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Urteil Kantonsgericht (GL)

Zusammenfassung des Urteils OG.2015.00022: Kantonsgericht

Der Beschuldigte wurde wegen mehrfacher Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte sowie Sachbeschädigung und Beschimpfung verurteilt. Er legte Berufung ein und forderte die Aufhebung des Urteils sowie seinen Freispruch. Die Anklägerin forderte hingegen eine Verurteilung des Beschuldigten. Die Privatklägerin verlangte die Abweisung der Berufung und die Bestrafung des Beschuldigten. Das Gericht berücksichtigte verschiedene Beweismittel, darunter Polizeirapporte und Fotodokumentationen, und entschied über die Anträge der Parteien.

Urteilsdetails des Kantongerichts OG.2015.00022

Kanton:GL
Fallnummer:OG.2015.00022
Instanz:Kantonsgericht
Abteilung:-
Kantonsgericht Entscheid OG.2015.00022 vom 01.04.2016 (GL)
Datum:01.04.2016
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:Mehrfache Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte etc.
Schlagwörter : Staat; Staatsanwalt; Staatsanwalts; Staatsanwaltschaft; Polizei; Berufung; Beweis; Verfahren; Kanton; Urteil; Kantons; Sachbeschädigung; Befehl; Beschuldigte; Recht; Verfahren; Glarus; Beweise; Beschuldigten; Untersuchung; Gewalt; Urteils; Beschimpfung; Gericht; Polizeibeamten; Anschlussberufung; Antrag; Klage; Drohung; Kantonspolizei
Rechtsnorm:Art. 118 StPO ;Art. 144 StGB ;Art. 145 StPO ;Art. 147 StPO ;Art. 177 StGB ;Art. 285 StGB ;Art. 286 StGB ;Art. 29 BV ;Art. 30 BV ;Art. 30 StGB ;Art. 32 BV ;Art. 329 StPO ;Art. 343 StPO ;Art. 382 StPO ;Art. 401 StPO ;Art. 402 StPO ;Art. 437 StPO ;Art. 55a StGB ;Art. 56 StPO ;Art. 6 StPO ;Art. 9 BV ;
Referenz BGE:111 V 101; 115 Ia 20; 117 IV 439; 118 IV 211; 119 V 94; 131 IV 98; 133 I 41; 134 II 124; 134 II 137; 141 IV 39; 141 IV 46;
Kommentar:

Entscheid des Kantongerichts OG.2015.00022

 

Anträge der Anklägerin, Berufungsbeklagten 1 und Anschlussberufungsklägerin (gemäss Anschlussberufungserklärung vom 27. Mai 2015 [act. 44] sowie den Ausführungen des Ersten Staatsanwalts an der Verhandlung vom 11. September 2015 [act. 49], sinngemäss):

 

 

Anträge der Privatklägerin, Berufungsbeklagten 2 und Anschlussberufungs-klägerin (gemäss Anschlussberufungserklärung vom 21. Mai 2015 [act. 43] sowie den Ausführungen des F.__, Chef Spezialdienste, an der Verhandlung vom 11. September 2015 [act. 49], sinngemäss):

 

__

Das Gericht zieht in Betracht:

 

I.

Prozessverlauf und Gegenstand der Berufung

 

                   1. Dem vorliegend zu beurteilenden Berufungsbzw. den Anschlussberufungsverfahren liegt ein Ereignis vom 22. Juni 2013 zugrunde. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Glarus wirft A.__ vor (act. 2), an jenem Datum den Eingangsbereich des Polizeipostens Schwanden sowie dessen Arrestzelle verwüstet zu haben. Überdies soll er die Motorhaube des Privatfahrzeuges der Polizeibeamtin B.__ beschädigt und die Polizeibeamten C.__ und B.__ wiederholt beschimpft haben. A.__ soll sich so aggressiv verhalten haben, dass er die Polizeibeamten in Angst und Schrecken versetzt und diese an Amtshandlungen gehindert habe.

 

                   2. A.__ wurde mit Urteil der Strafgerichtskommission des Kantonsgerichts des Kantons Glarus vom 23. Dezember 2014 (act. 21 und 27) der Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte im Sinne von Art. 285 Ziff. 1 StGB und der Beschimpfung i.S.v. Art. 177 Abs. 1 StGB (B.__) schuldig gesprochen. Hingegen wurde er vom Vorwurf der geringfügigen Sachbeschädigung i.S.v. Art. 144 Abs. 1 StGB in Verbindung mit Art. 172ter Abs. 1 StGB freigesprochen und das Verfahren wurde betreffend mehrfacher Sachbeschädigung i.S.v. Art. 144 Abs. 1 StGB sowie Beschimpfung i.S.v. Art. 177 Abs. 1 StGB (C.__) eingestellt. A.__ wurde zu einer unbedingten Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je CHF 60.– verurteilt. Sodann wurden die Vorstrafen von A.__ (Urteil des Kantonsgerichts Glarus vom 17. November 2010: 60 Tagessätze zu je CHF 70.–; Strafbefehl der Staatsanwaltschaft des Kantons Glarus vom 13. Dezember 2011: 119 Tagessätze zu je CHF 30.–) widerrufen und für vollziehbar erklärt. Es wurde angeordnet, dass das polizeilich sichergestellte Klappmesser von A.__ eingezogen und vernichtet werde. Im Übrigen wurden A.__ die Verfahrenskosten zur Hälfte auferlegt und wurde ihm eine reduzierte Parteientschädigung in Höhe von CHF 1‘500.– zugesprochen.

 

                   3. Das vorinstanzliche Urteil (act. 21) wurde den Parteien am 14./15. Januar 2015 zugestellt (act. 22-26). Mit Eingabe vom 26. Januar 2015 (act. 26) meldete der Verteidiger des Beschuldigten rechtzeitig die Berufung an. Das begründete Urteil (act. 27) wurde dem Verteidiger des Beschuldigten am 13. April 2015 zugestellt (act. 35 i.V.m. act. 34). Mit Eingabe vom 4. Mai 2015 (act. 36) reichte der Verteidiger des Beschuldigten innert Frist die begründete Berufungserklärung ein. Daraufhin erhoben sowohl die Staatsanwaltschaft als auch die Kantonspolizei Glarus fristgerecht Anschlussberufung (vgl. act. 41 – 44). In ihren Berufungs- (act. 36) bzw. Anschlussberufungserklärungen (act. 43 und 44), respektive anlässlich der am 11. September 2015 abgehaltenen Berufungsverhandlung (act. 49), liessen die Parteien die eingangs erwähnten Anträge stellen.

