83 Art. 12 lit. g BGFA Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte haben sich im Rahmen der unent- geltlichen Rechtsvertretung mit der staatlichen Entschädigung zu begnü- gen, sofern die Gegenpartei nicht kostenpflichtig wird die eigene
Klientschaft nicht zu Vermögen gelangt. Auch der amtlichen Verteidige- rin, bzw. dem amtlichen Verteidiger ist es nicht gestattet, zusätzlich zur Entschädigung aus der Staatskasse von der Klientschaft ein Honorar zu fordern. Zusätzliche Leistungen können der Klientschaft nur in Rech- nung gestellt werden, wenn zusätzliche Tätigkeiten geleistet wurden, die nicht zum Mandat, für welches die unentgeltliche Rechtspflege gewährt wurde, gehören, und darüber eine entsprechende Vereinbarung abgeschlossen worden ist. Entscheid der Anwaltskommission vom 14. Oktober 2014 (AVV.2014.9). Sachverhalt
1.
[...]
Der Anzeiger führte sinngemäss und zusammenfassend aus, das
Gerichtspräsidium habe die beanzeigte Anwältin mit Verfügung vom
6. Juni 2012 im Verfahren betreffend Aufhebung des gemeinsamen
Haushalts/Präliminar zur unentgeltlichen Rechtsvertreterin der Ehe-
frau ernannt. Mit Verfügung vom 29. Oktober 2013 sei die Gerichts-
kasse angewiesen worden, der beanzeigten Anwältin einen Honorar-
vorschuss auszuzahlen. Dennoch habe sie ihre Klientin mit Schrei-
ben vom 26. November 2013 dazu aufgefordert, ihr trotz knapper
Verhältnisse monatlich CHF 50.00 abzubezahlen.
Die Geltendmachung von zusätzlichem Honorar gegenüber der
unentgeltlich prozessierenden Klientin könnte im konkreten Fall ge-
gen die Berufsregeln der Anwälte verstossen haben, zumal sich die
finanzielle Situation der unentgeltlich prozessierenden Ehefrau im
Laufe des Verfahrens (soweit ersichtlich) nicht verbessert habe.
Aus den Erwägungen
[...]
2.2.
Bei der unentgeltlichen Rechtsvertretung hat sich der Anwalt
mit der staatlichen Entschädigung zu begnügen, sofern die Gegen-
partei nicht kostenpflichtig wird sein eigener Klient nicht zu
Vermögen gelangt. Auch dem amtlichen Verteidiger ist es nicht ge-
stattet, zusätzlich zur Entschädigung aus der Staatskasse vom Klien-
ten ein Honorar zu fordern, selbst wenn der Klient ihm von sich aus
ein solches anbietet (vgl. Walter Fellmann in: Walter Fellmann /
Gaudenz G. Zindel [Hrsg.], Kommentar zum Anwaltsgesetz, 2. Auf-
lage, Zürich 2011, N 149 zu Art. 12 [zit. Name, BGFA-Kommentar]).
Gestützt auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung stellt die Rech-
nungsstellung an eine Partei, welcher die unentgeltliche Rechtspflege
gewährt wurde, eine Berufspflichtverletzung dar (vgl. Urteil des
Bundesgerichtes vom 26. September 2005, 2A.196/2005, E.2.1 und
3.2.). Das Verbot, dem Klienten Bemühungen in Rechnung zu stel-
len, die das Gericht im Rahmen der unentgeltlichen Rechtspflege bei
der Festsetzung der Entschädigung bereits berücksichtigt hat, ist
dieses Verbot Ausfluss der Berufspflicht des Art. 12 lit. g BFFA,
amtliche Pflichtverteidigungen zu übernehmen und im Rahmen der
unentgeltlichen Rechtspflege Rechtsvertretungen zu übernehmen.
Wenn sich ein Anwalt nicht mit der amtlich zugesprochenen
Vergütung begnügt, verletzt er daher nicht Art. 12 lit. a sondern
Art. 12 lit. g BGFA (vgl. Walter Fellmann, BGFA-Kommentar,
a.a.O., N. 149b zu Art. 12).
2.3.
