Zusammenfassung des Urteils OG.2019.00010: Kantonsgericht
Das Bundesgericht hat die Beschwerde gegen das obergerichtliche Urteil abgewiesen, das die Beschuldigte A.______ wegen Vereitelung von Massnahmen zur Feststellung der Fahrunfähigkeit verurteilt hat. Das Obergericht des Kantons Glarus hat am 24. März 2020 entschieden, dass die Beschuldigte schuldig ist und eine Geldstrafe von 15 Tagessätzen zu je CHF 120.- erhält. Die Gerichtskosten von CHF 4'400.- werden der Beschuldigten auferlegt. Die Beschuldigte hat die Berufung gegen das Urteil eingereicht, jedoch wurde diese abgewiesen.
Kanton: | GL |
Fallnummer: | OG.2019.00010 |
Instanz: | Kantonsgericht |
Abteilung: | - |
Datum: | 24.03.2020 |
Rechtskraft: |
Leitsatz/Stichwort: | - |
Schlagwörter : | Beschuldigte; Beschuldigten; Berufung; Polizei; Streifkollision; Urteil; Unfall; Fahrzeug; Fahrunfähigkeit; Staatsanwalt; Sinne; Recht; Feststellung; Kollision; Verfahren; Obergericht; Seitenspiegel; Vorinstanz; U-act; Massnahme; Staatsanwaltschaft; Knall; Entscheid; gen; ten; Tagessätze; Vereitelung; Glarus; Anklage |
Rechtsnorm: | - |
Referenz BGE: | - |
Kommentar: |
B. der Staatsanwaltschaft (gemäss den Ausführungen des zuständigen Staatsanwalts an der Berufungsverhandlung vom 8. November 2019 [act. 31 S. 2]):
__
Das Obergericht zieht in Betracht:
I.
Sachverhalt und Prozessgeschichte
1.
Die Staatsanwaltschaft wirft in ihrer Anklage vom 11. Juni 2018 der Beschuldigten A.__ vor, am Mittwoch, 4. November 2015, um ca. 19.15 Uhr, mit ihrem Personenwagen im Zentrum von Glarus einen entgegenkommenden PW seitlich gestreift zu haben, wobei sie in der Folge einfach weitergefahren sei, obschon sie während der Streifkollision einen dumpfen Knall bemerkt und auch erkannt habe, dass an ihrem Fahrzeug der linke Seitenspiegel kaputt gegangen war; erst am andern Tag habe die Beschuldigte schliesslich von der Polizei ausfindig gemacht werden können. Aus Sicht der Staatsanwaltschaft verletzte die Beschuldigte zunächst verschiedene Verkehrsregeln; zudem soll sie dadurch, dass sie nach der Kollision nicht angehalten habe, die Polizei um die Möglichkeit gebracht haben, bei ihr die Fahrfähigkeit zu überprüfen (zum Ganzen act. 1).
2.
Mit Entscheid vom 9. November 2018 verurteilte die Strafgerichtskommission des Kantonsgerichts die Beschuldigte wegen Vereitelung von Massnahmen zur Feststellung der Fahrunfähigkeit im Sinne von Art. 91a Abs. 1 SVG zu 15 Tagessätzen Geldstrafe zu je CHF 120.-, wobei der Vollzug der Geldstrafe bei einer Probezeit von zwei Jahren bedingt aufgeschoben wurde (act. 18 S. 9 f. Dispositiv-Ziff. 1 und Ziff. 3). Hinsichtlich der ebenfalls angeklagten Verletzung von Verkehrsregeln (Nichtbeherrschen des Fahrzeuges; pflichtwidriges Verhalten bei Unfall sowie Führen eines nicht betriebssicheren Fahrzeuges) stellte die Strafgerichtskommission das Verfahren demgegenüber ein, da diese Tatvorwürfe als blosse Übertretungen inzwischen verjährt waren (Dispositiv-Ziff. 2). Aufgrund der erfolgten Verurteilung im Hauptanklagepunkt – einem Vergehen – wurden die Kosten der Untersuchung sowie des erstinstanzlichen Verfahrens vollumfänglich der Beschuldigten auferlegt und wurde ihr auch keine Parteientschädigung zugesprochen (Dispositiv-Ziff. 4 bis Ziff. 6).
3.
