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Urteil Obergericht (AG)

Zusammenfassung des Urteils AGVE 2016 12: Obergericht

Es geht um die Nichtigkeit einer Verfügung im Sozialversicherungsrecht aus dem Jahr 2016. Eine Beschwerde an das Versicherungsgericht hat Devolutiveffekt, wodurch die Verwaltung nach ihrer Stellungnahme nicht mehr über den Streitgegenstand verfügen kann. Die nach Litispendenz und Vernehmlassung erlassene Verfügung ist daher nichtig. Auch in späteren Verfahren kann die Nichtigkeit einer Verfügung festgestellt werden, selbst wenn dies nicht beantragt wurde. Der Richter des Versicherungsgerichts hat in einem Fall entschieden, dass eine Verwaltung nicht berechtigt war, eine bestimmte Verfügung zu erlassen, und daher ist diese nichtig.

Urteilsdetails des Kantongerichts AGVE 2016 12

Kanton:AG
Fallnummer:AGVE 2016 12
Instanz:Obergericht
Abteilung:Abteilung Versicherungsgericht
Obergericht Entscheid AGVE 2016 12 vom 24.02.2016 (AG)
Datum:24.02.2016
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:AGVE - Archiv 2016 Sozialversicherungsrecht 85 [...] 12 Art. 53 Abs. 3 ATSG Da einer Beschwerde an das Versicherungsgericht...
Schlagwörter : Verfügung; Versicherungsgericht; Nichtigkeit; Vernehmlassung; Verwaltung; Versicherungsgerichts; Beschwerdeverfahren; Vorbescheid; Urteil; Zeitpunkt; Streitgegenstand; Verfahren; Entscheid; Verfü-; Sozialversicherungsrecht; Rechtsmittel; Devolutiveffekt; Obergericht; Abteilung; Verfügungen; Erstattung; Abschluss; Eidgenössischen; Litispendenz; Kammer; Erwägungen
Rechtsnorm:Art. 53 ATSG ;
Referenz BGE:109 V 234; 127 V 228; 136 V 2;
Kommentar:
-

Entscheid des Kantongerichts AGVE 2016 12

2016 Sozialversicherungsrecht 85

[...]
12 Art. 53 Abs. 3 ATSG Da einer Beschwerde an das Versicherungsgericht als ordentliches Rechtsmittel Devolutiveffekt zukommt, bleibt es der Verwaltung ab dem Zeitpunkt, in welchem sie sich hat vernehmen lassen, verwehrt, über den hängigen Streitgegenstand zu verfügen. Die nach Litispendenz und Er- stattung der Vernehmlassung erlassene Verfügung ist daher nichtig. Die
2016 Obergericht, Abteilung Versicherungsgericht 86

Nichtigkeit einer Verfügung kann auch in einem späteren Verfahren noch festgestellt werden, selbst wenn dies nicht beantragt wurde. Aus dem Entscheid des Versicherungsgerichts, 4. Kammer, vom 24. Februar 2016, i.S. H.S. gegen SVA Aargau (VBE.2015.549). Aus den Erwägungen
2.
2.1
(...) Einer Beschwerde an das Versicherungsgericht kommt als
ordentliches Rechtsmittel Devolutiveffekt zu. Demnach geht die Zu-
ständigkeit zum Entscheid über eine angefochtene Verfügung grund-
sätzlich auf die Beschwerdeinstanz über. Mit der Rechtshängigkeit
wird der Verwaltung damit mit anderen Worten die Herrschaft über
den Streitgegenstand, insbesondere auch in Bezug auf die tatsächli-
chen Verfügungsund Entscheidungsgrundlagen, grundsätzlich
entzogen (vgl. BGE 136 V 2 E. 2.5 S. 5, 130 V 138 E. 4.2 S. 143,
127 V 228 E. 2b/aa S. 231 f.). Folglich bleibt es der Verwaltung ver-
wehrt, über den hängigen Streitgegenstand verfügungsweise zu
befinden. Dies gilt ab dem Zeitpunkt, in welchem sich die Verwal-
tung hat vernehmen lassen (vgl. auch Art. 53 Abs. ATSG e
contrario). Nach dem Zeitpunkt der Vernehmlassung erlassene Verfü-
gungen haben lediglich den Charakter eines einfachen Antrags an
den Richter (BGE 127 V 228 E. 2b/bb S. 233 f., 109 V 234 E. 2
S. 236 f.; vgl. auch SVR 2005 EL Nr. 3, S. 10). Rechtsprechungsge-
mäss sind insbesondere nach Einreichung der Vernehmlassung pen-
dente lite erlassene Verfügungen als nichtige Verfügungen zu be-
trachten (BGE 109 V 234 E. 2 S. 236 f.; vgl. auch SVR 2005 EL
Nr. 3, S. 10).
2.2.
2.2.1.
Der Beschwerdeführer hat vorliegend am 25. März 2015 gegen
die Verfügung vom 26. Februar 2015 Beschwerde erhoben. Das Ver-
fahren wurde am Versicherungsgericht unter der Verfahrensnummer
2016 Sozialversicherungsrecht 87

