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Urteil Obergericht (BE)

Kopfdaten
Kanton:BE
Fallnummer:SK 2022 488
Instanz:Obergericht
Abteilung:-
Obergericht Entscheid SK 2022 488 vom 20.12.2022 (BE)
Datum:20.12.2022
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Beschwerde gegen den Entscheid der Sicherheitsdirektion des Kantons Bern vom 14. Juli 2022 (2022.SIDGS.340)
Schlagwörter :
Rechtsnorm: Art. 12 BV ; Art. 31 BV ; Art. 372 StGB ; Art. 42 BGG ; Art. 7 BV ; Art. 8 BV ; Art. 80 StGB ; Art. 92 StGB ;
Referenz BGE:-
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:
Entscheid
SK 2022 488 - Beschwerde gegen den Entscheid der Sicherheitsdirektion des Kantons Bern vom 14. Juli 2022 (2022.SIDGS.340)
Obergericht
des Kantons Bern

2. Strafkammer
Cour suprême
du canton de Berne

2e Chambre pénale

Hochschulstrasse 17
Postfach
3001 Bern
Telefon +41 31 635 48 08
Fax +41 31 634 50 54
obergericht-straf.bern@justice.be.ch
www.justice.be.ch/obergericht
Beschluss
SK 22 488
Bern, 29. November 2022



Besetzung Oberrichterin Bratschi (Präsidentin), Oberrichter Horisberger, Oberrichterin Friederich Hörr
Gerichtsschreiber i.V. Ukoh



Verfahrensbeteiligte A.________
v.d. Rechtsanwalt B.________
Verurteilter/Beschwerdeführer
gegen
Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern, Nordring 8, Postfach, 3001 Bern
und
Sicherheitsdirektion des Kantons Bern SID, Kramgasse 20, 3011 Bern



Gegenstand Beschwerde gegen den Entscheid der Sicherheitsdirektion des Kantons Bern vom 14. Juli 2022 (2022.SIDGS.340)


Erwägungen:
I. Prozessgeschichte
1. Mit Urteil der 1. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Bern vom 19. Dezember 2017 wurde A.________ (nachfolgend: Beschwerdeführer) des Mordes, mehrfach begangen gemeinsam mit C.________ am ________ in D.________ z.N. von E.________ und F.________, für schuldig erklärt und zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe verurteilt. Nachdem das Bundesgericht dieses Urteil am 12. Dezember 2018 aufgehoben und zur Neubeurteilung zurückgewiesen hatte, erklärte das Obergericht den Beschwerdeführer mit Urteil vom 29. Mai 2020 des mehrfachen Mordes für schuldig und verurteilte ihn zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe sowie zu einer Verwahrung, wobei der Vollzug der Freiheitsstrafe der Verwahrung vorausgeht (Akten Bewährungs- und Vollzugsdienste des Kantons Bern [nachfolgend: BVD], pag. 143 ff.).
2. Am 15. Februar 2022 ersuchte der Beschwerdeführer bei den BVD um Strafunterbruch zufolge Straferstehungsunfähigkeit, eventualiter um Anordnung einer abweichenden Vollzugsform zufolge Hafterstehungsunfähigkeit (Akten BVD, pag. 998 ff.).
3. Mit Verfügung vom 27. April 2022 wiesen die BVD das Gesuch um Vollzugsunterbrechung des Beschwerdeführers ab und ordneten an, der Vollzug der lebenslänglichen Freiheitsstrafe sei im bisherigen Rahmen fortzusetzen (Akten BVD, pag. 1053 ff.).
4. Dagegen erhob der Beschwerdeführer am 30. Mai 2022 bei der Sicherheitsdirektion des Kantons Bern (nachfolgend: SID) Beschwerde (Akten SID, pag. 6 ff.). Er beantragte die Aufhebung der angefochtenen Verfügung, die Feststellung, dass er straferstehungsunfähig sei sowie die Gewährung eines Vollzugsunterbruchs. Mit Entscheid vom 14. Juli 2022 wies die SID die Beschwerde ab bzw. trat in Bezug auf das Feststellungsbegehren nicht darauf ein (pag. 20 ff.).
5. Mit Eingabe vom 12. August 2022 erhob der Beschwerdeführer beim Obergericht des Kantons Bern Beschwerde gegen den Entscheid der SID und stellte folgende Anträge (pag. 2):
1. Der Entscheid der Sicherheitsdirektion vom 14. Juli 2022 sei aufzuheben und die Straferstehungsfähigkeit durch ein unabhängiges Gutachten zu überprüfen.
2. Dem Beschwerdeführer sei der Vollzugsunterbruch gemäss Art. 92, eventualiter Vollzugerleichterungen nach Art. 80 Abs. 1 Schweizerisches Strafgesetzbuch (StGB; SR 311.0) in einer geeigneten Einrichtung zu gewähren.
3. Eventualiter zu 1 und 2: Es sei die Verfügung aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
4. Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen.
6. Gestützt auf diese Eingabe eröffnete die 2. Strafkammer am 17. August 2022 das Beschwerdeverfahren. Die Verfahrensleitung bot der SID Gelegenheit, innert Frist zur Beschwerde Stellung zu nehmen und forderte sie gleichzeitig auf, die Vollzugsakten einzureichen (pag. 37).
7. Mit Eingabe vom 1. September 2022 reichte die SID eine Vernehmlassung ein und stellte den Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde. Zur Begründung verwies sie neben ergänzenden Bemerkungen vollumfänglich auf die Ausführungen im angefochtenen Entscheid (pag. 43).
8. Mit Verfügung vom 2. September 2022 wurde der Generalstaatsanwaltschaft Gelegenheit geboten, innert Frist eine Stellungnahme zur Beschwerde und zur Vernehmlassung der Vorinstanz einzureichen (pag. 45). Mit Schreiben vom 7. September 2022 beantragte die Generalstaatsanwaltschaft fristgerecht die kostenfällige Abweisung der Beschwerde, verwies auf die Begründung im angefochtenen Entscheid der Vorinstanz sowie auf deren Stellungnahme und verzichtete auf weitere Ausführungen (pag. 51).
