2011 Auflösung Anstellungsverhältnis 401
[...]
93 Kommunales Dienstverhältnis. Fehlendes Personalreglement. Arztzeug- nis. - Besitzt eine Gemeinde kein eigenes Personalreglement, so kommt das kantonale Personalrecht sinngemäss zur Anwendung; der in einem Anstellungsvertrag enthaltene Verweis auf die Bestimmungen des Obligationenrechts ist diesfalls unbeachtlich (Erw. I/2).
2011 Personalrekursgericht 402
- Die Ausstellung einer rückwirkenden ärztlichen Bestätigung kann im Einzelfall gerechtfertigt sein, sofern ihr eine eingehende Untersu- chung vorausgeht, die Rückwirkung eine Woche nicht überschreitet und keine sonstigen Umstände die Arbeitsunfähigkeit fraglich er- scheinen lassen (Erw. II/1.4.1); in casu bestehen keine konkreten Zweifel an der Aussagekraft des vorgelegten Arztzeugnisses und be- hauptet auch die Arbeitgeberin nicht, dass die ärztliche Diagnose an sich falsch gewesen sei (Erw. II/1.4.2).
Aus dem Entscheid des Personalrekursgerichts vom 25. Oktober 2011 i.S. P. gegen Einwohnergemeinde B. (2-KL.2010.14).
Aus den Erwägungen
I.
2.
2.1.
Die Gemeindeordnung der Beklagten enthält keine Angaben da-
rüber, ob die Anstellung von Mitarbeitenden mittels Verfügung, mit-
tels privatrechtlichen Vertrag mittels öffentlich-rechtlichen Ver-
trag erfolgt. Ein Personalreglement besitzt die Beklagte nicht.
Der Anstellungsvertrag zwischen dem Kläger und der Beklag-
ten vom 6. April 2009 enthält unter Ziffer 15 die folgende Vereinba-
rung:
"Ergänzendes Recht zu diesem Arbeitsvertrag bilden die Bestimmungen des
Schweizerischen Obligationenrechts (OR) über den Arbeitsvertrag sowie die Be-
stimmungen der Personalgesetzgebung des Kantons Aargau und das öffentliche
Dienstrecht. Wo zulässig, gehen die Bestimmungen des OR allen andern Bestim-
mungen vor, insbesondere den Bestimmungen des öffentlichen Dienstrechts und der
aargauischen Personalgesetzgebung."
2.2.
§ 50 GG lautet wie folgt:
"Die Gemeinden können ein Dienstund Besoldungsreglement erlassen. Fehlt
ein solches enthält es Lücken, gelten sinngemäss die entsprechenden Bestim-
mungen des kantonalen Personalrechts."
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Verzichtet eine Gemeinde darauf, im Bereich des Personalrechts
selber zu legiferieren, so gelangt gemäss der zitierten Bestimmung
stets das kantonale Personalrecht sinngemäss zur Anwendung. Wol-
len Gemeinden eine andere Lösung, so müssen sie entweder ein eige-
nes Dienstund Besoldungsreglement erlassen auf Erlassstufe
das Recht eines anderen Gemeinwesens das Obligationenrecht
als anwendbar erklären. Ohne entsprechende Rechtsgrundlage be-
steht keine Möglichkeit, im Rahmen des Anstellungsvertrages oder
der Anstellungsverfügung andere Rechtserlasse als diejenigen des
kantonalen Personalrechts als massgebend zu erklären (PRGE vom
26. Mai 2010, 2-BE.2009.4, Erw. I/2.3).
§ 49 Abs. 2 GG, wonach den Gemeinden die Anstellung auf-
grund eines privatrechtlichen Arbeitsvertrages vorbehalten bleibt, än-
dert an dieser Einschätzung nichts. Die Bestimmung bietet keine ge-
nügende gesetzliche Grundlage, um einen privatrechtlichen Arbeits-
vertrag direkt darauf abzustützen. Dies ergibt sich vorab aus dem
Verhältnis zwischen § 49 und § 50 GG; da das kantonale Recht im-
mer dann zur Anwendung gelangt, wenn auf kommunaler Ebene kein
Dienstund Besoldungsreglement besteht, muss auch ein allfälliger
Verweis auf das Privatrecht auf Erlassstufe geregelt sein.
2.3.
