67 Berufskosten; Autokosten (§ 35 Abs. 1 lit. a StG)
Ist die Zurücklegung des Arbeitsweges mit den öffentlichen Verkehrs-
mitteln nicht zumutbar, werden als Autokosten grundsätzlich bloss die
Aufwendungen für die kürzeste Strecke berücksichtigt. Nur ausnahms-
weise wird auf die tatsächlich gefahrene Strecke abgestellt.
Aus dem Entscheid des Steuerrekursgerichtes vom 22. September 2011 in Sachen O. + F.M. (3-RV.2010.213).
Aus den Erwägungen
4.3. 4.3.1. Der Steuerpflichtige hat in der Regel nur Anspruch auf den Abzug der Kosten des kürzesten Arbeitsweges. Mehrauslagen werden toleriert, wenn es aus steuerrechtlicher Sicht für die Erzielung des Erwerbseinkommens begründet erscheint, die Umwegstrecke der kürzesten, aber zeitaufwändigeren Fahrtstrecke vorzuziehen (VGE vom 2. März 2006 in Sachen V. + R.D. [WBE.2005.105], mit Hinweis; vgl. auch StE 2003 B 22.3 Nr. 76, mit Hinweisen; Bundesgerichtsurteil vom 26. Oktober 2004 [2A.224/2004]; AGVE 1987 S. 376; RGE vom 11. Oktober 2006 in Sachen J. + K.S.; Kommentar zum Aargauer Steuergesetz, 3. Auflage, Muri-Bern 2009, § 34 StG N 9 ff.). Das Verwaltungsgericht hat im Entscheid vom 1. November 1995 in Sachen R.F. (BE.94.00303) betreffend Berechnung der abzugsfähigen Fahrtkosten Folgendes ausgeführt: "4. c) Ob die Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel nicht zumutbar ist und deshalb die höheren Abzüge für ein Privatauto beansprucht werden können, hängt insbesondere von der erzielten Zeitersparnis ab (...). Das gleiche Kriterium ist auch für die hier streitige Frage der Anerkennung eines Umwegs anzuwenden. So ist die Abzugsfähigkeit von Mehrkosten auf jeden Fall ausgeschlossen, wenn der gefahrene Umweg auf die Befriedigung individueller Lebensgewohnheiten zurückzuführen ist mehr der Bequemlichkeit dient; auch ausserfiskalische Motive (Umweltschutz, stär-
kere Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer etc.) genügen nicht (...). Damit für die Berechnung auf einen Umweg abgestellt wird, muss dieser vielmehr eine massgebliche Zeitersparnis bewirken. (...). Es können nicht einfach der kürzeste Weg und der gefahrene Umweg einander gegenübergestellt werden, vielmehr müssen vier Grössen, nämlich der kürzeste Weg, die effektiv gefahrene Strecke, die damit erzielte Zeitersparnis und die Gesamtfahrzeit zueinander in Beziehung gesetzt werden, wobei bei der Beurteilung nicht auf fixe Verhältniszahlen abgestellt werden kann, sondern eine Wertung erforderlich ist. So ist bei geringer Zeitersparnis auch ein Mehraufwand von weniger als 10 % nicht abzugsfähig; andererseits kann unter besondern Umständen ein Mehraufwand von über 10 % abzugsfähig sein, wenn die Zeitersparnis beachtlich ist und dem Steuerpflichtigen objektiv eine andere Routenwahl als die tatsächlich gefahrene Strecke nicht zugemutet werden kann." 4.3.2. Das Verwaltungsgericht hatte im zitierten Entscheid vom 1. November 1995 in Sachen R.F. (BE.94.00303) einerseits einen Umweg von 4,3 % im Verhältnis zu einer Zeitersparnis von 50 % (entsprechend 70 Minuten pro Tag) und andererseits einen Umweg von 30 % im Verhältnis zu einer Zeitersparnis von 40 % (entsprechend 80 Minuten pro Tag) zu beurteilen. Im VGE vom 2. März 2006 in Sachen V. + R.D. (WBE.2005.105) standen sich ein Umweg von 16 % und eine Zeitersparnis von 33 % (entsprechend 50 Minuten pro Tag) gegenüber. In diesen Entscheiden war der Umweg mit 4,3 % bzw. 30 % bzw. 16 % quotal wesentlich kleiner als die Zeitersparnis von 50 % bzw. 40 % bzw. 33 %, womit den Steuerpflichtigen nicht zumutbar war, die kürzeste, aber zeitaufwändigere Fahrtstrecke der Umwegstrecke vorzuziehen. Auch das Steuerrekursgericht hat gestützt auf die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung bei einer Zeitersparnis von 45.6 %, was 104 Minuten pro Tag entsprach, einen Umweg von 32.1 % akzeptiert (RGE vom 24. April 2008 in Sachen U.A.). Verneint wurde hingegen der Abzug der Kosten für die Zurücklegung der schnellsten Route bei einem Umweg von 46.7 %, der zu einer Zeitersparnis von 41.5 % (entsprechend 58 Minuten pro Tag) geführt hatte (RGE vom 20. August 2009 in Sachen C. + R.M.).
