2013 Schuldbetreibungsund Konkursrecht 403
III. Schuldbetreibungsund Konkursrecht
78 § 3 Abs. 2 AnwT. Die summarischen Verfahren gemäss Schuldbetrei- bungsund Konkursgesetz sind Vollstreckungsverfahren gemäss § 3 Abs. 2 Satz 1 AnwT.
Aus dem Entscheid des Obergerichts, Zivilgericht, 4. Kammer, vom
3. September 2013 in Sachen A.L.C.-S. gegen K.A. (ZSU.2013.210).
Aus den Erwägungen
3.
3.1.
Die Vorinstanz hat erwogen, die Gesuchsgegnerin habe dem
Gesuchsteller einen Teil der Parteikosten zu ersetzen, nämlich 78 %.
In casu handle es sich um ein Vollstreckungsverfahren; dabei betrage
die Grundentschädigung 10-50 % der Ansätze gemäss § 3 Abs. 1 des
Dekrets über die Entschädigung der Anwälte (nachfolgend: AnwT).
Der Streitwert betrage Fr. 253'665.65, folglich betrage die Grundent-
schädigung Fr. 21'391.30 (Fr. 10'230.00 + 4,4 % des Streitwerts). Da-
von seien 10 % zu nehmen, was einem Betrag von Fr. 2'139.15 ent-
spreche. Da das Verfahren keine Verhandlung zum Gegenstand ge-
habt und lediglich ein Schriftenwechsel stattgefunden habe, rechtfer-
tige sich, die Entschädigung um 40 % auf Fr. 1'283.50 zu kürzen (§ 7
Abs. 2 AnwT). Somit habe die Gesuchsgegnerin dem Gesuchsteller
die richterlich festgesetzten Parteikosten in der Höhe von
Fr. 1'001.15 (78 % von Fr. 1'283.50) zu bezahlen.
3.2.
Der Gesuchsteller hat in der Beschwerde eine unrichtige
Rechtsanwendung durch die Vorinstanz gerügt und geltend gemacht,
ihre Annahme, es handle sich beim vorliegenden Verfahren um ein
Vollstreckungsverfahren gemäss § 3 Abs. 2 AnwT, sei unzutreffend.
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Welche Verfahren vor Gericht durchgeführt werden könnten, regle
die Schweizerische Zivilprozessordnung, die im Wesentlichen zwi-
schen dem ordentlichen, dem vereinfachten und dem summarischen
Verfahren unterscheide. Daraus gehe klar hervor, dass zwischen dem
summarischen Verfahren gemäss Schuldbetreibungsund Konkursge-
setz und dem Vollstreckungsverfahren zu unterscheiden sei. Genau
diese Unterscheidung habe der Anwaltstarif vor Inkrafttreten der
Schweizerischen Zivilprozessordnung ebenfalls noch vorgenommen.
Damit sei auch erstellt, dass unter dem Begriff "Vollstreckungsverfah-
ren" nicht summarische Verfahren gemäss Schuldbetreibungsund
Konkursgesetz wie im vorliegenden Fall zu verstehen seien. Die Vor-
instanz habe diese Unterscheidung in ihrer Begründung und im Ent-
scheid nicht vorgenommen, weshalb ihr unrichtige Rechtsanwendung
vorzuwerfen sei. Der geltende Anwaltstarif kenne die Unterschei-
dung zwischen den summarischen Verfahren gemäss Schuldbetrei-
bungsund Konkursgesetz und den Vollstreckungsverfahren nicht
mehr. Der Regierungsrat und in der Folge der Grosse Rat des Kan-
tons Aargau hätten im Zusammenhang mit dem Inkrafttreten der
Schweizerischen Zivilprozessordnung in § 3 Abs. 2 AnwT bewusst
die summarischen Verfahren gemäss Schuldbetreibungsund Kon-
kursgesetz von der 10-50%-Regelung ausgenommen. Sie hätten ge-
nerell summarische Verfahren, abgesehen vom Vollstreckungsverfah-
ren, unter die Bestimmung von Satz 2 des Absatzes 2 gestellt, mithin
unter die 25-100%-Regelung. Diese generelle Bestimmung für sum-
marische Verfahren ergebe sich aus der Botschaft und der Auslegung
des Satzes: "Abgesehen vom Vollstreckungsverfahren gelte für sum-
marische Verfahren Satz 2 von Absatz 2." Jedes Vollstreckungsver-
fahren sei ein summarisches Verfahren, hingegen sei nicht jedes sum-
marische Verfahren gemäss Schuldbetreibungsund Konkursgesetz
auch ein Vollstreckungsverfahren im Sinn des Anwaltstarifs. Nach
dem neuen Dekret sei klar und unmissverständlich: für summarische
Verfahren gemäss Schuldbetreibungsund Konkursgesetz gelte neu
die 25-100%-Regelung. Das vorliegende Verfahren sei ein Verfahren
gemäss Schuldbetreibungsund Konkursgesetz, hingegen nicht ein
Vollstreckungsverfahren. Die Vorinstanz habe diese Unterscheidung
in ihrer Begründung und im Entscheid nicht vorgenommen bzw. habe
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fälschlicherweise ein Vollstreckungsverfahren angenommen, weshalb
ihr unrichtige Rechtsanwendung vorzuwerfen sei.
