2012 Steuerrekursgericht 240
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39 Abzüge vom Reineinkommen; Kinderabzug (§ 42 Abs. 1 lit. a StG) Ein zeitlich befristeter Unterbruch einer systematischen Ausbildung aus objektiven Gründen am massgebenden Stichtag steht der Gewährung ei- nes Kinderabzuges nicht entgegen.
Aus dem Entscheid des Steuerrekursgerichtes vom 26. April 2012 in Sachen
M.S. (3-RV. 2011.185).
Aus den Erwägungen
3.
3.1.
Der Rekurrent beantragt, es sei für seinen in Ausbildung ste-
henden Sohn N.S. ein Kinderabzug (von CHF 9'500.00) zu gewäh-
ren.
3.2.
3.2.1.
N.S. besuchte vom 14. August 2006 bis am 26. Juni 2009 die
Fachmittelschule an der Kantonsschule in X. Am 29. Juni 2009
rückte er in die Rekrutenschule in Y./SG ein. Nach sieben Wochen
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Rekrutenschule trat er in die Unteroffizierschule über, wurde nach
deren Abschluss zum Wachtmeister befördert und in die Rekruten-
schule in Z./GR umgeteilt. Am 26. Februar 2010 wurde er aus medi-
zinischen Gründen entlassen und mit UC-Entscheid vom 8. Februar
2011 als "Tauglich nur für Ausbildung und Support, mit Einschrän-
kungen" beurteilt. Die notwendigen Therapien und Folgeuntersu-
chungen hatten zur Folge, dass N.S. nicht wie vorgesehen bereits im
August 2010, sondern erst am 8. August 2011 die Schule (Fachmatu-
rität Pädagogik an der Kantonsschule X) wieder aufgenommen hat.
3.2.2.
Die Vorinstanz vertritt die Auffassung, dass N.S. am massgeb-
lichen Stichtag 31. Dezember 2009 nicht in Ausbildung gewesen sei.
Zudem habe N.S. während der militärischen Weiterbildung (nach
Ablauf der Dauer der Rekrutenschule) ein monatliches Einkommen
von rund CHF 3'000.00 erzielt. Es könne daher kein Kinderabzug
gewährt werden.
3.3.
3.3.1.
Gemäss den oben (Ziff. 2.2) wiedergegebenen Bestimmungen
des StG kann bei einem volljährigen Kind ein Kinderabzug nur ge-
währt werden, wenn sich letzteres am massgeblichen Stichtag "in
Ausbildung" befand. Den Gesetzesmaterialien kann dazu, soweit
ersichtlich, nichts für die Beurteilung des vorliegenden Falles Weiter-
führendes entnommen werden, obwohl sich P. W. ausdrücklich da-
nach erkundigte, "was genau unter 'in Ausbildung' zu verstehen" sei,
denn der Gesetzgeber befasste sich vor allem mit der Frage der Höhe
des Kinderabzuges und einer allfälligen Abstufung nach dem Kin-
desalter. Es fehlen auch jegliche Ausführungen zum Thema "Unter-
bruch der Ausbildung". Daher ist im Folgenden die dazu ergangene
Rechtsprechung und Literatur herbeizuziehen.
3.3.2.
3.3.2.1.
Gemäss der in der Literatur vertretenen Auffassung steht ein
Kind auch dann noch in der (beruflichen) Ausbildung, wenn es den
eigentlichen Ausbildungsgang vorübergehend unterbrochen hat. Der
Unterbruch darf jedoch nicht grösseren Umfangs sein und sollte
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zweckgerichtet benützt werden, namentlich um die Militär-, Zivil-
oder Zivilschutzdienstpflicht zu erfüllen, ergänzende Kurse zu besu-
chen Prüfungen angemessen vorzubereiten. Der Unterbruch
muss aus objektiven Gründen erfolgen und auf die Ausbildung aus-
gerichtet sein. Soweit der Unterbruch der Ausbildung für Tätigkeiten
genutzt wird, welche nicht Voraussetzung notwendige Ergän-
zung der eigentlichen Ausbildung darstellen (z.B. Praktika, welche
nur darauf ausgelegt sind, die Chancen am Arbeitsmarkt nach der
eigentlichen Ausbildung zu erhöhen), muss davon ausgegangen wer-
den, dass sich das Kind während diesem Unterbruch nicht in Ausbil-
dung befindet. Fällt ein solcher Unterbruch auf einen Stichtag, so ist
der Kinderabzug zu negieren (Kommentar zum Schweizerischen
Steuerrecht I/2a, 2. Auflage, Zürich 2008, Art. 35 DBG N 9, mit
Hinweis auf Bosshard/Bosshard/Lüdin, Sozialabzüge und Steuerta-
rife im schweizerischen Steuerrecht, Zürich 2000, S. 177).