9. Mit Eingabe vom 28. September 2022 reichte der Beschwerdeführer seine Replik ein (pag. 58). Die Verfahrensleitung erachtete den Schriftenwechsel mit Verfügung vom 30. September 2022 als abgeschlossen und stellte den Parteien den schriftlichen Entscheid der Kammer in Aussicht (pag. 61).
10. Mit Schreiben vom 5. Oktober 2022 liessen die BVD der Verfahrensleitung die gesamten zwischenzeitlich aufgelaufenen Vollzugsakten in Kopie zugehen (pag. 67). Mit Verfügung vom 7. Oktober 2022 wurden den Parteien Kopien der noch nicht bekannten Unterlagen zugestellt mit der Aufforderung, allfällige Bemerkungen dazu umgehend einzureichen (pag. 101).
11. Mit Eingabe vom 12. Oktober 2022 reichte der Beschwerdeführer weitere Bemerkungen ein (pag. 105).
12. Am 14. November 2022 liessen die BVD der Verfahrensleitung weitere, zwischenzeitlich aufgelaufene Vollzugsakten zugehen (pag. 115 ff.). Die Verfahrensleitung stellte den Parteien mit Verfügung vom 16. November 2022 Kopien davon zu (pag. 133). Die Parteien liessen sich daraufhin nicht mehr vernehmen.
II. Formelles
1. Gemäss Art. 52 Abs. 1 des Gesetzes über den Justizvollzug (JVG; BSG 341.1) i.V.m. Art. 29 Abs. 1 Bst. c des Organisationsreglements des Obergerichts (OrR OG; BSG 162.11) beurteilen die Strafkammern des Obergerichts Beschwerden gegen Verfügungen und Beschwerdeentscheide der SID im Bereich des Justizvollzugs. Die 2. Strafkammer ist somit zur Beurteilung der vorliegenden Beschwerde zuständig. Das Verfahren richtet sich gemäss Art. 53 JVG nach dem Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege (VRPG; BSG 155.21), soweit das JVG keine besonderen Bestimmungen enthält. Namentlich finden die Art. 79 und Art. 80 bis 84a VRPG sinngemäss Anwendung (Art. 86 Abs. 2 VRPG).
2. Die Beschwerde wurde fristgerecht eingereicht (vgl. Art. 52 Abs. 1 JVG). Der Beschwerdeführer hat am vorinstanzlichen Verfahren teilgenommen, ist vom angefochtenen Entscheid direkt betroffen und als unterlegene Partei zur Beschwerdeführung legitimiert (Art. 79 Abs. 1 VRPG).
3. Auf die Beschwerde vom 12. August 2022 ist einzutreten. Die Kognition der Strafkammer richtet sich nach Art. 80 VRPG.
III. Materielles
1. Derzeit befindet sich der Beschwerdeführer seit dem 19. Dezember 2019 in der Justizvollzugsanstalt (nachfolgend: JVA) G.________, um seine lebenslängliche Freiheitsstrafe zu verbüssen. Am 27. September 2021 wurde bei ihm in der Bewachungsstation des H.________(Spital) (nachfolgend: BEWA) ein metastasierendes Adenokarzinom des oberen Gastrointestinaltrakts diagnostiziert. Das mittlere durchschnittliche Überleben ist limitiert. Aktuell muss der Beschwerdeführer im Rahmen einer palliativen Chemotherapie alle zwei Wochen für 2-3 Tage von der JVA G.________ in die BEWA gebracht werden. Der Beschwerdeführer lehnt sowohl die regelmässigen Kurzaufenthalte in der BEWA wie auch eine allfällige längerfristige Verlegung in die BEWA bei Verschlechterung seines Zustands ab und gibt an, die Ziele des Strafvollzugs könnten auch bei der Familie oder in einem geeigneten Sterbe-Hospiz erreicht werden. Seinen Bedenken könne auch mit einer Verlegung auf die Palliativabteilung des H.________ (Spital) Rechnung getragen werden. Um seine Anliegen zu belegen, ersucht er um Erstellung eines Gutachtens.
2. Die Vorinstanz führte aus, die Behandlung und Pflege des Beschwerdeführers sei aktuell in der JVA G.________ und bei einer Verschlechterung seines Zustandes durch eine Verlegung in die BEWA sichergestellt. Für den Zeitpunkt der seitens des medizinischen Personals festgestellten Terminalphase sei die Prüfung einer Verlegung auf die Palliativabteilung des H.________(Spital) vorgesehen. Eine medizinische Begutachtung des Beschwerdeführers sei daher nicht angezeigt und es bestehe keine Straferstehungsunfähigkeit. Darüber hinaus bestehe ein öffentliches Interesse am Vollzug der lebenslänglichen Freiheitsstrafe des Beschwerdeführers. Ein Vollzugsunterbruch sei nicht angezeigt. Folglich wies sie die Beschwerde ab.
