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Urteil Obergericht (BE)

Kopfdaten
Kanton:BE
Fallnummer:HG 2015 28
Instanz:Obergericht
Abteilung:-
Obergericht Entscheid HG 2015 28 vom 09.04.2015 (BE)
Datum:09.04.2015
Rechtskraft:Der Entscheid ist rechtskräftig.
Leitsatz/Stichwort:Art. 6 Abs. 2 Bst. c ZPO: Sachliche Zuständigkeit des Handelsgerichts, Eintrag im HReg als Gesellschafter einer Kollektivgesellschaft
Schlagwörter : Kollektiv; Kollektivgesellschaft; Handelsregister; Person; Handelsgericht; Streitigkeit; Natürliche; Eintrag; Urteil; Kollektivgesellschafter; Gesellschaft; Bundesgericht; Gesuch; Zuständig; Gesellschafter; Recht; Zuständigkeit; Sachlich; Handelsgerichts; Bernische; Streitigkeiten; Gericht; Prozessordnung; Bernischen; Voraussetzung; Konkurs; Natürlichen; Entscheid; Gesuchsgegner
Rechtsnorm: Art. 218 KG ; Art. 253 ZPO ; Art. 39 KG ; Art. 6 ZPO ;
Referenz BGE:137 III 563; 139 III 67; 140 III 355; 140 III 409;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:-
Entscheid
HG 2015 28 - Art. 6 Abs. 2 Bst. c ZPO: Sachliche Zuständigkeit des Handelsgerichts, Eintrag im HReg als Gesellschafter einer Kollektivgesellschaft
HG 15 28, publiziert Mai 2015

Entscheid des Handelsgerichts des Kantons Bern

vom 19. März 2015

Oberrichterin Wüthrich-Meyer (Vizepräsidentin)
Gerichtsschreiber Dr. Lüthi


X AG
vertreten durch Fürsprecher Y
Gesuchstellerin
gegen
B
Gesuchsgegner


Regeste:
• Art. 6 Abs. 2 Bst. c ZPO; Sachliche Zuständigkeit des Handelsgerichts
• Eintrag im HReg als Gesellschafter einer Kollektivgesellschaft stellt keinen Eintrag i.S.v. Art. 6 Abs. 2 Bst. c ZPO dar (Rz. 7-15).


Redaktionelle Vorbemerkungen:
Keine

Auszug aus den Erwägungen:

