihrem Haftantrag nur die bereits erwähnten Akten beizulegen, ist angesichts des Anfangsstadiums und der Komplexität der vorliegenden Strafuntersuchung nicht zu beanstanden, zumal aufgrund der damaligen Beweislage auch eine konkrete Kollusionsgefahr vorgelegen haben könnte. Das Vorliegen einer konkreten Kollusionsgefahr wurde vom Zwangsmassnahmengericht in seiner Verfügung vom 11. Oktober 2019 nicht geprüft (SG.2019.00105 act. 2/2, act. 12), jedoch in den folgenden Haftverfahren mehrfach bejaht (OG.2019.00098 act. 48 Erw. III.2 S. 15, SG.2020.00023 act. 8 Erw. 4 S. 3, OG.2020.00012 act. 25 Erw. III.2 S. 17).

Bei der vom Beschuldigten erwähnten Konfrontationseinvernahme zwischen ihm, D.__, C.__ und E.__ handelt es sich um die Einvernahme vom 21. Oktober 2019; das entsprechende Protokoll wurde dem Beschuldigten mit dem Haftverlängerungsgesuch der Staatsanwaltschaft vom 6. November 2019 zur Verfügung gestellt (SG.2019.00123 act. 1, act. 2/1).

Nach dem Gesagten ist nicht ersichtlich, inwiefern die Staatsanwaltschaft dem Beschuldigten das rechtliche Gehör verweigert hätte, indem sie ihm die früheren Einvernahmen mit D.__ und C.__ bis zum Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung vom 4. November 2019 nicht zur Verfügung stellte.

 

3.1.2. Sodann will der Beschuldigte Einsicht in die Akten der Hausdurchsuchung / Befragung des Personals des Hotels [...]. Er müsse überprüfen, wie die Hausdurchsuchung und die angebliche Befragung der Mitarbeiter des Hotels [...] abgelaufen sei bzw. was diese ausgesagt hätten (act. 2 S. 7).

Der Beschuldigte wurde anlässlich der Hafteröffnung vom 9. Oktober 2019 auch mit den Ergebnissen der Hausdurchsuchung an seinem angeblichen Wohnort im Hotel [...] in Einsiedeln konfrontiert. Dem Haftantrag vom 11. Oktober 2019 lag u.a. auch der Bericht über den Ablauf der Hausdurchsuchung und die Befragung der Rezeptionistin vom 23. September 2019 bei. Dieser wurde der Verteidigerin zur Verfügung gestellt (SG.2019.00105 act. 2/2 S. 1, S. 7 Frage 4, act. 2/6, act. 3/8).

 

3.1.3. Schliesslich verlangt der Beschuldigte auch die Zustellung eines Verzeichnisses der Strafuntersuchungsakten und Einsicht in die Auswertungen der Videokamera des Tatorts sowie der Mobiltelefone der Beteiligten (act. 2 S. 7 f.).

Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft in diesem schweren Gewaltdelikt richten sich gegen zahlreiche Personen. Es handelt sich um eine sehr grosse Strafuntersuchung und ein Aktenverzeichnis würde offenlegen, welche Beweise bereits erhoben wurden. Dies gilt es zu vermeiden; die Strafuntersuchung ist noch nicht abgeschlossen. Die vom Beschuldigten geforderte Einsicht in die Auswertung der Videokamera des Tatorts ist nicht nachvollziehbar. Aus den gesamten Haftakten ergeben sich keinerlei Hinweise, dass der Tathergang aufgezeichnet wurde. Hinsichtlich der verlangten Einsicht in die Auswertungen der Mobiltelefondaten der Beteiligten ist zu erwähnen, dass der Beschuldigte am 9. Oktober 2019 ohne sein Mobiltelefon bei der Kantonspolizei Glarus erschienen ist (SG.2019.00105 act. 2/2 S. 10). Bei einer Auswertung von Mobiltelefondaten muss umfangreiches Datenmaterial gesichtet und gestützt darauf die weiteren Ermittlungen geplant werden. Angesichts der noch laufenden Strafuntersuchung ist in der Verweigerung der Einsicht in diese Akten keine Rechtsverletzung zu erblicken.