Gegen dieses Urteil erhob die Beschuldigte rechtzeitig Berufung mit dem Antrag auf Freispruch von Schuld und Strafe (act. 21). Die Staatsanwaltschaft hat auf eine Anschlussberufung verzichtet (act. 25) und schliesst auf Abweisung der Berufung (act. 31 S. 2).
4.
Am 8. November 2019 fand vor dem Obergericht die mündliche Berufungsverhandlung statt (act. 31).
Am 24. März 2020 fällte das Obergericht seinen Entscheid (act. 35). Der Entscheid wird schriftlich eröffnet, nachdem die Parteien auf eine mündliche Urteilsbekanntgabe ausdrücklich verzichtet haben (Art. 84 Abs. 3 StPO; act. 31 S. 18).
II.
(Formelle Erwägungen)
1.
1.1 Das hier angefochtene Strafurteil der Strafgerichtskommission des Kantonsgerichts (act. 18) ist der Berufung zugänglich (Art. 398 Abs. 1 StPO). Die Berufungsinstanz überprüft das Urteil nur in den angefochtenen Punkten (Art. 404 Abs. 1 StPO).
1.2 Die Beschuldigte A.__ beantragt in ihrer Berufung, es sei das angefochtene Urteil insgesamt aufzuheben und sie sei von Schuld und Strafe freizusprechen (act. 39 S. 8).
Somit ergibt sich, dass das Obergericht im Rahmen des Berufungsverfahrens die erstinstanzlich erfolgte Verurteilung (Schuld- und Strafpunkt) und Kostenverlegung zu überprüfen hat (Art. 404 Abs. 1 StPO), wobei das Obergericht, nachdem auf die Berufung einzutreten ist, am Ende ein neues Urteil fällen wird (Art. 408 StPO).
2.
Mit Berufung kann gemäss Art. 398 Abs. 3 StPO geltend gemacht werden, die Vorinstanz habe das Recht verletzt (einschliesslich Unangemessenheit) und/oder habe den Sachverhalt unvollständig unrichtig festgestellt.
Vorliegend wirft die Beschuldigte in ihrer Berufung der Vorinstanz im Ergebnis einerseits eine unrichtige Sachverhaltsfeststellung und andererseits eine unzutreffende Rechtsanwendung vor (act. 31 S. 8 ff.).
III.
Materielle Erwägungen
1.
Der Anklage gegen die Beschuldigte liegt folgender unbestrittener Sachverhalt zugrunde (act. 1):
Die Beschuldigte war am 4. November 2015, abends um ca. 19.15 Uhr, mit ihrem PW der Marke [...] auf der Heimfahrt von Riedern (Gemeinde Glarus) nach dem knapp drei Kilometer entfernten Ennenda (ebenfalls Gemeindegebiet Glarus). Bei der Fahrt durch die dazwischenliegende Ortschaft Glarus kam es im Ortszentrum auf gerader Strecke zu einer seitlichen Kollision zwischen dem Fahrzeug der Beschuldigten und einem entgegenkommenden typengleichen [...] und wurde dabei an beiden Fahrzeugen je der linke Seitenspiegel abgerissen (U-act. I/01 ff., act. I/11). Während der andere Lenker nach der Streifkollision sogleich anhielt und die Polizei verständigte, fuhr die Beschuldigte kurzerhand weiter und konnte von der Polizei erst am nächsten Tag ausfindig gemacht werden (U-act. I/14 und act. I/17 f.).
2.
2.1 Fahrzeugführer sowie an Unfällen beteiligte Strassenbenützer können zur Feststellung der Fahrunfähigkeit einer Atemalkoholprobe und gegebenenfalls einer Blutprobe unterzogen werden (Art. 55 SVG). Wer sich als Motorfahrzeugführer vorsätzlich einer Blutprobe einer Atemalkoholprobe, die angeordnet wurde mit deren Anordnung gerechnet werden musste, widersetzt entzieht den Zweck dieser Massnahme vereitelt, macht sich wegen Vereitelung von Massnahmen zur Feststellung der Fahrunfähigkeit im Sinne von Art. 91a Abs. 1 SVG strafbar. Der Tatbestand von Art. 91a Abs. 1 SVG unterscheidet drei strafbare Verhaltensweisen des Fahrzeugführers: Das Ausweichen bzw. Sich-Entziehen (z.B. durch Flucht), das Vereiteln (z.B. durch Nachtrunk) und der aktive passive Widerstand bzw. das Widersetzen gegen konkrete polizeiliche Vorkehren zur Feststellung der Fahrunfähigkeit (Urteil BGer 6B_614/2019 vom 3. Dezember 2019 E. 1.6.1.).
