SK 2021 578 - Widerhandlung gegen die Covid-19-Verordnung besondere Lage
Obergericht
des Kantons Bern
1. Strafkammer
Cour suprême
du canton de Berne
1re Chambre pénale
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Urteil
SK 21 578
Bern, 10. August 2022
Besetzung Oberrichter Zbinden (Präsident i.V.), Oberrichter Zuber,
Oberrichter Gerber
Gerichtsschreiberin López
Verfahrensbeteiligte A.__
Beschuldigter/Berufungsführer
gegen
Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern, Nordring 8, Postfach, 3001 Bern
Gegenstand Widerhandlung gegen die Covid-19-Verordnung besondere Lage
Berufung gegen das Urteil des Regionalgerichts Emmental-Oberaargau (Einzelgericht) vom 8. September 2021 (PEN 21 166)
Erwägungen:
I. Formelles
1. Erstinstanzliches Urteil
Das Regionalgericht Emmental-Oberaargau (nachfolgend: Vorinstanz) erklärte A.__ (nachfolgend: Beschuldigter) mit Urteil vom 8. September 2021 der Widerhandlung gegen die Covid-19-Verordnung besondere Lage durch Nichttragen einer Gesichtsmaske in öffentlich zugänglichen Innenräumen und Aussenbereichen, begangen am 25. März 2021, ca. 16:15 Uhr, in B.__ (Ort), C.__ (Geschäft), schuldig und verurteilte ihn zu einer Übertretungsbusse von CHF 100.00 sowie zur Bezahlung der erstinstanzlichen Verfahrenskosten von CHF 1'600.00 (pag. 33 f.).
2. Berufung
Mit Eingabe vom 11. September 2021 meldete der Beschuldigte gegen das vorgenannte Urteil vom 8. September 2021 fristgerecht Berufung an (pag. 38; Art. 399 Abs. 1 der Schweizerischen Strafprozessordnung; StPO, SR 312.0).
Die schriftliche Urteilsbegründung datiert auf den 3. Dezember 2021 (pag. 44 ff.) und wurde den Parteien mit Verfügung vom 6. Dezember 2021 zugestellt (pag. 64 f.).
Mit Beschluss vom 28. Februar 2022 qualifizierte die Kammer das Gesuch des Beschuldigten um Fristerstreckung zur Einreichung der Berufungserklärung vom 15. Dezember 2021 als form- und fristgerecht erfolgte Berufungserklärung und trat demzufolge auf die Berufung ein (pag. 188 ff.; Art. 399 Abs. 3 StPO). Im vorgenannten Beschluss ordnete die Kammer zudem das schriftliche Verfahren an (Art. 406 Abs. 1 lit. c StPO). Der Beschuldigte wurde im Weiteren aufgefordert, innert 30 Tagen ab Zustellung dieser Verfügung, eine schriftliche Begründung seiner Berufung einzureichen (Art. 406 Abs. 3 StPO). Der Beschuldigte teilte mit Schreiben vom 13. März 2022 mit, dass er an seiner Eingabe vom 3. Januar 2022 festhalte und fügte noch einige Ergänzungen an (pag. 197 ff.). Mit Verfügung vom 21. März 2022 erachtete die Kammer den Schriftenwechsel für abgeschlossen (pag. 200 f.).
3. Anträge des Beschuldigten
Der Beschuldigte beantragte in seiner schriftlichen Begründung vom 13. März 2022 einen vollumfänglichen Freispruch und die Auferlegung der Verfahrenskosten an den Kanton Bern. Zudem seien ihm eine angemessene «Wiedergutmachung» auszurichten und die ihm entstandenen Kosten zu erstatten (pag. 198).
4. Verfahrensgegenstand und Kognition der Kammer
Der Beschuldigte hat das erstinstanzliche Urteil vollumfänglich angefochten. Die Kammer hat somit den Schuldspruch, die Sanktion sowie die sich daraus ergebenden Kostenfolgen zu prüfen.
Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens bildete ausschliesslich eine Übertretung. Die Kammer verfügt daher über eine eingeschränkte Kognition und überprüft das erstinstanzliche Urteil nur auf Rechtsfehler und auf offensichtlich unrichtige bzw. auf Rechtsfehlern beruhende Feststellung des Sachverhalts. Neue Behauptungen und Beweise können nicht vorgebracht werden (Art. 398 Abs. 4 StPO). Da die Berufung ausschliesslich durch den Beschuldigten erhoben wurde, darf die Kammer das erstinstanzliche Urteil nicht zu seinem Nachteil abändern; sie ist an das Verschlechterungsverbot gemäss Art. 391 Abs. 2 StPO gebunden.
II. Sachverhalt und Beweiswürdigung
1. Theoretische Grundlagen der Beweiswürdigung
Die Kammer prüft die vorinstanzliche Sachverhaltsermittlung infolge der eingeschränkten Kognition nur auf offensichtliche Unrichtigkeit (siehe Ziff. I. 4 oben). Die Rüge der offensichtlich unrichtigen auf Rechtsverletzung beruhenden Feststellung des Sachverhalts entspricht Art. 97 des Bundesgerichtsgesetzes (BGG; SR 173.110; BSK StPO-Eugster, 2. Auflage 2014, Art. 398 N 3a). Offensichtlich unrichtig ist eine Sachverhaltsfeststellung, wenn sie willkürlich ist (BGE 141 IV 249 E. 1.3.1). Willkür im Sinne von Art. 9 der Bundesverfassung (BV; SR 101) in der Beweiswürdigung liegt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts vor, wenn die vorinstanzliche Beweiswürdigung schlechterdings unhaltbar ist, d.h. wenn die Behörde in ihrem Entscheid von Tatsachen ausgeht, die mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch stehen auf einem offenkundigen Fehler beruhen. Dass eine andere Lösung Würdigung ebenfalls vertretbar gar zutreffender erscheint, genügt für die Annahme von Willkür nicht (BGE 143 IV 241 E. 2.3.1). Eine Sachverhaltsermittlung ist insbesondere nicht schon dann offensichtlich unrichtig, wenn sich Zweifel anmelden, sondern erst dann, wenn sie eindeutig und augenfällig unzutreffend ist (BGE 132 I 42 E. 3.1). Erforderlich ist also ein qualifizierter Mangel, ein klares Abweichen der tatsächlichen Gegebenheiten von der Sachverhaltsfeststellung im angefochtenen Entscheid (BSK BGG-Schott, 3. Auflage 2018, Art. 97 N 9).