 

3.1.4. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der Beschuldigte anlässlich seiner Hafteröffnung mit den bis dato vorhandenen wesentlichen Untersuchungsergebnissen konfrontiert wurde und er seine Verteidigungsrechte wirksam wahrnehmen konnte. Es ist nicht ersichtlich, inwiefern die Staatsanwaltschaft geltendes Recht verletzt hätte. Dem Haftantrag der Staatsanwaltschaft vom 11. Oktober 2019 ist zu entnehmen, dass die Verteidigerin des Beschuldigten mit den Haftakten bedient wurde (SG.2019.00105 act. 1, act. 3/8). Somit ist unklar, worin die vom Beschuldigten pauschal geltend gemachte Verletzung von Art. 225 Abs. 2 StPO (act. 2 S. 3) liegen soll. Ergänzend ist festzuhalten, dass auch die Akten der nachfolgenden Haftverfahren der Verteidigerin stets zugestellt wurden (SG.2019.00123 act. 1 S. 7, act. 4; SG.2019.00130 act. 3-5, act. 18-19; OG.2019.00098 act. 34, act. 48 S. 23; SG.2020.00023 act. 10, act. 11/1; OG.2020.00012 act. 12, act. 14 S. 3; SG.2020.00037 act. 10; OG.2020.00023 act. 24 ff.).

 

3.2. Aus der Beschwerdebegründung geht hervor, dass sich der Antrag des Beschuldigten auf vollumfängliche Akteneinsicht auch auf die Akten der Strafuntersuchung betreffend versuchten Mordes (Delikt Bilten) bezieht (act. 2 S. 2 Ziff. 1, S. 8).

 

3.2.1. Die Strafuntersuchung betreffend das Delikt Bilten befindet sich bereits in einem fortgeschrittenen Stadium. Das Delikt Birmensdorf steht nur insoweit in einem Zusammenhang mit dem Delikt Bilten, als es mutmasslich das Tatmotiv der Vergeltung für den versuchten Mord in Bilten war. Dem Beschuldigten wird keine Beteiligung am Delikt Bilten vorgeworfen. Insoweit der Beschuldigte vollumfängliche Einsicht in die Akten der Strafuntersuchung betreffend das Delikt Bilten verlangt, ist auf seine Beschwerde nicht einzutreten. Es ist nicht ersichtlich, worin das rechtlich geschützte Interesse des Beschuldigten an der vollumfänglichen Einsicht in diese
Strafuntersuchungsakten liegen könnte. Selbst wenn auf die Beschwerde des Beschuldigten hinsichtlich der begehrten Einsicht in die Strafuntersuchungsakten betreffend Delikt Bilten einzutreten wäre, wäre sie aus den nachfolgenden Gründen dennoch abzuweisen.

 

3.2.2. Der Beschuldigte beantragt insbesondere Einsicht in sämtliche früheren Einvernahmen mit E.__. Er müsse prüfen, ob diese Aussagen in sich stimmig, glaubhaft seien und Entlastendes beinhalteten (act. 2 S. 5 f.).

E.__ belastete den Beschuldigten in seiner Aussage vom 19. September 2019 sehr schwer. Zutreffend ist, dass E.__ betreffend das Delikt in Bilten, in welches der Beschuldigte nicht involviert ist, bereits zu einem früheren Zeitpunkt einvernommen wurde. Es ist nicht ersichtlich, weshalb der Beschuldigte eine Beweiswürdigung dieser früheren Aussagen von E.__ vorzunehmen hätte; dies ist Aufgabe des Sachrichters (BGE 143 IV 316 E. 3.1). Weiter verkennt der Beschuldigte, dass E.__ ihn sehr schwer belastet hatte und aufgrund dieser Aussagen die Strafuntersuchungsbehörde überhaupt erst gegen den Beschuldigten zu ermitteln begann. Bei diesem Sachverhalt ist nicht anzunehmen, dass E.__ den Beschuldigten entlastet hätte.