3.3.2.2.
Auch gemäss dem Kreisschreiben Nr. 30 der Eidgenössischen
Steuerverwaltung vom 21. Dezember 2010 (Ehepaarund Familien-
besteuerung nach dem Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer
[DBG]) kann bei einem Unterbruch der beruflichen Ausbildung der
Kinderabzug weiterhin geltend gemacht werden, wenn der Unter-
bruch nur vorübergehend ist, z.B. um die Militär-, Ziviloder Zivil-
schutzdienstpflicht zu erfüllen um für die Ausbildung notwen-
dige Prüfungen vorzubereiten (S. 20).
3.3.2.3.
Der "Kommunikationsplattform für Steuern des Kantons
St. Gallen" kann das Folgende entnommen werden ("2.6 Schulische
oder berufliche Ausbildung"):
"Eine kurzfristige Pause in der Ausbildung wegen Krankheit, für Militärdienst (Rekrutenschule usw.), Lehrstellensuche Auslandaufenthalt, wie es bei jungen Leuten häufig vorkommt, lässt die Ausbildungsphase nicht abreissen. Vorausgesetzt wird, dass nach dem Time-out die Ausbildung fortgesetzt wird (SGE 2008 Nr. 2). Das ist z.B. der Fall, wenn nach der Matura die Zeit bis zum Studienbeginn an einer Universität überbrückt wird. Dabei kann das Kind temporär auch einer Erwerbstätigkeit nachgehen. Für die Einkünfte aus Erwerbstätigkeit wird das Kind unter bestimmten
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Voraussetzungen selbständig besteuert (StG 30 Nr. 7). Bei nur vorübergehendem Unterbruch der Ausbildung auch über den Stichtag hinaus - darf angenommen werden, dass die Erwerbstätigkeit objektiverweise nicht darauf ausgerichtet ist, den Lebensunterhalt selbst bestreiten zu können, sondern nur als Überbrückungsmassnahme zwischen zwei Ausbildungsabschnitten verstanden wird. Den Eltern steht in diesem Fall der Kinderabzug zu." 3.3.3.
Zum vorliegend zu beurteilenden Themenkreis lassen sich nur
wenige publizierte Urteile finden.
So hat beispielsweise das Verwaltungsgericht des Kantons
Obwalden im Entscheid vom 20. April 2006 (VVGE 2005 und 2006
Nr. 37, S. 134) das Folgende ausgeführt:
"2.e) aa) Aus der von der Beschwerdeführerin eingereichten definitiven Veranlagungsverfügung Kantonsund Gemeindesteuern 1995/1996 ergibt sich, dass ihr Sohn V. offenbar im Sommer 1995 seine Lehre als Mechaniker abgeschlossen hat. Aus der Kopie des Dienstbüchleins von V. wird ersichtlich, dass er vom 10. Juli bis zum 20. Oktober 1995 die Rekrutenschule absolvierte. Vom 20. Januar bis zum 1. Februar, vom 7. Juli bis zum 1. August, vom 4. August bis zum 12. September 1997 sowie vom 9. Februar bis zum 20. März 1998 absolvierte er die Unteroffiziersschule und das Abverdienen des Grades. Aus dem Schreiben der Berufsmaturitätskommission des Kantons Luzern vom 20. März 1997 wird ersichtlich, dass V. am 1. März 1997 die Aufnahmeprüfung in die Berufsmittelschule abgelegt hat und aufgrund bestandener Prüfung zum Vollzeit-Lehrgang 1997 bis 1998 zugelassen wurde. Die Beschwerdeführerin behauptet, ihr Sohn V. habe sich im Jahr 1996 auf die Aufnahmeprüfung vom 1. März 1997 vorbereiten müssen. Eine Vorbereitungszeit von über einem Jahr für die Aufnahmeprüfung in die Berufsmittelschule, welche im Vollzeit-Lehrgang rund ein Jahr dauert, scheint etwas lang zu sein. Auch ergeben sich aus den Akten andere Anhaltspunkte. Angesichts des in der definitiven Veranlagungsverfügung Kantonsund Gemeindesteuern 1995/1996 aufgeführten steuerbaren Einkommens von Fr. 26 000.für das Jahr 1996 ist davon auszugehen, dass er zumindest zeitweise in dieser Periode erwerbstätig war. Derselbe Schluss kann aus der eingereichten definitiven Veranlagungsverfügung 1997/1998 gezogen werden, aus der hervorgeht, dass aufgrund der Aufgabe der unselb-