2. Angeklagter Sachverhalt
Dem Beschuldigten wird gemäss Strafbefehl vom 25. Mai 2021 vorgeworfen, dass er mit Wissen um die Maskentragpflicht die C.__(Geschäft) in B.__ (Ort), ohne die vorgeschriebene Schutzmaske zu tragen, betreten habe. Er sei von der Filialleiterin auf die geltende Maskentragpflicht hingewiesen worden, worauf er angegeben habe, dass er ein ärztliches Attest besitze, welches ihn von der Maskentragpflicht entbinde. Er habe sich jedoch geweigert, dieses vorzuzeigen (pag. 4 f.).
3. Unbestrittener/Bestrittener Sachverhalt
Die Vorinstanz hielt zutreffend fest, dass der angeklagte Sachverhalt gestützt auf den polizeilichen Anzeigerapport vom 7. April 2021 (pag. 1 ff.), die Einvernahme des Beschuldigten an der erstinstanzlichen Hauptverhandlung (pag. 25 ff.) sowie gestützt auf das eingereichte ärztliche Attest (pag. 32) beweismässig erstellt sei (S. 3 f. der erstinstanzlichen Urteilsbegründung, pag. 46 f.). Auf eine eigene Beweiswürdigung der Kammer kann unter diesen Umständen verzichtet werden.
Die Vorbringen des Beschuldigten sind lediglich rechtlicher Natur und demnach – sofern angezeigt – im Nachfolgenden zu prüfen (Ziff. III.).
III. Rechtliche Würdigung
1. Vorbemerkung
Gestützt auf den Bundesgerichtsentscheid BGE 141 IV 249 E. 1.3.1 verlangt Art. 29 Abs. 2 BV, dass die Behörde die Vorbringen des von einem Entscheid in seiner Rechtsstellung Betroffenen auch tatsächlich hört, prüft und in seiner Entscheidfindung berücksichtigt. Nicht erforderlich ist, dass sie sich mit allen Parteistandpunkten einlässlich auseinandersetzt und jedes einzelne Vorbringen ausdrücklich widerlegt. Vielmehr kann sie sich auf die für den Entscheid wesentlichen Punkte beschränken. Es müssen wenigstens kurz die Überlegungen genannt werden, von denen sich die Behörde hat leiten lassen und auf die sich ihr Entscheid stützt.
Die Kammer ist demnach nicht gehalten, jedes vom Beschuldigten in seiner schriftlichen Berufungserklärung vorgebrachte Argument zu prüfen, sodass sich die Kammer nachfolgend bei ihrer Überprüfung auf das Wesentliche beschränkt.
2. Anwendbares Recht
Hat der Täter ein Verbrechen Vergehen vor Inkrafttreten des neuen Strafgesetzbuches begangen, erfolgt die Beurteilung aber erst nachher, so ist gemäss Art. 2 Abs. 2 des Schweizerischen Strafgesetzbuches (StGB; SR 311.0) das neue Gesetz anzuwenden, wenn dieses für ihn das mildere ist (sog. lex mitior). Art. 2 Abs. 2 StGB gilt auch für Übertretungen und im Nebenstrafrecht (Art. 104 und Art. 333 StGB). Keine Anwendung findet Art. 2 Abs. 2 StGB jedoch auf sogenannte Zeitgesetze. Zeitgesetze sind Erlasse, die von vornherein nur für eine bestimmte Zeit erlassen werden die nach Inhalt und Zweck nur für die Dauer von Ausnahmeverhältnissen gelten wollen (BGE 116 IV 258 E. 4.b mit weiteren Hinweisen; BSK StGB-Popp/Berkemeier, 4. Auflage 2019, Art. 2 N 26 ff.; Roos/Fingerhuth, Straf- und strafprozessrechtliche Implikationen, in: Helbing Lichtenhahn Verlag [Hrsg.], Covid-19 – Ein Panorama der Rechtsfragen zur Corona-Krise, § 26 N 65 f.).
Die Maskentragpflicht, welche in Art. 3a und 3b der Covid-19-Verordnung besondere Lage (SR 818.101.26) geregelt ist bzw. zum Tatzeitpunkt geregelt war, bezieht sich unbestrittenermassen auf die zeitlich begrenzte Ausnahmesituation der Covid-19-Pandemie und ist deshalb als Zeitgesetz im Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zu qualifizieren (vgl. BGE 89 IV 113 E. I; Urteil des Bundesgerichts 6B_397/2010 vom 26. Oktober 2010 E. 3.3). Es wird demnach das im Tatzeitpunkt geltende Recht angewendet: Die Tat wurde vorliegend am 25. März 2021 begangen, sodass die damalig aktuelle Version der Verordnung auf den 22. März 2021 datierte. Die Kammer spricht nachfolgend jedoch lediglich von «Covid-19-Verordnung besondere Lage».
