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Urteil Kantonsgericht (GL)

Zusammenfassung des Urteils OG.2010.00041: Kantonsgericht

In dem Gerichtsverfahren ging es um eine grobe Verletzung der Verkehrsregeln, bei der der Angeklagte B. wegen Nichtanpassens der Geschwindigkeit angeklagt wurde. Nach verschiedenen Verhandlungen und Appellationen wurde B. schliesslich freigesprochen, da ihm nur das Nichtanpassen der Geschwindigkeit nachgewiesen werden konnte. Das Gericht entschied, dass B. eine Busse von Fr. 500.- zahlen muss, die bei Nichtbezahlung in eine Ersatzfreiheitsstrafe umgewandelt wird. Die Gerichtskosten und die Parteientschädigung wurden entsprechend angepasst. Das Urteil wurde am 24. August 2012 gefällt.

Urteilsdetails des Kantongerichts OG.2010.00041

Kanton:GL
Fallnummer:OG.2010.00041
Instanz:Kantonsgericht
Abteilung:-
Kantonsgericht Entscheid OG.2010.00041 vom 24.08.2012 (GL)
Datum:24.08.2012
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:grobe Verletzung der Verkehrsregeln
Schlagwörter : Gerichts; Angeklagte; Verfahren; Dispositiv; Appellation; Glarus; Urteil; Kanton; Anschlussappellat; Sinne; Kantons; Busse; Obergericht; Anschlussappellation; Entscheid; Urteils; Gutheissung; Angeklagten; Gerichtskommission; Apos; Fahrzeug; Staatsanwaltschaft; Kantonsgerichts; Geschwindigkeit; Parteien; Verletzung; Verkehrsregeln; Beschuldigte; Gericht; Verhältnisse
Rechtsnorm:Art. 103 StGB ;Art. 106 StGB ;Art. 141 StPO ;Art. 142 StPO ;Art. 149 StPO ;Art. 31 SVG ;Art. 333 StGB ;
Referenz BGE:-
Kommentar:

Entscheid des Kantongerichts OG.2010.00041

 

Anträge der Anklägerin, Appellatin und Anschlussappellantin (gestellt an der Verhandlung vom 18. März 2011):

 

 

__

 

 

Das Gericht zieht in Betracht:

 

I.

 

1.— In [...] kam es am 18. September 2008 um ca. 18.15 Uhr auf der [...]strasse in Richtung [...] bei der Abzweigung „X“ zu einem Ver­kehrsunfall zwischen drei Personenwagen mit Sachschaden an allen Fahrzeugen. Verletzt wurde niemand. In der Folge verzeigte die Kantonspolizei Glarus B.__ wegen grober Verletzung der Verkehrsregeln (SA.2008.00996).

 

2.— Das Verhöramt schloss die Untersuchung mit Schlussbericht vom 19. Juni 2009 bzw. 30. Oktober 2009 ab. Am 22. Dezember 2009 erhob die Staats­an­waltschaft des Kantons Glarus Anklage gegen B.__ wegen grober Verlet­zung der Verkehrsregeln.

 

3.— Die erstinstanzliche Hauptverhandlung fand am 24. März 2010 statt. Am 30. April 2010 sprach die Strafgerichtskommission den Angeklagten B.__ wegen Nichtanpassens der Geschwindigkeit an die konkreten Verhältnisse gemäss Art. 32 Abs. 1 SVG schuldig und qualifizierte diesen Verstoss als einfache Verletzung der Verkehrsregeln im Sinne von Art. 90 Ziff. 1 SVG. Ausserdem befand sie, der Angeklagte habe eine grobe Verkehrsregelverletzung im Sinne von Art. 90 Ziff. 2 SVG begangen, indem er das Fahrzeug nicht den Anforderungen von Art. 31 Abs. 1 SVG entsprechend beherrscht habe. Hierfür belegte sie den Angeklagten mit einer be­dingten Geldstrafe von 10 Tagessätzen zu je Fr. 140.-, aufgeschoben bei einer Pro­bezeit von zwei Jahren, sowie mit einer Busse von Fr. 500.-, welche bei Nichtbezahlung in eine unbedingt vollziehbare Ersatzfreiheitsstrafe von vier Tagen umgewandelt würde (Dispositiv Ziff. 1 und 2). Die Strafgerichtskommission auferlegte dem Angeklagten die reduzierten Verfahrenskosten in der Höhe von Fr. 2'000.- (Disposi­tiv Ziff. 3 und 4) und sprach ihm zu Lasten des Staates eine reduzierte Parteient­schädigung von Fr. 2'500.zu (Dispositiv Ziff. 5).

 

4.— a) Am 6. September 2010 erhob der Angeklagte Appellation beim Obergericht, worauf die Staatsanwaltschaft am 20. September 2010 Anschlussappellation erklärte.

