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Urteil Obergericht (BE)

Zusammenfassung des Urteils ZK 2009 527: Obergericht

Die Klägerin, vertreten durch ihren Anwalt, reichte eine Standesfeststellungsklage ein, um ihre Identität feststellen zu lassen. Nachdem sie verschiedene Namen und Geburtsdaten angegeben hatte, wies das Gericht die Klage ab. Die Klägerin legte Berufung ein und präsentierte weitere Dokumente, die jedoch nicht ausreichten, um ihre Identität zu bestätigen. Das Gericht entschied, dass die Klägerin nicht glaubwürdig sei und wies die Klage ab. Der Richter in diesem Fall war Pfister Hadorn, die Gerichtskosten betrugen CHF 5'000.

Urteilsdetails des Kantongerichts ZK 2009 527

Kanton:BE
Fallnummer:ZK 2009 527
Instanz:Obergericht
Abteilung:-
Obergericht Entscheid ZK 2009 527 vom 25.11.2010 (BE)
Datum:25.11.2010
Rechtskraft:Der Entscheid ist noch nicht rechtskräftig.
Leitsatz/Stichwort:Standesfeststellungsklage nach ungeschriebenem Bundesprivatrecht
Schlagwörter : Appellantin; Identität; Person; Feststellung; Bereinigung; Zivilstand; Personen; Recht; Berichtigung; Eintrag; Migration; Standesfeststellungsklage; Urteil; Bundesprivatrecht; Klage; Vorinstanz; Bereinigungsverfahren; Feststellungsinteresse; Personenstand; Dokumente; Verfahren; Kammer; Migrationsinformationssystem; Ehevorbereitungsverfahren; Schweiz; Identitätskarte; ZEMIS
Rechtsnorm:Art. 22 ZPO ;Art. 33 IPRG ;Art. 41 ZGB ;Art. 42 ZGB ;Art. 45 ZGB ;Art. 97 ZGB ;
Referenz BGE:114 II 253; 135 III 389;
Kommentar:
Schweizer, Hand, Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO], Art. 22 ZPO, 2010
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017

Entscheid des Kantongerichts ZK 2009 527

ZK 2009 527 - Standesfeststellungsklage nach ungeschriebenem Bundesprivatrecht
APH-09 527, publiziert Dezember 2010

Urteil der 1. Zivilkammer des Obergerichts des Kantons Bern,
unter Mitwirkung von Oberrichterin Pfister Hadorn (Referentin), Oberrichter Kunz und Oberrichter Studiger sowie Kammerschreiber Bohren

vom 4. November 2010 in der Sache

A. B.
vertreten durch Fürsprecher Z



Klägerin/Appellantin



Regeste:
1) Standesfeststellungsklage nach ungeschriebenem Bundesprivatrecht
2) Zur Berichtigung eines Eintrages im Zentralen Migrationsinformationssystem ist das Bundesamt für Migration zuständig. Aufgrund seiner bloss registerrechtlichen Natur steht das Bereinigungsverfahren nach Art. 42 ZGB zur Identitätsfeststellung nicht offen. Trotz des gegenüber aArt. 45 ZGB geänderten Wortlauts setzt das Bereinigungsverfahren auch nach geltendem Recht einen bestehenden Registereintrag voraus. Das Feststellungsinteresse zur Standesfeststellungsklage liegt im Hinblick auf das Ehevorbereitungsverfahren u.a. vor, wenn eine Erklärung vor dem Zivilstandsbeamten gemäss Art. 41 ZGB wegen streitigen Angaben nicht möglich ist.


Redaktionelle Vorbemerkungen:
Die Appellantin reiste im Jahr 2000 aus dem Irak in die Schweiz ein. Sie nannte sich C. D., geboren im August 1963. Anlässlich der Befragungen im Asylverfahren erklärte sie unter Vorlage einer irakischen Identitätskarte aus dem Jahr 1994, sie sei A. B., geboren im Juni 1963. 2008 wandte sich die Appellantin an das Amt für Migration und Personenstand. Sie ersuchte um «Namensänderung» und legte erstmals den 2005 in Genf ausgestellten Pass, die 2005 im Irak ausgestellte Identitätskarte sowie die 2000 im Irak ausgestellte Nationalitätsurkunde vor. Alle Papiere lauten auf E. F., geboren November 1973. Nach entsprechender Belehrung durch das Amt für Migration und Personenstand machte die Appellantin den vorliegenden Prozess beim Gerichtspräsidenten des Gerichtskreises VIII Bern-Laupen anhängig. Der Gerichtspräsident wies die Klage ab.

