2012 Auflösung Anstellungsverhältnis 305
I. Auflösung Anstellungsverhältnis
55 Kündigung des Anstellungsverhältnisses - Die Verwirkung einer Forderung ist im Personalrecht von Amtes wegen zu berücksichtigen (Erw. II/1). - In Bezug auf die Zustellung von Kündigungen bei öffentlich-recht- lichen Anstellungsverträgen nach PersG sowie nach GAL ist auf die Rechtsprechung betreffend behördliche Sendungen bzw. auf die sog. eingeschränkte Empfangstheorie abzustellen (Erw. II/2). - Konkrete Anwendung der eingeschränkten Empfangstheorie (Erw. II/3-5).
Aus dem Entscheid des Personalrekursgerichts vom 11. September 2012 i.S. B.S. gegen Kanton Aargau (2-KL.2011.1)
Aus den Erwägungen
II.
1.
1.1.
Vorab ist zu prüfen, ob und gegebenenfalls wann die Kündigung
des Anstellungsverhältnisses mit der Klägerin erfolgt ist. Die Klä-
gerin beantragt die Feststellung der Widerrechtlichkeit der Kündi-
gung vom 11. Juni 2010 und verlangt gestützt darauf eine Entschä-
digung; gleichzeitig macht sie in der Klage geltend, das Anstellungs-
verhältnis sei "bis heute noch nicht beendet worden". Demgegenüber
bringt der Beklagte unter anderem vor, das Anstellungsverhältnis sei
mit Kündigung vom 20. Dezember 2009 per 31. März 2010 beendet
worden.
2012 Personalrekursgericht 306
1.2.
1.2.1.
Der Beklagte kündigte das Anstellungsverhältnis mit der Kläge-
rin ein erstes Mal mit Schreiben vom 20. Dezember 2009 (Versand
am 16. Dezember 2009). Die Klägerin nahm die eingeschriebene
Sendung nicht in Empfang. Die Kündigung wurde ihr in Kopie am
21. Januar 2010 erneut zugestellt. In der Folge gelangte die Klägerin
mit Eingabe vom 30. März 2010 an die Schlichtungskommission.
1.2.2.
Gemäss § 37 Abs. 1 PersG ist die Schlichtungskommission bei
Verfügungen und Vertragsauflösungen innert einer Frist von 30 Ta-
gen nach Zustellung anzurufen. Solche gesetzliche Fristen sind in der
Regel Verwirkungsfristen. Verwirkung bedeutet, dass ein Recht un-
tergeht, wenn der Berechtigte bzw. Verpflichtete eine Handlung nicht
innerhalb der Frist vornimmt (vgl. BGE 125 V 262, Erw. 5/a). Sofern
ein Anspruch verwirkt ist, ist das diesbezügliche Rechtsbegehren ab-
zuweisen (Oscar Vogel/Karl Spühler, Grundriss des Zivilprozess-
rechts, 7. Auflage, Bern 2001, Rz. 7.75).
Bei der dreissigtägigen Frist zur Anrufung der Schlichtungs-
kommission handelt es sich klarerweise um eine Verwirkungsfrist.
Dafür spricht zum einen der Umstand, dass eine gesetzliche Normie-
rung vorliegt (§ 37 Abs. 1 PersG), und zum anderen, dass sich der
Gesetzgeber mit dieser Norm an die Beschwerdefrist des Verwal-
tungsrechtspflegegesetzes anlehnte, welche eine Verwirkungsfrist
darstellt (Botschaft des Regierungsrates des Kantons Aargau an den
Grossen Rat vom 16. Februar 2000, Gesetz über die Grundzüge des
Personalrechts (Personalgesetz, PersG), Bericht und Entwurf zur
zweiten Beratung, S. 20; Protokoll der Sitzung des Grossen Rates
vom 16. Mai 2000, S. 3057 f.; Michael Merker, Rechtsmittel, Klage
und Normenkontrollverfahren nach dem aargauischen Gesetz über
die Verwaltungsrechtspflege, Kommentar zu den §§ 38-72 VRPG,
Zürich 1998, § 40 N 6).
1.2.3.
Auf dem Gebiet des Privatrechtes führt die Verwirkung zum
völligen Untergang des Rechts, ohne dass eine sog. Naturalobligation
bestehen bliebe. Die Forderung erlischt, wenn die zu ihrer Erhaltung
2012 Auflösung Anstellungsverhältnis 307
nötige Handlung innert der Verwirkungsfrist nicht vorgenommen
wird. Die Verwirkung ist von Amtes wegen zu berücksichtigen. Die-
se Prinzipien gelten grundsätzlich auch im öffentlichen Recht
(BGE 131 II 65, Erw. 1.3; BGE 116 Ib 386, Erw. 3/c/aa und
Erw. 3/c/bb; VPB 60.44, Erw. 4.1).