 

b) Mit Beschluss vom 5. November 2010 erklärte das Obergericht die Appella­tion des Angeklagten für zulässig. Die Anschlussappellation der Staatsanwaltschaft liess das Obergericht gestützt auf Art. 149 Abs. 1 StPO GL nur teilweise zu. Diese Bestimmung wurde in konstanter Praxis stets dahingehend ausgelegt, dass die Anschlussappellation in ihrem Umfang an die Appellation gebunden ist (siehe dazu Amtsbericht 2003, S. 357 f.). Demzufolge ist eine Anschluss­appellation nur in Bezug auf diejenigen Punkte eines vorinstanzlichen Urteils möglich, gegen welche bereits Appellation erhoben worden ist. Nachdem der Angeklagte den erstinstanzlichen Schuldspruch nur hinsichtlich der darin erkannten groben Verkehrsregelverletzung im Sinne von Art. 90 Ziff. 2 SVG angefochten hatte (Dispositiv Ziff. 1 Alinea 2), liess er die zusätzlich ergangene Verurteilung wegen einfacher Verkehrsregel­verletzung im Sinne von Art. 90 Ziff. 1 SVG unangefochten (Dispositiv Ziff. 1 Ali­nea 1). Folglich kann dieser Urteilspunkt von der Staatsanwaltschaft mit Anschlussappellation nicht mehr aufgegriffen werden.

 

5.— Am 18. März 2011 fand die mündliche Appellationsverhandlung statt. Mit Entscheid vom 26. August 2011 wies das Obergericht die Appellation ab und bestätigte das angefochtene Urteil der Strafgerichtskommission.

 

6.— a) Gegen den Entscheid des Obergerichts erhob der Angeklagte beim Bundesgericht Beschwerde in Strafsachen. Das Bundesgericht hiess am 2. Mai 2012 die Beschwerde gut, soweit es darauf eintrat, hob den Entscheid des Obergerichts auf und wies die Sache zur neuen Entscheidung zurück (Dispositiv Ziff. 1).

 

b) In der Folge verzichteten die Parteien auf eine erneute mündliche Verhand­lung und reichten schriftliche Stellungnahmen ein. Das Obergericht fällte am 24. August 2012 seinen Entscheid. Die Gerichts­schreiberin O.__ amtete als Ersatzrichterin für den zwischenzeitlich zurückgetretenen Oberrichter P.__ (Art. 27 GOG GL).

 

7.— Das Rechtsmittelverfahren richtet sich nach der früheren kantonalen Prozessordnung, nachdem der angefochtene Entscheid noch vor Inkrafttreten der eidgenössischen Strafprozessordnung ergangen ist (Art. 454 Abs. 1 StPO CH).

 

 

II.

 

1.— Der Angeklagte hat sich des Nichtanpassens der Geschwindigkeit an die Strassenverhältnisse im Sinne von Art. 90 Ziff. 1 SVG in Verbindung mit Art. 32 Abs. 1 SVG schuldig gemacht. Der entsprechende Schuldspruch des Kantonsge­richts Glarus vom 30. April 2010 (Dispositiv Ziff. 1 Alinea 1) ist unange­fochten in Rechtskraft erwachsen.

 

2.— Das Bundesgericht hat das Urteil des Obergerichts vom 26. August 2011 aufgehoben und die Sache zur neuen Entscheidung zurückgewiesen (Dispositiv Ziff. 1). Indem das Obergericht dem Angeklagten vorwerfe, er sei nicht bloss zu schnell gefahren, sondern es hätten noch andere Faktoren zum Unfall geführt, habe es willkürlich geurteilt. Das Bundesgericht weist darauf hin, dass die Vorschrift von Art. 32 Abs. 1 SVG, laut welcher die Fahrgeschwindigkeit jeweils den konkreten Verhältnissen anzupassen ist, als lex specialis gelte gegenüber der Verpflichtung gemäss Art. 31 Abs. 1 SVG, wonach der Lenker sein Fahrzeug ständig so zu beherrschen hat, dass er seinen Vorsichtspflichten nachkommen kann. Ist demnach die Nichtbeherrschung des Fahrzeugs einzig auf eine übersetzte Geschwindigkeit zurückzuführen, so ist nur Art. 32 Abs. 1 SVG anzuwenden.

 

3.— a) Vorliegend ergeben sich aus den Akten keine Hinweise, dass andere Umstände als die unangepasste Geschwindigkeit zum Verkehrsunfall beigetragen haben. Namentlich wird dem Beschuldigten in der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft vom 22. Dezember 2009 nicht vorgeworfen, er habe seinen Wagen in der Kurve zu stark abgebremst und sich insofern fehlerhaft und damit unangemessen verhalten. Zufolge der Bindung des Strafgerichts an den Anklagesachverhalt (Anklagegrundsatz; siehe dazu Hauser/Schweri/Hartmann, Schweizerisches Strafprozessrecht, 6. Auflage, Basel 2005, § 50 Rz. 2) können entsprechende Überlegungen nun im Nachhinein entgegen den Ausführungen der Staatsanwaltschaft in ihrer Eingabe vom 16. Mai 2012 nicht mehr aufgebracht werden. Kommt hinzu, dass anhand der dokumentierten Spuren­erhebungen an der Unfallstelle sich ohnehin nicht mehr klären lässt, ob der Angeklagte zu abrupt gebremst hat.