Oberinstanzlich legte die Appellantin u.a. eine irakische Identitätskarte und einen Zivilregisterauszug ins Recht. Die Dokumente wurden 2009 ausgestellt und lauten auf E. F., geboren Oktober 1973. Der Antrag lautete weiterhin auf Feststellung der Personalien E. F., geboren November 1973. Die 1. Zivilkammer wies die Klage zurück, soweit die Appellantin um Berichtigung des Eintrages im Zentralen Migrationsinformationssystem ersuchte. Im Übrigen wies sie die Klage mangels Nachweis der beantragten Identitätsdaten ab.

Auszug aus den Erwägungen: I.
[...]


II.

[...]


III.

[...]


IV.

1. Im vorliegenden Verfahren gelangt nach Art. 33 Abs. 1 IPRG schweizerisches Recht zur Anwendung.

2. Das ursprüngliche Rechtsbegehren lautete u.a. sinngemäss auf Berichtigung des Eintrages im Zentralen Migrationsinformationssystem (ZEMIS) (pag. 3). Gemäss Art. 6 des Bundesgesetzes vom 20. Juni 2003 über das Informationssystem für den Ausländerund den Asylbereich (BGIAA; SR 142.51) i.V.m. Art. 5 Abs. 2 des Bundesgesetzes vom
19. Juni 1992 über den Datenschutz (DSG; SR 235.1) sind Begehren um Berichtigung der Personendaten im ZEMIS an das Bundesamt für Migration zu richten (vgl. auch Art. 19 der Verordnung vom 12. April 2006 über das Zentrale Migrationsinformationssystem [ZEMIS-Verordnung; SR 142.513]). Daraus folgt, dass die Zivilgerichte diesbezüglich nicht zuständig sind. Das Gesuch resp. die Klage hätte von der Vorinstanz insoweit zurückgewiesen werden müssen.

3. Die Vorinstanz nahm das Gesuch der Appellantin vorerst als Berichtigungsklage nach Art. 42 ZGB und schliesslich als Standesfeststellungsklage gestützt auf ungeschriebenes Bundesprivatrecht entgegen (Urteilsbegründung S. 2 = pag. 67; Verfügung des Gerichtspräsidenten vom 13. Mai 2009 pag. 11). Die Appellantin änderte ihr ursprüngliches Rechtsbegehren anlässlich des ersten Parteivortrags vor der Vorinstanz dahingehend, dass sie die Feststellung eines anderen Namens, Vornamens und Geburtsdatums verlangte (pag. 49; vgl. auch Rechtsbegehren 1 des schriftlichen Parteivortrags pag. 147). Soweit ersichtlich will die Appellantin ihren Zivilstand aufgrund der beabsichtigten zivilrechtlichen Trauung gerichtlich feststellen lassen (pag. 5 und 55). An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass die Zulässigkeit der Heirat der Appellantin nach islamischem Recht vom 1. Oktober 2001 (N. 4 des schriftlichen Parteivortrages pag. 147) mit Blick auf das in Art. 97 Abs. 3 ZGB verankerte Primat der Ziviltrauung fraglich ist (vgl. zum Ganzen HEUSSLER, in: Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch I, Art. 1-456 ZGB, 3. Aufl., Basel 2006,
N. 3 zu Art. 97 ZGB). Darauf ist vorliegend nicht weiter einzugehen.

Soweit die Klage nicht auf Änderung des ZEMIS abzielt, kann die Zuständigkeit der Zivilgerichte bejaht werden.

4. Die Abklärungen des vorinstanzlichen Richters ergaben, dass die Appellantin nicht mit einem eigenen Eintrag in den schweizerischen Zivilstandsregistern verzeichnet ist. Sie erscheint bloss in den Abstammungsangaben der Geburtsregistereinträge ihrer Kinder (pag. 33). Die Vorinstanz hat grundsätzlich zutreffend erkannt, dass das Bereinigungsverfahren gemäss Art. 42 ZGB mangels eigenen Eintrags nicht offen stehe (Urteilsbegründung S. 2 = pag. 67).