Dem Grundsatz der Berücksichtigung der Verwirkung von
Amtes wegen wird allerdings in der Rechtsprechung des öffentlichen
Rechts keine absolute Bedeutung zugemessen. Dies wird damit
begründet, dass nebst den allgemeinen Grundsätzen stets berück-
sichtigt werden müsse, welchen Zweck der Gesetzgeber im frag-
lichen Rechtsgebiet mit der Verwirkungsfolge anstrebte. Zudem
müsse den im konkreten Fall gegebenen Umständen Rechnung ge-
tragen werden; die Einrede der Verwirkung dürfe dann nicht von
Amtes wegen beachtet werden, wenn sie als rechtsmissbräuchlich
bzw. unvereinbar mit dem Gebot von Treu und Glauben erscheine
(BGE 131 II 65 ff., Erw. 1.3; BGE 116 Ib 386, Erw. 3/c). So hat das
Bundesgericht bei Veranwortlichkeitsprozessen davon abgesehen, die
Verwirkung von Amtes wegen zu berücksichtigen, sofern sich der
Staat als Beklagter bzw. als potenzieller Schuldner ohne irgendwel-
chen Vorbehalt auf die Sache eingelassen hatte (BGE 131 II 65,
Erw. 1.3; BGE 116 Ib 386, Erw. 3/c/bb; BGE 106 Ib 364, Erw. 3/a;
VPB 66.52, Erw. 4/b; Ulrich Häfelin/Georg Müller/Felix Uhlmann,
Allgemeines Verwaltungsrecht, 6. Auflage, Zürich/St. Gallen 2010,
Rz. 795 ff.). Diese Auffassung lässt sich damit begründen, dass der
Staat durch sein eigenes Handeln darauf verzichten kann, sich auf die
Verwirkung zu berufen (BGE 131 II 65, Regeste und Erw. 1.3;
VPB 66.52, Erw. 4/b).
1.2.4.
1.2.4.1.
Der Beklagte machte vorliegend die Verwirkung nicht geltend.
Es stellt sich somit die Frage, ob das Personalrekursgericht eine all-
fällige Verwirkung der Ansprüche der Klägerin von Amtes wegen zu
berücksichtigen hat.
1.2.4.2.
Vorab ist wesentlich, dass in concreto eine prozessuale (und
keine materielle) Verwirkungsfrist verpasst wurde. Eine derartige
2012 Personalrekursgericht 308
Verwirkung ist stets von Amtes wegen zu beachten. Selbst nach der
dargestellten Praxis (Erw. II/1.2.2) besteht keine Grundlage, um je
nach Verfahren von unterschiedlichen Verwirkungsfolgen auszu-
gehen.
1.2.4.3.
Im Weiteren gilt es zu beachten, dass die Rechtsprechung, wo-
nach eine Verwirkung mangels Einrede unberücksichtigt bleibt, zu
einem gutheissenden Urteil führen kann, obwohl die Forderung im
Gegensatz zur Verjährung vollständig untergegangen ist. Sie steht
somit im Widerspruch zum allgemeinen Rechtsgrundsatz, wonach
bei einem Leistungsurteil eine entsprechende Anspruchsgrundlage
vorliegen muss. Bereits gestützt darauf drängt es sich auf, die in Be-
zug auf Staatshaftungsprozessen entwickelte Rechtsprechung bloss
restriktiv anzuwenden bzw. nur zurückhaltend auf weitere Rechts-
gebiete auszudehnen. Zudem ist nicht erkennbar, dass der Gesetz-
geber in Bezug auf personalrechtliche Streitigkeiten von den grund-
sätzlichen Verwirkungsfolgen hätte abweichen wollen. Dies gilt
insbesondere dann, wenn zwischen den Parteien ein vertragliches
Verhältnis vorliegt. Der verwaltungsrechtliche Vertrag unterscheidet
sich von der Verfügung insbesondere durch seine Zweiseitigkeit
(Häfelin/Müller/Uhlmann, a.a.O., Rz. 1053) und die Gleichbe-
rechtigung der Parteien (Bernhard Waldmann in: Der verwaltungs-
rechtliche Vertrag in der Praxis, Isabelle Häner, Bernhard Waldmann
(Hrsg.), Zürich/Basel/Genf 2007, S. 4). Dies führt dazu, dass dem
Arbeitgeber - neben der Einhaltung der gesetzlichen sowie der ver-
traglichen Regelungen keine zusätzlichen Pflichten Obliegen-
heiten aufgrund seiner (gleichzeitigen) Funktion als Hoheitsträger
zukommen. Vielmehr ist er grundsätzlich dem Arbeitnehmer gleich-
gestellt. Gestützt darauf ergibt sich, dass sich der Arbeitgeber gleich
wie der Private nicht auf die Verwirkung einer Forderung berufen
muss, sondern das Gericht den Untergang der Ansprüche von Amtes
wegen zu beachten hat. Dies gilt jedenfalls dort, wo wie im vor-
liegenden Fall - die Berücksichtigung der Verwirkung keinen Rechts-
missbrauch bzw. keinen Verstoss gegen das Verbot von Treu und
Glauben darstellt (vgl. dazu auch Erw. II/4 und (...)).