 

                   4. Im Nachgang zur Berufungsverhandlung zog das Obergericht zwecks Ergänzung der Beweise die Bildaufzeichnungen der Überwachungskamera des Polizeipostens Schwanden bei (act. 51 und 52). Diese Videoaufzeichnungen wurden dem Verteidiger des Beschuldigten sowie der Anklägerin zwecks Gewährung des rechtlichen Gehörs am 25. September 2015 gezeigt und diesen Frist zu allfälliger Stellungnahme bis am 23. Oktober 2015 angesetzt (act. 52 – 54). Der Verteidiger des Beschuldigten liess sich hierzu mit Eingabe vom 1. Oktober 2015 vernehmen, ebenso reichte die Anklägerin am 6. Oktober 2015 eine entsprechende Vernehmlassung ein.

 

II.
Prozessuales

 

                   1. a) Am 15. Oktober 2013 erliess die Staatsanwaltschaft einen Strafbefehl gegen A.__ wegen einfacher Körperverletzung (häusliche Gewalt), mehrfacher Sachbeschädigung, geringfügiger Sachbeschädigung, mehrfacher Beschimpfung und mehrfacher Gewalt und Drohung gegen Behörden Beamte (act. 1/I/18), wogegen A.__ am 24. Oktober 2013 (Poststempel) Einsprache erhob (act. 1/IV/1 und 2). Daraufhin (Eingang am 13. November 2013) erklärte E.__, Ehefrau des Beschuldigten und mutmassliches Opfer der einfachen Körperverletzung, ihr Desinteresse i.S.v. Art. 55a Abs. 1 Bst. a Ziff. 1 StGB am Strafverfahren gegen ihren Ehemann in Bezug auf die einfache Körperverletzung (act. 1/IV/4). Mit Eingabe vom 18. November 2013 (Poststempel) zog A.__ seine Einsprache gegen den Strafbefehl vom 15. Oktober 2013 zurück (act. 1/IV/9; siehe dazu nachstehend Ziff. II.1.b). Die Staatsanwaltschaft erliess am 20. Dezember 2013 eine Sistierungsverfügung betreffend die einfache Körperverletzung (häusliche Gewalt) (act. 1/IV/16) und gleichzeitig einen neuen Strafbefehl (unter Weglassung des Straftatbestands der einfachen Körperverletzung), welcher jenen vom 15. Oktober 2013 ersetzen sollte (act. 1/IV/15). Dieser Strafbefehl wurde von A.__ innerhalb der siebentägigen Abholfrist nicht bei der Schweizerischen Post abgeholt. In der Folge liess die Staatsanwaltschaft den Strafbefehl am 13. Februar 2014 ein zweites Mal – diesmal polizeilich – zustellen (act. 1/IV/17; siehe dazu nachstehend Ziff. II.1.c). Gegen den neuen Strafbefehl vom 20. Dezember 2013 erhob A.__ durch seinen beigezogenen Verteidiger D.__ am 24. Februar 2014 Einsprache (act. 1/IV/18).

                   b) Nach dem Rückzug der Einsprache gegen einen Strafbefehl wird dieser zum rechtskräftigen und vollstreckbaren Urteil (Riklin, BSK StPO II, Art. 354 N 18). In Analogie zu Art. 437 Abs. 2 StPO tritt die Rechtskraft rückwirkend auf den Tag ein, an dem der Entscheid gefällt bzw. der Strafbefehl erlassen wurde. Erklärt das Opfer das Desinteresse i.S.v. Art. 55a Abs. 1 StGB, so kann die Staatsanwaltschaft das diesbezügliche Verfahren sistieren, muss dies aber nicht. Immerhin soll die Staatsanwaltschaft nur dann an der Strafverfolgung festhalten, wenn sie nach Untersuchungen zum Schluss kommt, der Antrag auf Verfahrenseinstellung (Desinteresseerklärung) entspreche nicht dem freien Willen des Opfers (BGer 6S.454/2004 vom 21. März 2006 E. 3; Riedo/Allemann, BSK StGB I, Art. 55a N 131). Vorausgesetzt wird, dass das Desinteresse während hängigem Verfahren erklärt wird. Dies bedeutet, dass eine Sistierung nach Abschluss des Verfahrens ausgeschlossen ist (Riedo/Allemann, BSK StGB I, Art. 55a N 118).

Mit Einsprache-Eingabe vom 18. November 2013 an die Staatsanwaltschaft (act. 1/IV/9) gab A.__ seinen Unmut über die eingesetzte unentgeltliche Verteidigerin kund und machte kurze Ausführungen zum Tatgeschehen. Im letzten Absatz des Schreibens schrieb A.__ „[…] ziehe ich meinen Einspruch [recte: Einsprache] zurück […]“. Weiter hielt A.__ fest, dass der gesamte Betrag in Rechnung gestellt werden solle, da er seine Ruhe haben wolle. In der Grussformel schrieb er überdies „[…] auf nie mehr Wiedersehen“. Diese klaren und unzweideutigen Worte lassen an sich keinen Zweifel daran, dass A.__ seine Einsprache zurück ziehen wollte, weil er mit der Sache abschliessen und nichts mehr damit zu tun haben wollte. Damit wäre der Strafbefehl (act. 1/I/18) rückwirkend auf den Tag seines Erlasses (15. Oktober 2013) in Rechtskraft erwachsen. Die Desinteresseerklärung vom 13. November 2013 beruhte – wie Abklärungen der Staatsanwaltschaft ergaben (act. 1/IV/12–14) – auf dem freien Willen von E.__. In der Folge betrachtete die Staatsanwaltschaft das Schreiben des Beschuldigten vom 19. November 2013 nicht als Rückzug, sondern sie erliess unter Berücksichtigung der Desinteresseerklärung vom 13. November 2013 einen neuen Strafbefehl vom 20. Dezember 2013 und gleichentags gestützt auf Art. 55a Abs. 1 StGB eine Sistierungsverfügung. Weshalb die Staatsanwaltschaft auf diese Weise vorging lässt sich aufgrund der Akten nicht nachvollziehen und ist fragwürdig.