3. Gegen den Entscheid der SID bringt der Beschwerdeführer im Wesentlichen folgende Rügen vor: Indem die Vorinstanz auf den Beizug eines Gutachtens verzichtet und lediglich auf die Ausführungen von Dr. med. I.________ abgestellt habe, habe sie die Richtlinie der Konkordatskonferenz des Strafvollzugkonkordats der Nordwest- und Innerschweizer Kantone betreffend die Hafterstehungsfähigkeit vom 25. November 2016 (nachfolgend: Richtlinie betreffend die Hafterstehungsfähigkeit) verletzt. Es werde ihm der Beweis über die fehlende Straf- bzw. Hafterstehungsfähigkeit verwehrt. Nur mittels Gutachten werde es möglich sein, die noch offenen Fragen betreffend Suizidabsicht, die Frage der Sicherheitsgewährleistung sowie der Grad der benötigten Pflege und damit seine Straf- bzw. Hafterstehungsunfähigkeit abschliessend zu belegen/klären. Diese Verweigerung eines entsprechenden Gutachtens verletze den Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 29 Abs. 2 der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft (BV; SR 101). Des Weiteren verletze der anhaltende und wiederkehrende Wechsel zwischen der JVA G.________ und der BEWA zahlreiche verfassungsmässige Rechte des Beschwerdeführers. Dies mache sich insbesondere durch die nicht äquivalent nutzbaren Kontaktmöglichkeiten mit der Familie bemerkbar, da in der BEWA diesbezüglich ein strengeres Haftregime gelte als in der JVA G.________. Es sei menschenunwürdig, den Beschwerdeführer in den genannten Anstalten und abgeschirmt von seiner Familie sterben zu lassen.
4. In ihrer Vernehmlassung vom 1. September 2022 hielt die Vorinstanz folgende ergänzende Bemerkungen fest. Einerseits verkenne der Beschwerdeführer, dass aufgrund der vorhandenen ärztlichen Berichte kein Anlass bestehe, um an seiner Haft- oder gar Straferstehungsfähigkeit zu zweifeln. Andererseits habe nicht in jedem Fall eine medizinische Begutachtung stattzufinden. Es sei vielmehr nach einer Prüfung im konkreten Einzelfall zu entscheiden, ob eine solche zusätzliche Massnahme angebracht sei. Weiter könne auf der BEWA auch einer allfälligen Selbstmordgefahr angemessen begegnet werden. Mit Stellungnahme vom 7. September 2022 schloss sich die Generalstaatsanwaltschaft diesen Ausführungen an und verwies weiter auf die zutreffenden Erwägungen im angefochtenen Entscheid der Vorinstanz. Mit Replik vom 28. September 2022 hielt der Beschwerdeführer fest, dass seinen Bedenken mit einer dauerhaften Verlegung auf die Palliativstation des H.________ (Spital) Rechnung getragen werde können, zumal sich sein Gesundheitszustand weiter verschlechtert habe. Schliesslich führte der Beschwerdeführer mit Eingabe vom 12. Oktober 2022 aus, dass die BEWA zwar eine genügende medizinische Betreuung biete, die Unterbringung auf der BEWA jedoch keine Dauerlösung sein könne, da sie den Anforderungen gemäss Art. 75 ff. StGB nicht gerecht werde.
5. Gemäss Art. 372 Abs. 1 StGB vollziehen die Kantone die von ihren Strafgerichten ausgefällten Urteile. Der Vollzug von Strafen und somit auch der hier fragliche Straf- bzw. Vollzugsunterbruch richten sich nach kantonalem Recht (Art. 372 Abs. 1 StGB). Die Vollzugsbehörde kann den Vollzug einer Freiheitsstrafe aus wichtigen Gründen unterbrechen (Art. 92 StGB). Als wichtiger Grund gelten zum einen ausserordentliche persönliche, familiäre oder berufliche Verhältnisse, zum anderen die vollständige Hafterstehungsunfähigkeit (Art. 17 Abs. 1 i.V.m. Art. 17 Abs. 2 JVG). Beim Entscheid sind die voraussichtliche Vollzugsdauer, die Entweichungs- und Wiederholungsgefahr sowie allfällige Beurteilungen von Sachverständigen zu berücksichtigen (Art. 17 Abs. 3 JVG). Als Hafterstehungsfähigkeit kann die Fähigkeit eines Menschen bezeichnet werden, in einer Einrichtung des Freiheitsentzuges oder einer anderen geeigneten Einrichtung, in der ihm die Freiheit entzogen wird, leben zu können, ohne dass der Freiheitsentzug eine besondere oder ernsthafte Gefahr für die Gesundheit und/oder das Leben der inhaftierten Person darstellt (Ziff. 1 der Richtlinie betreffend die Hafterstehungsfähigkeit). Die Hafterstehungsfähigkeit ist eine Rechtsfrage, keinesfalls ein medizinischer Befund oder eine medizinische Diagnose. Von aufgehobener Hafterstehungsfähigkeit wird nur in schwerwiegendsten Fällen ausgegangen (Graf, Hafterstehungsfähigkeit, in: Brägger (Hrsg.), Das schweizerische Vollzugslexikon, S. 231 f.).
6. Pflege und Heilung eines kranken Strafgefangenen sind grundsätzlich im Rahmen eines (ggf. modifizierten, vgl. Art. 80 StGB) Vollzugs durchzuführen. Art. 80 Abs. 1 Bst. a StGB erlaubt Abweichungen von den gesetzlichen Vollzugsregeln, wenn «der Gesundheitszustand des Gefangenen dies erfordert» und Art. 80 Abs. 2 StGB ermöglicht den Vollzug der Freiheitsstrafe auch in einer «anderen geeigneten Einrichtung», worunter neben Spitälern und medizinischen Rehabilitationseinrichtungen aller Art etwa auch Heime für Behinderte, Invalide oder Betagte zu verstehen sind. Blosse Hafterstehungsunfähigkeit, also die Unfähigkeit, den Freiheitsentzug in einer Vollzugseinrichtung zu erstehen, ist somit kein ausreichender Grund für eine Vollzugsunterbrechung. Straferstehungsunfähigkeit liegt nur dann vor, wenn die verurteilte Person aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage ist, einen Freiheitsentzug in einer Vollzugseinrichtung zu erstehen, auch nicht in einer «abweichenden Vollzugsform» nach Art. 80 StGB. Die von den Ärzten abgegebenen Empfehlungen müssen demnach im Gefängnis undurchführbar, die ärztliche Behandlung in einem Spital oder einer Gefängnisabteilung eines Spitals wirkungslos oder unmöglich sein. Allenfalls kann es auch bereits ausreichend sein, dass ein Gefangener, der an komplexen medizinischen Krankheiten mit möglichen lebensbedrohlichen Komplikationen leidet, innert kürzester Zeit in ein universitäres Spital verlegt und dort behandelt werden kann (Urteil des Bundesgerichts 6B_580/2010 vom 26. Juli 2010 E. 2.5.3; Koller, in: Basler Kommentar Strafrecht I, 4. Aufl. 2019, N 11 zu Art. 92).