2012 Auflösung Anstellungsverhältnis 309
1.2.5.
Sofern die Kündigung vom 20. Dezember 2009 wie vom Be-
klagten geltend gemacht (vgl. Erw. II/1.1) gültig erfolgt ist, wäre
somit die Eingabe an die Schlichtungskommission verspätet gewesen
(§ 37 Abs. 1 PersG). Als Folge daraus wären die Ansprüche der
Klägerin betreffend Vertragsauflösung bzw. Kündigung (Feststellung
/ Entschädigung) verwirkt und es müsste eine Abweisung dieses
Rechtsbegehrens erfolgen. Aufgrund dessen ist somit zu prüfen, ob
die Kündigung vom 20. Dezember 2009 gültig erfolgt ist.
2.
2.1.
Nach Ablauf der Probezeit darf der Arbeitgeber das Arbeitsver-
hältnis unter anderem nicht kündigen, während der Arbeitnehmer
ohne eigenes Verschulden durch Krankheit durch Unfall ganz
oder teilweise an der Arbeitsleistung verhindert ist, und zwar im
ersten Dienstjahr während 30 Tagen, ab dem zweiten bis und mit
fünftem Dienstjahr während 90 Tagen und ab dem sechsten Dienst-
jahr während 180 Tagen (§ 7 PersG in Verbindung mit Art. 336c
OR). Bei diesen Sperrfristen handelt es sich um Kalenderund nicht
um Arbeitstage (vgl. Ullin Streiff/Adrian von Kaenel/Roger Rudolph,
Der Arbeitsvertrag, Praxiskommentar zu Art. 319-362 OR,
7. Auflage, Zürich/Basel/Genf 2012, Art. 336c N 8). Sofern die
Kündigung während der Sperrfrist erfolgt, ist sie nichtig (Art. 336c
Abs. 2 OR).
Die Sperrfrist für die Klägerin betrug ab Mitte September 2009
90 Tage. Da die Klägerin vom 22. September 2009 an arbeitsunfähig
war, dauerte die Sperrfrist bis zum 20. Dezember 2009. Zu prüfen ist
daher, ob die auf den 20. Dezember 2009 datierte, jedoch bereits am
16. Dezember 2009 versandte Kündigung innerhalb der Sperrfrist
erfolgte nicht; je nachdem ist sie als nichtig als rechtsgültig
zu qualifizieren.
2.2.
2.2.1.
Ob die Kündigung in eine Sperrfrist fällt und damit nichtig ist,
bestimmt sich nach dem Zugang der Kündigung (Streiff/von
Kaenel/Rudolph, a.a.O., Art. 336c N 10; Wolfgang Portmann in:
2012 Personalrekursgericht 310
Basler Kommentar, Obligationenrecht I, Art. 1-529 OR, Heinrich
Honsell/Nedim Peter Vogt/Wolfgang Wiegand (Hrsg.), 4. Auflage,
Basel 2007, Art. 336c N 10). Vorliegend ist insbesondere umstritten,
in welchem Zeitpunkt die Kündigung der Klägerin zugegangen ist.
Die Klägerin bringt vor, es gelte hinsichtlich einer eingeschrieben
versandten Kündigung, bei welcher der Empfänger nicht angetroffen
wurde, die allgemeine Empfangstheorie bezüglich privatrechtlicher
Willenserklärungen.
2.2.2.