Die vorgenannten Erwägungen sind als Anmerkung zu verstehen, widerspräche es doch dem Grundsatz von Treu und Glauben im jetzigen Verfahrensstadium auf diese Fragestellung zurückzukommen und den Strafbefehl vom 15. Oktober 2013 für rechtskräftig und alle nachfolgenden Prozesshandlungen, Verfügungen und Entscheide für ungültig zu erklären (vgl. dazu auch die zutreffenden Erwägungen des Verteidigers des Beschuldigten im vorinstanzlichen Verfahren, act. 18 Ziff. 2). Auch wenn man – anders als die Vorinstanz (act. 27 E. I.4.) – die Eingabe von A.__ vom 19. November 2013 als Rückzug seiner Einsprache werten und den Strafbefehl vom 15. Oktober 2013 daher an sich als rechtskräftig betrachten würde, wäre dieser gleichsam ungültig bzw. nichtig. So war der Sachverhalt weder eingestanden (vgl. act. II/2), noch anderweitig ausreichend geklärt (vgl. dazu die folgenden Erwägungen, insbesondere E. III.1.d-g), sodass die Voraussetzungen gemäss Art. 352 Abs. 1 StPO zum Erlass eines Strafbefehls klar nicht gegeben waren. Folglich hätte die Staatsanwaltschaft keinen Strafbefehl erlassen dürfen, sondern hätte Anklage erheben müssen (Art. 324 Abs. 1 2. Satzteil StPO).

                   c) Gemäss Art. 85 Abs. 4 Bst. a StPO gilt eine eingeschriebene Postsendung, die nicht bei der Schweizerischen Post abgeholt wurde, am siebten Tag nach dem erfolglosen Zustellungsversuch als zugestellt, sofern die Person mit einer Zustellung rechnen musste (sog. Zustellfiktion). Dies ist der Fall, wenn der Adressat Kenntnis von der Eröffnung eines gegen ihn geführten Strafverfahrens hat. Die Begründung eines Verfahrensverhältnisses verpflichtet die Parteien, nach Treu und Glauben unter anderem dafür zu sorgen, dass ihnen behördliche Sendungen zugestellt werden können (BGer 6B_940/2013 vom 31. März 2014 E. 2.2.1; Arquint, BSK StPO I, Art. 85 N 9). Die Zustellfiktion gilt auch dann, wenn allfällig ein zweiter Versand und spätere Entgegennahme der Sendung erfolgt (BGE 111 V 101 E. 2 b). Ein zweiter Versand ist somit rechtlich grundsätzlich unbeachtlich, es sei denn, es erfolge zugleich eine erneute Rechtsmittelbelehrung mit Fristansetzung, was den Vertrauensschutz i.S.v. Art. 9 BV begründet (BGer 6B_511/2010 vom 13. August 2010 E. 4; BGE 119 V 94 E. 4 b aa). Die Rechtsmittelfrist beginnt also grundsätzlich mit Ablauf der siebentägigen Abholfrist; sie kann sich aber gestützt auf den verfassungsmässigen Anspruch auf Vertrauensschutz dann verlängern, wenn eine entsprechende vertrauensbegründende Auskunft – d.h. eine erneute Zustellung mit vorbehaltloser Rechtsmittelbelehrung – erteilt wird (BGE 115 Ia 20 E. 4 c). A.__ wurde bei der polizeilichen Einvernahme vom 22. Juni 2013 von der Rapporterstattung an die Staatsanwaltschaft in Kenntnis gesetzt (act. 1/I/2/Frage 31) und wusste zudem aufgrund des Schriftenwechsels mit dem zuständigen Staatsanwalt (letztmals am 19. November 2013), dass ein Strafverfahren gegen ihn hängig war. Daher hätte er aufgrund von Treu und Glauben dafür sorgen müssen, dass er vom neuen Strafbefehl (act. 1/IV/15), welcher am 20. Dezember 2013 der Post aufgegeben wurde, Kenntnis erhält. Da er dies jedoch nicht tat, gilt gemäss der Zustellfiktion der Strafbefehl am 28. Dezember 2013 als zugestellt. Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb die Staatsanwaltschaft trotz formgültig fristauslösender Eröffnung den Strafbefehl mit vorbehaltloser Rechtsmittelbelehrung und Fristansetzung ein zweites Mal förmlich mittels polizeilicher Zustellung eröffnete (vgl. zum Ganzen act. 1/IV/17). Indem die Staatsanwaltschaft A.__ den Strafbefehl noch einmal ohne Vorbehalt bezüglich der darin enthaltenen Rechtmittelbelehrung zustellte, schuf sie damit ein berechtigtes Vertrauen. A.__ durfte daher unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben davon ausgehen, dass die Rechtsmittelfrist erst mit der polizeilichen Zustellung am 13. Februar 2014 zu laufen begann und er daher fristgerecht Einsprache erhob (vgl. BGer 1C_129/2015 vom 9. Juli 2015 E. 3.4).

 

                   2. a) Die Strafgerichtskommission des Kantonsgerichts Glarus beschloss mit Urteil vom 23. Dezember 2014, dass das Verfahren wegen mehrfacher Sachbeschädigung i.S.v. Art. 144 Abs. 1 StGB sowie wegen Beschimpfung i.S.v. Art. 177 Abs. 1 StGB (C.__) eingestellt werde. Im Urteil erkannte sie A.__ der Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte i.S.v. Art. 285 Ziff. 1 StGB und der Beschimpfung i.S.v. Art. 177 Abs. 1 StGB (B.__) für schuldig. Vom Vorwurf der geringfügigen Sachbeschädigung i.S.v. Art. 144 Abs. 1 StGB i.V.m. Art. 172ter Abs. 1 StGB sprach sie ihn frei (vgl. act. 21).

                   b) Die Berufung hat im Umfang der Anfechtung aufschiebende Wirkung (Art. 402 StPO). Die von der Berufungserklärung bzw. von den Anschlussberufungserklärungen nicht erfassten Aspekte des vorinstanzlichen Urteilsdispositivs erwachsen rückwirkend auf den Tag der Urteilsfällung in Rechtskraft (Art. 437 StPO). Vom Moment des Ablaufs der Fristen zur Berufungserklärung bzw. Erklärung der Anschlussberufung an kann der Berufungsumfang durch eine weitere Erklärung bzw. weitere Anträge zwar noch eingeschränkt, aber nicht mehr ausgedehnt werden (zum Ganzen: Eugster, BSK StPO II, Art. 399 N 6 und Art. 402 N 2).

                   c) Der Verteidiger des Beschuldigten focht mit seiner Berufungserklärung (act. 36) die Beschluss-Dispositiv-Ziff. 1 (Verfahrenseinstellung betr. mehrfacher Sachbeschädigung und Beschimpfung von C.__) sowie Urteils-Dispositiv-Ziff. 2 (Freispruch betr. geringfügige Sachbeschädigung in Bezug auf den Personenwagen von B.__) des vorinstanzlichen Beschlusses/Urteils (act. 27) nicht an. Die Beschluss-Dispositiv-Ziff. 1 betreffend Beschimpfung von C.__ bildete ebenso nicht Gegenstand der Anschlussberufungen (vgl. die eingangs wiedergegebenen Anträge der Parteien), hingegen die Verfahrenseinstellung wegen mehrfacher Sachbeschädigung (vgl. Art. 401 Abs. 2 StPO). Die Urteils-Dispositiv-Ziff. 2 bildete zunächst Gegenstand der Anschlussberufungen (act. 43 und 44); von den diesbezüglichen Anträgen wurde anlässlich der Berufungsverhandlung jedoch Abstand genommen (act. 49 S. 21 und S. 23). Der Kantonspolizei fehlt es ohnehin an der Legitimation zur Anschlussberufung in Zusammenhang mit der allfälligen geringfügigen Sachbeschädigung am privaten Personenwagen der Privatklägerin B.__ (Art. 382 Abs. 1 StPO). Die Privatkläger B.__ und C.__ haben keine Anschlussberufung erhoben. Es ist somit vorab mit Beschluss festzustellen, dass die Beschluss-Dispositiv-Ziff. 1 betreffend Beschimpfung von C.__ und Urteils-Dispositiv-Ziff. 2 betreffend geringfügige Sachbeschädigung in Rechtskraft erwachsen sind.