VBE.2015.200 erfasst. Die Beschwerdegegnerin erstattete ihre Ver-
nehmlassung in diesem Beschwerdeverfahren am 6. Mai 2015. Strei-
tig war unter anderem, ob es der Beschwerdegegnerin erlaubt gewe-
sen war, die Verfügung vom 26. Februar 2015 durch den Vorbescheid
vom 12. März 2015 (dieser wiederum ersetzt durch Vorbescheid vom
19. März 2015) zu ersetzen.
2.2.2.
Nach Erstattung ihrer Vernehmlassung im Verfahren
VBE.2015.200 und vor dessen Abschluss erliess die Beschwerdegeg-
nerin auf Grundlage des am 19. März 2015 erlassenen Vorbescheids
die hier angefochtene Verfügung vom 21. Juli 2015. Diese nach Li-
tispendenz und Erstattung der Vernehmlassung erlassene Verfügung
verstösst gegen die vorerwähnten Grundsätze (vgl. E. 2.1.) und ist
daher nichtig. Dies muss umso mehr gelten, als im Beschwer-
deverfahren VBE.2015.200 gerade die Zulässigkeit des Ersatzes der
Verfügung vom 26. Februar 2015 durch den Vorbescheid vom
12. März 2015 streitig war und die Beschwerdegegnerin daher bis
zum rechtskräftigen Abschluss des Beschwerdeverfahrens keine
gesicherte Kenntnis über das Schicksal der Verfügung vom
26. Februar 2015 hatte. Vor diesem Hintergrund kann jedenfalls nicht
davon ausgegangen werden, es liege ein bloss minder offensicht-
licher Mangel vor, der die Annahme der Nichtigkeit der Verfügung
vom 21. Juli 2015 nicht rechtfertigen würde. Vielmehr war die Be-
schwerdegegnerin offenkundig nicht berechtigt, die fragliche Verfü-
gung zu erlassen, worüber sie sich indes bewusst hinwegsetzte. Da-
mit verbleibt einzig der Schluss auf deren Nichtigkeit, zumal es sich
nicht um eine Frage der Prozessökonomie handelt (vgl. zum Ganzen
Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichts H 289/03 vom
17. Februar 2006 E. 2.2).
2.2.3.
Dass mit Urteil des Versicherungsgerichts VBE.2015.200 vom
26. August 2015 die Nichtigkeit der beschwerdegegnerischen Verfü-
gung vom 21. Juli 2015 nicht bereits festgestellt wurde, ist darauf zu-
rückzuführen, dass diese dem Versicherungsgericht zum Urteilszeit-
punkt nicht vorlag. Indes ist die Nichtigkeit einer Verfügung jederzeit
von Amtes wegen zu beachten (vgl. HÄFELIN/MÜLLER/UHLMANN,
2016 Obergericht, Abteilung Versicherungsgericht 88

Allgemeines Verwaltungsrecht, 7. Aufl. 2016, Rz. 1096). Die erst im
jetzt hängigen Beschwerdeverfahren VBE.2015.549 zu Tage tretende
Nichtigkeit der Verfügung vom 21. Juli 2015 ist daher entsprechend
festzustellen, auch wenn dies nicht beantragt wurde (vgl. Urteil des
Eidgenössischen Versicherungsgerichts C 4/00 vom 29. März 2001
E. 1 und dessen Dispositiv-Ziff. II). Das Beschwerdeverfahren selbst
ist zufolge Nichtigkeit der angefochtenen Verfügung als gegen-
standslos geworden von der Kontrolle abzuschreiben.

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

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