[...]
85 Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung; Dauer des ehelichen Zu- sammenlebens - Ein Anspruch auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung auf- grund einer drei Jahre bestandenen Ehegemeinschaft ist nur dann gegeben, wenn während dieser Zeit auch ein Ehewille vorhanden war. Solange Ehegatten zusammen wohnen, wird ein von einem Ehe- willen getragenes Zusammenleben vermutet. Diese Vermutung kann jedoch im Einzelfall widerlegt werden (E. II./3.1.2.). - I.c. wurde das Erfordernis des dreijährigen Zusammenlebens als Ehegatten in der Schweiz nur in formeller Hinsicht erfüllt, weshalb der Anspruch auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung im Sinne von Art. 50 Abs. 1 lit. a AuG erloschen ist (E. II./3.2.4.).
Aus dem Entscheid des Rekursgerichts im Ausländerrecht vom 25. August 2011 in Sachen L.A.V. betreffend Nichtverlängerung der Aufenthaltsbe-
willigung und Wegweisung (1-BE.2010.47).
Bestätigt durch den Entscheid des Bundesgerichts vom 23. Dezember 2010
(2C_786/2011).
Aus den Erwägungen
II.
3. [...]
3.1.2.
Die in Art. 50 Abs. 1 lit. a AuG geforderte Ehegemeinschaft
besteht grundsätzlich solange, als die Eheleute zusammenleben
(Marc Spescha, in: Marc Spescha/Hanspeter Thür/Andreas Zünd/
Peter Bolzli [Hrsg.], Migrationsrecht, Zürich 2008, Art. 50 AuG,
N. 4). Es wird indessen auch bei Art. 50 Abs. 1 lit. a AuG eine tat-
sächlich gelebte eheliche Beziehung vorausgesetzt. Es genügt nicht,
wenn die Ehe während des Zusammenwohnens nur formell bestan-
den hat. Mit anderen Worten besteht ein Anspruch auf Verlängerung
der Aufenthaltsbewilligung aufgrund einer drei Jahre bestandenen
Ehegemeinschaft nur dann, wenn während dieser Zeit auch ein Ehe-
wille vorhanden war. Das Vorhandensein eines Ehewillens wird wäh-
rend des Zusammenwohnens von Ehegatten zwar vermutet; diese
tatsächliche Vermutung kann jedoch im Einzelfall widerlegt werden
(vgl. Martin Kaufmann, Beweisführung und Beweiswürdigung,
Zürich/St. Gallen 2009, S. 230 ff.).
[...]
3.2.4.
Aufgrund der Akten ist davon auszugehen, dass die Ehegatten
bis Ende Oktober 2009 in einem gemeinsamen Haushalt gelebt ha-
ben. Das Erfordernis des dreijährigen Zusammenlebens als Ehegatten
in der Schweiz ist somit in formeller Hinsicht erfüllt. Dennoch ist der
Beschwerdeführerin kein Anspruch auf Verlängerung der Aufent-
haltsbewilligung gemäss Art. 50 Abs. 1 lit. a AuG zuzuerkennen.
Mit Eingabe vom 20. Oktober 2008 liess der Ehemann der Be-
schwerdeführerin beim Bezirksgericht Z. die Aufhebung des gemein-
samen Haushalts beantragen. Die Beschwerdeführerin widersetzte
sich in der Klageantwort diesem Begehren nicht. Anlässlich der
mündlichen Eheschutzverhandlung vom 27. November 2008 hielten
sowohl der Ehemann als auch die Beschwerdeführerin an ihren je-
weiligen Begehren fest. Nach der Eheschutzverhandlung nahmen die
Parteien Vergleichsgespräche auf, weshalb das Gericht angewiesen
wurde, mit der Urteilsfällung zuzuwarten. Gemäss Mitteilung der
Rechtsvertreterin des Ehemannes vom 19. Januar 2009 scheiterten
indessen die Vergleichsverhandlungen, worauf das Eheschutzverfah-
ren wieder aufgenommen und am 19. Mai 2009 ein entsprechendes
Urteil gefällt wurde.
Nachdem mit Eheschutzurteil des Gerichtspräsidiums Z. vom
19. Mai 2009 davon Vormerk genommen wurde, dass die Ehegatten
seit dem 20. Oktober 2008 getrennt leben würden, kann grundsätz-
lich nicht mehr davon ausgegangen werden, dass die Ehegatten über
dieses Datum hinaus noch eine von einem Ehewillen getragene Le-
bensgemeinschaft hätten (weiter)führen wollen. Dass die Beschwer-
deführerin nach dem 19. Mai 2009 nicht unverzüglich und auch nicht
wie im Eheschutzurteil vorgesehen per 30. September 2009 eine
eigene Wohnung bezog, sondern erst per 1. November 2009 in
S. Wohnsitz nahm, lässt keinen gegenteiligen Schluss zu. Dies umso
weniger, als der Ehemann der Beschwerdeführerin das Zusammen-
leben nach dem 19. Mai 2009 nicht mit der Wiederaufnahme oder
Weiterführung der ehelichen Gemeinschaft begründete, sondern da-
mit, dass seine "Ex-Frau" kurz nach der Trennung ihre Arbeitsstelle
verloren habe und er sie nicht einfach mittellos vor die Türe habe
stellen wollen. Auch sein Wunsch, dass die Beschwerdeführerin in
der Schweiz verbleiben könne, damit sie weiterhin ihre Familie in
Kenia finanziell unterstützen könne, lässt nicht darauf schliessen,
dass eine eheliche Gemeinschaft über den von den Ehegatten gegen-
über dem Zivilrichter angegebenen Trennungszeitpunkt weiterbe-
standen hätte. Ein weiteres Indiz für die getrennten Lebenswege der
Ehegatten vor Ablauf der Dreijahresfrist ist der am 24. April 2010
geborene Sohn der Beschwerdeführerin, welcher gemäss ihren Aus-
sagen im Verfahren betreffend die Anfechtung der Vaterschaftsver-
mutung mit Sicherheit nicht das leibliche Kind ihres Ehemannes ist.
Hinzu kommt, dass trotz des offiziellen Auszugs der Beschwerde-
führerin aus der ehelichen Wohnung per 1. November 2009 Anzei-
chen dafür bestehen, dass sie bereits vorher nicht mehr dort wohnte.
Zumindest für den Mietvertrag ihrer Wohnung, welcher vom 6. Ok-
tober 2009 datiert, gab sie eine aktuelle Adresse in L. an.
Insgesamt kommt das Rekursgericht nach dem Gesagten zum
Schluss, dass der Ehewille der Beschwerdeführerin womöglich be-
reits seit dem 20. Oktober 2008, spätestens jedoch seit dem 19. Mai
2009 als erloschen zu betrachten ist und keine Ehegemeinschaft i.S.v.
Art. 50 Abs. 1 lit. a AuG mehr bestand.