2007 Bäuerliches Bodenrecht 281
II. Bäuerliches Bodenrecht
71 Tausch eines landwirtschaftlichen Grundstückes zwischen zwei Nicht- selbstbewirtschaftern. - Es ist fraglich, ob ein wichtiger Grund gemäss Art. 64 Abs. 1 BGBB nicht bereits deshalb zu bejahen ist, weil es sich um einen Landab- tausch zwischen zwei Nichtbeselbstbewirtschaftern handelt (Erw. II/2). - Ein wichtiger Grund gemäss Art. 64 Abs. 1 lit. d liegt auch dann vor, wenn der Erwerb zum Zweck der Schaffung eines adäquaten Schut- zes erfolgt. Vorausgesetzt ist ein gewisses öffentliches Interesse, wel- ches im vorliegenden Fall gegeben ist (Auenschutz; Erw. II/3). - Sanierungsmassnahmen können ebenfalls einen wichtigen Grund im Sinne von Art. 64 Abs. 1 BGBB darstellen (Erw. II/4). - Interessenabwägung (Erw. II/5).
Aus dem Entscheid der Landwirtschaftlichen Rekurskommission vom 25. Oktober 2007 in Sachen A. gegen S., P. und P. (5-BB.2005.50003).
Aus den Erwägungen
2. Vorab erscheint fragwürdig, ob im vorliegenden Fall ein
wichtiger Grund nicht bereits deshalb zu bejahen ist, weil es sich um
einen Landabtausch zwischen zwei Nichtselbstbewirtschaftern han-
delt. Das Bundesgericht hielt hierzu Folgendes fest (BGE 122 III
287 ff., Erw. 3/b):
"Hauptzweck der Revision des bäuerlichen Bodenrechts bildet die
Stärkung der Stellung des Selbstbewirtschafters beim Erwerb von landwirt-
schaftlichem Boden in Gestalt von landwirtschaftlichen Gewerben oder
Grundstücken. Beim Eigentumsübergang soll der Selbstbewirtschafter pri-
vilegiert werden; zu seinem Schutz wurde ein Bewilligungsverfahren ge-
schaffen, welches für ihn den Zugang zu landwirtschaftlichem Boden zu
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erleichtern hat (...). Freilich konnte und wollte der Gesetzgeber das Prinzip
des Selbstbewirtschafters nicht ausnahmslos durchführen, zumal nicht beab-
sichtigt war, ein Erwerbsmonopol für Selbstbewirtschafter zu schaffen. Aus
politischen und verfassungsrechtlichen Überlegungen durfte das bäuerliche
Bodenrecht nicht zu einem ausschliesslichen Standesrecht für Landwirte
werden (...). Entsprechend mussten Ausnahmen vom Prinzip des Selbstbe-
wirtschafters zugelassen werden, soweit sich solche als sachlich gerechtfer-
tigt erwiesen.
Vor dem Hintergrund dieser gesetzgeberischen Konzeption stellt sich
vorweg die Frage, ob Fälle der vorliegenden Art nicht schon aus grundsätz-
lichen Überlegungen unter die erwähnte Ausnahmeregelung fallen. Wenn
nämlich zwei Nichtselbstbewirtschafter in derselben Ortschaft gelegene
landwirtschaftliche Grundstücke austauschen, so bewirkt dieser Vorgang
keine Änderung in Bezug auf Bestand und Umfang von Boden, der Selbst-
bewirtschaftern gehört, und von Land, das andere Personen besitzen. Insbe-
sondere führt ein derartiger Eigentumsübergang zu keiner Benachteiligung
von Selbstbewirtschaftern und gehört deshalb nicht zu den aus der Sicht des
Gesetzgebers unerwünschten Rechtsgeschäften. Insoweit wird ein Tausch-
geschäft, wie es hier zur Diskussion steht, von der agrarpolitischen Zielset-
zung des BGBB, Selbstbewirtschafter beim Erwerb von landwirtschaftli-
chem Boden zu privilegieren, nicht erfasst. Dies führt zur Frage, ob vorlie-
gend nicht schon aus dieser Sicht das Erfordernis des wichtigen Grundes er-
füllt ist. (...)."
Letztlich hat das Bundesgericht die Frage offen gelassen, ob der
blosse Landabtausch zwischen zwei Nichtselbstbewirtschaftern einen
wichtigen Grund im Sinne von Art. 64 BGBB darstellt. Aus den zi-
tierten Erwägungen lässt sich indessen unmittelbar folgern, dass eine
derartige Konstellation speziell zu würdigen ist. Falls nicht bereits
das blosse Tauschgeschäft unter Nichtselbstbewirtschaftern als
wichtiger Grund im Sinne von Art. 64 BGBB anerkannt wird, dürfen
jedenfalls für eine Bewilligung keine erheblichen zusätzlichen An-
forderungen gestellt werden.
3.