 

                   3. a) Anlässlich des Vorfalls vom 22. Juni 2013 beim Polizeistützpunkt Schwanden füllten die beteiligten Polizeibeamten C.__ und B.__ sowie F.__ je ein Formular „Strafantrag / Privatklage“ aus. F.__ (handelnd für die Kantonspolizei Glarus, vgl. dazu nachstehend E. II.3.c.cc) liess den Abschnitt Strafantrag leer, kreuzte aber die Abschnitte Strafklage und Zivilklage mit „ja“ an für den Vorfall/Delikt „Sachbeschädigung Art. 144 Abs. 3 StGB“ (act. 1/II/3). Genau gleich füllte C.__ das Formular aus, aber betreffend den Vorfall/Delikt „Hinderung einer Amtshandlung/Nichtbefolgen einer Anordnung“ (act. 1/II/4). Einzig B.__ füllte – neben den Abschnitten der Straf- und Zivilklage – auch den Abschnitt Strafantrag betreffend „Sachbeschädigung/Hinderung einer Amtshandlung/Nichtbefolgen einer Anordnung/Beschimpfung“ aus (act. 1/II/5). Gestützt auf diese Formulare klagte die Staatsanwaltschaft A.__ wegen mehrfacher Sachbeschädigung, geringfügiger Sachbeschädigung, mehrfacher Beschimpfung sowie mehrfacher Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte an (act. 3 i.V.m. act. 2).

                   b) Die Vorinstanz zog in Erwägung, im von F.__ ausgefüllten Formular werde in der Zeile „Vorfall/Delikt“ der qualifizierte Tatbestand der Sachbeschädigung i.S.v. Art. 144 Abs. 3 StGB aufgeführt, obwohl es sich um einen Fall von Abs. 1 des nämlichen Artikels handle. Daher könnte der Strafantrag ungültig sein. Insbesondere jedoch fehle auf diesem Formular eine Unterschrift mit Ort und Datum im Feld „Strafantrag“; eine solche fände sich nur in den Abschnitten „Strafklage“ und „Zivilklage“. Daher müsse davon ausgegangen werden, dass für die Sachbeschädigung im Eingangsbereich und in der Arrestzelle des Polizeipostens gar kein gültiger Strafantrag vorliege. Es erscheine zudem fraglich, ob F.__ zur Stellung eines Strafantrages namens des Kantons Glarus (recte: Kantonspolizei Glarus) überhaupt legitimiert sei. Mangels Vorliegens eines gültigen Strafantrages und folglich Fehlens einer Prozessvoraussetzung sei das Verfahren betreffend die Sachbeschädigung i.S.v. Art. 144 Abs. 1 StGB einzustellen (vgl. zum Ganzen act. 27 Ziff. 5.3 und Ziff. 5.4).

c) aa) Bei dem zur Anklage gebrachten Straftatbestand der mehrfachen Sachbeschädigung i.S.v. Art. 144 Abs. 1 StGB handelt es sich um ein Antragsdelikt. Ist eine Tat nur auf Antrag strafbar, so kann jede Person, die durch sie verletzt worden ist, die Bestrafung des Täters mittels Strafantrag beantragen (vgl. Art. 30 Abs. 1 StGB). Als Verletzter gilt nur, wer materiellrechtlich Träger des unmittelbar angegriffenen Rechtsgutes ist, was sich wiederum erst aus der Auslegung des betreffenden Tatbestandes ergibt (BGE 118 IV 211 E. 2). Nach der Rechtsprechung ist nicht nur der Eigentümer antragsberechtigt, sondern überdies auch der Mieter bzw. jeder Berechtigte, der die Sache nicht mehr gebrauchen kann, dessen schutzwürdige Interessen durch die Sachbeschädigung also beeinträchtigt wurden (BGE 117 IV 439 E. 1 b; Weissenberger, BSK StGB II, Art. 144 N 96). Der Strafantrag muss nicht als solcher benannt sein und auch eine falsche Bezeichnung schadet nicht (Riedo, BSK StGB I, Art. 30 N 53). Der Strafantrag braucht lediglich eine Umschreibung des zu verfolgenden Sachverhalts, wobei dessen rechtliche Würdigung den Behörden obliegt. Nennt der Antragsteller dennoch einen Straftatbestand, der seines Erachtens erfüllt worden ist, so ist die Behörde an diese rechtliche Qualifikation nicht gebunden (BGE 131 IV 98 E. 3.1). Eine falsche rechtliche Qualifikation macht den Strafantrag somit nicht ungültig (Riedo, BSK StGB I, Art. 30 N 54).

bb) Erklärt die geschädigte Person, sich am Strafverfahren als Strafoder Zivilkläger zu beteiligen, konstituiert sie sich als Privatklägerin (Art. 118 Abs. 1 StPO). Der Strafantrag ist dieser Erklärung gleichgestellt (Art. 118 Abs. 2 StPO). Wer Strafklage erhebt, d.h. sich im Strafpunkt als Privatkläger konstituiert hat, will offenkundig die Verfolgung der Tat und des Täters, weshalb eine Erklärung nach Art. 119 Abs. 2 lit. a StPO als Strafantrag zu qualifizieren ist (Riedo, BSK StGB I, Art. 30 N 50, mit weiteren Verweisen).

Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass die Kantonspolizei als verletzt i.S.v. Art. 30 Abs. 1 StGB gilt, unabhängig davon, ob sie Eigentümerin, Mieterin auch nur Gebrauchsberechtigte der Räumlichkeiten des Polizeipostens Schwanden ist. Weitere Abklärungen zu den Berechtigungsverhältnissen an den Räumlichkeiten des Polizeipostens Schwanden erübrigen sich daher. Zudem ist erstellt, dass für die Sachbeschädigungen der Strafantrag als gestellt gilt, auch wenn auf dem Formular nur die Felder Straf- und Zivilklage angekreuzt und unterschrieben wurden. Weiter ist zu folgern, dass der Strafantrag nicht nur für qualifizierte Sachbeschädigung i.S.v. Art. 144 Abs. 3 StGB, sondern auch für den Grundtatbestand derselben Norm gilt, da eine falsche rechtliche Qualifizierung des fraglichen Sachverhalts unbeachtlich ist.

cc) Gemäss Art. 26 Abs. 3 der Verordnung über die Organisation des Regierungsrates und der Verwaltung (RVOV; GS II A/3/3) sind die Leiter bzw. die Stellvertreter der Hauptabteilungen, Abteilungen und Fachstellen zeichnungsberechtigt. Die Kantonspolizei, bestehend aus drei Abteilungen (Spezialdienste, Regionalpolizei, Kriminalpolizei), bildet eine der Hauptabteilungen des Sicherheits- und Justizdepartementes (Anhang II Art. A2-6 Abs. 1 lit. b RVOV). Der Regierungsrat hat die Organisation der Kantonspolizei gestützt auf Art. 34 Abs. 1 des Polizeigesetzes (PolG; GS V A/11/1) in der Polizeiverordnung (PolV; GS V A/11/2) geregelt. Demnach ist die Kantonspolizei dem Departement für Sicherheit und Justiz unterstellt (Art. 1 Abs. 1 PolV). Den Führungsstab der Kantonspolizei bilden der Polizeikommandant zusammen mit den ihm direkt unterstellten Abteilungsleitern und Stabsmitarbeitern (Art. 3 Abs. 1 PolV). Die Stellvertreter des Polizeikommandanten rekrutieren sich aus den Direktunterstellten (Art. 3 Abs. 2 PolV). F.__ ist gemäss Staatskalender 2012/2014 sowie gemäss Organigramm des Sicherheits- und Justizdepartements des Kantons Glarus (Stand 1. August 2015) seit mindestens November 2012 Chef bzw. Leiter der Abteilung Spezialdienste der Kantonspolizei Glarus. Diese Abteilung steht dem ganzen Korps als Logistik- und Dienstleistungsbetrieb planend, beratend und unterstützend zur Seite und erfüllt unter anderem Aufgaben wie Liegenschaftsunterhalt sowie Unterhalt von technischen Anlagen (www.gl.ch > Kantonspolizei > Spezialdienste).

Somit ist auch erstellt, dass F.__ als Chef bzw. Leiter der Abteilung Spezialdienste vertretend für die Kantonspolizei Glarus das Formular „Strafantrag / Privatklage“ ausfüllen und unterzeichnen durfte. Dies gilt umso mehr, als gerade die Abteilung Spezialdienste den Unterhalt von Liegenschaften und technischen Anlagen der Kantonspolizei Glarus zur Aufgabe hat.

 

III.
Materielles

 

                   1. a) Der im Schweizerischen Strafprozessrecht geltende Untersuchungsgrundsatz schreibt vor, dass die Strafbehörden von Amtes wegen alle für die Beurteilung der Tat und der beschuldigten Person bedeutsamen Tatsachen abklären und dabei belastende und entlastende Umstände berücksichtigen (Art. 6 StPO). Die Staatsanwaltschaft klärt den Sachverhalt tatsächlich und rechtlich so weit ab, dass das Vorverfahren abgeschlossen werden und bei allfälliger Anklageerhebung die Untersuchung dem Gericht die für die Beurteilung von Schuld und Strafe wesentlichen Grundlagen liefern kann (Art. 308 Abs. 1 und Abs. 3 StPO). Grundsätzlich obliegt es somit der Staatsanwaltschaft, die notwendigen Beweise zu erheben und ist es sie, die die Hauptverantwortung für die Beweiserhebung trägt. Aufgrund des Prinzips der beschränkten Unmittelbarkeit der Beweise vor Gericht kommt der Untersuchung im Vorverfahren eine besondere Bedeutung zu (BGer 1B_304/2011 vom 26. Juli 2011 E. 3.2.1).

                   b) Die Parteien haben Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 3 Abs. 2 lit. c StPO). Im Beweiserhebungsverfahren bedeutet dies konkret, dass die Parteien – insbesondere die beschuldigte Person – das Recht haben, anwesend zu sein und einvernommenen Personen Fragen zu stellen (Art. 147 Abs. 1 StPO, Grundsatz der Parteiöffentlichkeit des Vorverfahrens). Dieses Recht stellt eine Konkretisierung des verfassungsrechtlich geschützten rechtlichen Gehörs (Art. 29 Abs. 2 BV, vgl. auch Art. 32 Abs. 2 BV) dar und entspricht dem Konfrontationsrecht gemäss Art. 6 Ziff. 3 lit. d EMRK. Die Partei erhält damit Gelegenheit, die Beweiserhebung beeinflussen, die Glaubhaftigkeit einer Aussage prüfen und den Beweiswert in Frage stellen zu können (Schleiminger Mettler, BSK StPO I, Art. 147 N 3). Von hier nicht zutreffenden Ausnahmen abgesehen, in denen eine Konfrontation (aus objektiven, von der Staatsanwaltschaft nicht zu vertretenden Gründen) nicht möglich war, ist eine belastende Aussage von Zeugen Auskunftspersonen deshalb grundsätzlich nur verwertbar, wenn die beschuldigte Person wenigstens einmal während des Verfahrens angemessene und hinreichende Gelegenheit hatte, diese Aussage in Zweifel zu ziehen und Ergänzungsfragen zu stellen (BGer 6B_620/2014 vom 25. September 2014 E. 1.3.2 m.w.H.; BGer 6B_1057/2013 vom 19. Mai 2014 E. 2.3; BGE 133 I 41 E. 3.1). Dem Teilnahmerecht kann bei Einholung eines schriftlichen Berichts anstelle einer mündlichen Einvernahme (Art. 145 StPO) nur mittelbar Rechnung getragen werden. Immerhin hat die Partei Anspruch darauf, vom Inhalt des schriftlichen Berichts Kenntnis zu nehmen und sich dazu zu äussern und Ergänzungsfragen zu stellen, was wohl in einer mündlichen Einvernahme geschehen muss. Werden die Teilnahmerechte nicht gewahrt, darf ein schriftlicher Bericht nicht – auch nicht als Indiz – zu Lasten der “abwesenden“ Partei verwertet werden (Art. 147 Abs. 4 StPO; Häring, BSK StPO I, Art. 145 N 11; BGer 6B_510/2013 vom 3. März 2014 E. 1.3.1.; vgl. zum Ganzen auch Schleiminger Mettler, BSK StPO I, Art. 147 N 29 ff., v.a. N 33 und Fn. 58). Allgemein sollten schriftliche Berichte i.S.v. Art. 145 StPO nur sehr zurückhaltend und ausnahmsweise eingeholt werden (BGer 6B_690/2015 vom 25. November 2015 E. 3.3.1). Insbesondere bei entscheidenden und wesentlichen Zeugen ist zumindest einmal eine mündliche Einvernahme durchzuführen, da es auf den persönlichen Eindruck der Person ankommt (Häring, BSK StPO I, Art. 145 N 6). Im Übrigen sind bei Einholung eines schriftlichen Berichts auch die formellen Erfordernisse, die bei der mündlichen Einvernahme gelten, zu beachten und hat demnach eine fehlende Rechtsbelehrung ein Verwertungsverbot des schriftlichen Berichts zur Folge (Häring, BSK StPO I, Art. 145 N 10).