Präzisierend ist diesbezüglich auszuführen, dass die vom ungeschriebenen Bundesprivatrecht gewährleistete allgemeine Feststellungsklage im vorliegenden Fall in Form einer Standesfeststellungsklage ein Feststellungsinteresse voraussetzt. Dieses beinhaltet (1) die Ungewissheit, die Unsicherheit die Gefährdung der Rechtstellung der klagenden Person, (2) die Unzumutbarkeit der Fortdauer solcher Rechtsungewissheit und
(3) die Unmöglichkeit der Behebung der Ungewissheit auf andere Weise als durch eine Feststellungsklage (BGE 114 II 253 E. 2a S. 255 f.). Die erste und zweite Voraussetzung sind vorliegend unbestrittenermassen erfüllt.

Die Voraussetzung der Subsidiarität wäre nicht erfüllt, falls im Hinblick auf die Vorbereitung der Eheschliessung das Vorgehen nach Art. 41 ZGB offen stünde (WAESPI, Identität
zwischen Urteil und Erklärung, ZZW 2002 173 ff. [zit. Identität], S. 174). Eine Erklärung vor der Zivilstandsbeamtin dem Zivilstandsbeamten i.S.v. Art. 41 ZGB darf nur von einer Person entgegengenommen werden, deren Identität unbestritten ist. Wer seine I- dentität verschleiert und unglaubwürdig ist, darf keine Erklärung abgeben (Weisungen des Eidgenössischen Amts für das Zivilstandswesen vom 1. Oktober 2008 über die Aufnahme ausländischer Personen in das Personenstandsregister, S. 22). Mit Blick auf die bisherigen Geschehnisse kann die Identität der Appellantin nicht als unbestritten qualifiziert werden. Eine Erklärung nach Art. 41 ZGB ist demzufolge ausgeschlossen und das Feststellungsinteresse insoweit gegeben.

Bevor das Feststellungsinteresse definitiv bejaht werden kann, muss auch die Möglichkeit des summarischen Bereinigungsverfahrens (ohne Beweisbeschränkung) nach Art. 42 ZGB ausgeschlossen werden. Mit WAESPI geht die Kammer davon aus, dass die Bereinigungsklage zur Feststellung der Identität das falsche Mittel ist, weil die Bereinigungsklage kein Feststellungsbegehren enthalten kann (WAESPI, Identität, S. 175 mit Hinweis auf EGGER, Zürcher Kommentar, I. Band, Einleitung und Personenrecht, Zürich 1930, N. 13 zu aArt. 45 ZGB; vgl. auch SCHUHMACHER, in: Kommentar zum schweizerischen Zivilprozessrecht, Bundesgesetz über den Gerichtsstand in Zivilsachen [GestG], Basel 2001, N. 6 zu Art. 14 GestG; mit anderer Begründung, jedoch gleichem Ergebnis WAESPI, Erklärung nichtstreitiger Angaben und Feststellungsklage bei unklarer Identität im Ehevorbereitungsverfahren, ZZW 2001 6 ff., S 7). Ein im Verfahren nach Art. 42 ZGB ergangenes Urteil kann bloss registerrechtliche, mithin keine materielle, Wirkung entfalten (Urteil des Bundesgerichts 5A_519/2008 vom 12. Oktober 2009 E. 3.1; BGE 135 III 389 E. 3.4.1 S. 395). Mit anderen Worten beschränkt sich das Urteil im Bereinigungsklageverfahren darauf, die Änderung einer Eintragung anzuordnen. Der wirkli-

che Zivilstand der betreffenden Person wird aber nicht in definitiver Weise festgestellt (BUCHER, Natürliche Personen und Persönlichkeitsschutz, 4. Aufl., Basel 2009, S. 69). Aus diesen Gründen kann im Bereinigungsklagverfahren kein für das Ehevorbereitungsverfahren verbindliches Feststellungsurteil erwirkt werden.