 

b) Kann dem Angeklagten aber neben der unangepassten Geschwindigkeit ein zusätzliches Fehlverhalten nicht rechtsgenüglich nachgewiesen werden, so besteht in der vorliegenden Konstellation für eine Verurteilung wegen Nichtbeherrschens des Fahrzeuges gemäss Art. 31 Abs. 1 SVG keine Grundlage. Es ist daher der Schuldspruch der Vorinstanz wegen grober Verletzung der Verkehrsregeln im Sinne von Art. 90 Ziff. 2 SVG in Verbindung mit Art. 31 Abs. 1 SVG (Dispositiv Ziff. 1 Alinea 2) aufzuheben und der Angeklagte in Gutheissung seiner Appellation vom diesbezüglichen Vorhalt freizusprechen.

 

 

III.

 

1.— Aus dem Gesagten folgt, dass sich B.__ einzig des Nichtan­passens der Geschwindigkeit an die Strassenverhältnisse im Sinne von Art. 90 Ziff. 1 SVG in Verbindung mit Art. 32 Abs. 1 SVG strafbar gemacht hat. Das Urteil des Kantonsgerichts Glarus vom 30. April 2010 ist insoweit in Rechtskraft erwachsen (vgl. Erw. II. Ziff. 1. vorstehend).

 

2.— Der abstrakt mögliche Strafrahmen bei einer einfachen Verletzung der Verkehrs­regeln im Sinne von Art. 90 Ziff. 1 SVG ist Busse bis Fr. 10'000.- (Art. 103 StGB i.V.m. Art. 106 Abs. 1 StGB i.V.m. Art. 333 Abs. 1 StGB).

 

3.— a) Innerhalb dieses Strafrahmens bemisst das Gericht Busse und Ersatzfreiheitsstrafe nach den Verhältnissen des Täters so, dass dieser die Strafe erleidet, die seinem Verschulden angemessen ist (Art. 106 Abs. 3 StGB).

 

b) Für die Festsetzung der Busse sind primär das Verschulden und sekundär die finanziellen Verhältnisse massgebend. Im Unterschied zu Geldstrafen fordert das Gesetz bei Bussen nicht, dass das Gericht ausweist, wie stark das Verschulden und die persönlichen Verhältnisse bei der Bemessung gewichtet werden (BSK Strafrecht I-Heimgartner, Art. 106 N 20). 

 

c) In Würdigung sämtlicher Umstände erscheint eine Busse von Fr. 500.als dem Verschulden und den persönlichen Verhältnissen von B.__ als angemessen. Die Ersatzfreiheitsstrafe bei schuldhaftem Nichtbezahlen der Busse ist auf vier Tage festzulegen; es kann hierzu auf die zutreffenden Ausführ­ungen der Vorinstanz verwiesen werden.

 

 

IV.

 

1.— Als Ergebnis des vorliegenden Verfahrens ist damit festzuhalten, dass die Appellation gutzuheissen und B.__ vom Vorwurf der schweren Verkehrsregelverletzung im Sinne von Art. 90 Ziff. 2 SVG i.V.m. Art. 31 Abs. 1 SVG freizu­sprechen ist. Demgegenüber ist die Anschlussappellation der Staatsan­waltschaft, welche alleine auf den nicht bestätigten Vorwurf des Nichtbeherrschens des Fahrzeugs gründet, vollumfänglich abzuweisen.

 

2.— B.__ wird freigesprochen, was den angefochtenen Teil des Urteils vom 30. April 2010 des Kantonsgerichts Glarus betrifft (vgl. Erw. II. Ziff. 3. vorstehend). Die Kosten des obergerichtlichen Verfahrens sind daher auf die Staatskasse zu nehmen (Art. 141 StPO GL e contrario). Für das erstinstanzliche Verfahren ist B.__ nach wie vor ein Teil der Gerichtskosten aufzu­erlegen, da er sich immerhin des Nichtanpassens der Geschwindigkeit an die Strassenverhältnisse im Sinne von Art. 90 Ziff. 1 SVG in Verbindung mit Art. 32 Abs. 1 SVG strafbar gemacht hat (Art. 139 Abs. 1 Ziff. 1 StPO GL). Die Kostenauflage ist jedoch gegenüber dem angefochtenen Entscheid anzupassen.

 

3.— Infolge Gutheissung der Appellation ist B.__ für das oberge­richt­liche Verfahren eine Parteientschädigung im beantragten Umfang zuzusprechen, da er von dem im Rechtsmittelverfahren einzig noch umstrittenen Vorhalt freigesprochen worden ist (Art. 142 StPO GL). Für die Untersuchung und das Verfahren vor der Vorinstanz hat diese dem Angeklagten eine Parteientschädigung von Fr. 2'500.zuerkannt (Dispositiv Ziff. 5). Beim vorliegenden Ausgang ist diese Entschädigung zu erhöhen; sie kann jedoch nicht dem gesamten Umfang der anwaltlichen Bemühungen entsprechen, da das Strafverfahren nicht mit einem umfassenden Freispruch ausgegangen ist (siehe dazu Art. 142 StPO GL).

 

 

__

 

 

Das Gericht erkennt:

 

 

 



 
Quelle: https://findinfo.gl.ch

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

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