3. Vorbringen des Beschuldigten
Der Beschuldigte brachte in seiner Eingabe vom 13. März 2022 bzw. 3. Januar 2022 sinngemäss Folgendes vor (pag. 197 f., 78 ff.):
1. Es habe keine epidemiologische Notlage vorgelegen, welche den Erlass der Covid-19-Verordnung besondere Lage gerechtfertigt habe.
2. Das Covid-19-Virus habe bis anhin nicht eindeutig festgestellt werden können.
3. Die vom Bundesamt für Gesundheit (nachfolgend: BAG) empfohlenen Masken würden nicht vor dem Coronavirus schützen.
4. Eine Strafe gemäss Covid-19-Verordnung dürfe nicht ausgesprochen werden, wenn eine Ausnahmeerlaubnis gemäss Art. 3b der Covid-19-Verordnung besondere Lage vorliege.
5. Weder in der Covid-19-Verordnung besondere Lage noch im Epidemiengesetz sei geregelt, wer das Attest betreffend den Maskendispens kontrollieren dürfe und wann bzw. zu welchem Zeitpunkt dieses vorzuweisen sei. Die Filialleiterin und der Polizist seien mangels Vorliegens einer gesetzlichen Grundlage nicht berechtigt gewesen, dieses zu kontrollieren bzw. zu verlangen.
6. Zum Tatzeitpunkt habe die Covid-19-Verordnung keine genügende gesetzliche Grundlage für das Aussprechen einer Busse wegen Widerhandlungen gegen die Maskentragpflicht gebildet, dies infolge des Verstosses gegen Art. 1 StGB. Eine Strafe müsse gemäss Art. 1 StGB in einem Gesetz im formellen Sinn geregelt sein.
7. Der Beschuldigte sei zum Zeitpunkt der Tat nicht infiziert und deshalb nicht in der Lage gewesen, eine andere Person zu schädigen die öffentliche Sicherheit zu gefährden.
8. Die Covid-19-Verordnung besondere Lage verstosse gegen Grundrechte, insbesondere gegen Art. 8, 10, 10a und 11 der Bundesverfassung (BV; SR 101).
4. Erwägungen der Kammer
4.1 Gesetzliche Grundlage bei Widerhandlung gegen Maskentragpflicht
Art. 3b Abs. 1 Covid-19-Verordnung besondere Lage ist seit dem 6. Juli 2020 in Kraft. Vom 6. Juli 2020 bis am 31. Januar 2021 war in der Covid-19-Verordnung besondere Lage jedoch keine Strafbestimmung wegen Widerhandlungen gegen die Maskentragpflicht vorgesehen. Erst ab dem 1. Februar 2021 wurde dieser Tatbestand explizit in die Strafbestimmung der Covid-19-Verordnung besondere Lage sowie in den Ordnungsbussenkatalog aufgenommen (Art. 13 lit. f Covid-19-Verordnung besondere Lage, Stand 1. Februar 2021; Bussenliste 2 Ziff. XVI der Ordnungsbussenverordnung [OBV; SR 314.11]).
Der im vorliegenden Tatzeitpunkt (25. März 2021) geltenden Covid-19-Verordnung besondere Lage vom 22. März 2021 ist dementsprechend eine Strafbestimmung explizit zu entnehmen (Art. 13 lit. f. i.V.m. 3b Abs. 1 Covid-19-Verordnung besondere Lage). Der Beschuldigte machte jedoch geltend, dass die Regelung dieser Strafbestimmung auf Verordnungsstufe einen Verstoss gegen Art. 1 StGB darstelle. Gemäss Art. 1 StGB dürfe eine Strafe nur dann verhängt werden, wenn das Gesetz bzw. ein formelles Gesetz die Tat ausdrücklich unter Strafe stelle (pag. 86).
Die Vorinstanz kam zum Schluss, dass Art. 13 lit. f i.V.m. Art. 3b Abs. 1 Covid-19-Verordnung besondere Lage eine ausreichende gesetzliche Grundlage für die Sanktionierung von Personen, welche sich in öffentlichen Innenbereichen von Einrichtungen und Betrieben aufhalten und keine Maske tragen, darstelle, sofern kein Ausnahmetatbestand von Art. 3a Abs. 1 Art. 3b Abs. 2 Covid-19-Verordnung besondere Lage gegeben sei (S. 11 der erstinstanzlichen Urteilsbegründung, pag. 54). Die Kammer kann sich den diesbezüglichen Ausführungen der Vorinstanz vollumfänglich anschliessen. So bedarf jede Strafe, welche einen Freiheitsentzug mit sich bringt, als schwerer Eingriff in die persönliche Freiheit, einer klaren Grundlage in einem formellen Gesetz (BGE 112 Ia 107 E. 3b;
BSK StGB-Popp/Berkemeier, Art. 1 N 28). Da die Verletzung der Maskentragpflicht eine Übertretung darstellt und lediglich mit einer Busse sanktioniert wird und es sich bei der Maskentragpflicht gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung um einen (objektiv gesehen) leichten Eingriff in die persönliche Freiheit handelt, bedarf diese Strafbestimmung keiner formellen gesetzlichen Grundlage. Vielmehr genügt die Normstufe der Verordnung (vgl. nachfolgend Ziff. II. 11.4, BGE 147 I 393 [Pra 110 2021 Nr. 107]. Massgeblich ist weiter, dass der Inhalt der Verordnungsbestimmung im Einklang mit übergeordnetem Recht steht. So ist unter anderem massgebend, dass der Rechtssatz die Tat ausdrücklich unter Strafe stellen muss (Art. 1 StGB). Bezüglich dieses Bestimmtheitsgebots stellt die Kammer in Übereinstimmung mit der Vorinstanz fest, dass Art. 13 lit. f der Covid-19-Verordnung besondere Lage sowohl den Täterkreis, die möglichen Tatorte, die konkrete Tathandlung, den subjektiven Tatbestand als auch die Sanktion ausdrücklich nennt und damit eine genügende Normdichte aufweist (S. 10 der erstinstanzlichen Urteilsbegründung, pag. 53). Die Sanktionierung von Widerhandlungen gegen die Maskentragpflicht in Art. 13 lit. f i.V.m. Art. 3b Abs. 1 Covid-19-Verordnung beruht demnach auf einer genügenden gesetzlichen Grundlage.