( )
2. Bei der vorläufigen Eintragung von Bauhandwerkerpfandrechten handelt es sich um Anordnungen vorsorglicher Massnahmen im Sinne von Art. 6 Abs. 5 der Schweizerischen Zivilprozessordnung (Zivilprozessordnung, ZPO; SR 272), weshalb das Handelsgericht für die Beurteilung entsprechender Gesuche sachlich zuständig ist, sofern es in der Hauptsache - namentlich der definitiven Bauhandwerkerpfandrechtseintragung - sachlich zuständig ist (vgl. ausführlich zum Vorangehenden BGE 137 III 563 E. 3.4).
3. Gemäss Art. 7 Abs. 1 des bernischen Einführungsgesetzes zur Zivilprozessordnung, zur Strafprozessordnung und zur Jugendstrafprozessordnung (EG ZSJ; BSG 271.1) in Verbindung mit Art. 45 Abs. 2 des bernischen Gesetzes über die Organisation der Gerichtsbehörden und der Staatsanwaltschaft (GSOG; BSG 161.1) ist die Präsidentin oder der Präsident des Handelsgerichts des Kantons Bern zur Beurteilung von vorsorglichen Massnahmen vor Eintritt der Rechtshändigkeit zuständig.
4. Für eine definitive Eintragung von Bauhandwerkerpfandrechten ist das Handelsgericht sachlich zuständig, wenn eine handelsrechtliche Streitigkeit gemäss Art. 6 Abs. 2 ZPO vorliegt. Eine solche ist gegeben, wenn die geschäftliche Tätigkeit mindestens einer Partei betroffen ist (Bst. a), gegen den Entscheid die Beschwerde in Zivilsachen an das Bundesgericht offen steht (Bst. b) und die Parteien im schweizerischen Handelsregister oder einem vergleichbaren ausländischen Register eingetragen sind (Bst. c). Diese drei Voraussetzungen müssen, vorbehältlich der in Art. 6 Abs. 3 ZPO vorgesehenen Ausnahme, kumulativ gegeben sein. Eine Einlassung durch die Gegenseite ist nicht möglich (BGE 140 III 355 E. 2.4).
5. Offenkundig ist bei vorliegender Streitigkeit die geschäftliche Tätigkeit der Gesuchstellerin betroffen. Art. 6 Abs. 2 Bst. a ZPO ist demnach erfüllt.
6. Erforderlich ist ferner, dass gegen den Entscheid die Beschwerde in Zivilsachen an das Bundesgericht offen steht (Bst. b). Hieraus wird aufgrund von Art. 74 Abs. 1 Bst. b des Bundesgesetzes vom über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG; SR 173.110) bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten ein Mindeststreitwert von CHF 30‘000.00 als Voraussetzung einer handelsrechtlichen Streitigkeit abgeleitet (vgl. dazu BGE 139 III 67 E. 1.2). Auch diese Voraussetzung ist vorliegend mit einem Gesamtstreitwert von [mehr als CHF 30‘000.00] erfüllt, wobei bezüglich der Zulässigkeit der objektiven Klagehäufung und insbesondere der damit verbundenen Streitwertberechnung auf das Urteil des Handelsgerichts des Kantons Bern HG 13 98 vom 23. Juni 2014 verwiesen sei.
7. Fraglich ist vorliegend einzig, ob der Gesuchsgegner im Sinne von Art. 6 Abs. 2 Bst. c ZPO im Handelsregister eingetragen ist oder nicht. Ein solcher Eintrag des Gesuchsgegners ist - anders als ein Eintrag der Gesuchstellerin - zwingend erforderlich (vgl. Art. 6 Abs. 3 ZPO e contrario). Beim Gesuchsgegner handelt es sich um eine natürliche Person. Im Handelsregister des Kantons [ ] ist er als Gesellschafter der Kollektivgesellschaft [A, B & Cie.] eingetragen. Dass die vorliegende Streitigkeit in der Sache selbst mit der Kollektivgesellschaft oder der Eigenschaft des Gesuchsgegners als deren Gesellschafter zusammenhängen würde, macht die Gesuchstellerin weder geltend noch wäre solches ersichtlich.
8. Ob ein Eintrag als Kollektivgesellschafter dem Erfordernis von Art. 6 Abs. 2 Bst. c ZPO zu genügen vermag, wurde bislang - soweit ersichtlich - unter der geltenden schweizerischen ZPO noch nicht höchstrichterlich entschieden. Einschlägige Urteile aus den anderen Handelsgerichtskantonen sind dem urteilenden Gericht ebenfalls nicht bekannt. Hinzuweisen sei an dieser Stelle immerhin auf zwei Urteile des Bundesgerichts, die immerhin verwandte Themen betrafen. Beim Beklagten im vom Bundesgericht beurteilten Fall BGE 140 III 409 handelte es sich um einen im Handelsregister eintragenen Geschäftsführer einer GmbH. Dazu hielt das Bundesgericht in seiner Erwägung 2 fest, zu Recht werde nicht in Frage gestellt, „( ) dass die Vorinstanz ihre sachliche Zuständigkeit nach Art. 6 Abs. 2 ZPO verneint hat, weil der Beschwerdegegner nur in seiner Eigenschaft als Organ, nicht jedoch als Unternehmer unter seiner Firma im Handelsregister eingetragen war ( ).“ Vertieft prüfte es aufgrund der gegebenen Konstellation nur, aber immerhin, ob eine Streitigkeit im Sinne von Art. 6 Abs. 4 Bst. b ZPO vorlag. In E. 3.4 seines Urteils 4A_234/2013 stellte das Bundesgericht fest, dass Streitigkeiten unter Kollektivgesellschaftern (über gesellschaftsrechtliche Ansprüche) unter Art. 6 Abs. 4 Bst. b ZPO fallen würden - um eine solche gesellschaftsrechtliche Streitigkeit geht es vorliegend jedoch nicht.