 

3.2.3. Weiter fordert der Beschuldigte Einsicht in sämtliche ärztlichen Unterlagen (auch in jene der Unfallversicherung) von E.__ (act. 2 S. 6 f.).

Gemäss dem Spitalbericht von E.__ erlitt dieser eine Fraktur am Stirnbein (Os frontale) und bereits am 20. Mai 2017 fand eine erste Computertomographie statt (SG.2019.00105 act. 2/1). Der Spitalbericht von E.__ belegt die Verletzungen am Kopf, welche E.__ mutmasslich am 19./20. Mai 2017 vom Beschuldigten, von D.__ und C.__ zugefügt wurden. Wie der Beschuldigte in seiner Beschwerde ausführt (act. 2 S. 6 f.), gab E.__ dem behandelnden Arzt an, er habe sich seine Verletzungen am Kopf durch einen Fahrradunfall zugezogen. Die Verletzungen, welche E.__ aufgrund des mutmasslichen Angriffs an den Armen und Rücken erlitten haben soll, gab E.__ dem behandelnden Arzt nicht zur Kenntnis und es ist gestützt darauf zu vermuten, dass diesbezüglich auch keine ärztlichen Unterlagen existieren. Die Akten der Unfallversicherung von E.__ sind für den Beschuldigten irrelevant.

 

3.3. Der Beschuldigte vertritt in seiner Beschwerde vom 4. November 2019 die Auffassung, die Strafuntersuchung laufe schon seit geraumer Zeit und die wichtigsten Beweise seien bereits erhoben worden (act. 2 S. 10 ff.).

 

3.3.1. Es wurde bereits erwähnt, dass die Strafuntersuchung betreffend das Delikt in Birmensdorf zum Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung am 4. November 2019 noch ganz am Anfang stand (vgl. Erw. III.3.1. vorstehend).

 

3.3.2. Der zweite mutmasslich Geschädigte im Delikt Birmensdorf, F.__, wird verdächtigt, in den versuchten Auftragsmord in Bilten involviert zu sein. Er war zum Zeitpunkt der Verhaftung des Beschuldigten flüchtig. Seine Aussage zum mutmasslichen Tathergang des Angriffs vom 19./20. Mai 2017 im Club [...] gehört zweifelsfrei zu den wichtigsten Beweisen (i.S.v. Art. 101 Abs. 1 StPO). Zwischenzeitlich konnte F.__ verhaftet werden und es ist aufgrund der im Recht liegenden Haftakten ergänzend zu bemerken, dass F.__ die Darstellung des Tathergangs, wie ihn E.__ geschildert hatte, bestätigte und den Beschuldigten ebenfalls schwer belastete (OG.2020.00012 act. 2/3).

 

3.3.3. Sodann behauptete der Beschuldigte anlässlich seiner Hafteröffnung, er sei zur Tatzeit im [...] gewesen. Diese Behauptung stand diametral in Widerspruch zu den Aussagen von E.__. Weitere Ermittlungen bezüglich des Aufenthaltsortes des Beschuldigten zur Tatzeit drängten sich geradezu auf und die diesbezüglichen Erkenntnisse gehören zu den wichtigsten Beweisen (i.S.v. Art. 101 Abs. 1 StPO). Tatsächlich stellte sich heraus, dass der Beschuldigte zur Tatzeit nicht im [...] war (OG.2020.00012 act. 2/1) und mehrere Personen bestätigten, dass er sich zur Tatzeit im Club [...] aufhielt (OG.2020.00012 act. 1 S. 7, act. 21/1 S. 2).