4.2 Vorliegen einer besonderen Lage gemäss Epidemiengesetz
Der Beschuldigte machte sinngemäss geltend, dass keine epidemiologische Notlage vorliege bzw. zum Tatzeitpunkt vorgelegen habe, welche den Erlass der Covid-19-Verordnung besondere Lage rechtfertige bzw. gerechtfertigt habe (pag. 88).
Die Covid-19-Verordnung besondere Lage wurde gestützt auf Art. 6 Abs. 2 Bst. a und b des Epidemiengesetzes (EpG, SR 818.101) durch den Bundesrat erlassen. Nach diesem Artikel hat der Bundesrat in der besonderen Lage die Befugnis, anstelle der Kantone die im EpG definierten Massnahmen anzuordnen (vgl. Botschaft vom 3. Dezember 2010 zur Revision des Bundesgesetzes über die Bekämpfung übertragbarer Krankheiten des Menschen [nachfolgend: Botschaft zum EpG], BBl 2011 365, S. 362 ff.). Eine besondere Lage liegt gemäss Art. 6 Abs. 1 EpG vor, wenn a.) die ordentlichen Vollzugsorgane nicht in der Lage sind, den Ausbruch und die Verbreitung übertragbarer Krankheiten zu verhüten und zu bekämpfen, und eine erhöhte Ansteckungs- und Ausbreitungsgefahr, eine besondere Gefährdung der öffentlichen Gesundheit die Gefahr schwerwiegender Auswirkungen auf die Wirtschaft auf andere Lebensbereiche besteht; b.) die Weltgesundheitsorganisation (WHO) festgestellt hat, dass eine gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite besteht und durch diese in der Schweiz eine Gefährdung der öffentlichen Gesundheit droht (vgl. Botschaft zum EpG, BBl 2011 311, 364).
Die Vorinstanz hat ausführlich und zutreffend begründet, weshalb in der Schweiz ab Erlass der Maskentragpflicht in öffentlich zugänglichen Betrieben bis zum Tatzeitpunkt die Voraussetzungen der besonderen Lage erfüllt waren. Die Kammer schliesst sich diesen Überlegungen vorbehaltlos an und verzichtet auf eine Wiederholung der vorinstanzlichen Argumentation (S. 5 ff. der erstinstanzlichen Urteilsbegründung, pag. 48 ff.). Es wird lediglich ergänzt, dass das Bundesgericht seit Erlass der Covid-19-Verordnung besondere Lage bereits zahlreiche kantonale Erlasse überprüft hat, die sich auf diese Verordnung stützten. In keinem Entscheid wurde dabei in Frage gestellt, dass die Covid-19-Pandemie ab dem Frühjahr 2020 in der Schweiz eine besondere Lage ausgelöst hat. Im Gegenteil: In mehreren Entscheiden hat das Bundesgericht festgehalten, dass die Kantone aufgrund der angespannten epidemiologischen Situation befugt waren, Massnahmen zu erlassen, die über die Covid-19-Verordnung besondere Lage hinausgingen (Urteile des Bundesgerichts 2C_290/2021 vom 3. September 2021 E. 6.3.3, 2C_183/2021 vom 23. November 2021 E. 3.7, 2C_308/2021 vom 3. September 2021 E. 5.5.3, 2C_941/2020 vom 8. Juli 2021 E. 3.2.2; spezifisch zur Lage Ende 2020: Urteil des Bundesgerichts 1C_659/2020 vom 11. März 2021 E. 2.4).
4.3 Verfassungsmässigkeit der Maskentragpflicht und Wirksamkeit der Gesichtsmasken
Der Beschuldigte brachte in seiner Eingabe vom 3. Januar 2022 (pag. 81 f.) vor, dass die Maskentragpflicht in der Covid-19-Verordnung besondere Lage gegen Art. 8 BV (Rechtsgleichheit), Art. 10 BV (Recht auf persönliche Freiheit), Art. 10a BV (Verbot der Verhüllung des eigenen Gesichts) und Art. 11 BV (Schutz der Kinder und Jugendlichen) verstosse. Er rügte im Weiteren, dass Art. 40 EpG keine genügende gesetzliche Grundlage darstelle und die Gesichtsmasken vor der Verbreitung von Covid-19 nicht schützen würden (pag. 78 ff.).
