I. Zivilrecht
A. Familienrecht
62 Art. 311 Abs. 1 ZGB; Einem Kindsvater, der die Kindsmutter vorsätzlich und ohne erkennba- ren Grund tötet, ist die Kompetenz, Entscheidungen im Kindeswohl zu treffen, abzusprechen. Erscheint ein Zusammenleben von Vater und Kin- der zumindest bis zur Volljährigkeit der Kinder wegen des Strafvollzugs des Vaters undenkbar, ist es mit dem Kindeswohl nicht zu vereinbaren, dass der Kindsvater die elterliche Sorge betreffende Entscheidungskom- petenzen wahrnehmen kann.
Aus dem Entscheid des Obergerichts, Kammer für Kindesund
Erwachsenenschutz, vom 27. Mai 2013 in Sachen A. M. (XBE.2013.1).
Aus den Erwägungen
3.2.
Sind andere Kindesschutzmassnahmen erfolglos geblieben oder
erscheinen sie von vornherein als ungenügend, so entzieht die Kin-
desschutzbehörde die elterliche Sorge, wenn die Eltern wegen Un-
erfahrenheit, Krankheit, Gebrechen, Ortsabwesenheit ähnlichen
Gründen ausserstande sind, die elterliche Sorge pflichtgemäss auszu-
üben bzw. wenn die Eltern sich um das Kind nicht ernstlich geküm-
mert ihre Pflichten gegenüber dem Kinde gröblich verletzt
haben (Art. 311 Abs. 1 ZGB). Der Entzug der elterlichen Sorge ist
der stärkstmögliche Eingriff in die Elternautonomie, weshalb an die
Voraussetzungen ein besonders strenger Massstab anzulegen ist. Im
Sinne des Subsidiaritätsprinzips müssen mildere Massnahmen resp.
zulässige Kombinationen von solchen erfolglos geblieben sein oder
von vornherein als ungenügend erscheinen; mithin muss auch die
Handhabung der Restaufgaben bei einem (allenfalls durch eine Bei-
standschaft flankierten) Obhutsentzug das Wohl des Kindes gefähr-
den. Wenn ohne Entzug der elterlichen Sorge das Kindeswohl ge-
wahrt werden kann, darf ein solcher nicht vorgenommen werden. Die
Entziehung ist ultima ratio (vgl. BIDERBOST, in: Handkommentar zum Schweizer Privatrecht, 2. Aufl. 2012, N. 2 f. zu Art. 311/312
ZGB).
3.3.
Wie der Beschwerdeführer zu Recht vorbringt, hat er sich
gegenüber Vertretern der Gemeinde sowie der Beiständin zwar nega-
tiv über die geplanten Ausbildungswege seiner Kinder geäussert, es
ist hingegen tatsächlich nicht ersichtlich und wird auch nicht im Ein-
zelnen dargelegt, dass er einen getroffenen Entscheid der Behörden
zu vereiteln versucht hätte. Mit Blick auf das Kindeswohl ist die
Kompromissbereitschaft des Beschwerdeführers allerdings nicht aus-
schlaggebend. Vielmehr steht die Tatsache im Vordergrund, dass er
zugestandenermassen die Mutter seiner Kinder getötet und sich da-
mit selbst der Fähigkeit beraubt hat, für diese zu sorgen. Mit der Tö-
tung der Mutter hat er seine drei Kinder zumindest für die Dauer sei-
nes Gefängnisaufenthalts faktisch auf lange Zeit hin zu Vollwaisen
werden lassen, was eine Rücksichtslosigkeit sondergleichen darstellt.
Einen grösseren Vertrauensverlust und damit einhergehend eine grös-
sere Gefährdung des Kindeswohls als die vorsätzliche Tötung der
engsten Bezugsperson der Kinder ist kaum vorstellbar. Vor diesem
Hintergrund sind ihm jegliche Kompetenzen Entscheide im Sinne
des Kindeswohls zu treffen, abzusprechen. Er hat seine Eltern-
stellung durch die eingestandene, vorsätzlich und ohne erkennbaren
Grund erfolgte (vgl. Gutachten PDAG (...)) Tötung der Kindsmutter
vollständig und dauerhaft verwirkt. Dabei ist unerheblich, ob die
Kinder ihm seine Tat verziehen haben, dies in Zukunft noch tun
werden.
3.4.
Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers (...) geht we-
der aus der Anhörung von X. noch aus der von Y. das gute Verhältnis
zum Vater hervor. (...)
3.5.
(...) Angesichts der Tat des Beschwerdeführers erscheint es als
ausgeschlossen, dass, sollte er dereinst während der Unmündigkeit
der Kinder aus der Haft entlassen werden (was aufgrund der erstin-
stanzlichen, noch nicht rechtskräftigen, Verurteilung zu 20 Jahren
Freiheitsstrafe ohnehin unwahrscheinlich ist) mit diesen in einem ge-
meinsamen Haushalt leben könnte (...). Wenn aber auf unbestimmte
Zeit (zumindest bis zur Volljährigkeit) ein Zusammenleben undenk-
bar erscheint, so ist es mit dem Kindeswohl nicht zu vereinbaren,
dass der Beschwerdeführer aus dem Strafvollzug heraus Entscheid-
kompetenzen die elterliche Sorge betreffend wahrnehmen kann und
sollte. Allein der andauernde Aufenthalt im Strafvollzug wird gemäss
Praxis des Bundesgerichts (BGE 119 II 9) bei einer gewissen räumli-
chen Distanz als Grund angesehen, die elterliche Sorge zu entziehen,
denn sie hindert den Vater, allen Verpflichtungen nachzukommen,
welche die elterliche Gewalt mit sich bringt. Zusammenfassend ist
kein milderes Mittel ersichtlich, um der vom Beschwerdeführer für
das Wohl der Kinder ausgehenden Gefährdung zu begegnen, als der
Entzug der elterlichen Sorge. Die Beschwerde ist abzuweisen.