Das Personalrekursgericht hat sich zur Frage, in welchem Zeit-
punkt eine Kündigung mittels eingeschriebenen Briefes als zugestellt
gilt, wenn der Empfänger nicht angetroffen und eine Abholeinladung
in den Briefkasten gelegt wird, noch nie in einem Urteil geäussert.
2.2.3.
2.2.3.1.
Gemäss dem für privatrechtliche Willenserklärungen grund-
sätzlich geltenden Zugangsprinzip (Peter Gauch/Walter R.
Schluep/Jörg Schmid/Heinz Rey, OR Allgemeiner Teil, Band I,
9. Auflage, Zürich/Basel/Genf 2008, Rz. 196; Ingeborg Schwenzer,
Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, 4. Auflage,
Bern 2006, Rz. 27.22 f.) wird vorausgesetzt, dass die Erklärung in
den Machtbereich des Adressaten gelangt und nach der Verkehrssitte
die begründete Erwartung besteht, er werde von ihr tatsächlich
Kenntnis nehmen. Erfolgt die Erklärung mittels eingeschriebener
Sendung und wird der Adressat nicht angetroffen, so ist grund-
sätzlich der Zeitpunkt entscheidend, in welchem die Sendung bei der
Post abgeholt wird. In Bezug auf den Sachverhalt, bei welchem die
Kündigung nicht innert der von der Post angegebenen Abholfrist
entgegengenommen wird, gehen die Meinungen in der Lehre aus-
einander. Zum einen wird die Auffassung vertreten, dass (im Falle
einer eingeschriebenen Sendung mit Abholungseinladung) die Er-
klärung dann als zugegangen gilt, wenn der Brief auf dem Postamt
zur Abholung bereitliegt und die Abholung zumutbar ist, also in der
Regel an dem auf den erfolglosen Zustellversuch folgenden Tag
("klassische" Empfangstheorie: Wolfgang Portmann in: Basler Kom-
mentar, a.a.O., Art., 335 N 19; Streiff/von Kaenel/Rudolph, a.a.O.,
2012 Auflösung Anstellungsverhältnis 311
Art. 335 N 5; Jahrbuch des Schweizerischen Arbeitsrechts
(JAR) 2002, S. 235 ff.). Zum anderen wird die Meinung vertreten,
die Sendung gelte als empfangen, wenn der Empfänger den Brief bei
der Post tatsächlich abholt, spätestens am letzten Tag der sieben-
tägigen Abholungsfrist ("eingeschränkte" Empfangstheorie: Chris-
tiane Brunner/Jean-Michel Bühler/Jean-Bernard Waeber/Christian
Bruchez, Kommentar zum Arbeitsvertragsrecht, 3. Auflage, Basel
2005, Art. 335 N 9; Jürg Brühwiler, Kommentar zum Einzelarbeits-
vertrag, Art. 319-343 OR; 2. Auflage, Bern/Stuttgart/Wien 1996,
Art. 335 N 3).
2.2.3.2.
Zwischen der Klägerin und dem Beklagten bestand ein öffent-
lich-rechtliches Arbeitsverhältnis. Dieses richtet sich grundsätzlich
nicht nach den Bestimmungen des Obligationenrechts, sondern nach
dem kantonalen Personalrecht. Im Gegensatz zum Bundespersonal-
recht (Art. 6 Abs. 2 des Bundespersonalgesetzes vom 24. März 2000
(BPG, SR 172.220.1); AJP 2004, S. 248) enthält das Personalgesetz
des Kantons Aargau keinen generellen Verweis auf das Obligationen-
recht. Zwar trifft es zu, dass § 7 PersG in Bezug auf den Abschluss
eines Anstellungsverhältnisses, die Probezeit, die ordentliche Auflö-
sung, die fristlose Auflösung, den Kündigungsschutz und das Verfah-
ren bei Entlassung ganzer Gruppen subsidiär auf die entsprechenden
Bestimmungen des Obligationenrechts verweist bzw. der Gesetzge-
ber insofern eine Anlehnung an das Obligationenrecht wollte. Daraus
lässt sich jedoch nicht schliessen, dass eine der Empfangstheorien
(klassische eingeschränkte; vgl. Erw. II/2.2.3.1) direkt anwend-
bar wären. Die klassische Empfangstheorie wird zwar grundsätzlich
von der privatrechtlichen Rechtsprechung anerkannt, jedoch weder in
den vom Verweis in § 7 PersG erfassten Artikeln noch vom Obliga-
tionenrecht selber explizit erwähnt. Der Schluss, dass der kantonale
Gesetzgeber durch den Verweis von § 7 PersG eine bestimmte Emp-
fangstheorie für anwendbar erklärt hätte, kann somit nicht gezogen
werden. Entsprechend lässt sich festgehalten, dass die klassische
Empfangstheorie im Anwendungsbereich des kantonalen Personal-
rechts anders als von der Klägerin vorgebracht wird - nicht die
allgemeine Regel darstellt bzw. direkt zur Anwendung gelangt. Es
2012 Personalrekursgericht 312
trifft somit auch nicht zu, dass in concreto unter Berufung auf Treu
und Glauben "eine Ausnahme von dieser allgemeinen Regel" ange-
wandt werden soll.