3.3.
3.3.1.
Gemäss § 3 Abs. 2 Satz 1 des Dekrets über die Entschädigung
der Anwälte (Anwaltstarif, AnwT) vom 10. November 1987 (Stand
1. Januar 2013) beträgt im Vollstreckungsverfahren sowie bei der
Vertretung des Geschädigten für Zivilansprüche im Strafverfahren
die Grundentschädigung 10-50 % der Ansätze gemäss Absatz 1. In
den übrigen summarischen Verfahren sowie in einfachen Gesuchssa-
chen beträgt die Grundentschädigung 25-100 % der Ansätze gemäss
Absatz 1 (§ 3 Abs. 2 Satz 2 AnwT). Vor Inkrafttreten der Schweizeri-
schen Zivilprozessordnung galt Satz 1 von § 3 Abs. 2 AnwT auch in
summarischen Verfahren gemäss Schuldbetreibungsund Konkurs-
gesetz. Der Gesetzgeber hatte danach unterschieden zwischen Voll-
streckungsverfahren, summarischen Verfahren gemäss Schuldbetrei-
bungsund Konkursgesetz sowie übrigen summarischen Verfahren.
Diese Unterscheidung hat er in der geltenden Fassung von § 3 Abs. 2
AnwT aufgegeben und den Vollstreckungsverfahren einzig die sum-
marischen Verfahren gegenübergestellt. Daraus hat die 4. Zivilkam-
mer des Obergerichts im Entscheid ZSU.2013.54 vom 6. Mai 2013
geschlossen, dass zu diesen auch die summarischen Verfahren ge-
mäss Schuldbetreibungsund Konkursgesetz zu zählen seien, sodass
in allen summarischen Verfahren mit Ausnahme der Vollstreckungs-
verfahren Satz 2 von Absatz 2 gelte, und sich damit der Auffassung
des Gesuchstellers angeschlossen.
3.3.2.
In der Folge hat sich herausgestellt, dass die 3. und 5. Zivilkam-
mer des Obergerichts gegenteilig entschieden und die summarischen
Verfahren gemäss Schuldbetreibungsund Konkursgesetz als Voll-
streckungsverfahren gemäss § 3 Abs. 2 Satz 1 AnwT behandelt hat-
ten. Die 4. Zivilkammer des Obergerichts hat sich in der Beratung
vom 20. Juni 2013 dieser Auffassung angeschlossen und beschlos-
sen, nicht mehr an der Rechtsprechung gemäss Entscheid vom 6. Mai
2013 festzuhalten. Das Schuldbetreibungsrecht ist ein besonderer
Teil des Vollstreckungsrechts (Amonn/Walther, Grundriss des
2013 Obergericht, Abteilung Zivilgericht 406
Schuldbetreibungsund Konkursrechts, 8. Aufl. 2008, § 1 N. 12 ff.),
die betreibungsrechtlichen Summarsachen gemäss Schuldbetrei-
bungsund Konkursgesetz sind somit ohne Zweifel vollstreckungs-
rechtlicher Natur. Deshalb ist es richtig, die summarischen Verfahren
gemäss Schuldbetreibungsund Konkursgesetz unter die Voll-
streckungsverfahren gemäss § 3 Abs. 2 Satz 1 AnwT zu subsumieren.
In der alten Fassung von § 3 Abs. 2 Satz 1 AnwT waren die beiden
Verfahren einander gleichgestellt. Der Botschaft des Regierungsrats
des Kantons Aargau an den Grossen Rat vom 17. Februar 2010 zur
Änderung der Verfassung des Kantons Aargau, zum Einführungsge-
setz zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [EG ZPO] und zum
Dekret über die Organisation der Bezirksgerichte lässt sich nicht ent-
nehmen, dass der Regierungsrat mit der Änderung des Wortlauts von
§ 3 Abs. 2 AnwT eine inhaltliche Änderung im Sinn, dass neu die
summarischen Verfahren gemäss Schuldbetreibungsund Konkurs-
gesetz nicht mehr zu den Vollstreckungsverfahren zu zählen seien,
vorschlagen wollte. Die Änderung war vielmehr die Folge davon,
dass mit Inkrafttreten der Schweizerischen Zivilprozessordnung
altArt. 25 Ziff. 2 SchKG, welcher die Kantone angewiesen hatte, die
Bestimmungen über die summarischen Verfahren gemäss Schuld-
betreibungsund Konkursgesetz zu erlassen, aufgehoben wurde. Es
kann somit entgegen der Auffassung des Gesuchstellers nicht be-
hauptet werden, der Regierungsrat und in der Folge der Grosse Rat
des Kantons Aargau hätten im Zusammenhang mit dem Inkrafttreten
der Schweizerischen Zivilprozessordnung in § 3 Abs. 2 AnwT be-
wusst die summarischen Verfahren gemäss Schuldbetreibungsund
Konkursgesetz von der 10-50%-Regelung ausgenommen. Die Vorin-
stanz hat folglich das Recht nicht unrichtig angewendet.
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