 

3.3.4. Entscheidende Zeugenaussagen gehören ebenfalls zu den wichtigsten Beweisen (i.S.v. Art. 101 Abs. 1 StPO). Der Beschuldigte führt in seiner Beschwerde aus, die von E.__ genannten zwei Zeugen seien befragt worden und hätten ihn entlastet (act. 2 S. 12). Diese Darstellung des Beschuldigten ist unzutreffend. Das Obergericht hatte sich bereits in seinem Beschluss vom 23. Dezember 2019 ausführlich mit diesem Argument auseinandergesetzt und dazu festgehalten, dass die von E.__ genannten Zeugen (konkret handelt es sich um die Herren XY__ [SG.2019.00123 act. 2/1 S. 10 und 16]) sich nicht mehr hätten erinnern können, an jenem Abend im Club [...] gewesen zu sein sie seien sich dessen nicht sicher gewesen. Keiner der genannten Zeugen wolle im Club [...] eine Schlägerei beobachtet haben (OG.2019.00098 act. 48 Erw. III.1.3.4. f.). Somit sind diese Zeugenaussagen aus heutiger Sicht nicht entscheidend und gehören wohl nicht zu den wichtigsten Beweisen. Im Übrigen ist festzuhalten, dass die Staatsanwaltschaft die Einvernahmeprotokolle dieser beiden Zeugenaussagen im Verfahren SG.2019.00130 zu den Haftakten reichte und diese wurden auch der Verteidigung zugestellt (SG.2019.00130 act. 5, act. 2/4, act. 2/5).

 

3.3.5. Im Lichte der vorstehenden Erwägungen ist mit der Staatsanwaltschaft davon auszugehen, dass zum Zeitpunkt der angefochtenen Verfügung vom 23. Oktober 2019 resp. der Beschwerdeerhebung die wichtigsten Beweise (i.S.v. Art. 101 Abs. 1 StPO) noch nicht erhoben wurden und die Staatsanwaltschaft dem Beschuldigten die geforderte vollumfängliche Akteneinsicht zu Recht verweigerte.

 

3.4. Der Beschuldigte ist auch der Auffassung, dass die Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 23. Oktober 2019 unangemessen sei, da keine sachlichen Gründe für eine Verweigerung der Akteneinsicht vorhanden seien (act. 2 S. 13 f.).

Wie dargelegt, lagen zum Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung mindestens zwei sachliche Gründe für eine Verweigerung der vollumfänglichen Akteneinsicht vor: Die Strafuntersuchung befand sich noch am Anfang und die wichtigsten Beweise waren noch nicht erhoben. Die vorliegende Strafuntersuchung befasst sich mit der Aufklärung eines schweren Gewaltdelikts, in das mutmasslich mehrere Personen involviert sind. Es besteht ein gewichtiges öffentliches Interesse an der raschen Aufklärung dieses Delikts und es ist nicht ersichtlich, inwieweit die von der Staatsanwaltschaft praktizierte partielle Verweigerung der Akteneinsicht unangemessen wäre.

 

4. Zum „Nachtrag zur Beschwerde“ vom 20. Januar 2020 (act. 8) des Beschuldigten ist Folgendes zu bemerken:

Die Staatsanwaltschaft verweigerte bisher auch die Einsicht in die Protokolle der Einvernahmen mit den zwei anonymen Zeugen (Art. 149 Abs. 1 und Abs. 2 lit. a und e StPO). Aus den Akten geht hervor, dass der Beschuldigte und seine Verteidigung den Einvernahmen dieser zwei anonymen Personen in einem Nebenraum beiwohnen (und sich auch dazu äussern) konnten (OG.2020.00012 act. 21/1 S. 2). Damit hat die Staatsanwaltschaft das rechtliche Gehör des Beschuldigten und insbesondere seine Verteidigungsrechte gewahrt (Art. 149 Abs. 5 StPO). Diese Befragungsprotokolle wurden zwischenzeitlich zu den Haftakten gereicht und auch der Verteidigung zur Verfügung gestellt (OG.2020.00023 act. 24 ff.).