9. Die Lehre ist sich uneins: Berger, Berner Kommentar ZPO I, 2012, N. 10 zu Art. 6 ZPO; Ders., Verfahren vor dem Handelsgericht: ausgewählte Fragen, praktische Hinweise, ZBJV 2012, 473; Härtsch, Stämpflis Handkommentar ZPO, 2010, N. 23 zu Art. 6 ZPO, befürworten diesfalls das Vorliegen eines ausreichenden Eintrags im Handelsregister, während Rüetschi, Zürcher Kommentar ZPO, 2. Aufl. 2013, N. 24 zu Art. 6 ZPO; Vock/Nater, Basler Kommentar ZPO, 2. Aufl. 2013, N. 12 zu Art. 6 ZPO; wohl auch Brunner, Dike-Kommentar ZPO, 2011, N. 19 zu Art. 6 ZPO, dies ablehnen. Haas/Schlumpf, Kurzkommentar ZPO, Oberhammer (Hrsg.), 2. Aufl. 2013, N. 11 zu Art. 6 ZPO; Gasser/Rickli, Kurzkommentar ZPO, 2. Aufl. 2014, N. 4 zu Art. 6 ZPO; äussern sich nicht zu dieser Frage.
Berger ist der einzige Autor, der seine Meinung immerhin kurz begründet. Für ihn ist entscheidend, ob eine natürliche (oder juristische) Person der Konkursbetreibung gemäss Art. 39 des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG; SR 281.1) unterliegt oder nicht.
10. Gespalten scheint auch die frühere kantonale Rechtslage gewesen zu sein (siehe Rüetschi, a.a.O., N. 24 zu Art. 6 ZPO). Während in den Kantonen Zürich und Aargau gesetzlich normiert war, dass diesfalls kein ausreichender Handelsregistereintrag vorliegt (vgl. § 62 Abs. 1 des ehemaligen zürcherischen Gerichtsverfassungsgesetzes sowie § 404 Abs. 1 Bst. a des ehemaligen aargauischen Zivilrechtspflegegesetzes), wurde dies in den Kantonen Bern und St. Gallen von der Rechtsprechung bejaht.
Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass es sich bei der angerufenen bernischen Rechtsprechung um drei alte bzw. sehr alte Urteile handelt, namentlich um Urteile aus den Jahren 1928, 1942 und 1976. Sowohl das Urteil aus dem Jahr 1928 (ZBJV 1929 266 f.) als auch dasjenige von 1976 (ZBJV 1976 541 ff.) betreffen gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten zwischen Kollektivgesellschaftern, welche unter geltender ZPO unter Art. 6 Abs. 4 Bst. b ZPO fallen würden (vgl. Urteil des BGer 4A_234/2013). Das frühere bernische Recht kannte anscheinend keine mit Art. 6 Abs. 4 Bst. b ZPO vergleichbare Norm, weshalb zur Begründung einer (in der Sache durchaus angebrachten) handelsgerichtlichen Zuständigkeit für gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten zwischen Kollektivgesellschaftern die allgemeine Zuständigkeits-bestimmung bemüht werden musste. Das Urteil aus dem Jahr 1942 (ZBJV 1944 129 ff.) betrifft einen Fall, der heute unter Art. 6 Abs. 3 ZPO fallen würde, war es dort doch der Kläger, der bloss als Kollektivgesellschafter im Handelsregister eingetragen war - der Handelsregistereintrag der Beklagten war ohne weiteres gegeben. In letztgenanntem Entscheid wird zur Begründung, weshalb ein solcher Handelsregistereintrag ausreichend sei, ausgeführt, es entspreche dem Sinn der (ehemaligen) bernischen Art. 73 Abs. 1 GOG und § 9 Abs. 1 des Dekrets über das Handelsgericht, dass „der Begriff des dem handelsgerichtlichen Verfahren unterstellten Kaufmanns mit dem Begriff des gemäss Art. 39 SchKG der Konkursbetreibung unterliegenden Schuldners übereinstimmt ( )“ (vgl. E. 2 des Urteils, S. 130).