Zu beachten ist im Übrigen, dass das Eidgenössische Amt für das Zivilstandswesen ausländische Personen ohne Registereintrag, deren Angaben streitig sind, zur Vorbereitung der Eheschliessung ins Verfahren nach Art. 42 ZGB verweist (Weisungen des Eidgenössischen Amts für das Zivilstandswesen vom 1. Oktober 2008 über die Aufnahme auslän- discher Personen in das Personenstandsregister, S. 22 Fussnote 43). Demzufolge würde Art. 42 ZGB anwendbar, obwohl keine Bereinigung schweizerischer Zivilstandsregister vorzunehmen wäre (so aber Botschaft vom 15. November 1995 über die Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches, BBl 1996 I 52 f., wonach diesfalls die vom ungeschriebenen Bundesprivatrecht gewährleistete allgemeine Feststellungsklage zur Verfügung stehe). Unter Bereinigung i.S.v. Art. 42 ZGB werden sämtliche für die Herbeiführung der Richtigkeit und Vollständigkeit notwendigen Änderungen von Registereinträgen subsumiert (RUBIN, in: Stämpflis Handkommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO], Bern 2010, N. 6 zu Art. 22 ZPO-CH). Anders als der Wortlaut von Art. 42 ZGB ([...] auf Eintragung von streitigen Angaben über den Personenstand, auf Berichtigung auf Löschung einer Eintragung klagen. [...]) vermuten lässt, umfasst der Oberbegriff der Bereinigung die Berichtigung, die Änderung, die Ergänzung, die Löschung und den Nachtrag (WEBER, in: Basler Kommentar, Schweizerischer Zivilprozessordnung, Basel 2010, N. 6 zu Art. 22 ZPO-CH; RUBIN, a.a.O., N. 6 zu Art. 22 ZPO-CH). Folglich setzt das Bereinigungsverfahren trotz des gegenüber aArt. 45 ZGB geänderten Wortlauts, bei dem von Berichtigung einer Eintragung die Rede war, auch nach geltendem Recht einen bestehenden Registereintrag voraus (zu aArt. 45 ZGB: EGGER, a.a.O., N. 6 zu aArt. 45 ZGB). Die Verweisung ins Verfahren nach Art. 42 ZGB vermag auch aus den im vorstehenden Abschnitt genannten Gründen nicht zu überzeugen. Ungeachtet der soweit ersichtlich gegenteiligen Auffassung des Eidgenössischen Amts für das Zivilstandswesen ist für die Appellantin vorliegend nur die Standesfeststellungsklage zielführend.

Es sei angemerkt, dass die Berichtigung der Abstammungsangaben der Geburtsregistereinträge der Kinder im Verfahren nach Art. 42 ZGB an sich möglich wäre. Wegen der fehlenden materiellen Wirkung wäre dieses Vorgehen für das beabsichtigte Ehevorbereitungsverfahren der Appellantin jedoch nicht dienlich.

Aus dem Gesagten ergibt sich, dass das Feststellungsinteresse zu bejahen ist und die Klage von der Vorinstanz richtigerweise als Standesfeststellungsklage nach ungeschriebenem Bundesprivatrecht behandelt wurde.

5. - 17. [...]

18. Zusammenfassend gelangt die Kammer zu folgendem Ergebnis: Die Beweiswürdigung der Vorinstanz ist nicht zu beanstanden und die Kammer kann sich den Ausführungen des erstinstanzlichen Richters anschliessen. Die oberinstanzlich eingereichten Dokumente und deren Entstehungsgeschichte helfen nicht, die bisherigen Widersprüche zu ent-

kräften. Die Appellantin bestätigte insbesondere, dass der Ehemann allein in den Irak ging, um die Dokumente zu besorgen. Die Papiere wurden demnach unbestrittenermassen in absentia ausgestellt. Anhand der nicht zum Beweis geeigneten und sich hinsichtlich des Geburtsmonats widersprechenden Dokumente kann der Identitätsnachweis nicht gelingen. Da die Appellantin es unterliess, beweistaugliche Papiere, wie beispielsweise einen anerkannten Pass der Serie G, zu besorgen, verletzte sie letztlich ihre Mitwirkungspflicht. Zur Glaubwürdigkeit der Appellantin ist festzuhalten, dass sie die Behörden während rund zehn Jahren wiederholt über ihre Identität täuschte. Die Echtheit der erstinstanzlich eingereichten Identitätskarte und des Staatsangehörigkeitsausweises sind äusserst fragwürdig, sodass sich deren Verwendung negativ auf die Glaubwürdigkeit der Appellantin auswirkt. Nachteilig fällt daneben ins Gewicht, dass die Appellantin behauptet, im November geboren worden zu sein, gleichzeitig aber Dokumente einreicht, welche als Geburtsmonat Oktober aufführen. In Würdigung dieser Umstände qualifiziert die Kammer die Angaben der Appellantin als unglaubhaft. Infolgedessen konnte die Appellantin die Richtigkeit der geltend gemachten Identitätsdaten nicht nachweisen.

19. [...]


V.

[...]


VI.

[...]


Hinweis:
Der Entscheid ist noch nicht rechtskräftig.
Quelle: https://www.zsg-entscheide.apps.be.ch/tribunapublikation/

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