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3 § 8 EG StPO; § 36 Abs. 2 EG StPO Die Beschlagnahme von Gegenständen ist eine Zwangsmassnahme und stellt keine von § 8 EG StPO erfasste Untersuchungshandlung dar, zu de- ren Vornahme Assistenz-Staatsanwälte ermächtigt wären. § 8 EG StPO
berechtigt Assistenz-Staatsanwälte daher nicht zur selbständigen Unter- zeichnung von Beschlagnahmebefehlen. Von der Leitung der Oberstaats- anwaltschaft gestützt auf § 36 Abs. 2 EG StPO zum Erlass von Straf- befehlen ermächtigte Assistenz-Staatsanwälte sind zur Anordnung der einer Einziehung im Sinne von Art. 69 ff. StGB vorausgehenden Be- schlagnahme befugt, wenn die Durchführung des Strafbefehlsverfahrens im Zeitpunkt des Beschlagnahmebefehls bereits mit genügender Sicher- heit feststeht und die Bedeutung der Straftat die Beschlagnahme rechtfer- tigt.
Aus dem Entscheid des Obergerichts, Beschwerdekammer in Strafsachen, vom 3. April 2013 i.S. G. S. gegen Staatsanwaltschaft Brugg-Zurzach (SBK.2013.42).
Aus den Erwägungen
1.
Der Beschlagnahmebefehl vom 22. Januar 2013, mit welchem
der Personenwagen "Jeep Grand Cherokee", AG -----, sowie im Be-
schlagnahmebefehl nicht näher bezeichnete "weitere Motorfahrzeuge
des Beschuldigten" beschlagnahmt worden sind, wurde von A.B. als
Assistenz-Staatsanwältin unterzeichnet. Zu entscheiden ist daher
zunächst die Frage, ob ein Assistenz-Staatsanwalt dazu überhaupt be-
rechtigt ist.
1.1.
Die Assistenz-Staatsanwälte führen auf Anweisung der Staats-
anwälte Untersuchungshandlungen, insbesondere Zeugeneinvernah-
men, und Übertretungsstrafverfahren durch (§ 8 Abs. 2 EG StPO).
Mit Ermächtigung der Leitung der Staatsanwaltschaft dürfen Assis-
tenz-Staatsanwälte im Einzelfall in bestimmten Verfahren selb-
ständig Untersuchungshandlungen durchführen (§ 8 Abs. 3
EG StPO).
Die Beschlagnahme eines Personenwagens ist eine Zwangs-
massnahme (Art. 263 ff. StPO; 5. Titel: Zwangsmassnahmen, 7. Ka-
pitel: Beschlagnahme) und stellt somit keine von § 8 EG StPO er-
fasste Untersuchungshandlung (Art. 308 ff. StPO; 6. Titel: Vorver-
fahren, 3. Kapitel: Untersuchung durch die Staatsanwaltschaft) dar.
A.B. war als Assistenz-Staatsanwältin gestützt auf § 8 EG StPO nicht
berechtigt, den Beschlagnahmebefehl selbständig zu unterzeichnen.
1.2.
Vorliegend lässt sich eine Beschlagnahme der Personenwagen
durch die Assistenz-Staatsanwältin sodann auch nicht auf § 36 Abs. 2
EG StPO abstützen. Nach dieser Bestimmung bezeichnet die Leitung
der Oberstaatsanwaltschaft die Assistenz-Staatsanwälte, die namens
einer Staatsanwaltschaft Strafbefehle erlassen können. Das trifft auf
A.B. zu. Da in einem Strafbefehl auch Einziehungen nach Art. 69 ff.
StGB ausgesprochen werden können (Art. 352 Abs. 2 und Art. 353
Abs. 1 lit. h StPO), wäre es nicht sachgerecht, Assistenz-Staatsanwäl-
ten die Kompetenz zur vorausgehenden Beschlagnahme grundsätz-
lich abzusprechen. Erforderlich ist jedoch, dass die Durchführung
des Strafbefehlsverfahrens im Zeitpunkt des Beschlagnahmebefehls
bereits mit genügender Sicherheit feststeht. Dies setzt einerseits vor-
aus, dass die beschuldigte Person im Vorverfahren den Sachverhalt
eingestanden dieser anderweitig ausreichend geklärt ist
(Art. 352 Abs. 1 StPO). Andererseits muss - unter Einrechnung einer
allfällig zu widerrufenden Strafe aufgrund des zu beurteilenden
Straftatbestands und des Verschuldens eine Busse, eine Geldstrafe
von höchstens 180 Tagessätzen, gemeinnützige Arbeit von höchstens
720 Stunden eine Freiheitsstrafe von höchstens 6 Monaten aus-
reichend erscheinen (Art. 352 Abs. 1 StPO). Sodann muss die Bedeu-
tung der Straftat die Beschlagnahme rechtfertigen (Art. 197 Abs. 1
lit. d StPO).
Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht nur teilweise
erfüllt. Dem Beschuldigten wird vorgeworfen, mehrfach ein Motor-
fahrzeug gelenkt zu haben, obwohl ihm der Führerausweis entzogen
worden ist (Art. 95 Abs. 1 lit. b SVG). Es handelt sich dabei um ei-
nen Vergehenstatbestand, für welchen eine Geldstrafe Freiheits-
strafe bis zu 3 Jahren, bei mehrfacher Tatbegehung sogar bis zu
4 Jahren (Art. 49 Abs. 1 StGB) ausgesprochen werden kann. Ohne
dem Strafbefehlsrichter dem ordentlichen Sachrichter vorzu-
greifen, steht insbesondere wenn es um eine mehrfache Tatbe-
gehung geht vorliegend keinesfalls mit Sicherheit fest, ob eine
Strafe im Bereich der Strafbefehlskompetenz noch ausreichend wäre.
Hinzu kommt, dass der Sachverhalt vom Beschuldigten nicht aner-
kannt wird und nicht ohne Weiteres als ausreichend geklärt erscheint.
Vielmehr wird es, falls der Sachverhalt vom Beschuldigten weiterhin
bestritten werden sollte, Sache des urteilenden Gerichts und nicht des
Strafbefehlsrichters sein, gestützt auf Art. 10 StPO eine einlässliche
Beweiswürdigung durchzuführen und gestützt darauf einen Ent-
scheid zu fällen.
Zusammenfassend steht vorliegend nicht mit genügender
Sicherheit fest, dass das Strafverfahren gegen den Beschuldigten mit
einem Strafbefehl abgeschlossen werden kann. Somit war A.B. als
Assistenz-Staatsanwältin auch nicht berechtigt, gestützt auf § 36
Abs. 2 EG StPO den Beschlagnahmebefehl selbständig zu unter-
zeichnen.