Die Vorinstanz hat sich im Rahmen einer Grundrechtsprüfung damit auseinandergesetzt, ob die vom Bundesrat in der Covid-19-Verordnung besondere Lage angeordnete Maskentragpflicht grundrechtskonform sei und hat dies bejaht. Die Kammer schliesst sich diesen Ausführungen an und verweist auf diese vorab (S. 7 ff. der erstinstanzlichen Urteilsbegründung, pag. 50 ff.). In Ergänzung zu den Erwägungen der Vorinstanz fällt ins Gewicht, dass sich das Bundesgericht in mehreren Entscheiden bereits ausführlich mit der Maskentragpflicht in Einkaufsläden, in Schulen und in Kindertagesstätten auseinandergesetzt und dabei die Verfassungsmässigkeit der Maskentragpflicht bestätigt hat (BGE 147 I 393 [Pra 110 2021 Nr. 107], Urteile des Bundesgerichts 2C_183/2021 vom 23. November 2021, 2C_228/2021 vom 23. November 2021, 2C_115/2021 vom 21. Februar 2022 und 2C_941/2020 vom 8. Juli 2021). In den zitierten Bundesgerichtsentscheiden wurde festgehalten, dass die Maskentragpflicht einen leichten Eingriff in die davon tangierten Grundrechte darstelle. Der Eingriff beruhe hierbei auf Art. 40 EpG, welcher zwar hinsichtlich der Massnahmen, die zur Verhütung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten ergriffen werden könnten, weit gefasst sei, aber trotzdem eine hinreichende gesetzliche Grundlage darstelle. Nach dem derzeitigen Kenntnisstand sei das von den zuständigen Gesundheitsbehörden empfohlene Tragen einer Maske ein geeignetes Mittel, um dieses Ziel zu erreichen. Die Maskentragpflicht sei zudem nicht besonders einschneidend, da sie nur während der Dauer des Aufenthalts in Einkaufsläden bzw. -zentren bestehe. Der Eingriff in Grundrechte sei durch das Ziel der öffentlichen Gesundheit, Infektionen und damit Spitalaufenthalte und Todesfälle aufgrund dieser Krankheit zu verhindern, gerechtfertigt. Die Maskentragpflicht sei insofern notwendig, als sie eine milde restriktive Massnahme darstelle und es ermögliche, einschneidende Beschränkungen, wie die Schliessung von Geschäften, zu vermeiden. Nicht entscheidend ist, dass der Beschuldigte vorliegend geltend machte, dass er zum Tatzeitpunkt nicht mit dem Covid-19-Virus infiziert gewesen sei und damit nicht in der Lage gewesen wäre, eine andere Person anzustecken die öffentliche Sicherheit zu gefährden. Dies einerseits, weil auch symptomfreie Krankheitsverläufe bekannt sind und andererseits, weil sich der Beschuldigte durch das Verweigern des Maskentragens selbst einem erhöhten Risiko einer Ansteckung aussetzte, was wiederum die Weiterverbreitung des Virus fördern konnte bzw. hätte fördern können.
In Bezug auf die Zumutbarkeit fällt zudem besonders ins Gewicht, dass für Personen, denen das Tragen einer Gesichtsmaske aus medizinischen anderen Gründen nicht möglich ist, eine Ausnahme vorgesehen wurde. Der Umstand, dass solche Gründe entweder auf Eigeninitiative spätestens auf Nachfrage hin nachzuweisen sind, mag für die Betroffenen mit einer gewissen Umständlichkeit verbunden sein. Dieses persönliche Interesse vermag aber das öffentliche Interesse an einer Begrenzung der Ausbreitung des Covid-19-Virus und damit an der Begrenzung der Zahl der Spitaleinweisungen, der Todesfälle sowie der wirtschaftlichen Gefahren, die mit den Folgen dieser Krankheit verbunden sind, nicht zu überwiegen (vgl. SK 21 350 S. 8 f.).
4.4 Zum Maskendispens
a) rechtliche Grundlage
Von der Maskentragpflicht in öffentlich zugänglichen Bereichen von Einrichtungen und Betrieben und in Zugangsbereichen des öffentlichen Verkehrs ist gemäss Art. 3b Abs. 2 lit. b der Covid-19-Verordnung besondere Lage unter anderem ausgenommen, wer aus besonderen Gründen, insbesondere aus medizinischen, keine Maske tragen kann. Für den Nachweis medizinischer Gründe, welchen die betreffende Person erbringen muss, ist ein Attest einer Fachperson nach dem Bundesgesetz über die universitären Medizinalberufe (MedBG; SR 811.11) erforderlich (Art. 3a Abs. 1 lit. b der Covid-19-Verordnung besondere Lage).
Wie der Beschuldigte demnach korrekt vorbrachte, darf eine Busse gemäss Art. 13 lit. f i.V.m. Art. 3b Abs. 1 der Covid-19-Verordnung besondere Lage nicht ausgesprochen werden, wenn die betreffende Person den Nachweis, dass sie über ein medizinisches Attest verfügt, welches sie von der Maskentragpflicht befreit, erbringen kann (pag. 84 f.). Im Weiteren brachte der Beschuldigte auch zutreffend vor, dass sich aus dem Verordnungswortlaut nicht eindeutig ergibt, zu welchem Zeitpunkt dieser Nachweis erbracht werden muss (oder es sich daraus mindestens nicht klar ergibt, dass man das Attest sofort vorlegen muss) und wem die entsprechende Kontrollbefugnis zukommt. Hinsichtlich der Kontrollberechtigung machte er zudem sinngemäss geltend, es handle sich beim ärztlichen Attest um ein Dokument, welches der ärztlichen Schweigepflicht unterliege, sodass eine Filialleiterin und auch die Polizei dieses nicht einfach einsehen dürfe (pag. 85).
b) Vorinstanzliche Ausführungen
Die Vorinstanz führte aus, dass der Wortlaut der Verordnung u.a. nicht eindeutig zum Ausdruck bringe, zu welchem Zeitpunkt der Nachweis eines Maskendispenses er folgen müsse, weshalb eine Auslegung der Norm angezeigt sei (S. 11 der erstinstanzlichen Urteilsbegründung, pag. 54). Hinsichtlich der Frage des Zeitpunkts des Nachweises des Maskendispenses kam sie zum Schluss, dass ein solcher aus Eigeninitiative des Betroffenen spätestens auf Verlangen hin umgehend bzw. «sur place» vorzuzeigen sei. Sie begründete dies damit, dass leicht übertragbare Krankheiten wie das Coronavirus nur wirksam bekämpft werden könnten, wenn die hiergegen gerichteten Massnahmen konsequent eingehalten und kontrolliert würden. Es gehe aus dem Sinn und Zweck der Bestimmung hervor, dass ohne umgehende Kontrolle die Gefahr bestünde, dass sich beliebig viele Personen auf Gründe für einen Dispens von der Maskentragpflicht berufen und sich ohne Gesichtsmaske in öffentlich zugänglichen Innenräumen aufhalten würden (S. 12 der erstinstanzlichen Urteilsbegründung, pag. 55 f.).