7. Gemäss den Ausführungen im Vortrag zum JVG sowie der Richtlinie betreffend die Hafterstehungsfähigkeit handelt es sich beim Entscheid über die Hafterstehungsfähigkeit immer um eine Rechtsfrage, d.h. um eine Rechtsgüterabwägung, die nicht durch den Arzt, sondern durch die zuständige Vollzugsbehörde zu erfolgen hat. Die Vollzugsbehörde stützt sich dabei auf die Beurteilung des Gesundheitszustands durch eine oder einen medizinische/n Sachverständige/n, die oder der von der Vollzugsbehörde beigezogen werden muss. Die Beurteilung der medizinischen Fachpersonen sind für die zuständige Entscheidbehörde nicht bindend. Die ärztliche Beurteilung dient ihr als Entscheidhilfe. Nach Vorliegen der medizinischen Beurteilung muss die Vollzugsbehörde abwägen, ob die für die betroffene Person aus dem Freiheitsentzug resultierenden gesundheitlichen Risiken höher zu werten sind, als das Interesse des Staates an der Durchsetzung eines ununterbrochenen Vollzugs der Sanktion (Vortrag zum JVG vom 5. April 2017 [nachfolgend: Vortrag zum JVG], S. 17 f.; Ziff. 2 Abs. 3 und Ziff. 3.4.1. der Richtlinie betreffend die Hafterstehungsfähigkeit).
8. Vorliegend ist zu prüfen, ob die gegenwärtige Aufrechterhaltung des Strafvollzugs in der JVA G.________ mit regelmässiger Verlegung in die BEWA trotz des schlechten Gesundheitszustands des Beschwerdeführers rechtmässig ist.
9. Der Gesundheitszustand des Beschwerdeführers ist grundsätzlich unbestritten. Beim Beschwerdeführer besteht ein metastasierendes Adenokarzinom des oberen Gastroinestinaltrakts. Die Therapieoptionen und das mittlere durchschnittliche Überleben sind limitiert. Aufgrund des künstlichen Darmausgangs benötigt der Beschwerdeführer regelmässige klinische und laborchemische Kontrollen (pag. 19). Im Laufe des Verfahrens wurde verschiedentlich festgehalten, dass die Pflege und Behandlung des Beschwerdeführers aus medizinischer Sicht im aktuellen Setting der JVA G.________ sichergestellt sei. Er erhalte die Medikamente vom Gesundheitsdienst der JVA G.________ und habe gemäss seinen eigenen Aussagen jederzeit – auch nachts – Zugang zu Reservemedikamenten (Akten BVD, pag. 1054). Momentan wird er für eine ambulante palliative Chemotherapie mittels Infusionen alle zwei Wochen für jeweils ca. 2-3 Tage in die BEWA gebracht. Diese regelmässigen Aufenthalte in der BEWA sind im Rahmen der normalen Krebs-Behandlung zu sehen und dementsprechend kein Notfall und nichts Aussergewöhnliches (pag. 95). Sobald sich der gesundheitliche Zustand des Beschwerdeführers dahingehend verschlechtert, dass die medizinische Betreuung in der JVA G.________ nicht mehr gewährleistet werden kann, besteht die Möglichkeit einer vollständigen Verlegung in die BEWA (pag. 27). Ziel ist es jedoch, dass der Beschwerdeführer in der JVA G.________ verbleiben kann, solange dies aus medizinischen und pflegerischen Gründen möglich ist. Weiter ist von der Vollzugsbehörde in Rücksprache mit Dr. med. I.________ und J.________, BEWA, vorgesehen, dass der Beschwerdeführer bei Eintritt der präterminalen Phase in die Palliativabteilung des H.________(Spital) oder eine andere Abteilung im H.________ (Spital) mit Palliativpflege verlegt wird (pag. 129 f.).
10. Folglich lässt sich in aller Kürze sagen, dass der Beschwerdeführer im momentanen Setting seinem Gesundheitsstand entsprechend medizinisch adäquat versorgt wird und auch in Zukunft eine ausreichende medizinische Betreuung sichergestellt ist. In einem nächsten Schritt ist zu prüfen, ob für die Beurteilung der Straf- resp. Hafterstehungsunfähigkeit des Beschwerdeführers ein medizinisches Gutachten einzuholen ist bzw. ob der Verzicht auf ein solches Gutachten das rechtliche Gehör des Beschwerdeführers verletzt.