2.2.4.
2.2.4.1.
Die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung des Kantons Aar-
gau lehnt sich bezüglich der Zustellung von behördlichen Sendungen
(Entscheide) an die diesbezügliche Rechtsprechung des Bundesge-
richts an (vgl. VGE vom 20. November 2006, WBE.2006.219,
Erw. I/3.2; BGE 130 III 396, Erw. 1.2.3). Entsprechend gilt eine
behördliche, eingeschriebene Sendung sofern sie trotz Abholschein
nicht bei der Post abgeholt wird als am letzten Tag der Abholfrist
von sieben Tagen zugestellt.
2.2.4.2.
Bei der Kündigung des öffentlich-rechtlichen Arbeitsvertrages
handelt es sich nicht um eine Verfügung, sondern um die Ausübung
eines (rechtsaufhebenden) Gestaltungsrechts und damit um eine
Willenserklärung des Vertragspartners (ZBl 2001, S. 566 f.). Die
Kündigung eines öffentlich-rechtlichen Vertrages stellt somit nach
dem kantonalen Personalrecht keine behördliche Sendung dar. Die
erwähnte Rechtsprechung lässt sich somit nicht direkt auf Kündigun-
gen öffentlich-rechtlicher Verträge übertragen.
2.2.5.
Das einschlägige kantonale Verwaltungsrecht (Personalrecht /
Verwaltungsrechtspflegegesetz) beantwortet die Frage nicht, in wel-
chem Zeitpunkt die Kündigung eines öffentlich-rechtlichen Anstel-
lungsvertrages mittels eingeschriebenen Briefes zugegangen ist,
wenn der Empfänger nicht angetroffen und eine Abholeinladung in
den Briefkasten gelegt wird (vgl. Erw. II/2.2.3 und Erw. II/2.2.4).
Entsprechend liegt eine Lücke vor. Eine Lücke im öffentlichen Recht
ist primär durch analoge Anwendung von öffentlich-rechtlichen Nor-
men zu füllen, d.h. es ist auf Normen abzustellen, die das öffentliche
Recht für verwandte Fälle bereithält. Erst wenn sich im öffentlichen
Recht keine analog anwendbare Bestimmung findet bzw. sich keine
Möglichkeit zur Schliessung der Lücke bietet, ist sekundär auf
ähnliche Regelungen im Privatrecht zurückzugreifen (BGE 105 Ia
2012 Auflösung Anstellungsverhältnis 313
207, Erw. 2/c; BGE 122 I 328, Erw. 7/b; Häfelin/Müller/Uhlmann,
a.a.O., Rz. 233 und Rz. 305; Thomas Müller-Tschumi in: Der ver-
waltungsrechtliche Vertrag in der Praxis, a.a.O., S. 58 f.).
2.2.6.
2.2.6.1.
Vorliegend geht es um den Zugang einer eingeschriebenen
nicht-behördlichen Sendung, falls der Adressat sie nicht innert der
siebentägigen Abholfrist bei der Post abholt. Die diesbezüglich vor-
handene Lücke (vgl. Erw. II/2.2.4.2 und Erw. II/2.2.5) lässt sich mit
Hilfe der analogen Anwendung der Rechtsprechung betreffend be-
hördliche Sendungen schliessen. Diese Lösung erscheint sachge-
recht. Damit wird dem Grundsatz Rechnung getragen, wonach eine
Lücke im öffentlichen Recht in der Regel durch das Verwaltungs-
recht wozu grundsätzlich auch die einschlägige Rechtsprechung
zählt (Häfelin/Müller/Uhlmann, a.a.O., Rz. 212) zu schliessen ist
(vgl. Erw. II/2.2.5). Es mag zwar zutreffen, dass das System der ab-
soluten Empfangstheorie den unterschiedlichen vertragsrechtlichen
Interessen des Absenders und des Empfängers bzw. dem Prinzip des
Risikoausgleichs im Vertragsrecht eher entspricht. Dies kann vor-
liegend jedoch nicht ausschlaggebend sein.