Betreffend die Frage der Kontrollberechtigung führte sie aus, dass gestützt auf Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 lit. b und d Covid-19-Verordnung besondere Lage Betreiber von öffentlich zugänglichen Einrichtungen und Betrieben ein Schutzkonzept zu erarbeiten und umzusetzen hätten, mit welchem unter anderem die Einhaltung der Maskenpflicht nach Art. 3b Covid-19-Verordnung besondere Lage gewährleistet werden solle. Seien sodann Personen anwesend, welche von der Maskenpflicht dispensiert seien, so müssten andere wirksame Schutzmassnahmen durch die Betreiber ergriffen werden. Das BAG habe ausgeführt, dass Betreiber berechtigt seien, Kontrollen durchzuführen und Personen, die sich nicht an die Maskentragpflicht hielten, wegzuweisen. Die Filialleiterin der C.__ (Geschäft) sei als solche Betreiberin zu qualifizieren und sei demnach verpflichtet gewesen, Massnahmen vorzusehen, welche die Einhaltung der Maskentragpflicht gewährleisteten. Sie sei deshalb dazu berechtigt gewesen, den Nachweis eines Attests zu verlangen (S. 14 der erstinstanzlichen Urteilsbegründung, pag. 57). Sodann sei auch die Polizei zur Durchführung einer entsprechenden Kontrolle berechtigt gewesen (Art. 17 Abs. 1 der Covid-19-Verordnung Kanton Bern, BSG 815.123 und Art. 215 Abs. 2 lit. b und c StPO).
Im Weiteren falle keine Verletzung des Arztgeheimnisses in Betracht, zumal keine Person, welche der Strafbestimmung von Art. 321 StGB unterstehe, eine Handlung vornehme, sondern das Attest von der betroffenen Person selbst vorgezeigt werde. Zudem seien dem Attest vorliegend auch keine bedeutsamen medizinischen Inhalte zu entnehmen (S. 13 f. der erstinstanzlichen Urteilsbegründung, pag. 56 f.).
c) Erwägungen der Kammer
Die vorinstanzliche Auslegung der Bestimmung von Art. 3b Abs. 2 lit. b Covid-19-Verordnung besondere Lage insbesondere hinsichtlich der Frage des Zeitpunkts, in welchem das ärztliche Attest vorgewiesen werden muss, erfolgte detailliert und nachvollziehbar; sie wirkt schlüssig. Die Kammer gelangt – wie nachfolgend eingehend begründet – dennoch zum Schluss, dass sich eine derartige Auslegung der vorgenannten Bestimmung mit dem Bestimmtheitsgebot gemäss Art. 1 StGB i.V.m. Art. 7 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK, SR 0.101) nicht vereinbaren lässt.
Gemäss Art. 1 StGB darf eine Strafe Massnahme nur wegen einer Tat verhängt werden, die das Gesetz ausdrücklich unter Strafe stellt. Gemäss Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (nachfolgend: EGMR) und des Bundesgerichts liegt der Fokus dabei nicht nur auf der Qualität der Strafnorm an sich, sondern auf der Voraussehbarkeit einer Bestrafung für den Handelnden (BGE 138 IV 13, 20; 139 IV 62, nicht publ. E. 2.4 [BGer, StrA, 11. 12. 2012, 6B_771/2011]). Massgeblich ist demnach, dass das Gesetz so präzise formuliert ist, dass der Bürger sein Verhalten danach richten und die Folgen eines bestimmten Verhaltens mit einem den Umständen entsprechenden Grad an Gewissheit erkennen kann (BGE 119 IV 242 E. 1b; EGMR, 19. 9. 2008, i. S. Korbely, Nr. 9174/02, § 73). Die Voraussehbarkeit bezieht sich nicht nur auf die Tatbestandsmässigkeit, sondern auch auf rechtfertigende Umstände (EGMR, 17. 2. 2005, i. S. K.A. et al., Nr. 42758/98, § 55). Es gibt damit Grenzen für die Verwendung allgemeiner gar mehrdeutiger Begriffe durch den Verordnungs- und Gesetzgeber besser für die eigenständige Auslegung und Anwendung der entsprechenden Begriffe durch die Justiz. Der Grad der erforderlichen Bestimmtheit einer rechtlichen Strafbestimmung lässt sich dabei immerhin nicht abstrakt festlegen. Er hängt unter anderem von der Vielfalt der zu ordnenden Sachverhalte, von der Komplexität und der Vorhersehbarkeit der im Einzelfall erforderlichen Entscheidung, von den Normadressaten, von der Schwere des Eingriffs in Verfassungsrechte und von der erst bei der Konkretisierung im Einzelfall möglichen und sachgerechten Entscheidung ab (BGE 132 I 49 E. 6.2; BGE 128 I 327 E. 4.2; je mit Hinweisen; Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte Larissis Dimitrios gegen Griechenland vom 24. Februar 1998, Recueil CourEDH 1998-I S. 362).
