II. Zivilprozessrecht
A. Zivilprozessordnung
3 § 2 lit. c ZPO: Befangenheit des Richters wegen Vorbefassung Ein laufendes Präliminarverfahren, in welchem unter anderem über die Abänderung von Unterhaltsbeiträgen zu entscheiden ist, erscheint nicht mehr als hinreichend offen, wenn sich der Richter in einem anderen Ver- fahren derselben Parteien im Rahmen der Beurteilung eines zu leistenden Prozesskostenvorschusses bereits dahingehend geäussert hat, dass die Un- terhaltsbeiträge im laufenden Präliminarverfahren massiv gekürzt wür- den.
Entscheid der Inspektionskommission vom 15. Dezember 2008 i.S. A.S gegen Gerichtspräsidium A. (IVV.2008.5)
Aus den Erwägungen
3. Die Gesuchstellerin bzw. ihr Vertreter gründet den Verdacht der Befangenheit des Gesuchsgegners auf dessen Äusserungen im Urteil vom 21. November 2007. Damit habe der Gesuchsgegner zum Ausdruck gebracht, dass er über die Frage der Unterhaltsbeiträge im laufenden Verfahren bereits eine vorgefasste Meinung habe. Die Gesuchstellerin macht den Ausstandsgrund der Vorbefassung geltend. 3.1. Gemäss § 2 lit. c ZPO hat ein Richter von Amtes wegen auch in den Ausstand zu treten, wenn er in einem früheren Zeitpunkt in richterlicher nichtrichterlicher Funktion mit der konkreten Streitsache schon einmal zu tun hatte (ALFRED BÜHLER / ANDREAS EDEL- MANN / ALBERT KILLER, Kommentar zur aargauischen Zivilprozessordnung, 2. Aufl., Aarau 1998, N 11 zu § 2 [zit. ZPO-Kommentar]). In einem solchen Fall sogenannter Vorbefassung stellt sich die Frage, ob sich ein Richter durch seine Mitwirkung an früheren Entscheidun-
gen in einzelnen Punkten bereits in einem Mass festgelegt hat, die ihn nicht mehr als unvoreingenommen erscheinen lassen. Anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls muss untersucht werden, ob die zu entscheidende Rechtsfrage trotz Vorbefassung noch als offen erscheint. Zu berücksichtigen ist, unter welchen tatsächlichen und verfahrensrechtlichen Umständen sich der Richter im früheren Zeitpunkt mit der Sache befasste bzw. sich später damit zu befassen hat. Von Bedeutung ist überdies, welche Fragen zu entscheiden sind und inwiefern sie miteinander zusammenhängen (BGE 126 I 68 Erw. 3c; 114 Ia 50 Erw. 3d; AGVE 1997 S. 98, Nr. 32). 3.2. [...] 3.2.1 - 3.2.3. [...] 3.3. Die obigen Ausführungen zeigen auf, dass es sich bei den beiden Verfahren nicht um die gleiche Sache handelt. Im früheren Verfahren ging es insbesondere um die Frage der Zustimmung des Beklagten zur Sanierung der Heizung in der Liegenschaft der Gesuchstellerin. Im noch zu entscheidenden laufenden Präliminarverfahren sind unter anderem die Unterhaltsansprüche Gegenstand des Verfahrens. Dieser Sachverhalt und die damit verbundenen konkreten Rechtsfragen haben mit den Sachund Rechtsfragen des mittlerweilen rechtskräftig abgeschlossenen früheren Verfahrens nichts gemeinsam, weshalb grundsätzlich keine Vorbefassung vorliegt. 3.4. 3.4.1. Eine andere Frage ist, ob sich der Gesuchsgegner aufgrund der Ausführungen im Entscheid vom 21. November 2007, "Zudem ist davon auszugehen, dass die Unterhaltsbeiträge der Klägerin im laufenden Präliminarverfahren rückwirkend per September 2006 massiv gekürzt werden. Ab Rechtskraft dieses Urteils wird somit die Klägerin für mehrere Monate keinen Unterhalt mehr vom Beklagten erhalten" (...), nicht mehr lösen und die Sache im laufenden Verfahren deshalb nicht mehr mit der nötigen Distanz und Objektivität beurteilen kann.
3.4.2. Die beanstandeten Äusserungen erfolgten im Rahmen der Beurteilung, ob die Gesuchstellerin auf einen Prozesskostenvorschuss des Beklagten angewiesen sei. Für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die Leistung eines Prozesskostenvorschusses gegeben sind, stellte der Gesuchsgegner auf diverse Grundlagen aus anderen Verfahren (Präliminarakten [...]; Eheschutzurteil vom 6. August 2001 [...]; Scheidungsverfahren [...]) ab. [...] Der daraufhin folgende Schriftenwechsel endete schliesslich mit der Verfügung vom 11. März 2008, in welcher der Gesuchstellerin (Vertreter) die Frist zur Erstattung der Widerklageduplik bis zum 20. März 2008 erstreckt wurde [...]. Die Widerklageduplik der Gesuchstellerin war noch ausstehend. Der Gesuchsgegner äusserte sich somit in seinem Entscheid vom 21. November 2007 in einem Zeitpunkt, in dem im laufenden Verfahren bereits wesentliche Teile der Rechtsschriften erstattet worden waren. Dass sich der Gesuchsgegner im früheren Verfahren auf ein anderes noch nicht abgeschlossenes Verfahren bezogen und die Kürzung der Unterhaltsbeiträge, welche ein zentrales Thema im laufenden Verfahren darstellen, als Begründung herangezogen hat, deutet darauf hin, dass er sich in Bezug auf die Frage der Unterhaltsbeiträge bereits festgelegt hat. Auch insbesondere die Wortwahl, "Ab Rechtskraft dieses Urteils wird somit die Klägerin für mehrere Monate keinen Unterhalt mehr vom Beklagten erhalten", lässt keinen anderen Schluss zu als dass sich der Gesuchsgegner bereits in einem Mass festgelegt hat, so dass die Frage betreffend Unterhaltsbeiträge im laufenden Verfahren nicht mehr als offen erscheint. 4. [...] Das laufende Verfahren erscheint demnach nicht mehr als hinreichend offen. Die Befürchtung der Gesuchstellerin, der Präliminarentscheid im laufenden Verfahren könne vom Gesuchsgegner nicht mehr unvoreingenommen geführt werden, erweist sich bei objektiver Betrachtung als begründet. Das Ablehnungsbegehren der
Gesuchstellerin ist demnach gutzuheissen und der Gesuchsgegner hat in den Ausstand zu treten.