Anhand des vorliegenden Anklagesachverhalts ist nachfolgend zu klären, ob sich die Beschuldigte einer Massnahmen zur Feststellung der Fahrunfähigkeit im Sinne von Art. 91a Abs. 1 SVG entzogen hat.
2.2 Einem Fahrzeuglenker lässt sich nur dann vorwerfen, er habe sich auf strafbare Weise einer polizeilichen Massnahme zur Feststellung der Fahrunfähigkeit entzogen, sofern er als Lenker überhaupt verpflichtet war, sich der Polizei für entsprechende Abklärungen zur Verfügung zu halten. Eine solche Obliegenheit kann sich namentlich aus den Verhaltenspflichten bei einem Verkehrsunfall ergeben.
Ereignet sich ein Unfall, an dem ein Motorfahrzeug Fahrrad beteiligt ist, so müssen alle Beteiligten sofort anhalten (Art. 51 Abs. 1 Satz 1 SVG). Will bei blossem Sachschaden ein Unfallbeteiligter die Polizei beiziehen, obwohl in einem solchen Fall keine zwingende Meldepflicht besteht (siehe dazu Art. 51 Abs. 2 SVG), so haben die übrigen Beteiligten bei der Feststellung des Sachverhalts mitzuwirken, bis sie von der Polizei entlassen werden (Art. 56 Abs. 2 der Verkehrsregelnverordnung vom 13. November 1962 [VRV; SR 741.11]). Handelt es sich daher wie vorliegend um eine Streifkollision mit nur Sachschaden, so besteht für die Beteiligten grundsätzlich die Möglichkeit, dass sie in Kontakt mit der Polizei gelangen könnten und haben sich diesfalls die Beteiligten während der Unfallermittlungen vor Ort gegenüber der Polizei bereitzuhalten (siehe dazu BGE 131 IV 36 E. 3.4.1 S. 44 f.).
3.
3.1 Der Rechtsvertreter der Beschuldigten machte anlässlich der Berufungsverhandlung geltend, eine `Streifkollision von zwei Aussenspiegeln` stelle keinen Unfall bzw. keine Unfallbeteiligung dar (act. 31 S. 10).
Dem kann nicht gefolgt werden, zumal sich vorliegend ohnehin nicht eine Kollision zwischen Spiegeln, sondern zwischen zwei Motorfahrzeugen zugetragen hat. Als Verkehrsunfall im Sinne von Art. 51 Abs. 1 SVG (mit sich daraus ergebenden Verhaltenspflichten der am Unfall beteiligten Personen [Art. 56 Abs. 2 VRV]) gilt jedes schädigende Ereignis, das geeignet ist, einen Personenoder Sachschaden hervorzurufen; dabei wird keine Tragweite besonderer Art gefordert, auch eine sehr geringfügige Schädigung und auch ein Schockzustand reichen aus (Weissenberger, Kommentar SVG und OGB, 2. Aufl., Zürich/St. Gallen 2015, Art. 51 SVG N 5 mit Hinweisen; siehe ferner BSK SVG-Unseld, Art. 51 N. 7 ff.). Fraglos erfüllt die vorliegende Streifkollision zwischen zwei Personenwagen mit an beiden Fahrzeugen abgeschlagenen Seitenspiegeln die Qualifikationsmerkmale eines Verkehrsunfalls.
3.2
3.2.1 Der Rechtsvertreter der Beschuldigten wendet in der Berufung weiter ein, die Vorinstanz habe bei ihrer Entscheidung nicht berücksichtigt, dass die Beschuldigte während der Fahrt im Auto laute Musik gehört habe und deswegen die Streifkollision nicht wahrgenommen habe (act. 31 S. 9).