Voranstehend wurde bereits festgehalten, dass die Sanktionierung der Widerhandlung gegen die Maskentragpflicht im Rahmen der Covid-19-Verordnung besondere Lage an sich auf einer genügenden (materiell)gesetzlichen Grundlage basiert und die Strafbestimmung eine genügende Normdichte aufweist (Ziff. III. 11.1 dieses Urteils). Art. 13 lit. f der Covid-19-Verordnung besondere Lage beschreibt – wie erwähnt – den Täterkreis, die möglichen Tatorte, die konkrete Tathandlung, den subjektiven Tatbestand sowie die Sanktion. Hinsichtlich des Dispenses von der Maskentragpflicht verweist die vorgenannte Strafbestimmung pauschal auf die in Art. 3b Abs. 2 der Covid-19-Verordnung besondere Lage aufgeführten Gründe. Dieser Ausnahme-Bestimmung, welche im Endeffekt rechtfertigende Umstände umschreibt, ist lediglich zu entnehmen, dass zum Nachweis medizinischer Gründe ein ärztliches Attest notwendig ist, jedoch nicht, zu welchem Zeitpunkt dieser Nachweis erbracht werden muss. Personen, welche über ein ärztliches Attest verfügen, können aus der Verordnungsbestimmung herauslesen, dass man im relevanten Zeitpunkt sicher über ein Attest verfügen muss, also ein nachträgliches Attest nicht ausreichend wäre. Hingegen ergibt sich aus der Verordnungsbestimmung selber nicht mit genügender Bestimmtheit, dass ein Attest zu einem bestimmten Zeitpunkt sogar – wie von der Vorinstanz gefordert – «sur place» bzw. umgehend vorgewiesen werden muss, ansonsten sie sich des unbefugten Maskentragens schuldig machen würden. Eine solche, die Strafbarkeit ausdehnende Interpretation im Kontext der Dispensvorweisung erscheint nicht zulässig, wenn es auch wünschenswert gewesen wäre, wenn der Verordnungsgeber hier präziser formuliert hätte.
Wie die nachfolgende Subsumtion zeigt, erübrigen sich damit weitere Ausführungen zur Frage, welche Personen zur Kontrolle von ärztlichen Maskendispensen berechtigt sind. Zu erwähnen ist einzig, dass der Vorinstanz zuzustimmen ist, dass es beim Vorweis des medizinischen Attests nicht um einen Verstoss gegen Art. 321 Abs. 1 StGB handelt, da es an einer tatbestandsmässigen Handlung seitens einer unter dem Arztgeheimnis stehenden Medizinalperson mangelt und im vorliegenden Fall mangels konkreter Angaben zum Gesundheitszustand des Beschuldigten auch keine «Geheimnisse» i.S. der vorgenannten Bestimmung offenbart werden (S. 14 der erstinstanzlichen Urteilsbegründung, pag. 57).
4.5 Subsumtion
Bestraft wird, wer entgegen Artikel 3a 3b Abs. 1 in Fahrzeugen des öffentlichen Verkehrs, in öffentlich zugänglichen Innenräumen und Aussenbereichen von Einrichtungen und Betrieben und in Zugangsbereichen des öffentlichen Verkehrs keine Gesichtsmaske trägt, sofern nicht eine Ausnahme gemäss Art. 3a Abs. 1 3b Abs. 2 der Covid-19-Verordnung besondere Lage gegeben ist.
Beweismässig erstellt ist der angeklagte Sachverhalt, wonach der Beschuldigte die C.__ (Geschäft) in B.__(Ort) betrat, ohne die vorgeschriebene Gesichtsmaske zu tragen. Er wurde von der Filialleiterin auf die geltende Maskentragpflicht hingewiesen, worauf er angab, im Besitz eines ärztlichen Attests zu sein, welches ihn von der Maskentragpflicht entbinde. Er weigerte sich jedoch, dieses der Filialleiterin bzw. kurz darauf dem Polizeibeamten vorzuweisen. Der Beschuldigte wies eine entsprechende Dispensation von der Maskentragpflicht erst an der erstinstanzlichen Hauptverhandlung vom 8. September 2021 vor. Sein ärztliches Attest datierte vom 26. August 2020 und wurde durch D.__ ausgestellt (pag. 23, 32). Wie auch die Vorinstanz festhielt, kann beweismässig davon ausgegangen werden, dass der Beschuldigte dieses Attest beim Vorfall vom 25. März 2021 an sich dabeigehabt hat (S. 3 der erstinstanzlichen Urteilsbegründung, pag. 46).
Der Beschuldigte verfügte demnach zum Tatzeitpunkt vom 25. März 2021 über ein rechtmässiges ärztliches Attest vom 26. August 2020, welches ihn gemäss Art. 3b Abs. 2 lit. b Covid-19-Verordnung besondere Lage von der Maskentragpflicht entband bzw. entbindet. Der Beschuldigte erbrachte den Nachweis seiner Dispensation von der Maskentragpflicht zwar nicht umgehend in der C.__(Geschäft), jedoch anlässlich der erstinstanzlichen Hauptverhandlung. Der Beschuldigte kann sich demnach auf die strafbarkeitsausschliessende Bestimmung von Art. 13 lit. f i.V.m. Art. 3b Abs. 2 lit. b Covid-19-Verordnung besondere Lage berufen und ist vom Vorwurf der Widerhandlung gegen die vorgenannte Verordnung freizusprechen.