11. Wie bereits festgehalten, handelt es sich bei der Frage nach der Hafterstehungsfähigkeit um eine Rechtsfrage, nicht um einen medizinischen Befund oder eine medizinische Diagnose. Ein medizinisches Gutachten könnte sich demnach nicht zur Frage der Straf- bzw. Hafterstehungsfähigkeit äussern, sondern lediglich zum medizinischen Sachverhalt, der einem entsprechenden rechtlichen Entscheid zu Grunde liegt. Anhaltspunkte für den gebotenen Umfang der Sachverhaltsfeststellung im Zusammenhang mit der Prüfung der Hafterstehungsfähigkeit finden sich in der Richtlinie betreffend die Hafterstehungsfähigkeit sowie im Vortrag zum JVG. Gestützt auf den Vortrag zum JVG besteht grundsätzlich kein Anspruch auf eine gutachterliche Abklärung der Hafterstehungsfähigkeit, da ein Arztbericht in vielen Fällen hinreichend Aufschluss geben dürfte (Vortrag zum JVG, S. 18). Ebenso verleiht auch die Bundesverfassung keinen Anspruch auf die Einholung eines Gutachtens als solches. Anspruch auf die Einholung eines Gutachtens besteht nur dann, wenn sich die Verhältnisse nicht anders schlüssig klären lassen (Urteil des Obergerichts des Kantons Bern SK 20 390 vom 17. März 2021 E. 21.1). Entgegen den Vorbringen des Beschwerdeführers wird eine medizinische Begutachtung auch nicht in der Richtlinie betreffend die Hafterstehungsfähigkeit vorgeschrieben. Gemäss Ziff. 3.3.1 der Richtlinie betreffend die Hafterstehungsfähigkeit ist zwar der Beizug medizinischer Fachpersonen als Sachverständige unerlässlich beim Entscheid über die Hafterstehungsfähigkeit. Zugleich wird festgehalten, die Entscheidbehörde könne zusätzlich einen Vertrauensarzt mit den notwendigen medizinischen Abklärungen beauftragen, wenn ein ärztliches Zeugnis des behandelnden Arztes vorliege. Für einen entsprechenden Auftrag sehen die Richtlinien einen Fragekatalog vor. Aus der zitierten «Kann-Formulierung» geht hervor, dass der Bericht der behandelnden Ärzteschaft als Entscheidgrundlage genügen kann und weder der Beizug eines Vertrauensarztes mit dem vorgesehenen Fragekatalog noch eine unabhängige Begutachtung notwendig sind, wenn die vorhandene Dokumentation eine Entscheidung über die Hafterstehungsfähigkeit zulässt.
12. Die Vorinstanz führte zutreffend aus, dass für die Beurteilung der Straf- und Hafterstehungsfähigkeit der aktuelle Gesundheitszustand sowie die prognostizierte Entwicklung eine massgebliche Rolle spielen. Zu berücksichtigen sind zudem die Folgen einer konkreten Haftform in einer konkreten Anstalt oder Gefängnis/Vollzugseinrichtung auf die körperliche und psychische Gesundheit einer inhaftierten Person. Bezüglich dieser Fragen liegen folgende Berichte und Dokumentationen in den Akten: Operationsbericht vom 6. Oktober 2021 (Akten BVD, pag. 1004 ff.), Aktennotiz vom 3. November 2021 (Akten BVD, pag. 971), E-Mail von Dr. med. L.________ vom 3. November 2021 (Akten BVD, pag. 1009), Aktennotiz vom 22. November 2021 (Akten BVD, pag. 979 f.), medizinischer Bericht vom 30. November 2021 (Akten BVD, pag. 984), Austrittsbericht vom 23. März 2022 (Akten BVD, pag. 1044 ff.), medizinischer Bericht vom 29. März 2022 (Akten BVD, pag. 1041 ff.), Aktennotiz vom 5. Mai 2022 (Akten BVD, pag. 1061), Aktennotiz vom 9. Mai 2022 (Akten BVD, pag. 1062), Aktennotiz vom 3. Oktober 2022 (pag. 95) sowie Aktennotiz vom 9. November 2022 (pag. 129 f.). Besonderes Gewicht kommt dem medizinischen Bericht vom 29. März 2022 des behandelnden Oberarztes, Dr. med. I.________, zu. Dieser orientiert sich am Fragekatalog gemäss Richtlinie betreffend die Hafterstehungsfähigkeit und wurde von den BVD in Auftrag gegeben. Dieser Bericht äussert sich ausführlich über den Gesundheitszustand des Beschwerdeführers, die Therapie und soweit möglich über den zu erwartenden Verlauf der Erkrankung. Weiter bejaht Dr. med. I.________ die Frage, ob die medizinische Versorgung in der JVA G.________ ausreiche. Gleichzeitig weist er daraufhin, dass der Beschwerdeführer die «notwendige Ressource» der Familienkontakte aufgrund der vorgeschriebenen Besuchszeiten nicht äquivalent nützen könne. Weiter beschreibt er, dass die Aufenthalte in der BEWA für den Beschwerdeführer psychisch sehr belastend seien aufgrund der Gefängnishausordnung und der stark reduzierten Familienkontakte. Der Gedanke einer dauerhaften Versetzung in die BEWA löse beim Beschwerdeführer Suizidgedanken aus. Bei den spezifischen Fragen 4 und 5 nach einer selbstschädigenden und/oder suizidalen Handlung und den Möglichkeiten, solche zu verhindern, gab Dr. med. I.________ an, diese nicht beantworten zu können (Akten BVD, pag. 1041 ff.). Der Gesundheitszustand des Beschwerdeführers und die entsprechenden Prognosen sind damit umfassend dokumentiert. Insbesondere wurde von ärztlicher Seite her auf die eingeschränkten Familienkontakte sowie auf Suizidgedanken für den Fall einer dauerhaften Verlegung in die BEWA hingewiesen. Dadurch schafft der Bericht eine ausreichende Grundlage für die nachfolgende Interessenabwägung. Aus der Aktennotiz vom 3. Oktober 2022 geht zudem hervor, dass sich hinsichtlich der Unterbringung in der JVA G.