3.2.2 Die Vorinstanz wies in ihrem Entscheid darauf hin (act. 18 S. 6 E. 3.2.), dass die Beschuldigte in der Untersuchung zunächst selber Eingeräumt habe, einen dumpfen Knall wahrgenommen zu haben, ehe sie dann im weiteren Verlauf des Verfahrens diese Aussage relativiert habe. Aus Sicht der Vorinstanz ist indes bereits aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung davon auszugehen, dass bei einer Streifkollision, wenn wie hier die Seitenspiegel beider Fahrzeuge beschädigt werden, ein erheblicher Lärm entsteht, und dies erst noch unmittelbar neben der Fahrerseite; die Beschuldigte habe diesen Lärm mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wahrgenommen, weshalb ihre inzwischen gegenteilige Darstellung, nichts gehört zu haben, eine reine Schutzbehauptung sei. Weil die Beschuldigte einfach weitergefahren sei, obschon sie einen Knall vernommen habe, habe sie sich vorsätzlich einer polizeilichen Kontrolle zur Feststellung der Fahrunfähigkeit entzogen (act. 18 S. 7 oben E. 3.3.).
3.2.3 Die Beschuldigte gab bei der polizeilichen Befragung eine Woche nach dem Unfallereignis zu Protokoll, sie habe `mal einen dumpfen Knall` gehört, habe sich aber nicht weiter darauf geachtet und sei weitergefahren (U-act. I/06 Ziff. 1); auf Nachfrage der Polizei, ob sie die Kollision bemerkt habe, antwortete sie, sie habe wohl einen Knall bemerkt, habe diesen aber nicht zuordnen können und sei danach bereits daheim gewesen (U-act. I/07 Ziff. 12). Anlässlich der Verhandlung vor Vorinstanz erklärte die Beschuldigte, sie sei bei der polizeilichen Befragung nervös gewesen und sei von der Polizei in die Enge getrieben worden; in dieser Situation habe sie dann möglicherweise gesagt, dass es einen dumpfen Knall gegeben habe (act. 8 S. 4 Ziff. 14). Vor Obergericht wiederholte die Beschuldigte sinngemäss diese Darstellung betreffend die damalige polizeiliche Befragung (act. 32 S. 3).
Hierzu ist vorab Folgendes festzuhalten: Zur Einvernahme vor der Staatsanwaltschaft rund vier Monate nach dem Unfallereignis erschien die Beschuldigte in Begleitung ihres Rechtsvertreters (U-act. III/10). Vom Staatsanwalt danach gefragt, ob sie (die Beschuldigte) ihre vor Polizei gemachte Aussage, wonach sie einen dumpfen Knall wahrgenommen habe, den sie aber nicht habe einordnen können, bestätigen könne, antwortete sie mit `Ja`, fügte aber sogleich relativierend hinzu, dass wenn sie gemerkt hätte, dass es `getätscht` habe, so hätte sie angehalten; sie könne eben gerade nicht sagen, wo wie, es habe ja auch sonst schon mal geknallt (U-act. III/11 Ziff. 5).
Bei näherer Betrachtung der Aussage der Beschuldigten vor der Staatsanwaltschaft fällt zunächst auf, dass die inzwischen anwaltlich begleitete Beschuldigte da noch mit keiner Silbe vorbrachte, sie sei bei der Erstbefragung von der Polizei in die Enge getrieben worden. Vielmehr tendierte sie jetzt sachte dazu, in Zweifel zu ziehen, ob sie effektiv etwas gehört habe. Dieses nunmehrige Ausweichen in eine Mutmassung ist freilich damit zu erklären, dass die mittlerweile rechtlich instruierte Beschuldigte zu diesem Zeitpunkt wusste, dass eine Verurteilung davon abhängen wird, ob die Strafbehörde ihr die Wahrnehmung der Kollision effektiv würde nachweisen können. Weil daher die Beschuldigte bestrebt war, ihre Erstaussage noch weiter ins Wanken zu bringen, hat sie sich schliesslich in der vorinstanzlichen Verhandlung auf die Behauptung verlegt, sie sei von der Polizei unter Druck gesetzt worden.
Als Fazit der Gesamtwürdigung des Aussageverhaltens der Beschuldigten ist demnach festzuhalten, dass ihre allererste Aussage vor Polizei, wonach sie damals auf ihrer Heimfahrt von Riedern nach Ennenda einen dumpfen Knall gehört habe, tatsächlich auch der Wahrheit entsprach. Ist somit erstellt, dass die Beschuldigte im Moment der Streifkollision einen Knall hörte, so ist gleichermassen gewiss, dass sie ebenso die Kollision als solche wahrnahm.