Mit dem Abstellen auf die eingeschränkte Empfangstheorie
wird eine einheitliche Praxis des Personalrekursgerichts erreicht, in-
dem sowohl für die mit verwaltungsrechtlichem Vertrag als auch für
die mit Verfügung angestellten Mitarbeitenden jeweils dieselbe Zu-
stellfiktion zur Anwendung gelangt. Damit trägt die Anwendung der
eingeschränkten Empfangstheorie der Klarheit und Einheitlichkeit
des Rechts und damit der Rechtssicherheit angemessen Rechnung
(vgl. auch Erw. II/2.2.3.1). Hinzu kommt, dass auch der Schutz der
als schwächer empfundenen Partei des Arbeitnehmers in der Regel
besser gewährleistet wird (Tobias Bartels, Die Fristwahrung im
Mietrecht insbesondere bei empfangsbedürftigen Willenserklärun-
gen, in: Mietrecht aktuell (MRA) 2002, S. 134). Demgegenüber ist
objektiv betrachtet kein ernsthafter Grund ersichtlich, die Recht-
sprechung betreffend privatrechtliche Willensäusserungen zu bevor-
zugen bzw. die Normen des Verwaltungsrechts bzw. die entsprechen-
de Praxis nicht anzuwenden (Erw. II/2.2.5). Im Übrigen kann festge-
2012 Personalrekursgericht 314
halten werden, dass sich sowohl die privatrechtliche als auch die
verwaltungsrechtliche Rechtsprechung betreffend Zugang einer ein-
geschriebenen Sendung zur Hauptsache auf den Grundsatz von Treu
und Glauben stützt.
2.2.6.2.
Insgesamt ergibt sich, dass in Bezug auf die Zustellung von
Kündigungen bei öffentlich-rechtlichen Anstellungsverträgen auf die
Rechtsprechung betreffend behördliche Sendungen bzw. auf die ein-
geschränkte Empfangstheorie (vgl. Erw. II/2.2.3.1 und
Erw. II/2.2.4.1) abzustellen ist.
3.
3.1.
Die Klägerin bringt vor, sie sei aufgrund der Dauer der Sperr-
frist bis zum 20. Dezember 2009 davon ausgegangen, dass der frühe-
ste Termin für eine Kündigung der 21. Dezember 2009 sei. Mit dem
Zugang der Kündigung vor dem 22. Dezember 2009 habe sie somit
nicht rechnen müssen. Sinngemäss macht die Klägerin damit geltend,
sie habe aufgrund der laufenden Sperrfrist nach Treu und Glauben
nicht mit der Zustellung einer Kündigung vor dem 22. Dezember
2009 rechnen müssen.
3.2.
Die Rechtsprechung betreffend behördliche Sendungen beruht
auf der Überlegung, dass die Beteiligten aufgrund der konkreten
Situation nach dem Grundsatz von Treu und Glauben dafür zu sorgen
haben, dass behördliche Akte sie erreichen können. In concreto muss
dies umso mehr gelten, als die Treuepflicht der Arbeitnehmenden
gegenüber dem Arbeitgeber gesetzlich normiert ist (§ 22 Abs. 1
PersG) und sie im Übrigen auch während einer Freistellung andauert
(Alfred Blesi, Die Freistellung des Arbeitnehmers, 2. Auflage,
Zürich/Basel/Genf 2010, Rz. 409 ff.). Der Grundsatz von Treu und
Glauben kann allerdings nur insoweit herangezogen werden, als mit
einer gewissen Wahrscheinlichkeit mit der Zustellung eines Aktes
gerechnet werden muss (vgl. zur Zustellfiktion: BGE 130 III 396,
Erw. 1.2.3).
Diese Voraussetzung ist vorliegend zu bejahen. Grundsätzlich
ist davon auszugehen, dass gestützt auf die Freistellung vom 14. Ok-
2012 Auflösung Anstellungsverhältnis 315
tober 2009 und den anschliessenden E-Mail-Verkehr zwischen der
Klägerin und dem Rektor im fraglichen Zeitraum mit der Zustellung
einer Postsendung des Beklagten gerechnet werden musste (z.B.
Aufforderung einen Vertrauensarzt aufzusuchen, Aufforderung Pass-
wörter offenzulegen etc.). Entsprechend war die Klägerin dazu ver-
pflichtet, dafür zu sorgen, dass ihr während der erfolgten Freistellung
Postsendungen zugestellt werden konnten. Aufgrund dieser allgemei-
nen Pflicht, die Postzustellung zu gewährleisten, kann es in concreto
keine Rolle spielen, ob die Klägerin auch mit der Zustellung der
Kündigung rechnen musste nicht.