3.1. Gemäss Art. 64 Abs. 1 lit. d BGBB ist ein wichtiger Grund
gegeben, wenn das landwirtschaftliche Gewerbe Grundstück in
einer bereits bestehenden Schutzzone liegt und der Erwerber den
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Boden zum Zwecke dieses Schutzes erwirbt. Die Bestimmung wurde
in der Praxis insofern verfeinert, als ein wichtiger Grund auch dann
vorliegt, wenn der Erwerb zum Zweck der Schaffung eines adäquaten
Schutzes erfolgt. Vorausgesetzt ist dabei ein gewisses öffentliches
Interesse (Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Luzern
vom 20. Juni 2000; zitiert in: Blätter für Agrarrecht 2002, S. 123).
Durch diese Präzisierung wird dem Umstand Rechnung getra-
gen, dass Projekte wie das vorliegende - nicht umsetzbar wären
ohne die Möglichkeit von Rechtsgeschäften, welche "nur" auf den
zukünftigen Schutz eines bestimmten Gebietes gerichtet sind. Soweit
aber ein Erwerb eines landwirtschaftlichen Grundstücks keinem (ge-
genwärtigen künftigen) konkreten Schutzzweck dient, bleibt
eine Bewilligung gestützt auf Art. 64 Abs. 1 lit. d BGBB ausge-
schlossen.
3.2.1. Die Verfassung des Kantons Aargau enthält in § 42 Abs. 6
folgende Bestimmung:
"Der Kanton Aargau schafft innert zwanzig Jahren nach Inkrafttreten
dieser Verfassungsbestimmung zum Schutze des bedrohten Lebens-
raumes der Flussauen und zur Erhaltung der landschaftlich und biolo-
gisch einzigartigen, national bedeutsamen Reste der ehemaligen Auen-
gebiete einen Auen-Schutzpark. Dieser setzt sich, ausgehend vom Was-
sertor der Schweiz, aus Teilflächen längs der Flüsse Aare und Reuss
und ihrer Zuflüsse zusammen. Er weist eine Gesamtfläche von min-
destens einem Prozent der Kantonsfläche auf."
3.2. In den Gemeinden Z. und R. befindet sich eine Auenland-
schaft, welche auf der Liste der Auengebiete von nationaler Bedeu-
tung figuriert (Anhang I der Verordnung über den Schutz der Auen-
gebiete von nationaler Bedeutung [Auenverordnung; SR 451.31]).
Der entsprechende Bereich ist im kantonalen Richtplan als "Auenge-
biet (Festsetzung)" aufgenommen. Zusätzlich wurde eine Pufferzone
als "Auengebiet (Zwischenergebnis)" festgelegt, und zwar insbeson-
dere aus zwei Gründen: Zum einen sind gemäss Auenverordnung die
Kantone verpflichtet, ökologisch ausreichende Pufferzonen auszu-
scheiden, und zum andern haben wissenschaftliche Untersuchungen
erwiesen, dass sich das Auengebiet Grien besonders für die Renatu-
rierung und die Wiederherstellung von auentypischen morphologi-
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schen Prozessen eignet (Botschaft an den Grossen Rat vom 5. Juli
2006 betreffend diverse Anpassungen des Richtplans [Botschaft],
S. 7 ff.). Der Regierungsrat führte in der Botschaft zusätzlich
Folgendes aus:
"Für die 14 Hektaren grosse Fläche im Zwischenergebnis erfolgt ein
Entscheid über die langfristigen Nutzungsabsichten aus kantonaler
Sicht. Gleichzeitig wird anerkannt, dass noch erhebliche Konflikte zu
lösen sind, weshalb noch kein definitiver Richtplanentscheid erfolgt.
Das Zwischenergebnis ermöglicht aber den freihändigen Landerwerb
im Rahmen der Vorgaben des Bundesgesetzes über das bäuerliche Bo-
denrecht sowie die Weiterführung der Planung mit dem Ziel eines An-
trages zur Festsetzung im Richtplan."
Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass das öffentliche Interesse
an der Unterschutzstellung des betroffenen Auengebietes nicht erst in
der aktuellen, sondern wenn auch weniger pointiert bereits in der
früheren Fassung des Richtplans zum Ausdruck kommt (vgl. die ent-
sprechende Darstellung in der erwähnten Botschaft).
3.2.3. Somit ergibt sich, dass generell der Auenschutz einem
grossen öffentlichen Interesse entspricht. Dieses wird durch den
Richtplan (teilweise als Festsetzung, teilweise als Zwischenergebnis)
konkretisiert. Demzufolge besteht ein erhebliches öffentliches In-
teresse daran, dass die Beschwerdegegnerinnen 2 und 3 Land in
demjenigen Bereich, welcher im Richtplan dem "Auengebiet
(Zwischenergebnis)" zugewiesen ist, erwerben und dem notwendigen
Schutz zuführen können.