3.2.4 Aber selbst wenn die Beschuldigte von allem Anfang an ausgesagt hätte, sie habe wegen laut aufgedrehter Musik im Auto den unmittelbaren Vorgang der Streifkollision nicht wahrgenommen, so ist ihr darin nicht zu glauben und ist eine solche Aussage in Übereinstimmung mit der Vorinstanz als reine Schutzbehauptung zu bezeichnen. Bei der Streifkollision wurde der fahrertürseitige Seitenspiegel am Wagen der Beschuldigten komplett abgeschlagen und baumelte danach nur noch ein Reststück der Spiegelhalterung lose an einem Kabel (siehe U-act. I/17+18). Allein schon das Abtrennen des Spiegels verursachte ein vernehmbar lautes Geräusch. Kommt hinzu, dass der Seitenspiegel bei der Kollision gegen die Fahrertüre hin weggedrückt bzw. abgeschlagen wurde und die Spiegelbüchse dabei sogar noch an die Scheibe der Fahrertüre anprallte und diese beschädigte (U-act. I/18). Bei dieser Sachlage steht zweifelsfrei fest, dass die Beschuldigte den Unfallvorgang unweigerlich bemerkt hat, und zwar unbekümmert darum, wie laut die Musik in ihrem Auto war. Denn einerseits verursachte das Abschlagen des ganzen Spiegelgehäuses und der folgende Anprall an das Seitenfenster ein vernehmbar lautes Geräusch, welches den rhythmischen Verlauf der Musik abrupt durchbrach und daher im Innern des Autos empfunden wurde; andererseits trug sich der eben beschriebene Vorgang des berstenden Seitenspiegels unmittelbar im seitlichen Sichtfeld der Fahrzeuglenkerin zu und wurde daher von ihr ohne jeden Zweifel ebenso visuell wahrgenommen. Ganz gewiss ist der Beschuldigten dabei auch klargeworden, dass bei der soeben erfolgten Streifkollision beim anderen beteiligten Fahrzeug ebenfalls ein Schaden entstanden sein muss.
3.3
3.3.1 Die Anklage beschränkt sich allerdings nicht nur auf den Vorwurf, dass die Beschuldigte die Streifkollision unmittelbar im Moment des Ereignisses bemerkt habe und dennoch weitergefahren sei. Vielmehr lastet die Anklage der Beschuldigten zusätzlich an, dass sie zumindest aber auf ihrer Weiterfahrt nach Hause bzw. beim Aussteigen aus dem Wagen bemerkt habe, dass sie in einen Unfall verwickelt war, und selbst jetzt habe sie es unterlassen, eine Unfallmeldung an die Polizei zu erstatten (act. 1 S. 2 2. Abschnitt).
3.3.2 Die Distanz von der Kollisionsstelle an der Bahnhofstrasse in Glarus (U‑act. I/16) bis zum Wohnort der Beschuldigten an der [...] in Ennenda beträgt etwa einen Kilometer; auf dieser Strecke musste die Beschuldigte zweimal links abbiegen (Google Maps; Gerichtsnotorietät). Hierbei hat sie mit Bestimmtheit das plötzliche Fehlen des linken Seitenspiegels an ihrem Fahrzeug bemerkt. Spätestens aber beim Aussteigen aus dem Auto wurde sie des an der Fahrertüre an einem Kabel herabhängenden Reststücks des Seitenspiegels (U‑act. I/18) ganz gewiss gewahr. Wenn daher die Beschuldigte vor Vorinstanz ausführte, sie habe den kaputten Seitenspiegel erst am folgenden Morgen bemerkt und habe sich dabei gedacht, es könnte während der Nacht jemand ihren an der Strasse parkierten Wagen gestreift haben (act. 8 S. 4 Ziff. 12), so stellt dies eine reine Schutzbehauptung dar.
3.3.3 Nach dem Gesagten ist erstellt, dass die Beschuldigte nach der Kollision bei ihrer Weiterfahrt bzw. allerspätestens beim Aussteigen daheim das Fehlen des Seitenspiegels festgestellt hat. Es steht sodann ausser Frage, dass es der Beschuldigten hierbei bewusst war, dass der plötzlich abgeschlagene Seitenspiegel auf nichts anderes als eine während ihrer kurzen Heimfahrt von Riedern nach Ennenda stattgefundene Streifkollision zurückzuführen ist und dabei auch beim anderen unfallbetroffenen Fahrzeug ein Schaden entstanden sein muss. Aus alldem ergibt sich daher, dass die Beschuldigte spätestens nach ihrer Ankunft zu Hause zwingend eine Unfallmeldung an die Polizei hätte erstatten müssen (siehe dazu BGE 114 IV 148 E. 2a S. 152).