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ständigen Erwerbstätigkeit für V. eine Zwischenveranlagung vorgenommen wurde. Schliesslich gab V. in der eingereichten Anmeldung für einen Ausbildungsbeitrag vom 29. April 2002 selbst an, von 1995 bis 1998 als Mechaniker bei der A. Betriebstechnik tätig gewesen zu sein. Aus den Akten ist nicht genau ersichtlich, wann V. mit dem Berufsmaturitätslehrgang begonnen hat, nach dem Gesagten ist aber davon auszugehen, dass er den Berufsmaturitätslehrgang wahrscheinlich Mitte bis Ende 1998 begann. Da dieser Lehrgang rund ein Jahr dauert und er mit seiner Ausbildung zum Maschineningenieur an der Hochschule Technik und Architektur Luzern erst im Oktober 1999 begann, würde dies zeitlich genau passen. Aufgrund der Aktenlage ist auf jeden Fall davon auszugehen, dass V. nach Abschluss seiner Berufslehre und vor dem Beginn seines Studiums während längstens rund zweieinhalb Jahren einer Erwerbstätigkeit nachging. Wie bereits gesagt hat V. im Oktober 1999 mit seiner Ausbildung zum Maschineningenieur an der Hochschule Technik und Architektur Luzern begonnen und sein Studium infolge Wiederholens des zweiten Studienjahres im Jahr 2003 abgeschlossen. Dies belegt das Diplom der Fachhochschule Zentralschweiz vom 4. Dezember 2003, welches V. zum Führen des Titels 'diplomierter Ingenieur FH in Maschinentechnik' 'diplomierter Maschineningenieur FH' berechtigt. bb) Die von der Beschwerdeführerin eingereichten Belege zu den verschiedenen Stationen des beruflichen Werdeganges ihres Sohnes führen zum Schluss, dass noch von einer systematischen Ausbildung gesprochen werden kann. V. hat spätenstens rund ein Jahr nach Abschluss der Rekrutenschule Ende 1995 mit den Vorbereitungen für sein Ingenieurstudium begonnen und im März 1997 die Aufnahmeprüfung für den Berufsmaturitätslehrgang bestanden. Dies zeigt, dass er bereits frühzeitig plante, seine berufliche Ausbildung weiterzuführen. Wie gesagt ist davon auszugehen, dass er Mitte bis Ende 1998 mit dem Berufsmaturitätslehrgang begann. Dieser Lehrgang ist eine notwendige Vorstufe zum eigentlichen Ingenieurstudium und berechtigt bereits zum Kinderabzug. Da V. nach dem Besuch der Berufsmittelschule offenbar lückenlos im Oktober 1999 mit dem Ingenieurstudium begann, besteht ein Unterbruch im Ausbildungsgang von 1996 bis circa Mitte 1998. Dieser Unterbruch von rund zweieinhalb Jahren gereicht einerseits dadurch nicht zum Nachteil der Beschwerdeführerin, da er von ihrem Sohn zweckgerichtet benutzt wurde, nämlich zur Absolvierung der Unteroffi-
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ziersschule im Jahr 1997 und zur Vorbereitung auf die Aufnahmeprüfung zum Berufsmaturitätslehrgang im Jahr 1996 und 1997. Andererseits ist es bei Fachhochschulstudenten allgemein üblich, dass sie zwischen Berufslehre und Studium für eine kurze Zeit in ihrem erlernten Beruf tätig sind. Schliesslich ist auch zu berücksichtigen, dass die Anfangsdaten für Ausbildungen wie den Berufsmaturitätslehrgang und das Fachhochschulstudium bzw. auch Prüfungsdaten in der Regel vorgegeben sind und von den Studenten nicht beeinflusst werden können. Dies kann auch zu erheblichen Zeitverlusten führen, wenn eine Ausbildung jeweils nur einmal zweimal im Jahr begonnen werden kann und dem Studenten ein Anfangstermin aufgrund anderweitiger Verpflichtungen nicht passt, zwischen dem Abschluss der einen Ausbildung und dem frühestmöglichen Beginn der nächsten eine längere Zeit liegt. Sodann kann das Maschineningenieurstudium an einer Fachhochschule nicht als Weiterbildung Zweitausbildung bezeichnet werden. Beim Beruf des Maschineningenieurs handelt es sich um ein eigenständiges Berufsbild, das entweder direkt über die Maturität und ein Studium an der Eidgenössischen Technischen Hochschule erlangt werden kann auf dem Weg einer vorgängigen Berufslehre, gefolgt von der Berufsmaturität und dem Studium an einer Fachhochschule. Dass das Studium an einer Fachhochschule einem Hochschulstudium gleichgestellt ist, wurde bereits gesagt. Auch ist der Zusammenhang zwischen der Berufslehre als Mechaniker und dem Maschineningenieurstudium an einer Fachhochschule