Im Übrigen würde sich die Frage stellen, ob die Klägerin ge-
stützt auf die erwähnte Treuepflicht der Arbeitnehmerin bzw. den
allgemeinen Grundsatz von Treu und Glauben nicht gehalten ge-
wesen wäre, nach Kenntnisnahme des Abholscheins mit dem Vorge-
setzten innert nützlicher Frist Kontakt aufzunehmen und anzuzeigen,
weshalb das Schreiben nicht abgeholt werden konnte und dass die
Zustellung daher als nicht erfolgt betrachtet werde. Dies gilt umso
mehr, als die Klägerin wie nachfolgend aufgezeigt wird
(vgl. Erw. II/4.4) - damit rechnen musste, dass das Schreiben die
Kündigung enthielt.
3.3.
Gestützt auf den vorliegenden Sachverhalt musste die Klägerin
folglich mit Postzustellungen seitens des Arbeitgebers rechnen und
deren Zustellbarkeit, somit auch die Zustellbarkeit der Kündigung,
sicherstellen.
4.
4.1.
Die Klägerin macht geltend, der Arbeitgeber habe versucht, den
Zugang der Kündigung innert der siebentägigen Abholfrist treu-
widrig zu vereiteln.
4.2.
4.2.1.
Die Klägerin rügt zunächst, der Rektor habe mit dem Versand
der Kündigung am 16. Dezember 2009 im Wissen um die Ferienab-
wesenheit der Klägerin bewusst verhindert, dass sie die Kündigung
innert der siebentägigen Abholfrist in Empfang hätte nehmen kön-
2012 Personalrekursgericht 316
nen. Dagegen wendet der Beklagte ein, dass der Rektor um die Fe-
rienabwesenheit der Klägerin weder wusste noch wissen musste.
4.2.2.
Es gehörte grundsätzlich in den Verantwortungsbereich und die
Risikosphäre der Klägerin, auch über die Weihnachtsfeiertage die
Zustellung von Postsendungen zu gewährleisten (Erw. II/3.2;
vgl. auch Streiff/von Kaenel/Rudolph, a.a.O., Art. 335 N 5; Wolfgang
Portmann in: Basler Kommentar, a.a.O., Art. 335 N 15). Allerdings
gebietet der Grundsatz von Treu und Glauben, dass bei einer in der
Ferienabwesenheit an die Wohnadresse zugestellte Kündigung die
eingeschränkte Empfangstheorie nicht greift (vgl. zur privatrecht-
lichen Regelung: Streiff/von Kaenel/Rudolph, a.a.O., Art. 335 N 5).
Dies darf allerdings nur unter der Voraussetzung gelten, dass der
Arbeitgeber um die Ferien weiss, weil er sie selber angeordnet oder
bewilligt hat. Diese Auffassung wird damit begründet, dass der Ab-
sender unter diesen Umständen nicht mit dem Empfang der Kündi-
gung rechnen darf (Entscheid der Personalrekurskommission des
Kantons Basel-Stadt vom 12. Januar 2004 in Sachen A.).
4.2.3.
Es versteht sich von selbst, dass auch krankgeschriebene Mitar-
beitende aufgrund der ihnen obliegenden Treuepflicht die Arbeit-
geberschaft über allfällige Ortsabwesenheiten, deren Dauer und die
Erreichbarkeit zu informieren haben. Vorliegend wird jedoch weder
geltend gemacht noch lässt sich den Akten ein Hinweise darauf ent-
nehmen, dass die Klägerin ihre Abwesenheit dem Arbeitgeber ge-
meldet hätte. Da eine solche Meldung der Ferienabwesenheit der
Klägerin ohne Weiteres zumutbar gewesen wäre, rechtfertigt es sich
nicht, die Klägerin leichtfertig von ihrer Meldeobliegenheit zu ent-
binden. Entsprechend ändern auch die Vorbringen der Klägerin
nichts daran, dass sie die Zustellung der Kündigung hätte gewähr-
leisten müssen. Es mag zwar zutreffen, dass eine alleinstehende
Person das Weihnachtsfest in der Regel mit Verwandten Freun-
den verbringt. Inwiefern der Arbeitgeber gestützt darauf auf eine
(mehrtägige) Abwesenheit der Klägerin und damit auf ein Zustel-
lungshindernis hätte schliessen müssen, ist jedoch nicht ersichtlich.
