90 Kantonswechsel; Teilnichtigkeit einer Verfügung wegen fehlender Zu-
ständigkeit
Die Migrationsbehörde des Kantons Aargau kann im Rahmen eines Kan-
tonswechsels eine ausserkantonale Niederlassungsbewilligung mangels
Zuständigkeit nicht widerrufen (E. II./6.2.).
Aus dem Entscheid des Rekursgerichts im Ausländerrecht vom 25. August 2011 in Sachen H.V.A. betreffend Erteilung einer Niederlassungsbewilligung (Kantonswechsel) (1-BE.2010.52).
Aus den Erwägungen
II. 6. [...] 6.2. Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer seinen Wohnsitz per 1. Juli 2009 nach Z. [Kanton Aargau] verlegt. Wie vorstehende Erwägungen gezeigt haben, ist der (nachträglich) beantragte Kantonswechsel zu Recht verweigert worden und es ist ihm keine Niederlassungsbewilligung für den Kanton Aargau zu erteilen. Dessen ungeachtet ist er jedoch noch immer im Besitz einer (gültigen) Niederlassungsbewilligung des Kantons Bern. Diese ist nicht erloschen und ist soweit aus den Akten ersichtlich vom Kanton Bern auch nicht widerrufen worden. Es ist offensichtlich, dass die Migrationsbehörden des Kantons Aargau nicht für den Widerruf einer ausserkantonalen Bewilligung zuständig sein können. Der durch die Vorinstanz verfügte Widerruf der Niederlassungsbewilligung sowie die durch das MKA erlassene Wegweisung des Beschwerdeführers aus der Schweiz wurden demnach durch eine örtlich unzuständige Behörde erlassen, womit die entsprechenden Anordnungen fehlerhaft sind. Fehlerhafte Verfügungen und Entscheide sind in der Regel grundsätzlich wirksam, können jedoch auf Anfechtung hin aufgehoben geändert werden (Ulrich Häfelin/Georg Müller/Felix Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, 6. Auflage, Zürich 2010, Rz. 950). Ausnahmsweise kann ein fehlerhafter Entscheid auch nich-
tig sein. Diesfalls entfaltet er keine Rechtswirkung und ist rechtlich unverbindlich. Die Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes ist von Amtes wegen zu beachten und kann von jedermann jederzeit geltend gemacht werden (Ulrich Häfelin/Georg Müller/Felix Uhlmann, a.a.O., Rz. 950, 955). Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung sind fehlerhafte Entscheide nichtig, wenn der ihnen anhaftende Mangel besonders schwer wiegt, wenn er offensichtlich zumindest leicht erkennbar ist und wenn zudem die Rechtssicherheit durch die Annahme der Nichtigkeit nicht ernsthaft gefährdet wird (BGE 130 II 249, E. 2.4; BGE 129 I 361, E. 2.1 mit weiteren Hinweisen). Die örtliche Unzuständigkeit stellt in der Regel keinen Nichtigkeitsgrund dar (Ulrich Häfelin/Georg Müller/Felix Uhlmann, a.a.O., Rz. 959). Anders verhält es sich jedoch, wenn eine Behörde im Hoheitsbereich eines fremden Gemeinwesens verfügt (Imboden Max/Rhinow René, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, 6. Auflage, Basel/ Frankfurt a.M. 1986; Bd. I, S. 242). Im vorliegenden Fall waren die Vorinstanzen zuständig für die Beurteilung des vom Beschwerdeführer beantragten Kantonswechsels. Der angefochtene Entscheid der Vorinstanz ist damit in dieser Hinsicht nicht zu beanstanden. Indem die Vorinstanzen indessen den Widerruf der ausserkantonalen Niederlassungsbewilligung sowie die Wegweisung des Beschwerdeführers aus der Schweiz verfügt haben, haben sie im Hoheitsbereich eines fremden Gemeinwesens verfügt. Dieser Fehler wiegt schwer, und es ist leicht erkennbar, dass die Zuständigkeit des Kantons Aargau diesbezüglich nicht gegeben ist. Weiter ist nicht ersichtlich, inwiefern die Annahme der Nichtigkeit im konkreten Fall zu einer Gefährdung der Rechtssicherheit führt. Demzufolge erweist sich der Entscheid der Vorinstanz hinsichtlich des Widerrufs der Niederlassungsbewilligung sowie die erstinstanzliche Verfügung betreffend die Wegweisung aus der Schweiz als nichtig. Der Beschwerdeführer ist damit weiterhin im Besitz einer Niederlassungsbewilligung und kann sich bis zu einem anders lautenden Entscheid der zuständigen Behörden des Kantons Bern weiterhin dort aufhalten (vgl. hierzu auch Weisungen des BFM zum Ausländerbereich, Version 1. Juli 2009, Ziff. 3.1.8.2.1).