Sodann will der Beschuldigte Einsicht in die Befragung des Zeugen G.__ (Befragung vom 23. Oktober 2019). Das Obergericht äusserte sich bereits zu den Aussagen von G.__ und hielt fest, dass nie behauptet worden sei, G.__ sei zur Tatzeit am Tatort gewesen. Es sei fraglich, was er zum Tathergang aussagen könne (OG.2020.00012 act. 25 Erw. III.1.4.3). Ergänzend ist festzuhalten, dass sich aus den Haftakten keine Hinweise ergeben, wonach G.__ den Beschuldigten belastet hätte. Der pauschale Vorwurf des Beschuldigten, die Staatsanwaltschaft halte offenbar entlastende Beweise zurück (act. 8 S. 2 f.), ist nicht nachvollziehbar. Wenn eine derartige „offenbare“ Verfehlung seitens der Staatsanwaltschaft vorliegen sollte, wäre es Sache des Beschuldigten darzulegen, worin diese Verfehlung liegt.

 

5. Die Ausführungen des Beschuldigten in seiner Eingabe vom 25. März 2020 (act. 15) zielen an der Sache vorbei und sind gar zirkelschlüssig. Der Beschuldigte räumt in dieser Eingabe selber ein, dass die Akteneinsicht nur partiell zu beschränken gewesen wäre (genau dieses Vorgehen wählte die Staatsanwaltschaft), hingegen verlangte er in der vorliegend zu beurteilenden Beschwerde vom 4. November 2019 vollumfängliche Einsicht in die Strafuntersuchungsakten betreffend die Delikte Birmensdorf und Bilten (act. 2). Mit Blick auf die gerade erst vom Zwangsmassnahmengericht verlängerte Untersuchungshaft gegen den Beschuldigten (SG.2020.00037 act. 15), sind die Ausführungen der Verteidigerin, ein Sachbearbeiter der Polizei habe sie über den Abschluss der Ermittlungen orientiert und demnach seien alle wichtigsten Beweise erhoben (act. 15), wohl unzutreffend (vgl. auch Art. 16 Abs. 2 i.V.m. Art. 61 lit. a StPO).

 

6. Nach dem Gesagten ist die Beschwerde des Beschuldigten vollumfänglich abzuweisen, soweit überhaupt darauf eingetreten wird.

 

IV.

1. Die Regelung der Kostenfolgen hat im Endentscheid zu erfolgen (Art. 421 Abs. 1 StPO). Die Gerichtsgebühr für das Beschwerdeverfahren ist zuhanden der das Strafverfahren abschliessenden Behörde auf CHF 800.— festzusetzen (Art. 8 Abs. 2 lit. b i.V.m. Art. 6 der Zivil- und Strafprozesskostenverordnung [GS III A/5]) und zu den Untersuchungskosten im Sinne von Art. 326 Abs. 1 lit. d StPO zu schlagen. Parteientschädigungen sind keine zuzusprechen (Art. 423 Abs. 1 StPO).

 

 

 

2.

2.1. Die Entschädigung der amtlichen Verteidigerin des Beschuldigten für ihre im Beschwerdeverfahren getätigten Aufwendungen wird durch die Staatsanwaltschaft das urteilende Gericht bei Abschluss des Strafverfahrens festzusetzen sein (Art. 135 Abs. 2 StPO). Gemäss Art. 1 Abs. 1 des Tarifs für die Entschädigung der öffentlichen Verteidigung und der unentgeltlichen Rechtsvertretung vom 12. März 2004 des Kantons Glarus (GS III I/5 [systematische Gesetzessammlung], nachstehend Tarif) beanspruchen die Bestimmungen Geltung für die öffentliche Verteidigung in Strafsachen vor den Strafuntersuchungsbehörden und den Gerichten des Kantons Glarus. Nach Art. 2 Abs. 2 dieses Tarifs setzt sich die Entschädigung aus dem Honorar zuzüglich Mehrwertsteuer sowie den notwendigen Auslagen (Reisespesen, Porto, Kommunikationsmittel, Fotokopien usw.) zusammen. Nach Art. 3 des Tarifs bemisst sich das Honorar nach dem notwendigen Zeitaufwand, der Bedeutung und der Schwierigkeit der zu beurteilenden Sachverhalts- und Rechtsfragen, der Verantwortung der Rechtsvertretung sowie dem Interesse der Parteien am Verfahren, wobei Art. 8 Abs. 1 des Tarifs für das Honorar in Strafsachen einen Stundenansatz von 180 Franken vorsieht. In der Regel wird pro A4-Seite Text ein Aufwand von ca. einer Stunde als angemessen betrachtet. Dies gilt in erster Linie für das Verfassen von Rechtsschriften und kann nicht auf sämtliche Schreibarbeiten wie z.B. das Verfassen von Briefen übernommen werden. Überdies ist auf den notwendigen Schreibumfang abzustützen, d.h. unnötige, repetitive gar ausschweifende Ausführungen können nicht entschädigt werden.