11. Aus Sicht des urteilenden Gerichts ist die vorliegende Situation vergleichbar mit derjenigen eines im Handelsregister als Organ einer juristischen Person (z.B. als Verwaltungsrat) eingetragenen natürlichen Person als beklagter Partei. Hier wie dort kann die entsprechende natürliche Person als kaufmännisch versiert bezeichnet werden, beide nehmen am Geschäftsverkehr teil. Und in beiden Fällen lässt sich gleichwohl die wirtschaftlich tätige „Einheit“ von der natürlichen Person selbst unterscheiden (dies im Unterschied zum ebenfalls im Handelsregister eingetragenen Einzelunternehmen). Zwar handelt es sich im einen Fall beim Unternehmen um eine separate juristische Person, doch liegt auch im anderen Fall - also bei Kollektiv- und Kommanditgesellschaften - eine Handelsgesellschaft vor, „die unter ihrer Firma Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen, vor Gericht klagen und verklagt werden“ kann (vgl. Art. 562 des Obligationenrechts [OR; SR 220] für die Kollektivgesellschaft). Es lässt sich hier mit anderen Worten zwischen einem Handeln der natürlichen Person als Privatperson und einem Handeln von ihr als Geschäftsperson (für die Gesellschaft) - oder eben Kaufmann - unterscheiden. Das Bundesgericht lehnt das Vorliegen eines ausreichenden Handelsregistereintrags (und damit zugleich auch eine handelsgerichtliche Streitigkeit) bei einer als Geschäftsführer einer GmbH im Handelsregister eingetragenen natürlichen Person ab (vgl. BGE 140 III 409 E. 2), weshalb dies in vorliegendem Fall ebenso zutreffend sein muss.
12. Das Handelsgericht ist demnach gestützt auf Art. 6 Abs. 2 resp. 3 ZPO - die weiteren Voraussetzungen als gegeben unterstellt - sachlich zuständig für eine Klage gegen eine Kollektivgesellschaft, unabhängig davon, ob die Klägerin im Handelsregister eingetragen ist oder nicht. Für Streitigkeiten unter Kollektivgesellschaftern über die Kollektivgesellschaft ist das Handelsgericht gestützt auf Art. 6 Abs. 4 ZPO zuständig. Nicht zuständig ist das Handelsgericht hingegen für Streitigkeiten, in welchen es sich bei der Beklagten um eine natürliche Person handelt, die als Privatperson agiert hat und gegenüber der Klägerin auch als solche aufgetreten ist, bloss weil diese natürliche Person - vollkommen losgelöst davon - als Kollektivgesellschafter im Handelsregister eingetragen ist.
13. Darauf abstellen zu wollen, ob eine natürliche Person der Konkursbetreibung gemäss Art. 39 SchKG unterliegt oder nicht, scheint dem Gericht nicht überzeugend. Zunächst ist festzustellen, dass diese Lehrmeinung auf die frühere kantonale Auslegung bernischen Rechts zurückzuführen sein dürfte, welche für die ZPO nicht einschlägig sein kann. Sodann ist ein Zusammenhang zwischen Betreibungsart und handelsgerichtlicher Streitigkeit nicht auszumachen. Dass Kollektivgesellschafter und unbeschränkt haftende Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft der Konkursbetreibung unterliegen, dürfte damit zusammenhängen, dass die entsprechenden Handelsgesellschaften - obwohl partei- und prozessfähig - keine eigenständigen juristischen Personen sind und die aufgeführten Gesellschafter entsprechend unbeschränkt haften (vgl. auch die Koordinationsnorm von Art. 218 SchKG).
14. Im Übrigen erscheint es wenig praktikabel, den Eintrag als Kollektivgesellschafter als für Art. 6 Abs. 2 Bst. c ZPO bereits ausreichend zu erachten. Da die handelsgerichtliche Zuständigkeit bei gegebenen Voraussetzungen zwingend ist, würde dies praktisch heissen, dass in jedem Zivilverfahren zwischen einer im Handelsregister eingetragenen Klägerin, deren geschäftliche Tätigkeit von ihrer Klage mit einem Streitwert von über CHF 30‘000.00 betroffen ist, und einer natürlichen Person als Beklagten zunächst von Amtes wegen geprüft werden müsste, ob nicht die beklagte Person allenfalls Gesellschafter einer Kollektivgesellschaft sei. Falls dies zu bejahen wäre, wäre alsdann ausschliesslich das Handelsgericht sachlich zuständig; und zwar völlig unabhängig davon, ob die Streitigkeit mit der Kollektivgesellschaft oder der Eigenschaft der beklagten Person als Gesellschafter auch nur das Geringste zu tun hat.
15. Auf das Gesuch ist aufgrund des Vorangehenden mangels sachlicher Zuständigkeit des Handelsgerichts nicht einzutreten. Fehlt es an einer Prozessvoraussetzung und ist deshalb das Gesuch offensichtlich unzulässig, so erübrigt es sich, das Gesuch der Gegenpartei zur Stellungnahme zuzustellen (Art. 253 ZPO e contrario; Mazan, Basler Kommentar ZPO, 2. Aufl. 2013, N. 12 zu Art. 253 ZPO).

( )


Hinweis:
Der Entscheid ist rechtskräftig.

Quelle: https://www.zsg-entscheide.apps.be.ch/tribunapublikation/
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