3.3. Die von den Beschwerdegegnerinnen 2 und 3 erworbenen
Grundstücke liegen nicht im beschriebenen Auengebiet, sondern im
Perimeter eines geplanten Golfplatzes (im kantonalen Richtplan als
Vororientierung aufgenommen). Demgegenüber ist die Z. AG Ei-
gentümerin von zwei Parzellen, welche sich gemäss Richtplan im
"Auengebiet (Zwischenergebnis)" befinden. Es besteht eine gemein-
same Absichtserklärung für einen späteren Abtausch der Grund-
stücke (zusammen mit weiteren Grundstücken der Beschwerdegeg-
nerinnen 2 und 3).
Der umstrittene Grundstückserwerb durch die Beschwerdegeg-
nerinnen 2 und 3 wurde in der angefochtenen Verfügung mit der
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Auflage verknüpft, dass grundsätzlich innert zwei Jahren das er-
wähnte Tauschgeschäft vorgenommen werden müsse; ansonsten habe
ein Verkauf nach Massgabe der geltenden Bestimmungen des
Bundesgesetzes über das bäuerliche Bodenrecht zu erfolgen. Damit
ist gewährleistet, dass entweder die Grundstücke, welche die Be-
schwerdegegnerinnen 2 und 3 zu erwerben beabsichtigen, mittelbar
tatsächlich dem Auenschutz zugute kommen und damit dem ange-
strebten Schutzzweck dienen dass sie innert adäquater Frist
wieder abgetreten werden.
Schliesslich bleibt anzumerken, dass die einberaumte 2-Jahres-
Frist nach Massgabe der Vorstellungen, welche dem Bundesgesetz
über das bäuerliche Bodenrecht zugrunde liegen, eher kurz bemessen
ist. Art. 64 Abs. 1 lit. c BGBB ermöglicht es der zuständigen Be-
hörde, bezüglich des Abbaus von Bodenschätzen eine entsprechende
Frist von 15 Jahren anzusetzen. In Analogie hierzu wäre es der Ab-
teilung Landwirtschaft von vornherein freigestanden, eine Frist von
über zwei Jahren zu gewähren.
4. Die Beschwerdegegnerin 1 erwirbt durch den umstrittenen
Tausch Grundstücke, die an die Westseite ihres Industriegeländes an-
grenzen. Gemäss Darstellung der J. AG werden seit längerer Zeit im
Abstrombereich des Werkareals der Beschwerdegegnerin 1 erhöhte
Werte der chlorierten Kohlenwasserstoffe (CKW) Perchlorethylen
und Trichlorethylen sowie Quecksilber gemessen. Seit rund 10 Jah-
ren bestehen auf der werkseigenen Parzelle drei Sanierungsbrunnen,
um die Ausbreitung der Stoffe zu verhindern. In den letzten Jahren
wurden die Sanierungsbemühungen zusätzlich intensiviert. Offenbar
besteht aber weiterhin eine Lücke im Überwachungsdispositiv. In
diesem Zusammenhang wird es als unumgänglich erachtet, dass auf
weiteren Parzellen zwischen dem Betriebsareal und dem Rhein Boh-
rungen abgeteuft werden, worin die Grundwasserqualität überwacht
werden kann. (...) Aufgrund des Berichts erscheint das Interesse der
Beschwerdegegnerin 1 am Erwerb der erwähnten Parzellen hin-
reichend belegt. Dabei ist evident, dass es für sie mit weniger Um-
trieben verbunden ist, wenn die Sanierungsmassnahmen auf eigenem
Grund und Boden durchgeführt werden können. Schliesslich ent-
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spricht die optimale Grundwasserüberwachung und -sanierung auch
einem öffentlichen Interesse.
5. Gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung setzt die
Bewilligung eines Tauschgeschäftes nicht voraus, dass bei beiden
Vertragsparteien ein wichtiger Grund für den Erwerb vorliegt. Viel-
mehr genügt es, wenn durch das Tauschgeschäft insgesamt ein Re-
sultat erreicht wird, das als wichtiger Grund im Sinne von Art. 64
Abs. 1 BGBB anerkannt werden kann (BGE 122 III 287 ff.,
Erw. 3/d).
Für den konkreten Fall ist vorab wesentlich, dass es sich um ei-
nen Tausch zwischen zwei Nichtselbstbewirtschaftern handelt und
daher an das Vorliegen eines (zusätzlichen) wichtigen Grundes ge-
mäss Art. 64 Abs. 1 BGBB keine hohen Anforderungen gestellt wer-
den dürfen (vgl. Erw. 2). Der Landerwerb durch die Beschwerdegeg-
nerinnen 2 und 3 entspricht einem erheblichen öffentlichen Interesse
(vgl. Erw. 3); für den Landerwerb der Beschwerdegegnerin 1 existie-
ren sowohl private als auch öffentliche Interessen (vgl. Erw. 4). Ins-
gesamt ergibt sich eindeutig ein genügend gewichtiger Grund, um
gestützt auf § 64 Abs. 1 BGBB eine Bewilligung auszusprechen.
Dies gilt umso mehr, als keine gewichtigen agrarpolitischen Zielset-
zungen entgegenstehen.