Da die Beklagte wie gesehen (Erw. I/2.1) kein kommunales
Dienstund Besoldungsreglement erlassen hat, ergibt sich aus § 50
GG, dass das kantonale Personalrecht sinngemäss zur Anwendung
gelangt. Dies gilt unabhängig von der abweichenden vertraglichen
Bestimmung, wonach primär das Obligationenrecht anwendbar sein
soll; mangels entsprechender Grundlage im kommunalen Recht be-
steht für eine derartige Vereinbarung kein Raum.
2.4.
§ 3 PersG unterscheidet zwischen Mitarbeitenden, deren Ar-
beitsverhältnis durch öffentlich-rechtlichen Anstellungsvertrag be-
gründet wird (Regelfall), und Beamtinnen und Beamten, die vom
Volk vom Grossen Rat auf Amtsdauer gewählt werden (Ausnah-
me). Das Anstellungsverhältnis zwischen dem Kläger und der Be-
klagten wurde mit Anstellungsvertrag vom 6. April 2009 begründet.
Nach Massgabe des sinngemäss anwendbaren kantonalen Personal-
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rechts (vgl. Erw. I/2.3) handelt es sich dabei um einen öffentlich-
rechtlichen Vertrag. Demnach ist das Personalrekursgericht für das
vorliegende Verfahren zuständig (§ 48 Abs. 1 PersG); es hat die ge-
stellten Begehren im Klageverfahren zu beurteilen (§ 39 lit. a PersG;
§ 48 Abs. 1 PLV e contrario; AGVE 2001, S. 517 ff.,
Erw. I/2a/cc/bbb).
II.
1.4.
1.4.1.
Gemäss Arztzeugnis vom 3. November 2010 war der Kläger ab
dem 29. Oktober 2010 zu 100% arbeitsunfähig. Die Ausstellung ei-
ner solchen rückwirkenden ärztlichen Bestätigung kann im Einzelfall
gerechtfertigt sein, sofern ihr eine eingehende Untersuchung des Pa-
tienten vorausgeht, die Rückwirkungsdauer eine Woche nicht über-
schreitet und keine sonstigen Umstände vorliegen, welche die be-
hauptete Arbeitsunfähigkeit fraglich erscheinen lassen (vgl. Roland
Müller, Arztzeugnisse in arbeitsrechtlichen Streitigkeiten, in: AJP
2/2010, S. 172).
1.4.2.
Der Umstand, dass die ärztliche Untersuchung "erst" am 3. No-
vember 2010 stattfand, kann dem Kläger nicht zum Vorwurf gemacht
werden. Aufgrund des Wochenendes vom 30./31. Oktober 2010 so-
wie des anschliessenden Feiertages vom 1. November 2010 (Aller-
heiligen) erstaunt es nicht, dass der Kläger, der offenbar noch am
Abend des 28. Oktober 2010 bei seinem Arzt angerufen hatte, keinen
früheren Arzttermin vereinbaren konnte. Beim 3. November 2010
handelte es sich erst um den dritten Arbeitstag, an dem der Kläger
gemäss eigenen Angaben bzw. gemäss Arztzeugnis krank war.
[...]
Der zeitliche Zusammenhang zwischen dem Gespräch vom
28. Oktober 2010 und der anschliessenden Erkrankung des Klägers
ist auffallend eng. Dies ist jedoch ebenfalls kein Beleg dafür, dass
das vorgelegte Arztzeugnis falsch vom Kläger gar in rechts-
missbräuchlicher Absicht erwirkt worden wäre, um die Kündigung
abzuwenden bzw. hinauszuzögern. Dies gilt umso mehr, als eine un-
erwartete Kündigung wie die allgemeine Lebenserfahrung zeigt -
2011 Auflösung Anstellungsverhältnis 405
bei der betroffenen Person durchaus massive psychische Probleme
auslösen kann. Der Kläger macht denn auch geltend, dass er nach
dem Gespräch vom 28. Oktober 2010 einen "Nervenzusammen-
bruch" erlitten habe und sein Arzt das Vorliegen einer depressiven
Phase diagnostiziert habe.
Bei dieser Sachlage bestehen keine konkreten Zweifel an der
Aussagekraft des Arztzeugnisses vom 3. November 2010. Im Folgen-
den ist daher davon auszugehen, dass der Kläger effektiv ab dem
29. Oktober 2010 krankheitsbedingt an der Arbeitsleistung verhindert
war, zumal auch die Beklagte zu keinem Zeitpunkt die Richtigkeit
der ärztlichen Diagnose an sich in Zweifel zog und auch keine ver-
trauensärztliche Untersuchung des Klägers verlangte, sondern im
Rahmen der Rechtsschriften lediglich in genereller Weise geltend
machte, es liege eine unzulässige Rückdatierung vor.
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