ZK 2011 501 - Anforderung an den Nachweis der Legalzession des Kinderalimente bevorschussenden Gemeinwesens (Art. 289 Abs. 2 ZGB) im Rechtsöffnungsverfahren
ZK 11 501, publiziert Dezember 2011
Urteil der 2. Zivilkammer des Obergerichts des Kantons Bern
vom 7. Oktober 2011
Besetzung
Oberrichter Bähler (Referent), Oberrichter Messer und Oberrichterin Pfister Hadorn
Gerichtsschreiber Erismann
Verfahrensbeteiligte
Unterhaltsschuldner A.,
Schuldner/Gesuchsgegner/Beschwerdeführer
gegen
Einwohnergemeinde X.,
Gläubigerin/Gesuchstellerin/Beschwerdegegnerin
Gegenstand
definitive Rechtsöffnung
Beschwerde gegen den Entscheid des Regionalgerichts Bern-Mittelland, Gerichtspräsidentin Rickli, vom 16. August 2011
Regeste:
1) Art. 80 SchKG, Art. 82 SchKG. Anforderung an den Nachweis der Legalzession des Kinderalimente bevorschussenden Gemeinwesens (Art. 289 Abs. 2 ZGB) im Rechtsöffnungsverfahren.
2) Das Gemeinwesen, welches sich in der Rechtsöffnung auf seine Stellung als Gläubigerin durch Subrogation gemäss Art. 289 Abs. 2 ZGB beruft, hat die Legalzession und damit seine Aktivlegitimation durch Urkunde zu belegen. Eine blosse Forderungsaufstellung reicht hierfür nicht.
Auszug aus den Erwägungen:
I.
(...)
II.
(...)
III.
(...)
IV. Rechtliches
1. Die Rechtsöffnung kann derjenige Gläubiger verlangen, welcher entweder einen definitiven Rechtsöffnungstitel i.S.v. Art. 80 SchKG, also einen vollstreckbaren gerichtlichen Entscheid bzw. ein Urteilssurrogat, einen provisorischen Rechtsöffnungstitel i.S.v. Art. 82 SchKG, also eine durch öffentliche Urkunde festgestellten durch Unterschrift bekräftigte Schulderkennung, vorlegen kann. Das Vorliegen eines genügenden Rechtsöffnungstitels ist von Amtes wegen zu prüfen (Peter Stücheli, Die Rechtsöffnung, Zürich 2000, 164).
2. (...)
3. (...)
4. Die von der Gläubigerin ins Recht gelegten, rechtskräftigen Urteile des Bezirksgerichts P. und des Kantonsgerichts Q. stellen (für den aus dem Urteil Berechtigten) zweifelsohne definitive Rechtsöffnungstitel i.S.v. Art. 80 Abs. 1 SchKG für die darin festgelegten Kinderunterhaltsbeiträge dar (...).
5. Zur Erteilung der Rechtsöffnung bedarf es indessen nicht nur der Identität von Betriebenem und im Urteil Verpflichtetem sowie Identität von betriebener und ausgewiesener Forderung, sondern auch Identität von Betreibendem und im Urteil Berechtigtem (zu diesen sog. „drei Identitäten“ vgl. BSK SchKG I-Staehelin, N 29 ff. zu Art. 80 SchKG).
6. Vorliegend ist aus dem Unterhaltsurteil nicht die Gemeinde X., sondern der Sohn des Schuldners, C., vertreten durch seine Mutter als dessen gesetzliche Vertreterin, berechtigt.
7. Die Gläubigerin beruft sich jedoch implizit auf die Bevorschussung der betriebenen Unterhaltsbeiträge und damit auf ihre Stellung als im Sinne von Art. 289 Abs. 2 ZGB in die bevorschusste Forderung subrogierendes Gemeinwesen.
8. Als Singularsukzessorin ex lege hat das subrogierende Gemeinwesen die Rechtsnachfolge und damit seine Gläubigerstellung durch Urkunde zu belegen (Dominik Vock, in: Daniel Hunkeler [Hrsg.], Kurkommentar SchKG, Basel 2009, N 17 zu Art. 80 SchKG; BSK SchKG I-Staehelin, N 35 zu Art. 80 SchKG; Stücheli, a.a.O., 173 und 174 f. vor Fn. 46; AGVE 2003 S. 44 ff., 46). Der Rechtsöffnungsrichter hat die Rechtsnachfolge als Bestandteil des Titels umfassend zu überprüfen und darf die Rechtsöffnung verweigern, wenn die Rechtsnachfolge nicht liquide erscheint (BSK SchKG I-Staehelin, N 35 zu Art. 80 SchKG). Stücheli, a.a.O., 175 Fn. 46, hält fest, die Praxis lasse als Urkundenbeweis für die Subrogation des Gemeinwesens in der Regel eine Abrechnung genügen, obwohl an sich die Zahlungsbelege vorzulegen wären.
9. Die Gläubigerin legt jedoch nicht einmal eine Sozialhilfeabrechnung vor. Sie stützt sich zur Substantiierung ihrer Forderung bzw. zur Begründung ihrer Aktivlegitimation einzig auf die Forderungsaufstellung vom 14. Juni 2006 und führt dort aus, Grundlage der Forderung sei die zwischen dem 15. November 2006 und dem 20. Mai 2010 geleistete Sozialhilfeunterstüzung für C. und seine Mutter. Auch wenn (zumindest bei fehlender Bestreitung der effektiven Leistung der Bevorschussungszahlungen) wohl nicht die Vorlage jedes einzelnen Zahlungsbeleges gefordert werden kann, bedarf es zur Erteilung der Rechtsöffnung doch zumindest eines Dokumentes, aus welchem hervorgeht, dass und in welchem Umfang Sozialhilfe geleistet wurde, welche die Deckung des Kinderunterhalts bezweckte. Eine solche Urkunde legt die Gläubigerin in casu nicht vor.
10. (...)
11. Das Rechtsöffnungsgesuch ist bereits mangels genügenden Nachweises der Legalzession der Unterhaltsforderung abzuweisen.
(...)
V.
(...)
Hinweise:
Der Entscheid ist rechtskräftig.
Es wird auf den ebenfalls publizierten Entscheid APH 09 538 (publ. April 2010) in französischer Sprache verwiesen.