4.3.3. Es ergibt sich somit, dass in Analogie zur Rechtsprechung betreffend die Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel für den Arbeitsweg (AGVE 2009 S. 144; VGE vom 23. Januar 2008 in Sachen R.H. [WBE.2007.304]; RGE vom 20. September 2007 in Sachen C.S.; je mit Hinweisen) die Kosten für die schnellste Route zum Abzug gebracht werden können, wenn aufgrund der in Erw. 4.3.1 zitierten vier Kriterien die Zurücklegung der kürzesten Strecke nicht zumutbar ist (RGE vom 24. April 2008 in Sachen U.A.). Insbesondere hat der Umweg in Prozentpunkten eindeutig kleiner zu sein als die erzielte Zeitersparnis. Zudem wird ein Umweg von über 10 % nur gewährt, wenn spezielle Umstände beispielsweise eine beachtliche Zeitersparnis die Pflicht, innert kürzester Zeit am Arbeitsplatz einzutreffen vorliegen. 4.4. 4.4.1. Die kürzeste Route zwischen der Wohnund Arbeitsstätte der Rekurrentin beträgt gemäss dem Programm "TwixRoute" 49.4 Kilometer und dauert 94 Minuten; pro Tag 98.8 Kilometer und 188 Minuten. 4.4.2. Die schnellste Route (via Autobahn) beträgt gemäss dem Programm "TwixRoute" 67.9 Kilometer und dauert 65 Minuten; pro Tag 135.8 Kilometer und 130 Minuten. 4.4.3. Der Weg über die schnellste, aber längere Route (plus 37.4 %) führt damit zu einer Zeitersparnis von 58 Minuten pro Tag (minus 30.9 %). Die Rekurrenten machen hingegen eine "Mehrzeit gegen- über der schnellsten Route von 45.31 %" geltend. Auf diesen Prozentsatz kann indes nicht abgestellt werden, da gemäss der dargelegten Rechtsprechung die Zeitersparnis bei Zurücklegung der schnellsten Route im Vergleich zur Zurücklegung der kürzesten Route (und nicht die Mehrzeit bei Zurücklegung der kürzesten Route im Vergleich zur Zurücklegung der schnellsten Route) zu berechnen ist.
4.4.4. Die vorliegend ermittelte (unter einer Stunde liegende) Zeitersparnis pro Tag bildet entgegen der Auffassung der Rekurrenten grundsätzlich keinen Grund, die Autokosten für die Umwegstrecke zu gewähren (RGE vom 20. August 2009 in Sachen C. + R.M., mit Hinweis). Weiter ist der von der Rekurrentin beantragte Umweg von 37.4 % in Prozentpunkten deutlich höher als die erzielte Zeitersparnis von 30.9 %. Der vorliegende Sachverhalt unterscheidet sich damit wesentlich von denjenigen Fällen, in denen die Kosten für die Zurücklegung der schnellsten Route gewährt wurden bzw. ist direkt vergleichbar mit dem RGE vom 20. August 2009 in Sachen C. + R.M., in welchem ein entsprechender Anspruch verneint wurde (Erw. 4.3.1). Selbst unter Berücksichtigung einer täglichen Fahrtdauer von 188 Minuten ist die geltend gemachte längere Fahrtstrecke aus steuerrechtlicher Sicht für die Erzielung des Erwerbseinkommens der Rekurrentin nicht begründet. Die resultierenden Mehrkosten sind den privaten Lebenshaltungskosten zuzurechnen.