________ und den ambulanten resp. kurzstationären Behandlungen in der BEWA keine grundlegenden Änderungen ergeben haben. Angemerkt wurde insbesondere, der Beschwerdeführer gehe sehr gut mit seiner Situation und der Behandlung um und mache es insgesamt sehr gut (pag. 95). In der Besprechung vom 9. November 2022 wurde die psychische Belastung des Beschwerdeführers während den Aufenthalten in der BEWA schliesslich erneut thematisiert, nachdem dieser ausgeführt hatte, die BEWA sei das Schlimmste, was er im Vollzug erlebt habe. Er habe sich in der BEWA zum ersten Mal nicht mehr unter Kontrolle gehabt und die Ärzte um eine Überdosis gefragt. Er sei nicht sicher, ob er in der BEWA an Krebs sterben werde oder nicht schon vorher. Als Reaktion darauf wurde dem Beschwerdeführer in Aussicht gestellt, dass im Falle einer [vollständigen] Verlegung in die BEWA gewisse Anpassungen im Vollzugsalltag gemacht werden könnten, um ihm eine gewisse Erleichterung zu verschaffen (pag. 130). Aufgrund dieser ausführlichen Dokumentation ist eine zusätzliche Begutachtung des Beschwerdeführers nicht angezeigt. Insbesondere erübrigen sich im aktuellen Zeitpunkt weitere Abklärungen zu einer allfälligen Suizidalität: Der Beschwerdeführer ist aktuell umfassend medizinisch betreut, so dass einer akuten Suizidalität angemessen begegnet werden könnte. Dies gilt auch für den Fall einer vollständigen Verlegung in die BEWA. Es versteht sich von selbst, dass eine mögliche Suizidgefährdung des Beschwerdeführers in diesem Fall mit erhöhter Aufmerksamkeit abzuklären und zu beobachten wäre. In der BEWA sind die notwendigen Ressourcen für eine entsprechende Abklärung sowie für einen adäquaten Umgang mit selbstschädigenden oder suizidalen Absichten vorhanden. Aufgrund dieser Reaktionsmöglichkeiten würde eine Suizidalität dem Vollzug der Freiheitsstrafe nicht entgegenstehen (Urteil des Bundesgerichts 6B_580/2017 vom 21. August 2017 E. 2.2.1 mit weiteren Hinweisen). Im Übrigen geht aus der Aktennotiz vom 9. November 2022 hervor, dass die Mitarbeitenden der BEWA über die Ängste des Beschwerdeführers informiert sind und bereits gewisse Anpassungen in Aussicht gestellt haben, um dem Beschwerdeführer einen Aufenthalt in der BEWA zu erleichtern. Der Antrag auf gutachterliche Abklärung der Hafterstehungsfähigkeit des Beschwerdeführers wird somit abgewiesen.
13. Im Sinne eines Zwischenfazits kann festgehalten werden, dass der Freiheitsentzug keine besondere oder ernsthafte Gefahr für die Gesundheit und/oder das Leben des Beschwerdeführers darstellt. Die gebotene medizinische Behandlung und Pflege ist gewährleistet und der Vollzugsalltag des Beschwerdeführers wurde seinen veränderten Bedürfnissen angepasst (Arbeitsunfähigkeit, Rückzugs- und Gesprächsmöglichkeiten, Zugang zu Medikamenten). In den Akten gibt es, entgegen der Darstellung des Beschwerdeführers, auch keine Hinweise, dass sich das «Pendeln» zwischen den beiden Institutionen negativ auf seinen Gesundheitszustand auswirkt, zumal sich Kurzaufenthalte im Spital zur Verabreichung der palliativen Chemotherapie auch beim gewünschten Aufenthalt bei der Familie nicht verhindern liessen. Eine Haft- oder Straferstehungsunfähigkeit ist bereits aus diesen Gründen ausgeschlossen.
14. Der Beschwerdeführer begründet den beantragten Vollzugsunterbruch weiter mit den zusätzlichen Einschränkungen, die mit den Aufenthalten in der BEWA einhergingen und die insbesondere seine Kontakte mit der Familie beträfen. Diese Kontakte seien in der palliativen Situation des Beschwerdeführers für die Erhaltung der Lebensqualität und einen menschenwürdigen Umgang mit seinem Sterben wichtig. Die Einschränkung dieser Kontakte verletze die verfassungsrechtlichen Bestimmungen über die Menschenwürde (Art. 7 BV), die Rechtsgleichheit (Art. 8 BV), das Recht auf Leben und persönliche Freiheit (Art. 12 BV) sowie über den Freiheitsentzug (Art. 31 BV), wie auch die internationalen Vorgaben durch den UNO-Pakt II, die EMRK- und Soft-Law Bestimmungen und die Bestimmungen zum Strafvollzug gemäss Art. 74 f. StGB.
15. Es kann bestätigt werden, dass das Haftregime in der BEWA betreffend Familienkontakte in gewisser Hinsicht strenger ist als jenes der JVA G.________. In der BEWA sind Besuche während mindestens einer Stunde pro Woche erlaubt. Weiter können die eingewiesenen Personen drei Mal wöchentlich während maximal 10 Minuten telefonieren (________ (Hausordnung)). Einer internen E-Mail der BVD vom 19. Oktober 2021 kann entnommen werden, dass die Besuchszeit von einer Stunde entweder am Stück oder aufgeteilt in zwei Mal 30 Minuten bezogen werden kann. Die Besuche würden mit Trennscheibe stattfinden. Der Beschwerdeführer telefoniere ab und zu und rufe meistens seine Eltern an (Akten BVD, pag. 967). In der JVA G.________ können monatlich während maximal fünf Stunden private Besuche empfangen werden, wobei die Besuche in mindestens stündigen Einheiten bezogen werden müssen. Die persönlichen Besuche können bis zur Dauer von einer Stunde mit Bildtelefonie ersetzt werden. Während der Freizeit steht den Gefangenen ein Zellentelefon sowie eine Telefonstation auf der Etage/Abteilung für private Anrufe zur Verfügung (________ (Hausordnung)). Aus dem Vergleich der beiden Hausordnungen geht hervor, dass die Dauer für persönliche Besuche mit vier statt fünf Stunden pro Monat in der BEWA etwas geringer ist als in der JVA G.________, dafür aber kürzere, häufigere Besuche von 30 Minuten möglich sind. Eine deutlichere Einschränkung besteht im Bereich der Telefonie, die in der BEWA auf drei Mal zehn Minuten pro Woche begrenzt ist.