                   c) Trotz des geltenden Untersuchungsgrundsatzes wird über Tatsachen, die unerheblich, offenkundig, der Strafbehörde bekannt bereits rechtsgenügend erwiesen sind, kein Beweis geführt (sog. antizipierte Beweiswürdigung, Art. 139 Abs. 2 StPO). So darf die Staatsanwaltschaft trotz ihrer grundsätzlichen Beweisführungsobliegenheit auf weitere Beweiserhebungen verzichten, wenn sie in willkürfreier Würdigung der bereits abgenommenen Beweise zur Überzeugung gelangt, der rechtlich erhebliche Sachverhalt sei genügend abgeklärt und sie zudem in antizipierter Würdigung weiterer möglicher Beweise annimmt, ihre Überzeugung werde auch durch diese nicht geändert. Die Staatsanwaltschaft hat sich also zu fragen, ob sich an ihrer Einschätzung des Beweisergebnisses etwas ändern würde, wenn der Beweis erbracht wäre (BGer 6B_690/2015 vom 25. November 2015 E. 3.3.2 und E. 3.4). Jedoch darf die Staatsanwaltschaft Fragen der beschuldigten Person an einen Belastungszeugen nicht auf dem Weg der antizipierten Beweiswürdigung für entbehrlich erklären (BGer 6B_510/2013 vom 3. März 2014 E. 1.3.2).

d) In Bezug auf die Vorwürfe der Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte, der mehrfachen Sachbeschädigung sowie der Beschimpfung, liegen im Wesentlichen folgende Beweismittel bei den Akten: Polizeirapport vom 18. August 2013 (act. 1/II/1), polizeiliche Einvernahme von A.__ vom 22. Juni 2013 (act. 1/II/2), Fotodokumentation vom Polizeiposten Schwanden und der Arrestzelle (act. 1/II/6), zwei schriftliche Berichte der betreffenden Polizeibeamten (act. 1/II/12 und 13; als Reaktion auf den Ermittlungsauftrag an die Polizei [vor Eröffnung] zur Befragung der Polizeibeamten B.__ / C.__ [act. 1/II/11]), Strafregisterauszug von A.__ (act. 1/III/1). Nach erfolgter Einsprache vom 24. Oktober 2013 war – in Bezug auf die obgenannten Delikte – der Ermittlungsauftrag an die Polizei (nach Eröffnung) zur Befragung der Polizeibeamten B.__ / C.__ als Auskunftspersonen sowie allfälliger weiterer Zeugen (act. 1/IV/7) die einzige Verfahrenshandlung, die die Staatsanwaltschaft zur Erlangung weiterer Beweise unternahm, doch gab die Kantonspolizei den Auftrag unter Hinweis auf Art. 56 StPO wegen Befangenheit unerledigt wieder zurück (act. 1/IV/8). Bezüglich der drei erwähnten Straftaten bestanden die Untersuchungshandlungen der Staatsanwaltschaft somit einzig in der Erteilung zweier Ermittlungsaufträge an die Polizei sowie der Einholung eines Strafregisterauszuges. Insbesondere nahm der Staatsanwalt die im Ermittlungsauftrag vom 13. November 2013 als notwendig erachtete Befragung der beiden Polizeibeamten B.__ und C.__ sowie eines weiteren Polizeifunktionärs als Zeugen nach unerledigter Rückgabe des Ermittlungsauftrags durch die Kantonspolizei nicht mehr vor.

e) Betreffend die Sachbeschädigung beim Polizeiposten Schwanden sowie dessen Arrestzelle stellt die detaillierte Fotodokumentation (act. 1/II/6) zusammen mit dem Polizeirapport (act. 1/II/1) ein gutes und genügendes Beweismittel dar, um A.__ die erwähnte Straftat nachzuweisen. Dennoch hätte sich – spätestens nach erfolgter Einsprache – aufgedrängt, das Videomaterial vom Eingangsbereich des Polizeipostens beizuziehen und als Beweisstück zu den Akten zu nehmen. Videoaufzeichnungen dokumentieren Straftaten hervorragend und eignen sich als Beweisstücke bestens, weswegen es nicht nachvollziehbar ist, dass die Staatsanwaltschaft die Videoaufzeichnungen nicht zu den Untersuchungsakten nahm (vgl. dazu die zutreffenden Ausführungen des Verteidigers von A.__, act. 56 Ziff. 1)

Die zwei schriftlichen Berichte der involvierten Polizeibeamten (sowie der Polizeirapport) sind – aus den nachfolgenden Gründen – nicht geeignet, die A.__ vorgeworfenen Straftaten rechtsgenüglich nachzuweisen: So wird in keinem dieser Aktenstücke der Tatbestand der Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte i.S.v. Art. 285 StGB, sondern der Tatbestand der Hinderung einer Amtshandlung i.S.v. Art. 286 StGB erwähnt. Entsprechend äussern sich die Polizeibeamten auch nicht zu einer allfälligen Drohung und dadurch verursachten Angst Schrecken i.S.v. Art. 285 Ziff. 1 StGB. Dennoch schreibt die Staatsanwaltschaft im Strafbefehl vom 20. Dezember 2013 (act. 2), dass „die Polizeibeamten in Schrecken versetzt“ wurden. Die Vorinstanz hingegen sah den objektiven Tatbestand durch Anwendung von Gewalt als erfüllt (act. 27 Ziff. 6.8). Dies zeigt umso deutlicher, dass die schriftlichen Berichte teilweise unklar und zu wenig präzise sind, als dass die Staatsanwaltschaft diese ohne weitere Abklärungen als Beweisstücke hätte heranziehen dürfen. Kommt noch hinzu, dass A.__ diese Berichte der Polizeibeamten gar nie vorgelegt wurden und er folglich dazu keine Stellung nehmen konnte. Weiter wurde ihm im Vorverfahren nie der Vorhalt der Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte sowie der Beschimpfung gemacht. Immerhin konnte sich A.__ anlässlich der Hauptverhandlung vor der Vorinstanz zu diesen Anschuldigungen äussern, womit zumindest dieser Mangel (Verletzung von Art. 158 Abs. 1 lit. a StPO) als geheilt gelten kann (vgl. dazu auch die Erwägungen der Vorinstanz, act. 27 Ziff. 6.3 ff.). Jedoch wurde A.__ auch vor der Vorinstanz nicht mit den schriftlichen Berichten der Polizeibeamten konfrontiert, sodass diese Berichte nicht gegen ihn verwendet werden dürfen (vgl. E. III.1.b). Folglich kann offen bleiben, ob die schriftlichen Berichte mangels Erfüllung der formellen Erfordernisse (vgl. act. 1/II/11, wonach die Polizeibeamten „unterschriftlich als Auskunftspersonen zu befragen“ seien) überhaupt verwertbar wären. Weiter erhielt A.__ – ebenso wie die weiteren Verfahrensbeteiligten – nie Gelegenheit, sich zu den Zivilansprüchen bzw. -forderungen zu äussern. Es ist zudem nicht nachvollziehbar, weshalb die Staatsanwaltschaft nach Einsicht in den Strafregisterauszug die Akten der Strafverfahren, aus welchen die einschlägigen Vorstrafen von A.__ herrühren, nicht einholte, können diese doch einen entscheidenden Einfluss auf den Entscheid über den Widerruf haben.