offensichtlich. Aufgrund der Lehre und Gerichtspraxis ist vorliegend also davon auszugehen, dass beim Sohn der Beschwerdeführerin eine systematische Ausbildung vorliegt, ein Zusammenhang zwischen der Mechanikerlehre, der Berufsmatura und dem Maschineningenieurstudium an der Fachhochschule bejaht werden kann und auch der vorübergehende Unterbruch in der Ausbildung nicht negativ ins Gewicht fällt. Die Ausbildung fällt also einerseits unter den Begriff der beruflichen Ausbildung nach Art. 35 Abs. 1 Bst. a DBG und kann nach dem Gesagten auch als 'Erstausbildung' nach dem Wortlaut von Art. 37 Abs. 1 Bst. b StG bezeichnet werden." Des weitern hat die Steuerrekurskommission Bern in ihrem Ent-
scheid vom 16. Oktober 2001 (= StE 2002 B 29.3 Nr. 19) das Fol-
gende ausgeführt:
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"4. Wie die Rekurrenten ausführen, bedarf es für die Zulassung zur HWV einer abgeschlossenen Berufslehre und einer mindestens einjährigen Berufspraxis. Ein Unterbruch zwischen Lehrende und Beginn der HWV sei demzufolge unumgänglich. Ausserdem bringen die Rekurrenten vor, dass ein Studium an der Universität ebenso wie ein Studium an der HWV eine Grundausbildung voraussetze und eine unterschiedliche Behandlung nicht gerechtfertigt sei. 5. Der Unterbruch zwischen Lehrende und Beginn des Studiums betrug im vorliegenden Fall drei Jahre. Dies liegt zwar über der minimalen Frist von einem Jahr, bewegt sich aber noch in einem Bereich, in dem von einer zusammenhängenden Ausbildung gesprochen werden kann. Dies umso mehr, als Anwärterinnen und Anwärtern des HWV-Studiums eine möglichst umfassende Berufspraxis nahe gelegt wird. Im Weiteren ist den Rekurrenten beizupflichten, wenn sie ausführen, dass das Studium an der HWV ebenso wie das Studium an der Universität eine Grundausbildung voraussetzt (...). Zudem ist die HWV eine (Fach-) Hochschule (...) und ist damit der universitären Ausbildung gleichgestellt. Eine unterschiedliche Behandlung der HWV-Studenten und -Studentinnen gegenüber den Studierenden der Universität lässt sich deshalb nicht rechtfertigen. Rekurs und Beschwerde müssen demzufolge gutgeheissen werden." 3.3.4.
Aus der dargelegten Literatur und Rechtsprechung ergibt sich
somit, dass ein zeitlich befristeter Unterbruch einer systematischen
Ausbildung aus objektiven Gründen am massgebenden Stichtag der
Gewährung eines Kinderabzuges nicht entgegensteht.
Die von der Vorinstanz für die Nichtgewährung eines Kinderab-
zuges vorgebrachte Begründung, N.S. sei am massgeblichen Stichtag
31. Dezember 2009 nicht in Ausbildung gewesen, greift daher zu
kurz.
3.4.
Die von N.S. absolvierte Fachmittelschule ist eine eidgenös-
sisch anerkannte Mittelschule, die an die obligatorische Schulzeit an-
schliesst. Je nach Abschluss dauert die Fachmittelschule drei oder
vier Jahre. In drei Jahren erlangen die Schüler den Fachmittelschul-
ausweis. Er ermöglicht den direkten Zugang zu einer Ausbildung an
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einer höheren Fachschule. Wer die Fachmatur erwerben will, absol-
viert ein zusätzliches Ausbildungsmodul. Mit diesem vierten Jahr
erschliessen sich die Schüler den Zugang zu einem Studium an der
Fachhochschule.
Bei der von N.S. im August 2011 aufgenommenen und bis Juni
2012 dauernden Ausbildung zur "Fachmaturität Pädagogik" handelt
es sich also um eine Fortsetzung der von ihm im Juni 2009 abge-
schlossenen Fachmittelschule (Fachmittelschule = 1. - 3. Jahr der
Sekundarstufe II; Fachmatur = 4. Jahr der Sekundarstufe II), d.h. um
eine Fortsetzung der Erstausbildung. Der Umstand, dass diese syste-
matisch zusammenhängende Ausbildung vom Juni 2009 bis Au-
gust 2011 durch Militärdienste und unfallbedingte Therapien vor-
übergehend unterbrochen wurde, ist aufgrund der dargelegten Lite-
ratur und Rechtsprechung nicht von Belang. Das Kriterium "in Aus-
bildung" ist trotzdem erfüllt.