4.
4.1 Die Beschuldigte hätte, da sie die Streifkollision ohne jeden Zweifel bemerkt hat, unmittelbar nach der Kollision sofort anhalten müssen (Art. 51 Abs. 1 SVG) bzw. sie hätte spätestens nach ihrer Ankunft zu Hause die Polizei verständigen und sich der Polizei zur Abklärung des Unfallgeschehens zur Verfügung halten müssen (Art. 56 Abs. 2 VRV).
Es steht sodann ausser Frage, dass die Beschuldigte sich dieser Verhaltenspflichten nach einem Unfall im Klaren war. Zu Recht hat sie denn auch nie Gegenteiliges vorgebracht.
4.2 Die hier interessierende Streifkollision passierte auf einem schnurgeraden, breiten und gut ausgeleuchteten Strassenabschnitt und die Fahrbahn war bei damals guter Witterung trocken (U-act. I/01 und I/16). Die Streifkollision auf diesem Streckenabschnitt bei guten äusseren Bedingungen ist daher objektiv gesehen als ausserordentlich merkwürdiges Ereignis einzustufen; infolgedessen hätte die Polizei zweifelsfrei gegenüber der Beschuldigten eine Massnahme zur Feststellung ihrer Fahrunfähigkeit im Sinne von Art. 91a Abs. 1 SVG angeordnet. Kommt hinzu, dass die Polizei mittlerweile auch bei Bagatellunfällen systematisch Atem-Alkoholproben anzuordnen pflegt (Weissenberger, a.a.O., Art. 91a SVG N 6), wobei Fahrzeugführer ohnehin unbesehen kontrolliert werden können (Art. 55 Abs. 1 SVG) und insofern auch der völlig Nüchterne damit rechnen muss (siehe dazu Urteil BGer 6B_415/2015 vom 19. August 2015 E. 1.2).
Bei objektiver Betrachtung hätte die Polizei erst recht eine Massnahme zur Klärung der Fahrunfähigkeit angeordnet, falls die Beschuldigte nach ihrer Ankunft daheim eine Unfallmeldung erstattet hätte. Denn dann hätte speziell der Umstand, dass die Beschuldigte nicht unmittelbar nach der Kollision anhielt, zusätzliche Zweifel an ihrer Fahrfähigkeit ausgelöst und hätte dies die Polizei zu näheren Abklärungen bewogen; auch darüber war sich die Beschuldigte vollkommen im Klaren.
5.
5.1 Damit ergibt sich zusammenfassend, dass die Beschuldigte durch ihr gesamtes Verhalten nach der Streifkollision (weiterfahren, ohne anzuhalten; keine Meldung an die Polizei spätestens nach ihrer Ankunft daheim) wissentlich und willentlich mögliche polizeiliche Abklärungen hinsichtlich ihrer Fahrfähigkeit verhindert hat. Dadurch hat sie in objektiver und subjektiver Hinsicht den Tatbestand der Vereitelung von Massnahmen zur Feststellung der Fahrunfähigkeit im Sinne von Art. 91a Abs. 1 SVG erfüllt. Ihre entsprechende Verurteilung im angefochtenen Entscheid ist daher nicht zu beanstanden und ist somit in diesem Punkt die Berufung abzuweisen.
5.2 Nachdem bereits die Vorinstanz aus insgesamt zutreffenden Überlegungen auf einen Schuldspruch im Sinne der Anklage erkannt hat, kann hier gestützt auf Art. 82 Abs. 4 StPO ergänzend auf die einschlägigen Erwägungen im angefochtenen Entscheid verwiesen werden (act. 18 S. 4 ff. E. III.).
6.
6.1 Die Vorinstanz bestrafte die Beschuldigte für die begangene Zuwiderhandlung mit 15 Tagessätzen Geldstrafe zu je CHF 120.-, bedingt aufgeschoben bei einer Probezeit von zwei Jahren (act. 18 S. 9 f. Dispositiv-Ziff. 3). Die Staatsanwaltschaft hat keine Anschlussberufung erhoben, womit das Obergericht bei der Strafzumessung im Ergebnis nicht über das vorinstanzliche Strafmass hinausgehen darf (Art. 391 Abs. 2 StPO).