IV. Kosten und Entschädigung
1. Erstinstanzliches Verfahren
Gemäss Art. 426 Abs. 1 StPO trägt die beschuldigte Person die Verfahrenskosten, wenn sie verurteilt wird. Wird das Verfahren eingestellt die beschuldigte Person freigesprochen, so können ihr die Verfahrenskosten ganz teilweise auferlegt werden, wenn sie rechtswidrig und schuldhaft die Einleitung des Verfahrens bewirkt dessen Durchführung erschwert hat (Art. 426 Abs. 2 StPO).
Die ratio legis des Art. 426 Abs. 2 StPO ist der Schutz der Staatsfinanzen vor einer Belastung mit Verfahrenskosten, die ein Beschuldigter durch vorwerfbares Verhalten im Strafverfahren veranlasst hat. Hat eine beschuldigte Person rechtswidrig und schuldhaft den dringenden Verdacht einer strafbaren Handlung erweckt und dadurch ein Strafverfahren veranlasst, wodurch dem Staatsvermögen Kosten entstehen, so wäre es stossend und unbefriedigend, wenn letztlich der Steuerzahler dafür aufkommen müsste (BSK StPO-Domeisen, Art. 426 StPO N 30; vgl. BGE 116 Ia 162 E. 2d/bb).
Im vorliegenden Fall unterliess es der Beschuldigte, sein ärztliches Attest vorzuweisen, welches ihn von der Maskenpflicht entbindet. Der Beschuldigte hatte mehrere Möglichkeiten, dieses Attest vorzulegen und damit die Einschaltung/das Aktivwerden der Strafbehörden und die Einleitung eines Strafverfahrens zu verhindern: im Laden, bei der Polizei, bei der Staatsanwaltschaft. Anders ausgedrückt verursachte der Beschuldigte mit seinem freiwilligen Entscheid, erst anlässlich der Hauptverhandlung sein Attest vorzulegen, das gesamte erstinstanzliche Verfahren. Da Art. 3b Abs. 2 lit. b der Covid-19-besondere Lage zudem eine verwaltungsrechtliche Vorschrift darstellt, verstösst derjenige, der trotz Aufforderung die Vorlage eines entsprechenden ärztlichen Zeugnisses ohne Grund verzögert, gegen eine verwaltungsrechtliche Pflicht. Die Kammer gelangt demnach zum Schluss, dass die gesamten erstinstanzlichen Verfahrenskosten, insgesamt ausmachend CHF 1'600.00, dem Beschuldigten auferlegt werden.
Eine Entschädigung an den Beschuldigten/Berufungsführer für das erstinstanzliche Verfahren entfällt damit im Sinne von Art. 430 Abs. 1 lit. a StPO.
2. Oberinstanzliches Verfahren
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens tragen die Parteien nach Massgabe ihres Obsiegens Unterliegens (Art. 428 Abs. 1 StPO). Ob eine Partei im Rechtsmittelverfahren als obsiegend unterliegend gilt, hängt davon ab, in welchem Ausmass ihre vor Berufungsgericht gestellten Anträge gutgeheissen wurden.
Der Antrag des Beschuldigten, er sei freizusprechen, wird oberinstanzlich vollumfänglich gutgeheissen. Demnach sind die Verfahrenskosten, ausmachend CHF 2’000.00 (Art. 24 Abs. 1 lit. a des Verfahrenskostendekrets; VKD, BSG 161.2) dem Kanton Bern zur Bezahlung aufzuerlegen (Art. 423 Abs. 1 StPO).
Der Beschuldigte verlangt eine «angemessene Wiedergutmachung (…), da der gute Ruf des Beschuldigten geschädigt wurde» und die Erstattung der ihm entstandenen Kosten (pag. 198). Soweit damit eine Genugtuung im Sinne von Art. 429 Abs. 1 lit. c StPO gefordert werden sollte, fehlt es an der vom Gesetz geforderten besonders schweren Verletzung in den persönlichen Verhältnissen, zumal der Beschuldigte zu diesem Punkt nicht mehr als geschildert ausführt. Soweit sonstige Kostenerstattung geltend gemacht wird, werden entsprechende wirtschaftliche Einbussen nicht weiter belegt/detailliert, so dass eine Entschädigung unter diesem Titel ebenfalls entfällt.
V. Dispositiv
Die 1. Strafkammer erkennt:
I.
A.__ wird freigesprochen:
von der Anschuldigung der Widerhandlung gegen die Covid-19-Verordnung besondere Lage, angeblich begangen am 25. März 2021, ca. 16:15 Uhr, in B.__(Ort), C.__(Geschäft),
ohne Ausrichtung einer Entschädigung.
II.
A.__ wird in Anwendung von Art. 426 Abs. 2 StPO verurteilt:
zur Bezahlung der erstinstanzlichen Verfahrenskosten von CHF 1'600.00.
III.
Die oberinstanzlichen Verfahrenskosten von CHF 1'500.00 werden dem Kanton Bern zur Bezahlung auferlegt.
II.
Zu eröffnen:
• dem Beschuldigten/Berufungsführer
• der Generalstaatsanwaltschaft
Mitzuteilen:
• der Vorinstanz
• dem Bundesamt für Gesundheit
Bern, 10. August 2022
Im Namen der 1. Strafkammer
Der Präsident i.V.:
Oberrichter Zbinden
Die Gerichtsschreiberin:
López
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Zustellung der schriftlichen Begründung beim Bundesgericht, Av. du Tribunal fédéral 29, 1000 Lausanne 14, Beschwerde in Strafsachen gemäss Art. 39 ff., 78 ff. und 90 ff. des Bundesgerichtsgesetzes (BGG; SR 173.110) geführt werden. Die Beschwerde muss den Anforderungen von Art. 42 BGG entsprechen.