16. Durch eine (zusätzliche) Einschränkung der familiären Kontakte würde der Beschwerdeführer mit Blick auf seine beschränkte Lebenszeit zweifellos belastet. Es ist jedoch voranzustellen, dass dem Beschwerdeführer eine solche Einschränkung zumindest nicht langfristig droht: Aktuell hält sich der Beschwerdeführer nur während jeweils 2-3 Tagen in der BEWA auf. Den Grossteil seiner Zeit verbringt er in der JVA G.________, wo die von ihm nicht beanstandeten Regeln betreffend Aussenkontakte gelten. Ziel aller Involvierten ist, dass der Beschwerdeführer so lange wie möglich in der JVA G.________ bleibt. Bei einer Verschlechterung seines Gesundheitszustandes ist von Seiten Vollzugsbehörde eine zwischenzeitliche Verlegung in die BEWA, allenfalls davor noch eine Verlegung in eine andere Vollzugsanstalt beabsichtigt. Im Falle einer Verlegung in die BEWA zum Vollzug der Freiheitsstrafe wurden dem Beschwerdeführer gewisse Anpassungen im Vollzugsalltag in Aussicht gestellt, um die geltend gemachte psychische Belastung zu reduzieren. Bei Eintritt der präterminalen Phase ist sodann eine Verlegung in die Palliativabteilung des H.________(Spital) bzw. eine andere Abteilung im H.________(Spital) mit Palliativpflege vorgesehen, wo der Beschwerdeführer uneingeschränkten Besuch seiner Angehörigen wird empfangen können. Auf diese Weise soll ihm ermöglicht werden, die letzten Tage im Kreise seiner Angehörigen zu verbringen. Der Zeitpunkt dieser Verlegung wird unter Einbezug des Fachpersonals der Palliativabteilung bestimmt, soll jedoch erfolgen, solange der Beschwerdeführer noch ansprechbar ist und sich von seiner Familie verabschieden kann. In dieser Zeit soll auf der Palliativabteilung ein noch zu bestimmendes Sicherheitsdispositiv umgesetzt werden, da sich der Beschwerdeführer weiterhin im Vollzug befinden wird (pag. 129 f.). Die familiären Kontakte des Beschwerdeführers werden durch das aktuelle Setting und das geplante Szenario somit nicht eingeschränkt. Insbesondere wird es ihm möglich sein, in den letzten Tagen uneingeschränkte Kontakte zu seinen Angehörigen zu pflegen und sich von diesen zu verabschieden. Eine vorzeitige Verlegung des Beschwerdeführers auf die Palliativabteilung oder gar einen Unterbruch des Strafvollzugs ist vor diesem Hintergrund nicht angezeigt.
17. Hinzu kommt, dass den Interessen des Beschwerdeführers an einem regen Familienleben in seinem letzten Lebensabschnitt bedeutende öffentliche Interessen und Pflichten entgegenstehen, die einen Strafunterbruch oder die Verlegung in eine Institution mit tieferen oder gar nicht vorhandenen Sicherheitsvorkehrungen verunmöglichen. Die Vorinstanz führte dazu aus, dass der Beschwerdeführer zusammen mit C.________ zwei Morde beging, für die er zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe und zu einer Verwahrung verurteilt wurde. Dabei handelte es sich gemäss Urteil des Obergerichts des Kantons Bern vom 29. Mai 2020 um besonders grausame Taten mit übermässiger Gewaltanwendung («Overkill»; Akten BVD, pag. 911). Der Beschwerdeführer sei mehrfach vorbestraft mit hoher Affinität zu auch illegalen Schuss- und Stichwaffen. Bei ihm würden mehrere psychische Störungen vorliegen, die sich trotz (Alkohol-)Abstinenz im Strafvollzug ungünstig auswirkten, zumal er keinerlei Einsicht in seine Störung oder seine Taten habe. Aufgrund seiner Ansicht, er und C.________ seien Opfer einer ungerechten Behandlung durch das Strafjustizsystem und der damit verbundenen Rachefantasien müsse ernsthaft erwartet werden, dass er weitere Taten begehe. Sodann würden sich gemäss Sachverständigem selbst bei Bewusstwerdung und Akzeptanz seiner Schuld und Verantwortlichkeit ein konkret hohes Risiko für eine schwere depressive Verfassung einstellen, was zu einer eigenen Suizidgefährdung bis hin zu einem erweiterten oder Mitnahmesuizid (seiner beiden Söhne) führen könnte (Akten BVD, pag. 917).