Die Beschuldigte rügt in ihrer Berufung die erstinstanzlich ausgesprochene Strafe als unangemessen hoch (act. 31 S. 11).
6.2 Der Tatbestand der Vereitelung von Massnahmen zur Feststellung der Fahrunfähigkeit im Sinne von Art. 91a SVG ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren Geldstrafe bis höchstens 180 Tagessätze (Art. 34 Abs. 1 SVG) bedroht.
Innerhalb der möglichen Bandbreite ist die konkret auszufällende Geldstrafe nach dem Verschulden des Täters zu bemessen; hierbei sind die Beweggründe, das Vorleben und die persönlichen Verhältnisse sowie die Wirkung der Strafe auf das Leben des Täters zu berücksichtigen. Die Bewertung des Verschuldens richtet sich nach der Schwere der Verletzung Gefährdung des betroffenen Rechtsguts, nach der Verwerflichkeit des Handelns, den Beweggründen und Zielen des Täters sowie danach, wie weit der Täter nach den inneren und äusseren Umständen in der Lage war, die Gefährdung Verletzung zu vermeiden (Art. 47 Abs. 1 und Abs. 2 StGB).
6.3 Die von der Beschuldigten begangene Vereitelung von Massnahmen zur Feststellung der Fahrunfähigkeit wiegt objektiv nicht mehr leicht, stellt die tatbeständliche Handlung nämlich einen Akt wider die Rechtspflege und mittelbar auch gegen die Verkehrssicherheit dar (siehe dazu BSK SVG-Riedo, Art. 91a N 15 f.), beides bedeutsame Rechtsgüter. Die Beschuldigte handelte sodann mit direktem Vorsatz, als sie nach der Streifkollision unverweilt weiterfuhr. Demzufolge ist das Tatverschulden der Beschuldigten als nicht mehr leicht zu bezeichnen.
Strafmindernd ist zugunsten der Beschuldigten deren bis anhin ungetrübter Leumund (U-act. II/02) zu berücksichtigen, wiewohl rechtlich korrektes Verhalten grundsätzlich vorausgesetzt werden kann.
Unter Berücksichtigung der eben dargelegten Faktoren führt die Qualifizierung des Gesamtverschuldens der Beschuldigten zu einer schuldangemessenen Geldstrafe von 30 Tagessätzen. Dies ist mehr als das von der Staatsanwaltschaft ursprünglich beantragte Strafmass (act. 1 S. 3 Ziff. 5: dort Geldstrafe von 15 Tagessätzen zuzüglich CHF 1'000.- Busse). Wiegt aber, wie im vorliegenden Fall, das Tatverschulden nicht mehr leicht, so erscheint der Strafantrag der Staatsanwaltschaft angesichts der möglichen Bandbreite von immerhin bis zu 180 Tagessätzen als zu tief.
Strafmindernd ist nun allerdings zu berücksichtigen, dass das vorliegende Strafverfahren insgesamt zu lange gedauert hat. Der Verletzung des Beschleunigungsgebots (Art. 29 Abs. 1 BV) ist mit einer Strafminderung von 15 Tagessätzen Rechnung zu tragen.
6.4 Somit ist die vorinstanzlich ausgesprochene Strafe von 15 Tagessätzen Geldstrafe, bedingt aufgeschoben bei einer Probezeit von zwei Jahren, zu bestätigen.
Inwiefern die hier zugemessene Strafe zu hoch sein soll, wie die Beschuldigte in der Berufung geltend gemacht hat, ist nicht ersichtlich und wurde von ihr auch nicht konkret erörtert (act. 31 S. 11). Ein blosser Verweis auf zufällig ausgewählte Gerichtsentscheide belegt noch keine Unangemessenheit, zumal die Strafzumessung nicht schematisch erfolgt, sondern jeweils im Einzelfall die Verschuldensbewertung individuell-konkret vorzunehmen und die Strafe nach den jeweiligen persönlichen Verhältnissen auszurichten ist.
6.5 Ein Tagessatz beträgt in der Regel mindestens CHF 30.- und höchstens CHF 3'000.- (Art. 34 Abs. 2 StGB). Das Gericht bestimmt die Höhe des Tagessatzes nach den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Täters im Zeitpunkt des Urteils (siehe dazu Urteil BGer 6B_614/2019 vom 3. Dezember 2019 E. 2.4.1.), namentlich nach Einkommen und Vermögen, Lebensaufwand, allfälligen Familien- und Unterstützungspflichten sowie nach dem Existenzminimum (Art. 34 Abs. 2 StGB).