f) Zusammenfassend ist zu konstatieren, dass die Staatsanwaltschaft im vorliegenden Fall, insbesondere in Bezug auf die Straftatbestände der Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte sowie der Beschimpfung, in Tat und Wahrheit keine Untersuchung durchgeführt hat. Vielmehr begnügte sie sich mit den zwei schriftlichen Berichten der involvierten Polizeibeamten und stellte bei der Begründung des Strafbefehls vom 20. Dezember 2013 betreffend den Vorwürfen der Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte sowie der Beschimpfung vollumfänglich auf diese ab (vgl. act. 2 S. 3 sowie act. 1/II/12-13). Mit anderen und/oder abweichenden Beweisen setzte sie sich nicht auseinander, was sie jedoch auch nicht musste bzw. konnte, da solche ja gar nicht vorhanden waren.

g) Der infolge Einsprache als Anklageschrift geltende Strafbefehl vom 20. Dezember 2013 (act. 2) basiert daher auf einer offensichtlich unzureichenden Strafuntersuchung. Dadurch wurden das Fairnessgebot gemäss Art. 3 Abs. 2 lit. c StPO sowie der Untersuchungsgrundsatz nach Art. 6 StPO und insbesondere grundlegende Rechte des Beschuldigten verletzt. Nach Massgabe von Art. 329 Abs. 2 StPO hätte somit die Vorinstanz das Verfahren sistieren und die Anklage zur Ergänzung Berichtigung an die Staatsanwaltschaft zurückweisen zumindest entsprechend dem beschränkten Unmittelbarkeitsprinzip gemäss Art. 343 Abs. 1 und Abs. 2 StPO nicht ordnungsgemäss unvollständig erhobene Beweise erheben bzw. ergänzen müssen. Ob und unter welchen Voraussetzungen das Gericht gestützt auf Art. 329 Abs. 2 StPO die Anklage zur ergänzenden Erhebung von Beweisen an die Staatsanwaltschaft zurückweisen kann ist umstritten. Nach der einen Meinung ist dies unzulässig, nach der anderen Meinung ist dies in gewissen Fällen grundsätzlich zulässig. Das Bundesgericht hat erkannt, dass eine solche Rückweisung zur Erhebung unverzichtbarer Beweise zulässig ist, wobei jedoch aufgrund der gerichtlichen Beweisabnahme i.S.v. Art. 343 StPO Zurückhaltung geboten sei. Eine Rückweisung zur Beweisergänzung sei somit nur ganz ausnahmsweise zulässig (vgl. zum Ganzen BGE 141 IV 39). In casu ist ein solcher Ausnahmefall gegeben, da hier nicht ein einzelner, ergänzender Beweis erhoben werden muss, sondern eine Strafuntersuchung geführt werden muss, was nicht die Aufgabe des Gerichts ist (vgl. dazu E. III.2.b). Indem die Vorinstanz es unterliess die Sache zur Beweisergänzung an die Staatsanwaltschaft zurückzuweisen i.S.v. Art. 343 StPO tätig zu werden, verletzte – neben der Staatsanwaltschaft – auch sie den Grundsatz der Wahrheitserforschung von Amtes wegen, da die zur Verfügung stehenden Beweismittel offensichtlich ungenügend ausgeschöpft wurden. Es liegt somit eine unvollständige Sachverhaltsfeststellung vor, weshalb der angefochtene vorinstanzliche Entscheid aufzuheben ist (Art. 398 Abs. 3 lit. b i.V.m. Art. 409 Abs. 1 StPO).

 

2. a) Tritt das Berufungsgericht auf die Berufung ein, so fällt es grundsätzlich ein neues Urteil, welches an die Stelle des erstinstanzlichen Entscheids tritt (Art. 408 StPO). Gemäss Art. 409 Abs. 1 StPO ist die Sache jedoch zur Neubeurteilung zurückzuweisen, wenn das erstinstanzliche Verfahren wesentliche Mängel aufweist, die im Berufungsverfahren nicht geheilt werden können. Werden – wie vorliegend (vgl. soeben, E. III.1.d-e) – Teilnahmerechte verletzt wird das Urteil auf nicht verwertbare Beweise abgestützt und/oder Zivilpunkte nicht behandelt, so handelt es sich um „wesentliche Mängel […], durch die in schwerwiegender Weise in die Rechte der beschuldigten Person anderer Parteien eingegriffen wird und die im Berufungsverfahren ohne den Verlust einer Instanz nicht mehr behoben werden können […]“. Eine Heilung dieses Mangels ist somit ausgeschlossen und eine Rückweisung gerechtfertigt (Eugster, BSK StPO II, Art. 409 N 1).