18. Der Beschwerdeführer bringt dagegen vor, das Interesse des Staates an der Durchsetzung des Vollzuges sei verhältnismässig gering zu gewichten. Er stelle aufgrund seiner Erkrankung offensichtlich keine Gefährdung für die öffentliche Sicherheit mehr dar. Ein Überwiegen des staatlichen Strafanspruches sei nicht ersichtlich. Der Beschwerdeführer werde als Mensch ohne Einsicht und Reue hingestellt, der sich in gemeingefährlicher Weise verhalten habe. Es werde unter Berufung auf das Strafurteil ein Bild eines Menschen gezeichnet, das mit der Realität nichts mehr zu tun habe. Dem kann nicht gefolgt werden: Zwar kann dem Vollzugsbericht vom 23. Februar 2022 entnommen werden, dass der Beschwerdeführer seit der Verschlechterung seines Gesundheitszustands als zugänglicher, offener und dankbarer erlebt werde. Von seinem Konzept «die Welt als feindlicher Ort» sei aktuell nichts mehr zu spüren. Es scheine, als ob sich aufgrund der Diagnose seine Prioritäten und Ansichten verändert hätten und neu andere Themen wie letzte Wünsche, Auseinandersetzung mit dem Tod im Fokus stünden (Akten BVD, pag. 1031). Diese Einschätzung der Vollzugsbehörde vermag die von der Vorinstanz zutreffend geschilderten Risikofaktoren nicht zu entkräften. Aus demselben Vollzugsbericht geht auch hervor, dass weiterhin keine Auseinandersetzung mit dem eigenen Delikt stattgefunden habe (Akten BVD, pag. 1030; vgl. auch pag. 947). Gemäss Aktennotiz vom 11. Mai 2022 werden unbegleitete Besuche von C.________ denn auch weiterhin nicht als vertretbar erachtet (Akten BVD, pag. 1063). Aktenkundig, wenn auch nicht weiter abgeklärt, ist sodann die sinngemässe Meldung eines Miteingewiesenen vom Juli 2021, wonach der Beschwerdeführer beabsichtige, die Person, welche ihn und C.________ verraten habe, «auszuschalten» (Akten BVD, pag. 951). Daran ändern auch die Äusserungen des Beschwerdeführers an der Besprechung vom 9. November 2022 nichts, wonach ihm auch klar sei, dass ein Sicherheitsbedürfnis der Gesellschaft bestehe, da er zwei Menschen umgebracht habe. Er sei nicht mehr gefährlich, er habe körperlich stark abgegeben und könne nichts mehr ausrichten. Er habe sich mit dieser Tat «genug in die Scheisse geritten» und wolle dies, wie auch die Situation seiner Söhne, nicht noch verschlimmern. Er werde sich hüten, sich unrechtgemäss zu verhalten bzw. seine Söhne zu etwas anzustiften (pag. 130). Auch wenn aus diesen Äusserungen die im Vollzugsbericht erwähnte Fokusänderung erkennbar ist, darf die Gefährdung, die vom Beschwerdeführer ausgehen kann, nicht vernachlässigt werden. Dies scheint der Beschwerdeführer auch nachvollziehen zu können, wenn er angab, er habe sich natürlich etwas Anderes gewünscht, ihm sei aber auch klar, dass dies realistischerweise nicht möglich sein werde, da er zwei Menschen umgebracht habe und entsprechend ein Sicherheitsbedürfnis der Gesellschaft bestehe. Hinzu kommt, dass das öffentliche Interesse am Vollzug rechtskräftig verhängter Strafen und der Gleichheitssatz den Ermessensspielraum der Vollzugsbehörde hinsichtlich eines Unterbruchs des Strafvollzugs gemäss Bundesgericht erheblich einschränken. Der Strafvollzug bedeutet für die betroffene Person immer ein Übel, das von den einen besser, von den anderen weniger gut ertragen wird (Urteil des Bundesgerichts 6B_40/2020 vom 17. August 2020 E. 3.2.1). Der Verurteilung des Beschwerdeführers zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe mit anschliessender Verwahrung ist inhärent, dass er seinen Lebensabend im Freiheitsentzug verbringen wird. Mit dem Entzug der Freiheit geht auch eine Einschränkung der familiären Kontakte einher. Die konkrete Ausgestaltung der Kontaktmöglichkeiten variiert von Institution zu Institution sowie abhängig vom konkreten Vollzugsregime. Der Unterbruch der Strafe des Beschwerdeführers stünde dem Interesse des Staates an der Durchsetzung eines ununterbrochenen Vollzugs der Sanktion vor diesem Hintergrund deutlich entgegen. Mit dem aktuellen Setting sowie dem in der Besprechung vom 9. November 2022 skizzierten Vorgehen für den Fall einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes wird dem Bedürfnis des Beschwerdeführers nach Kontakten zu seiner Familie angemessen Rechnung getragen.
19. Im Ergebnis stimmt die Kammer mit der Vorinstanz überein, dass das öffentliche Interesse am Vollzug der rechtskräftig verhängten Strafe gegen den Beschwerdeführer höher zu gewichten ist als die vom Beschwerdeführer gegen den Vollzug vorgebrachten Gründe. Das aktuelle Betreuungssetting ist rechtskonform und dem Beschwerdeführer zuzumuten. Ein Strafunterbruch ist nicht gerechtfertigt. Ebenso wenig ist es angezeigt, weitere Vollzugserleichterungen oder gar die Verlegung in eine andere Institution in die Wege zu leiten, bevor ein solcher Wechsel von den medizinischen und betreuenden Fachpersonen als notwendig erachtet wird. Die Straf- und Hafterstehungsfähigkeit ist gegeben. Die Beschwerde wird abgewiesen.
20. Mit der Abweisung der Beschwerde wird der vorinstanzliche Kostenentscheid bestätigt. Bei diesem Ausgang des Verfahrens hat der Beschwerdeführer auch die Kosten für das Beschwerdeverfahren vor Obergericht, bestimmt auf CHF 1‘600.00, zu tragen (Art. 108 Abs. 1 VRPG). Es ist keine Entschädigung für die Kosten seiner privaten Rechtsvertretung auszurichten.
Die 2. Strafkammer beschliesst:
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
2. Die Kosten des oberinstanzlichen Beschwerdeverfahrens, bestimmt auf eine Pauschalgebühr von CHF 1‘600.00, werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
3. Zu eröffnen:
• dem Verurteilten/Beschwerdeführer, v.d. Rechtsanwalt B.________
• der Sicherheitsdirektion des Kantons Bern (SID)
• der Generalstaatsanwaltschaft
Mitzuteilen:
• den Bewährungs- und Vollzugsdiensten des Kantons Bern (BVD)



Bern, 29. November 2022
Im Namen der 2. Strafkammer
Die Präsidentin:
Oberrichterin Bratschi

Der Gerichtsschreiber i.V.:
Ukoh



Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Zustellung beim Bundesgericht, Av. du Tribunal fédéral 29, 1000 Lausanne 14, Beschwerde in Strafsachen gemäss Art. 39 ff., 78 ff. und 90 ff. des Bundesgerichtsgesetzes (BGG; SR 173.110) geführt werden. Die Beschwerde muss den Anforderungen von Art. 42 BGG entsprechen.
Quelle: https://www.zsg-entscheide.apps.be.ch/tribunapublikation/
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