Die Vorinstanz ist ausgehend von monatlichen Einkünften der Beschuldigten von CHF [...] zu einer Tagessatzhöhe von CHF 120.gelangt (siehe dazu act. 18 S. 8 E. 2.1.). Das Einkommen der Beschuldigten hat sich seitdem nicht verändert (act. 30 und act. 32 S. 2). Die vorinstanzliche Bemessung der Tagessatzhöhe ist korrekt (siehe act. 34) und wird im Übrigen von der Beschuldigten auch nicht beanstandet.
IV.
Zusammenfassung und Kostenregelung
1.
Als Ergebnis ist festzuhalten, dass die Berufung der Beschuldigten vollumfänglich abzuweisen ist.
In formaler Hinsicht fällt das Obergericht ein neues Urteil, welches das erstinstanzliche Urteil ersetzt (Art. 408 StPO).
2.
Die Gerichtsgebühr für das Berufungsverfahren ist auf CHF 1'800.festzusetzen (Art. 6 und Art. 8 Abs. 1 lit. b der Zivil- und Strafprozesskostenverordnung; GS III A/5). Die betreffende Gebühr ist beim vorliegenden Ausgang des Berufungsverfahrens der Beschuldigten aufzuerlegen (Art. 428 Abs. 1 StPO).
3.
3.1 Da das Obergericht als Rechtsmittelinstanz vorliegend einen neuen Entscheid fällt, ist auch über die von der Vorinstanz getroffene Kostenregelung zu befinden.
3.2 Die Beschuldigte stellt sich in ihrer Berufung auf den Standpunkt, die Vorinstanz hätte ihr (der Beschuldigten) vorliegend nicht die gesamten Verfahrenskosten auferlegen dürfen, da einzelne angeklagte Straftatbestände zufolge Verjährung weggefallen sind; überdies hätte ihr eine Parteientschädigung zuerkannt werden müssen (act. 31 S. 11).
Darin kann der Beschuldigten nicht gefolgt werden. Die Anklage der Staatsanwaltschaft (act. 1) gründet auf einem klar umrissenen einheitlichen Sachverhalt, nämlich einem Lebensvorgang im Kontext mit einer Streifkollision. Insoweit die Staatsanwaltschaft hierbei mehrere Straftatbestände nebeneinander verwirklicht sah (Idealkonkurrenz), in der Folge jedoch die Übertretungstatbestände verjährt sind, so führt dieser Umstand nicht zu einer für die Beschuldigte vorteilhafteren Kostenregelung. Vielmehr bleibt massgeblich, dass es auf der Grundlage des Anklagesachverhalts letztlich zu einer Verurteilung der Beschuldigten kommt. Sie hat mit ihrem Fehlverhalten im Anschluss an die Streifkollision die Einleitung und Durchführung des Strafverfahrens veranlasst. Damit hat sie auch die Verfahrenskosten zu Lasten der Allgemeinheit verschuldet, weshalb sie diese vollumfänglich zu übernehmen hat (siehe dazu auch Urteil des Bundesgerichts 6B_574/2012 vom 28. Mai 2013, E. 2.4.4). Es ist zudem nicht ersichtlich und wurde auch nicht dargetan, dass dem Rechtsvertreter speziell im Zusammenhang mit den weggefallenen Übertretungstatbeständen ein zusätzlicher Aufwand erwachsen wäre. Die betreffenden Übertretungen waren von vornherein eng verflochten mit dem Hauptanklagepunkt, dessentwegen es vorliegend tatsächlich auch zu einer Verurteilung kommt.
3.3 Was die im angefochtenen Entscheid konkret festgelegte Höhe der Gebühren für das erstinstanzliche Verfahren sowie die Untersuchung anbelangt, so ist kein sachlicher Grund ersichtlich, welcher eine Änderung nahelegen würde, zumal auch die Beschuldigte hiergegen keine konkreten Einwendungen vorgebracht hat. Die entsprechende Kostenregelung (act. 18 S. 10 Dispositiv-Ziff. 4 - 6) ist daher zu bestätigen, wobei im nachfolgenden Dispositiv die Gerichtskosten beider Instanzen insgesamt beziffert werden.
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Das Gericht erkennt:
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
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