Kein Verstoss gegen das Verbot, dem Klienten zusätzlich Bemü-
hungen in Rechnung zu stellen, liegt vor, wenn der Anwalt dem
Klienten diejenigen Bemühungen in Rechnung stellt, welche das Ge-
richt bei Festsetzung der Entschädigung nicht berücksichtigt hat. In
Betracht fallen namentlich pro-zessfremde Bemühungen, wie bei-
spielsweise Vergleichsverhandlungen, die geführt wurden, bevor der
Entschluss zur Prozessführung gefasst wurde und bevor der Rechts-
anwalt als unentgeltlicher Rechtsvertreter in Aussicht genommen
wurde. Auch die persönliche Betreuung eines Klienten die Be-
treuung von dessen Angehörigen durch den unentgeltlichen Rechts-
vertreter werden als prozessfremde Bemühungen vom Gericht nicht
honoriert (vgl. Walter Fellmann, BGFA-Kommentar, a.a.O., N. 149c
zu Art. 12).
Zusätzliche Leistungen des Anwaltes können dem Klienten so-
mit nur in Rechnung gestellt werden, wenn zusätzliche Tätigkeiten
geleistet wurden, die nicht zum Mandat, für welches die unentgelt-
liche Rechtspflege gewährt wurde, gehören, und darüber mit der
Mandantin/dem Mandanten eine entsprechende Vereinbarung abge-
schlossen worden ist.
[...]
3.3
[...]
Wie oben dargelegt (vgl. E. 2.3.), dürfen nur prozessfremde
Bemühungen zusätzlich in Rechnung gestellt werden. Wie die bean-
zeigte Anwältin in ihrer Stellungnahme ausführt, rief ihre Klientin
zwar ständig an, jedoch ist den Ausführungen zu entnehmen, dass sie
Fragen stellte, die vielleicht unnötig waren, aber dennoch stets im
Zusammenhang mit dem Eheschutzverfahren, insbesondere mit den
Kinderbelangen standen. Es handelte sich somit nicht um prozess-
fremde Bemühungen, wie von der beanzeigten Anwältin geltend ge-
macht wird. Die entsprechenden Aufwendungen hat die beanzeigte
Anwältin in ihrer Kostennote an das Bezirksgericht dann auch in
Rechnung gestellt und in ihrer Stellungnahme sogar als teilweise not-
wendige Aufwendungen begründet. Für dieses Verfahren wurde die
beanzeigte Anwältin mit Verfügung des Bezirksgerichts vom 26.
März 2014 auch entschädigt und sie durfte deshalb - unabhängig da-
von, ob dies mit der Klientin vereinbart wurde nicht von der
Klientin für die gestellten Fragen und die Korrespondenz keine zu-
sätzliche Entschädigung verlangen, auch wenn die staatliche Ent-
schädigung tiefer ausfiel. Sofern sie tatsächlich prozessfremde Auf-
wendungen gehabt hätte, davon ist vorliegend aber nicht auszugehen,
hätte die beanzeigte Anwältin mit ihrer Klientin diesbezüglich nicht
nur eine separate Vereinbarung treffen müssen, sondern sie hätte
diese auch als prozessfremde Leistungen gegenüber ihrer Klientin
ausweisen und auch separat in Rechnung stellen müssen. Die bean-
zeigte Anwältin hat jedoch von ihrer Klientin die Vergütung genau
jener Positionen verlangt, die durch die staatliche Entschädigung
nicht gedeckt wurden, respektive um welche ihre Kostennote durch
das Bezirksgericht gekürzt wurde. Damit handelte es sich bei diesen
Positionen zweifelsohne nicht um prozessfremde Aufwendungen, an-
dernfalls sie dafür wohl kaum eine staatliche Entschädigung bean-
tragt hätte. [...]
Die beanzeigte Anwältin hat demnach, indem sie zugestande-
nermassen das ihr vom Gericht gekürzte Honorar zumindest teilwei-
se ihrer Klientin in Raten CHF 50.00 in Rechnung gestellt hat,
gegen die Berufspflicht im Sinne des Art. 12 lit. g BGFA verstossen.