Ebenso musste der Arbeitgeber gestützt auf den Umstand, dass die
2012 Auflösung Anstellungsverhältnis 317
Klägerin im Vorjahr während der Weihnachtszeit ferienabwesend ge-
wesen war, nicht auf eine entsprechende Abwesenheit im Jahr 2009
schliessen.
4.2.4.
Insgesamt ist nicht ersichtlich, inwiefern der Arbeitgeber um die
Abwesenheit der Klägerin vor und während der Weihnachtstage
wusste bzw. hätte wissen müssen. Entsprechend hat die ferienbe-
dingte Abwesenheit der Klägerin keine Auswirkungen auf die Frage,
wann ihr die Kündigung rechtsgültig zugegangen ist. Da die Rügen
der Klägerin im Zusammenhang mit dem Versand der Kündigung am
16. Dezember 2009 darauf aufbauen, dass der Rektor um die Ferien-
abwesenheit wusste bzw. hätte wissen müssen, zielen auch diese
Vorbringen ins Leere.
4.3.
Der Umstand, dass die Kündigung nach dem erfolglosen Zu-
stellversuch im Dezember 2009 der Klägerin erst am 21. Januar 2010
mittels B-Post und in Kopie ein zweites Mal zugesandt wurde, ändert
an der Gültigkeit der Kündigung nichts. Dies gilt umso mehr, als der
Absender bei Anwendung der Empfangstheorien bzw. der Recht-
sprechung betreffend die Zustellung behördlicher Sendungen nicht
verpflichtet ist, die Sendung nochmals zu verschicken (unpubliziertes
Bundesgerichtsurteil vom 13. August 2010, 6B_511/2010, Erw. 3;
Amtsbericht über die Rechtspflege des Kantons Obwalden (AbR)
2004/2005, Nr. 9, Erw. 2/b). Es ist somit weder rechtsmissbräuchlich,
dass der Arbeitgeber das Kündigungsschreiben im Dezember 2009
nicht gleichzeitig mit eingeschriebener und mit normaler Post ver-
schickt hat, noch dass er nach Retournierung des Kündigungsschrei-
bens dieses der Klägerin nicht umgehend nochmals mit normaler
Post zugestellt hat. Im Übrigen wurde die Kündigung nicht neu
erstellt bzw. datiert, sondern es wurde der Klägerin im Januar 2010
ein blosse Kopie des ursprünglichen Schreibens zugesandt. Eine
allfällige Vertrauensgrundlage dafür, dass die Rechtsmittelfrist neu
zu laufen beginnen würde, ist gestützt darauf nicht ersichtlich.
2012 Personalrekursgericht 318
4.4.
Der Vollständigkeit halber ist überdies festzuhalten, dass auch
die Klägerin entgegen ihren Ausführungen anlässlich der Ver-
handlung vor dem Personalrekursgericht - davon ausging, dass die
mit dem Abholschein avisierte Postsendung die Kündigung enthielt.
Sie selber hielt im Gesuch um Durchführung eines Schlichtungs-
verfahrens vom 30. März 2010 fest, sie sei "am 26. Dezember 2009
extra von einem Weihnachtsbesuch" zurückgekehrt, "weil sie mit
dem Kündigungsschreiben" gerechnet habe. Gestützt darauf ist es
unglaubwürdig, dass die Klägerin, als sie den Abholschein zur
Kenntnis nahm, nicht gewusst haben will, dass es sich beim betref-
fenden Schreiben um die Kündigung handelte.
4.5.
Somit ergibt sich, dass kein treuwidriges Verhalten des Arbeits-
gebers im Zusammenhang mit der Zustellung der Kündigung er-
sichtlich ist.
5.
Zusammenfassend gilt die Kündigung vom 20. Dezember 2009
(versandt am 16. Dezember 2009) mit Ablauf der Abholfrist von
sieben Tagen am 24. Dezember 2009 als der Klägerin zugestellt.
Damit erfolgte die Kündigung nicht während der Sperrfrist.
Gestützt darauf kann offengelassen werden, ob die Kündigung
eines kantonalen, öffentlich-rechtlichen Anstellungsvertrages auch
formlos erfolgen darf und daher in concreto - unabhängig von der
vorliegend anzuwendenden Empfangstheorie - die Wirkungen der
Kündigung allenfalls durch die Kenntnisnahme der Abholungsein-
ladung am 26. Dezember 2009 eingetreten sind.