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76 Art. 241 ZPO; Art. 328 Abs. 1 lit. c ZPO. Gerichtliche Vergleiche über Angelegenheiten, die wie der Ehegattenunterhalt - der freien Verfü- gungsgewalt der Parteien unterstehen, bedürfen im Rahmen eines Ehe- schutzverfahrens keiner gerichtlichen Genehmigung. Ein solcher gericht- licher Vergleich hat die Wirkungen eines rechtskräftigen Entscheids, ge- gen welchen als Rechtsbehelf einzig die Revision nach Art. 328 Abs. 1 lit. c ZPO zur Verfügung steht.
Aus dem Entscheid des Obergerichts, 5. Zivilkammer, vom 16. September
2013 in Sachen A.S.-L. gegen R.S. (ZSU.2013.91).
Aus den Erwägungen
1.
1.1
Der Beklagte ficht ausschliesslich die Regelung des Ehegatten-
unterhalts an, über welche sich die Parteien vor Vorinstanz mit Ver-
einbarung vom 21. Februar 2013 vergleichsweise geeinigt haben.
1.2.
Nach Art. 241 Abs. 2 ZPO hat ein Vergleich gleich wie eine
Klageanerkennung ein Klagerückzug - die Wirkung eines
rechtskräftigen Entscheids. Das Gericht schreibt das Verfahren ab
(Art. 241 Abs. 3 ZPO). Die Prozesserledigung durch Vergleich, Kla-
gerückzug Klageanerkennung kann weder mit Berufung noch
mit Beschwerde angefochten werden (Botschaft zur Schweizerischen
Zivilprozessordnung, BBl 2006, S. 7380; Leumann Liebster, in:
Sutter-Somm/Hasenböher/Leuenberger, Kommentar zur Schweizeri-
schen Zivilprozessordnung [ZPO-Kommentar], 2. Auflage, Zürich/
Basel/Genf 2013, N. 27 zu Art. 241 ZPO). Soweit die privatrechtli-
che Unwirksamkeit des Vergleichs wegen Willensmängeln geltend
gemacht wird, steht als Rechtsbehelf einzig die Revision (Art. 328
Abs. 1 lit. c ZPO) zur Verfügung.
1.3.
In der Lehre ist umstritten, ob die Regel des Art. 241 ZPO auch
für Vergleichsvereinbarungen gilt, die im Rahmen eines Eheschutz-
verfahrens zustande kommen, ob solche Vereinbarungen -
gleich wie Scheidungskonventionen (vgl. Art. 279 ZPO) - durch das
Gericht genehmigt werden müssen: Nach der einen Lehrmeinung
bedürfen im Rahmen eines Eheschutzverfahrens geschlossene Ver-
einbarungen über Angelegenheiten, die der freien Verfügungsgewalt
der Parteien unterstehen, keiner gerichtlichen Genehmigung (Haus-
heer/Reusser/Geiser, Berner Kommentar, Bern 1999, N. 5c zu
Art. 176 ZGB; Sutter-Somm/Vontobel, ZPO-Kommentar, a.a.O.,
N. 28 zu Art. 273 ZPO). Eine andere Lehrmeinung erachtet dagegen
eine Genehmigung durch das Gericht als erforderlich. Sie begründet
diese Lösung mit der ähnlichen Interessenlage wie im Scheidungs-
verfahren und dem durch die Einführung der Untersuchungsmaxime
(Art. 272 ZPO) anerkannten Schutzbedürfnis der Parteien
(vgl. Vetterli, in FamKomm Scheidung, Band II, 2. Auflage, Bern
2011, N. 7 f. zu Anh. ZPO Art. 272; Fountoulakis, in Zeitschrift für
Zivilprozessund Zwangsvollstreckungsrecht [ZZZ] 2011/2012,
S. 274 ff., 279; Spycher, in Berner Kommentar, Schweizerische Zi-
vilprozessordnung, Band II, Bern 2012, N. 14 zu Art. 273 ZPO).
1.4.
Die Regel des Art. 241, die sich mit den Wirkungen eines Ver-
gleichs befasst, befindet sich bei den Bestimmungen über das ordent-
liche Verfahren (Art. 219 ff. ZPO). Gemäss Art. 219 ZPO gelten die
Bestimmungen über das ordentliche Verfahren sinngemäss für sämt-
liche anderen Verfahren, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt.
Auf Eheschutzverfahren nach Art. 271 ZPO ist unter Vorbehalt der
Art. 272 und 273 ZPO das summarische Verfahren anwendbar. We-
der die Art. 272 und 273 ZPO noch die Bestimmungen über das sum-
marische Verfahren (Art. 248 ff. ZPO) sehen bezüglich eines gericht-
lichen Vergleichs eine von Art. 241 ZPO abweichende Bestimmung
vor. Nach dem insoweit klaren Wortlaut und der Systematik des Ge-
setzes bedürfen gerichtliche Vergleiche über Angelegenheiten, die
der freien Verfügungsgewalt der Parteien unterstehen, im Rahmen
eines Eheschutzverfahrens daher keiner gerichtlichen Genehmigung.
Daran ändern auch die gesetzgeberischen Motive, die der Einführung
der Untersuchungsmaxime für Eheschutzverfahren zu Grunde gele-
gen haben, nichts. Die Untersuchungsmaxime hat Bedeutung für die
Feststellung des Sachverhalts, schränkt aber die Befugnis der Partei-
en, über den Prozessgegenstand zu verfügen, nicht ein.
Der eheliche Unterhalt untersteht der freien Verfügungsgewalt
der Parteien (Art. 58 ZPO; Sutter-Somm/Vontobel, a.a.O., N. 28 zu
Art. 273 ZPO). Der vor Vorinstanz geschlossene Vergleich hat somit
die Wirkungen eines rechtskräftigen Entscheids (Art. 241 Abs. 2
ZPO). Als Rechtsbehelf steht daher einzig die Revision zur Verfü-
gung; auf die Berufung ist nicht einzutreten.
1.5.
Dass die Vorinstanz das Verfahren nicht abgeschrieben, sondern
die Vereinbarung vom 21. Februar 2013 richterlich genehmigt hat,
ändert an diesem Ergebnis nichts. Denn der gerichtliche Vergleich
hat unmittelbar die Wirkung eines rechtskräftigen Entscheids; die
Abschreibung hat lediglich deklaratorische Bedeutung (Leumann
Liebster, ZPO-Kommentar, a.a.O., N. 17 zu Art. 241 ZPO; vgl. Bot-
schaft zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, BBl 2006,
S. 7345).
Ebenso ändert die Rechtsmittelbelehrung der Vorinstanz, wo-
nach der Entscheid mit Berufung angefochten werden könne, nichts
an diesem Ergebnis. Eine unrichtige Rechtsmittelbelehrung kann
kein vom Gesetzgeber nicht vorgesehenes Rechtsmittel verschaffen
(BGE 135 III 470 Erw. 1.2 S. 473).