 

2.2. Die Verteidigerin macht für das vorliegende Beschwerdeverfahren bis und mit Beschwerdeerhebung Aufwendungen von `aktuell` CHF 2'027.80 (Stundenansatz CHF 180.—) geltend (act. 2 S. 15). Dieser geltend gemachte Aufwand scheint unverhältnismässig hoch und bedarf der nachfolgend zu begründenden Kürzungen.

Die Beschwerdeschrift umfasst (nach Abzug des Titelblatts und der Unterschriftsseite) 13 Seiten. In diesem redaktionellen Teil besticht die Beschwerdeschrift durch teils weitschweifende und unnötige Ausführungen. Weitschweifend sind insbesondere die rechtlichen Ausführungen, die sich insgesamt auf rund vier Seiten erstrecken (S. 8-10, 11, 13 f.). Im vorliegenden Beschwerdeverfahren stellten sich keine aussergewöhnlichen Rechtsfragen und es war daher keinesfalls notwendig, dass sich die amtliche Verteidigerin in diesem Umfang zu Art. 101 StPO äussert. Die notwendigen rechtlichen Ausführungen hätten auf einer (maximal zwei) Seiten dargelegt werden können. Entsprechend scheint gerechtfertigt, das geltend gemachte Honorar um CHF 390.— (2 Seiten à CHF 180.— zuzüglich 7.7 % MWST, gerundet) zu kürzen. Unnötig waren die zahlreichen punktuellen Ausführungen betreffend das Delikt Bilten (S. 5, 6, 7, 8). Dem Beschuldigten wurde nie vorgeworfen, in dieses Delikt involviert zu sein (vgl. Erw. III.3.2. vorstehend). Dies rechtfertigt eine Honorarkürzung um weitere CHF 190.— (1 Seite à CHF 180.— zuzüglich 7.7 % MWST, gerundet).

Für die nach der Beschwerdeerhebung eingereichten Eingaben kann die Verteidigung nicht entschädigt werden. Im `Nachtrag zur Beschwerde` vom 20. Januar 2020 sowie im Schreiben vom 25. März 2020 informierte die Verteidigerin das Obergericht über die zwischenzeitlich in den Haftverfahren eingereichten Aktenstücke resp. über den Stand der Strafuntersuchung (act. 8 S. 1-4 oben, act. 15). Das Obergericht war zu diesem Zeitpunkt darüber im Bilde, da es sich in seinen Beschlüssen vom 23. Dezember 2019 resp. vom 20. Februar 2020 mit diesen Akten bereits ausführlich befasste (OG.2019.00098 act. 48, OG.2020.00012 act. 25). Sodann repetiert die Verteidigerin in ihrer Eingabe vom 20. Januar 2020 bereits vorgetragene rechtliche Ausführungen und äussert sich unnötig zur Kollusionsgefahr (die Frage der Kollusionsgefahr ist in einem Haftverfahren zu thematisieren [act. 8 S. 4 f.]).

Nach dem Gesagten sind die zum Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung geltend gemachten Aufwendungen um CHF 580.— (inkl. MWST) zu reduzieren und die Entschädigung der amtlichen Verteidigerin ist auf CHF 1'500.— (aufgerundet, inkl. MWST und Auslagen) festzusetzen.

Die Regelung der Kostenauflage ist dem Endentscheid vorbehalten.

 

__

 

Das Gericht beschliesst:

 

 



 
Quelle: https://findinfo.gl.ch

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