                   b) Damit ist die Sache entsprechend dem soeben zitierten Art. 409 Abs. 1 StPO an eine der Vorinstanzen zurückzuweisen. Gemäss dem Wortlaut dieser Gesetzesbestimmung wäre die Sache an das erstinstanzliche Gericht zurückzuweisen. Dies ist indes in Fällen wie dem Vorliegenden, in welchem es um die Durchführung einer eigentlichen Strafuntersuchung geht, nicht angängig, weil nicht mit dem in Art. 6 StPO normierten Untersuchungsgrundsatz vereinbar. Gemäss diesem sowie der generellen, grundlegenden Konzeption der Schweizerischen Strafprozessordnung (StPO) ist nämlich die rechtsprechende Tätigkeit des Richters von staatsanwaltlichen Funktionen zu trennen (Schmid, a.a.O., N 134). Aus der Strafprozessordnung ergibt sich dies daraus, dass diese der Staatsanwaltschaft die Hauptverantwortung für die Beweissammlung und die Führung einer fairen Strafuntersuchung zuweist (vgl. neben Art. 6 StPO bspw. auch Art. 3 Abs. 2 lit. c StPO sowie Art. 16 StPO), wohingegen sie den Gerichten die unabhängige und unparteiliche Entscheidung über die von der Staatsanwaltschaft mittels Anklageschrift – welche sich auf die von ihr erhobenen Beweise stützt – zur Beurteilung gebrachten Straftaten auferlegt (vgl. u.a. Art. 30 Abs. 1 BV sowie Art. 4 und Art. 19 Abs. 1 StPO). Vor diesem Hintergrund ist die Sache nicht an die Vorinstanz, sondern an die Staatsanwaltschaft zurückzuweisen. Dies, zumal Art. 329 Abs. 2 StPO der Vorinstanz ohnehin die Möglichkeit einräumt, Straffälle an die Staatsanwaltschaft zurückzuweisen, wenn das Verfahren ohne die Ergänzung Berichtigung der Anklage durch die Staatsanwaltschaft nicht weitergeführt und ein Sachurteil nicht gefällt werden kann (vgl. dazu E. III.1.g; BGE 141 IV 46 f. E. 1.6.2; BGer 1B_304/2011 vom 26. Juli 2011 E. 3.2.2; Daphinoff, Das Strafbefehlsverfahren in der Schweizerischen Strafprozessordnung, Diss. Fribourg 2012, S. 683).

c) Im Rahmen der weiteren Behandlung der Sache wird die Staatsanwaltschaft insbesondere die zwei strafantragstellenden Polizeibeamten als Auskunftspersonen sowie eventuell einen weiteren Polizeifunktionär als Zeugen einzuvernehmen haben. Sodann wird sie A.__ einzuvernehmen und mit den Aussagen der Polizeibeamten, der Fotodokumentation und dem Videobildmaterial zu konfrontieren haben. Dabei dürfte die genaue Abklärung des Vorwurfs der Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte bzw. vielmehr des Vorwurfs der Hinderung einer Amtshandlung den Schwerpunkt der Untersuchung ausmachen. Bisher wurde weder abgeklärt, ob der Straftatbestand der Hinderung einer Amtshandlung i.S.v. Art. 286 StGB erfüllt sein könnte, noch ob A.__ den involvierten Polizeibeamten im Sinne von Art. 285 Ziff. 1 StGB “gedroht“ und inwiefern sich eine allfällige Drohung auf welche Amtshandlungen ausgewirkt hat. Weiter werden sich in der Strafuntersuchung Abklärungen zu den Zivilforderungen der Privatkläger und zu den Vorstrafen von A.__ aufdrängen.

 

3. Ausgangsgemäss erübrigen sich – von den nachfolgenden Erwägungen betreffend Kosten- und Entschädigungsfolgen abgesehen – Ausführungen zu den weiteren Vorbringen und Anträgen der Parteien in deren Berufungsbzw. Berufungsantwortschriften und zum angefochtenen vorinstanzlichen Urteil.

 

IV.

Kosten- und Entschädigungsfolgen

 

1. Erfolgt wie vorliegend eine Rückweisung des Verfahrens, so sind die Verfahrenskosten des Rechtsmittelverfahrens sowie nach Ermessen der Rechtsmittelinstanz auch jene der Vorinstanz auf die Staatskasse zu nehmen (Art. 428 Abs. 4 StPO). Demzufolge fallen die Kosten des Berufungsverfahrens ausser Ansatz. Angesichts der Fehlerhaftigkeit des vorinstanzlichen Verfahrens (vorne, E. III.1.g) sind auch die diesbezüglichen Kosten in Aufhebung der von der Vorinstanz getroffenen Kostenregelung (act. 27 Dispositiv-Ziff. 7 f.) auf die Staatskasse zu nehmen (vgl. Schmid, a.a.O., N 1800). Über die Kostenfestsetzung und -verlegung für die nunmehr gleichsam wieder aufzunehmende Untersuchung wird die Staatsanwaltschaft bzw. gegebenenfalls die Gerichte bei Erledigung derselben zu befinden haben.

 

2. Sodann ist Dispositiv-Ziff. 9 des vorinstanzlichen Urteils (act. 27) aufzuheben und dem Beschuldigten für die ihm entstandenen Umtriebe im Rechtsmittelverfahren und im erstinstanzlichen Verfahren eine Entschädigung von pauschal CHF 5‘000.– (inkl. Auslagen und 8% MwSt) zuzusprechen (Art. 436 Abs. 1 und Abs. 3 i.V.m. Art. 429 Abs. 1 und Art. 409 StPO). Über Entschädigungsfragen im Zusammenhang mit der Untersuchung werden die Staatsanwaltschaft bzw. gegebenenfalls die Gerichte bei Erledigung der Sache zu entscheiden haben.

 

V.

Bemerkung

 

Rückweisungsentscheide wie der Vorliegende gelten im Bereich des Bundesgerichtsgesetzes (BGG) grundsätzlich als Zwischenentscheide, welche nur unter den einschränkenden Voraussetzungen von Art. 93 Abs. 1 BGG beim Bundesgericht mit Beschwerde (hier: Beschwerde in Strafsachen) anfechtbar sind. Endentscheide im Sinne von Art. 90 BGG stellen Rückweisungsentscheide dann dar, wenn der unteren Instanz kein Beurteilungsspielraum mehr verbleibt (BGE 134 II 137 E. 1.3.2; BGE 134 II 124 E. 1.3; VG ZH, VB.2012.00428 vom 5. Oktober 2012 E. 4).

 

 

__

 

 

 

Das Gericht beschliesst:

 

 

Rechtsmittelbelehrung

 

Gegen den vorliegenden Entscheid kann im Sinne der Erwägungen (E. V) in der in Art. 42 BGG vorgeschriebenen Weise beim Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, Beschwerde in Strafsachen im Sinne von Art. 78 ff. BGG erhoben werden. Dabei können die Beschwerdegründe gemäss Art. 95 ff. BGG geltend gemacht werden. Die Beschwerdelegitimation richtet sich nach Art. 81 BGG. Die Beschwerdefrist beträgt 30 Tage, gerechnet ab Zustellung dieses Entscheides.

 

 

Obergerichtspräsident                                                 Gerichtsschreiberin

 

 



 
Quelle: https://findinfo.gl.ch

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